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88 . Jahrgang.
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Beilagen: Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
Mittwoch, dm 24. Juni
1914
Wichtiges vom Tage.
Bisher sind 10 Leichen der bei der Sturmkatastrophe auf dem Bodensee ums Leben gekommenen Fischer geborgen; 25 bis 30 Fischer werden vermißt.
Gutsbesitzer Albert Barth, seit 1906 stellvertr. Vorsitzender des wiirit. Bundes der Landwirte, ist gestorben. Er war von 1907—1912 Vertreter des Bezirks Weinsberg in der Zweiten Kammer.
Der „Deutsche Kurier" verbreitet die Nachricht, daß der Plan einer Reise des Kronprinzen nach den Kolonien wieder ausgenommen worden sei.
Der frühere Kommandierende General des III. Armeekorps, General der Artillerie Freiherr Luitpold von Horn ist nach langem, schwerem Leiden gestorben.
Prinz Heinrich von Preußen stattete dem Admiral des englischen Geschwaders, das zur Kieler Woche eintras, einen Besuch ab.
In Berlin wurde ein Militärschreiber unter Spionageverdacht verhaftet.
Elbassan ist von den Aufständischen genommen; dis Truppen des Mbret im Süden sind erneut geschlagen worden; Prenk Bib Doda rückt nach Durazzo vor.
Bekauut»»ach««g der Direktion der K. landwirt- schaftlichen Anstalt in Hohenheim, betreffend die Aufnahme in die Gartenbauschule.
Aus den 1. Oktober werden in die hiesige Gartenbanschnle 15 Schüler zur Unterweisung in der Theorie und Praxis des Gartenbaus auf 1 Jahr ausgenommen. Die Auszunehmenden müssen:
1. das 16. Lebensjahr zurückgelegt haben,
2. vollkommen gesund und körperlich entwickelt sein,
3. im Lesen. Rechnen und Schreiben gute, im Zeichnen wenigstens einige Fertigkeit, auch genügende Befähigung zum Auffassen von gemeinverständlichen Lehr- oorträgen besitzen.
4. eine gärtnerische Lehrzeit durchgemacht haben.
Jeder Bewerber hat eine Aufnahmeprüfung in den Schul- und gärtnerischen Fächern abzulegen.
Die Anstalt gewährt freien Unterricht, ferner Wohnung, Verköstigung, die erforderlichen Schreibmaterialien u. dergl., bei gewöhnlichen Erkrankungen ärztliche Behandlung und Arznei bis zur Dauer von 14 Tagen gegen ein jährliches Kostgeld von 300
Die etwa Aufnahme findenden Nichtwürttemberger haben ein Kostgeld von 500 ^ zu bezahlen.
Km Irühtingstraum.
Von Fr. Lehne.
(20. Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)
tNttie ribo,menten erhalten den Roman gratis nachgeliefert.)
Wus fiel dem Mann ein, ihn, Wolf, zu maßregeln? Aber er war doch zu sehr Edelmann, als daß er dis Toch- ter beim Vater verklagte. — Etwas hochmütig im Ton, ein.' Entgegnung auf jene Bemerkung umgehend, sagte er:
„Sie wünschen meine Anwesenheit, Herr Ulrich — darf ich fragen, weshalb?"
„Weshalb?" lautete die etwas scharfe Gegenfrage, „weshalb? Können Sie sich das nicht denken? Oder ist Ihnen das Pap'er hier unbekannt?" Dabei schloß der Bankier ein Fach seines Schreibtisches auf, dem er ein Blait Papier entnahm, das die Form eines Wechsels Halle, entfaltete es, und hielt es Wolf vor die Augen. „Nun, Herr Leutnant von Wolfsburg. Ihre Handschrift ist Ihnen doch bekannt — oder bezweifeln Sie etwa die Echtheit dieses Namenszuges?"
„Ja, tausendmal ja," rief da Wolf aus; vor seinen Augen tanzten die Buchstaben, und nur mit Mühe sah er, daß der Wechsel am 30. Juni — das war schon morgen — fällig war. Und sein Namenszug darunter! Aeffte ihn denn ein Spuck? Die Gedanken wirbelten in feinem Kops — was war das? welcher Bube konnte gewagt haben-Wie ein Blitz durchfuhr ihn da der Ge
danke an Erwins Brief — sein Vater — sollte er — o nun war ihm alles klar! Wie erstarrt saß er da, und wie aus weiter Ferne schlug des Bankiers etwas eintönige Sttmme an sein Ohr:
„Dacht' ich mir doch, daß Sie, Herr von Wolssburg,
Die Bewerber werden ausgesordert, unter Darlegung ihrer bisherigen Laufbahn, sowie unter Anschluß einer Geburtsurkunde, eines Impfscheins, eines ärztlichen Zeugnisses über ihren Gesundheitszustand, das sich auch über etwaige frühere, der Aufnahme hinderliche Erkrankungen zu äußern hat, amtlicher Zeugnisse über Heimatrecht, Leumund und Vermögen, einer Urkunde über Einwilligung des Vaters oder Vormunds, auch, soweit sie im militärpflichtigen Alter stehen, unter Nachweisung ihres Militärverhältnisses, sich spätestens
bis zum 15. August d. I.
schriftlich hier zu melden.
