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Fernsprecher Nr. 29. 88. Jahrgang. Postscheckkonto Nr. sii3 Stuttgart

Samstag, den 80. Juni

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Beilagen: Plauderstübchen,

* Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

1914

Diese Nummer umfaßt 8 Seiten.

Zu Sommers Anfang.

Ein schöner, braungelockler Nnabe,

So naht der Sommer unfern Pöhn;

Vr naht mit goldnem Zauberstabe, Umläufe!! von des Westes Wehn.

Dir Stirn bekrön?! mit bört'gen Mehren, Umschwirr!, umgirr! von Wögelein;

Im Rinsenkörüchen sastge Beeren,

So ?ieh! er froh durch Mur und Hain.

. Ferdinand Freiligrath.

Ohne Armee kein Deutschland.

Bon Price Collier.

Price Collier, der auch in Europa bekannte namhafte amerikanische Schriftsteller, hat seine in Deutschland gewonnenen Eindrücke in einem außer­ordentlich lesenswerten BucheDeutschland und die Deutschen" niedergelegt, das in den nächsten Tagen im Verlage von George Westermann in Braunschweig erscheinen wird. Wir entnehmen dem Buche im Auszuge den besonders interessanten Abschnitt, in dem Collier die Notwendigkeit eines starken Heeres für Deutschland in dankenswerter Unbefangenheit und mit erfreulicher Einsicht nachweist.

Die Schriftltg.

Für den Amerikaner wie sür fast jeden Ausländer bedeutet das deutsche Heer nur eins: den Krieg. Meiner Ansicht nach ist das eine nur zur Hälfte zutreffende und daher gefährliche Auffassung. Dieses Heer ist seit 40 Fahren vorhanden und hat mehr dazu brigetragen,.den Frieden zu erhallen, als irgend ein anderer Faktor in Europa, abge­sehen von der britischen Marine.

Die deutsche Armee beschützt das deutsche Volk nicht nur gegen ausländische Feinde, sondern auch gegen in­ländische Krankheiten. Sie ist dank ihrer gesun­den Lehren, dem Pflichteifer, Fleiß und Geschick ihrer Offiziere und der großen Zahl ihrer Schüler die größte Hygieneschule der Welt, deren Schulung und Einfluß weiteste Verbreitung finden. Das deutsche Heer ist das Gegengift gegen den Mangel an körperlicher Zucht, den Mangel an nervigem physischen Leben. Das Heer st hi an der Stelle unseres Wilden Westens, unseres Sports und unserer Spiele, ebenso wie es die Stelle von Englands Kolonien, öffent­lichen Schulen, Sport und Spielen einnimmt. Betrachtet man es von diesem Gesichtspunkt aus und erkennt man seine Doppelaufgabe, so fallen die ungeheuren Kosten nicht so schwer ins Gewicht. Der Kostenaufwand sür das deutsche Heer geht nicht über die Summe hinaus, die wir für unser Heer, unseren Sport, unsere Spiele und unsere Kolonial­abenteuer verausgaben.

Dieses kleine kompakte Land ist geradezu das Herz Europas und umringt von Rußland, Oesterreich-Ungarn,

Kirr Irühlingstraurn.

Don Fr. Lehne.

(17. Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)

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Fhr guten Kinder! Möchte sich nur recht bald Euer Wunsch erfüllen," sagte da Frau Berger gerührt,daß Ihr recht bald Mann und Frau werdet!" Wolf und Mary sahen sich tief in die Augen war das doch ihr sehnlichster Wunsch. Nach einer kleinen Weile verabschiedeten sie sich und gingen, begleitet von Frau Bergers Dankesworten. Arm in Arm schritten sie wieder hinaus in die schweigende Nacht.Was wolltest Du fragen?" nahm Wolf zuerst das Wort.

Vorgestern Mittag sah ich Dich mit Fräulein Ulrich ach, Wolf, das tat mir so weh!"

Märchen ist doch nicht etwa eifersüchiig? Sieh, Kind, meine Stellung legt mir viele gesellschaftliche Ver­pflichtungen auf, denen ich mich unmöglich entziehen kann; ich verkehre in dem Hause Ulrich, werde dort viel ringe- laden, und deshalb kann ich das Fräulein nicht gut ver­nachlässigen, trotzdem sie mir im höchsten Grade unsym­pathisch ist."

Wirklich, Wolf?" Und fragend sah sie zu ihm empor.

Ja, Kind. Ein herzloseres, oberflächlicheres Geschöpf ist mir noch nicht vorgekommen"

Und doch wird geredet, schon lange, du würdest Dich

Italien, Schweiz, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark und dem jenseits der Nordsee gelegenen England. Wenn der europäische Friede gestört wird, befindet sich Deutsch­land in der Mitte. Nichts kann vorgehrn, ohne daß es Deutschland angeht, und zwar sehr nahe geht. Es hat in den letzten hundert Jahren zu einer oder der anderen Zeit mit Rußland, Oesterreich-Ungarn, Italien, Schweiz, Frank­reich, Belgien, Holland, Dänemark und England Krieg geführt, und außerdem haben einzelne deutsche Staaten sich untereinander bekriegt; wenigstens haben deutsche Soldaten gegen ihre Soldaten gekämpft, mochten die verschiedenen Länder nun damals politisch und geographisch wie heute oder anders beschaffen sein. Rußland zählte im Jahre 1910 bereits 160748000 Einwohner und einschließlich der Finn- ländischen Provinzen 163778000, und seitdem hat die russische Bevölkerung jährlich um mehr als 2'/z Millionen zugenommen. Die Grenzen zwischen Deutschland und Ruß­land sind nichts weiter als Sandhügel, und die russischen Vorposten lassen sich von Berlin aus in wenigen Stunden erreichen. Frankreich ist nur durch den Rhein von Deutsch­land getrennt, und es ist ein offenes Geheimnis, daß Groß­britannien vor einigen Monaten einen Plan ausgearbeitet hatte, dementsprechend es in 13 Tagen 150000 Mann an die deutsche Grenze werfen konnte, um Frankreich zu unter­stützen. Deutschlands Seehandel muß durch die Meerenge von Dover und durch den Aermelkanol hindurch dicht unter den Kanonen von Plymouth, Portsmouth, Brest und Cherbourg vorüber. Frankreich, das eine zeitlang nahezu als HllLntüttz uöxljsstzablö angesehen wurde, ist wieder ausgelebt. Als Napoleon im Jahre 1821 starb, war Frank­reich bar aller kampffähigen Männer, deren Knochen aus der ganzen Strecke von Madrid bis hinauf nach Moskau bleichten. Jetzt hat es sich erholt und ist in Bezug auf Mannhaftigkeit beinahe zu einer anderen Nation geworden. Das ist in Deutschland nicht unbemerkt geblieben. Kein Wunder, daß Deutschland in seiner Marine etwas anderes sieht als einen Winston Churchillschen Luxusartikel! Man wird aus der ganzen Sachlage und seiner früheren Geschichte entnehmen, daß Deutschland so vernünftig ist, sich nicht durch die moderne sentimentale Richtung beeinflussen zu lassen, die zu glauben vorgibt, daß die ganze Welt eine vielsprachige Schule mit bekehrten Millionären als Lehrer sei, oder wenn das nicht, dann ein Kontor, wo alle Fragen der Ehre, Rasse, Religion, der Liebe und des Stolzes, alle Fragen, die unser wallendes Blut beantwortet, durch Ab­wägen ihrer verhältnismäßigen Kosten in Gold entschieden werden.

Eine Armee oder Flotte ist unter vernünftigen Menschen ebensowenig eine Anreizung zum Krieg wie ein Polizist eine Anreizung zum Stehlen oder Totschlag ist. Eine Armee und eine Flotte sind nichts weiter als eine notwendige Vorsichtsmaßregel, die jede Nation treffen muß, so lange sie die Bekehrung der Raublusligen zur Artigkeit abwartet. Bis jetzt sind die Deutschen noch nicht von der lauen Femi­nismuswoge überholt worden, die unsere durch Wohlstand verweichlichte amerikanische und englische Kultur augen­blicklich überflutet. Es ist ein hartes Mittel, aber sowohl

mit ihr verloben! Sie ist hübsch und reich, sehr reich! Stets kauft sie die teuersten Hüte in unserem Geschäft und ist dabei so peinlich und wenig angenehm, daß jeder sich scheut, sie zu bedienen ; mich trifft stets dies Los; Frau Grindel schickt mich stets; die fürchtet sich auch vor ihr!"

Das glaube ich gern, solchen Eindruck macht sie! Ist es ihr bisher nicht gelungen, mein Herz zu erobern, ist es jetzt völlig unmöglich, die kleine Mary daraus zu ver­drängen. Bist Du mm zufrieden, Kleine?" fragte er, zärt­lich in ihre großen, leuchtenden Augen sehend und ihren Arm an sich drückend.

Ja, Wolf." sagte sie einfach.Nur gehen mir jetzt so ernste Gedanken durch den Kops ob ich Dir doch nicht hinderlich bin betreffs Deiner Zukunft. Wenn Du nicht mehr Soldat bist würde Dir denn der Dienst bei der Polizei oder an der Steuer Zusagen? Ich glaube es nicht! Ach, ich bin nur ein einfaches Mädchen, ohne Rang und Namen Du dagegen Du klopftest sicher nirgends vergeblich an, auch wenn Du Dir aus den höchsten Kreisen eine Lebensgefährtin suchen wolltest!"