Am Donnerstag, den 1. Oktober d. I. vormittags 8 Uhr, haben sich diejenigen Bewerber, die nicht ausdrücklich vorher zurückgewiesen worden sind, in Hohenheim zur Aufnahmeprüfung einzufinden.
Hohenheim, den 9. Juni 1914.
I. D.: Prof. Dr. Kirchner.
Schwerer Mo» ans dem Meusee.
Am Montagnachmittag V--3 Uhr trat (wie schon gestern kurz gemeldet) urplötzlich ein starker Weststurm aus, der sich rasch zu einem außergewöhnlich heftigen Orkan steigerte. Die Wasser aus dem See stiegen bis zu 5 Meter Wellenhöhe und schlugen mit solcher Macht über die neue Uferstraße, daß der Straßenkörper an mehreren Stellen ausgespült ist und die großen Steine desselben zum Teil weggeschwemmt wurden. Auf dem See wurde die zurzeit mit Felchenmassensängen beschäftigte Fischerflotille vom Orkan überrascht. Wer sich noch retten konnte, steuerte den Landeplätzen Langenargen und Friedrichshasen zu. Glücklich, wer diese noch rechtzeitig erreichen konnte! Mehrere Fischerkähne kenterten. Durch die Fischer Emil Otto aus Staad und Alfred Hausmann aus Egg bei Konstanz konnten 4 Mann gerettet werden. Leider hat aber der See mehrere Opfer gefordert. Etwa 100 Meter vor dem Schlosse Montfort ertranken: der 44jährige Fischer Peter Brunner, Vater von 4 Kindern, der 43jährige Fischer August Maier, Vater eines Kinde?, und ein Fischerknecht bet Peter Brunner, sämtliche von Egg bei Konstanz. Auf der Mitte des Sees ertrank der 19jährige Fischer Johann Bruderhoser von Staad. Die Leichen der vier Unglücklichen treiben im See umher und konnten noch nicht geborgen werden. Passagiere des Kurrschiffes „Bavaria" erzählten, daß sie verschiedene leere gekenterte Kähne auf offenem See bemerkt haben. Der Sturm brachte auch Gärten und Anlagen vielfach Schaden.
Ueber den schweren Orkan gibt Kapitän Glatthaar von dem württ. Kursdampfcr „Friedrichshafen" dem „Schwäb. Merkur" folgende Schilderung: Der Dampfer „Friedrichshofen" fuhr um 1 Uhr 25 Min. den Kurs nach
unmöglich leichtsinniger Weise einen Wechsel über 25 000 Mark ausstellen — Sie, ein Mustermensch, der allen zum Vorbild dienen könnte, der nicht spielt, keinen noblen Passionen huldigt und nichts tut, das ihm je Verlegenheit bereiten könnte. Deshalb habe ich Sie schon vorher benachrichtigt. ehe der Verfallstag eintritt! — Verzeihen Sie die Belästigung, da steckt eine Nichtswürdigkeit dahinter, die nicht streng genug geahndet werden kann! Ihren
Namen zu mißbrauchen-" dabei heftete Ulrich seine
Augen in erbarmungsloser Schärfe aus Wolf, der aschfahl im Gesicht, in heftigem Kampfe dasaß. O nur Zeit gewinnen, um das Enls tzliche zu fassen, daß der eigene Vater — denn so war es, wie es mit unheimlicher Klarheit vor ihm stand.
„Nein, lassen Sie," rang es sich endlich von seinen Lippen, „ich gebe zu, daß ich, daß jenes Papier von mir herrührt und werde es morgen
„Wirklich, Herr Leutnant? Sollten Sie gewillt sein, 'jene Fälschung — denn eine Fälschung ist es, wie Sie mir im ersten Augenblick durch Ihre gerechte Entrüstung ser- rieten — gutheißen zu wollen? Das müssen sehr wichtige Gründe sein —"
„Ich erkenne die Unterschrift als von mir hecrvhrend an und werde morgen mittag das Papier einkösen," sagte Wolf mit fast erloschener Stimme.
„Glauben Sie, daß Ihnen das so leicht sein wird? Bedenken Sie auch, daß, wenn es Ihnen nicht möglich ist, das Geld zu schaffen, ich den Wechsel mit der gefälschten Unterschrift nicht prolongieren werde — auf keinen Fall! Die Folgen werden Sie ja wohl wissen, wenn das Papier Ihrem Regimentskommandeur vorgelegt wird."
Wolf sah dieser Wahrheit die Worte ein und erkannte, daß der Mann da vor ihm ihn vollständig in den Händen
Lindau. Schon auf der Höhe von Eriskirch tobte ein gewaltiger Weststurm, so daß die Wellen über das Vorderdeck des Schiffs schlugen und auf der vorderen Galerie des Dampfers das Wasser floß wie auf einer Straße nach einem gewaltigen Gewitterregen. Der Sturm brach plötzlich los und der See tobte von Grund aus. Im Hafen von Langenargen legte der Dampfer an, um Passagiere an Land zu geben, doch konnte er' seine Fahrt kursgemäß nicht fortsetzen, da sich etwa 25 Fischerboote am Hafeneingang befanden und sich durch Einfahrt in den sicheren Hasen zu retten suchten. Mit 20 Min. Verspätung konnte der Dampfer den Kurs nach Lindau sortsetzen. Auf der Höhe von Tunau bemerkte Kapitän Glotthaar ein Fischerboot, das mit dem Sturm rang. Er befahl, den Dampfer nach dem Boot zu steuern. Im Boot saß ein einzelner Fischer, Ludwig Deininger aus Ar» bon, geistig und körperlich erschlafft ob der gewaltigen Anstrengung und Angst. Der Wellengang spülte das schwankende Fahrzeug so hoch, daß die Matrosen des Dampfers den Todesmatten erfassen und an Bord nehmen konnten! Er erzählte dem Kapitän Glatt haar, daß ein Dootsinsasse, Josef Rief aus Arbon, bereits ertrunken, und Laß er auch ein anderes Boot neben sich habe kentem und untergehen sehen. Auf der Höhe von N-nnenhorn fand Kapitän Glatthaar ein weiteres Boot, deren Insaffen, die Fischer Anton Butscher und Anton Gardemann aus Arbon. durch die Ueberbordleiter des Dampfers ausgenommen und gerettet werden konnten. Somit hat der See, was bis jetzt offiziell festgestellt ist, 5 Opfer gefordert. Kapitän Glatthaar sagte, daß der Sturm mit außergewöhnlicher Kraft gewütet hat und die Wellen des Sees über einen Personenzug, der von Bregenz nach Lindau fuhr, geschlagen haben.
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10 Leichen geborgen, SS—SV Vermißte.
ää. Friedrichshasen, 23. Juni. Es handelt sich bei der Katastrophe um 25 bis 30 Vermißte. Bis jetzt sind 10 Leichen geborgen, die zum Teil von Kursschiffen aufgefangen wurden. Ungefähr 90 Fischer konnten das User in Langenargen erreichen.
Politische Tagesberichte.
Staatssekretär Dr. Delbrück. Wir veröffentlichten am Montag eine Mitteilung über die angebliche Amts- Müdigkeit des Staatssekretärs Dr. Delbrück, der itnen vier- monatigen Urlaub antrtlt, setzten jedoch in seinen „Rücktritt" einigen Zweifel. Unsere Meldung wird von der „Nordd. Allg. Ztg." bestätigt, die folgende Erklärung abgibt: „Die von einer Berliner Korrespondenz gebrachte Mitteilung, daß der viermonatige Urlaub des Staatssekretärs des Innern, Staatsministers Dr. Delbrück, der Vorläufer seines Rück- tritts sei, entbehrt jeder Begründung."
hatte, und er wußte, daß derselbe auch dazu angetan war. diesen Vorteil voll auszunutzen. Eine dumpfe Mattigkeit und Schmerz im Kopf nahmen ihm fast die Fähigkeit zu denken, und nur mechanisch nickte er, als der Bankier ihn fragte:
„Sie haben mich doch verstanden, Herr Leutnant?"
Da rückte Herr Ulrich seinen Stuhl etwas näher zu ihm und begann in vertraulichem Tone:
„Ich meine es gut mit Ihnen, Herr von Wolssburg, Hören Sie mich an! Dieses Papier hier erschüttert Ihre Stellung vollständig — nach den Gründen, es trotzdem als von Ihnen hercührend anzuerkennen, will ich nicht forschen, obgleich es mir ein leichtes wäre!"
Wolf zuckte zusammen; doch der Bankier legte beschwichtigend die Hand auf seinen Arm und fuhr dann fort: „Nein, wirklich nicht! — Also, um mich kurz zu fassen — ich bin gewillt, die Sache auf sich beruhen zu lassen —" er machte eine kleine Pause und sah sein Ge- genüber bedeutungsvoll an.
„Um welchen Preis aber, Herr Ulrich? Denn umsonst —" stieß Wolf heiser hervor; ihm bangte vor dem, was er hören sollte — eine Ahnung begann in ihm auf- zusteigen, eine schreckliche Ahnnng — und er täuschte sich nicht. Etwas verlegen hüstelnd fuhr der Bankier fort:
„Herr von Wolfsburg, hören Sie mich ruhig an — es ist nur zu Ihrem Vorteil — Sie wissen, ich habe eine Tochter, die viel begehrt ist! Aber am liebsten würde ich sie von allen ihren Bewerbern Ihnen anvertrauen, da Sie —"
„Herr Ulrich, dazu habe ich mich nie gerechnet, wollte
auch nicht im mindesten dafür angesehen werden, da ich
kein Glücks- und Mitgiftjäger bin," rief Wolf aufgeregt,
wurde aber am Weiterreden durch die etwas eintönige
Stimme seines Gegenüber unterbrochen.