Aber 'Mary"

Laß mich nur ausreden, Wolf! Da denke ich dann, es wäre vielleicht besser gewesen, wir hätten uns niemals gesehen"

Mary." unterbrach er sie erregt, ihre Hand fest pres­send.Mary, wenn Du mich wirklich lieb hast, dann sage so etwas nicht wieder oder reut es Dich vielleicht, dem armen Offizier anzugehören? Deine Schönheit könnte Dir

England wie Amerika würden an Mannhaftigkeit gewinnen, wenn sie über den Haufen geschossen würden. Wir spielen gegenwärtig mit unseren Puppen, fahren mit Biererzug- Kutschen spazieren, segeln in unseren Jachten und verzehren die Früchte der Felder, die unsere Vorfahren mit Blut und Schweiß für uns errungen haben. Deutschland hat dazu keine Zeit, besitzt noch keine Puppenstube, mit der es spielen kann, und ist vielleicht glücklicher, als es selbst weiß. Man kann auch begreifen, daß Deutschland wenig Geduld mit den unklaren Denkern hat, die behaupten, militärische Zucht mache nur Soldaten und reize den kriegerischen Ehrgeiz. Sieht es doch alle Tage, daß sie aus Jünglingen kräftigere und tüchtigere Bürger macht und jene Selbstachtung; jene Selbstbeherrschung und jenes kosmopolitische Verständnis erzeugt, die mehr als alles andere dazu beitragen müssen, die Konsliktsmöglichkeiten zu beschränken. Nichts auf der Welt beseitigt alle Streitsucht so gründlich, wie die Erziehung der Männer zum behaglichen Zusammenleben, in welchem jeder dem anderen auf den schmalen Lebenswegen Platz macht? so daß er ohne moralisches Drängeln vorbeikommen kann. Für die Schulung in dieser fundamentalen Diplo- matie gibt es keine so guten Lehranstalten wie die Armee und Marine.

Es ist schade, daß man unterMilitärpflichttgkeit" heutzutage eigentlich nur Kriegsdrill versteht. In Deutsch­land wenigstens bedeutet sie viel mehr als das. Zwei Generationen von Deutschen sind schon gelehrt worden, physisch sür sich selbst Sorge zu tragen, ohne das Schwert zu ziehen. In einem Lande freier Männer, wie England eins ist oder war, und Amerika, sollte die Militärpflicht als eine moralische nicht militärische Verpflichtung zur Rettung vor einheimischen Feinden und als Kernpunkt, um den sich die ganze Nation im Falle eines Angriffs seiten» .ausländischer Feinde versammeln kann, freudig und stolz übernommen werden. Mit der Vater­landsliebe muß es bei uns wirklich schlecht bestellt sein» wenn die ganz- Nation in zwei Klaffen zerfällt: diejenigen, die über die Besteuerung ihres Ueberflusses murren, und diejenigen, deren Zungen ihnen zum Halse heraushängen, und deren Finger sich krallen, unenvorbene Almosen in Empfang zu nehmen. Und jetzt muß zu unserer Schmach noch eine dritte Klasse genannt werden, die Staatsämter zu eigenem Nutzen ausbeuten. Wie wäre es, wenn wir uns alle aufrafften und etwas gäben, ohne dazu gezwungen zu werden? Wie würde es dann um diegelbe Gefahr" und diedeutsche Bedrohung" stehen? Es würde bei uns lange nicht so aufregend und aufreizend geschrieben und ge­redet werden, wenn unsere Nerven und Verdauungen nur bester in Ordnung wären. Nichts ist beruhigender für die Nerven, stärkender für das Selbstvertrauen und beschwich­tigender sür Streitsucht als schwere Arbeit.

Deutschland muß entweder eine starke Armee und Flotte und eine starke aulokratische Regierung haben, oder cs ist verloren.Ohne Armee kein Deutschland". Es darf nicht zugeben, daß eine dumme, alberne und erregte Mehrheit ihre Sicherheit als Nation gefährdet. Wenn Deutschland wie Frankreich regiert würde, wo sie

viel einb.ingen Geld und Macht und Glanz, was ich Dir nicht bieten kann!"

Da sah sie ihn mit einem unbeschreiblichen Blicke an, der ihn veranlaßte, nicht weiter zu reden. Sie verstanden sich schon.

Beide schwiegen; die Mondnacht umfing sie mit ihrem Zauber alles schien aufgelöst in Dust und Glanz. Ganz wie absichtslos gingen sie einen schmalen Weg, der an beiden Seiten mit dicht belaubten Bäumen bestanden war, deren Zweige ineinander faßten, wodurch kein Lichtstrahl dringen konnte, so daß es seltsam dunkel um sie her war. Zitternd schmiegte sich Mary fester an ihn.

Fürchtest Du Dich, mein Lieb?" fragte er leise, gleichsam als scheute er sich, mit einem lauten Worte den Zauber, der sie umwob, zu zerreißen. Statt aller Antwort schüttelte sie den Kopf und schaute lächelnd zu ihm empor. Gr konnte es nicht sehen aber er fühlte, das ihre Augen ihn suchten, und er beugte sich nieder, den rosigen Mund zu küssen.

Heut' sind es vier Wochen, Wolf, daß wir uns ken­nen es war auch solch eine wundervolle Nacht! Nicht wahr, Du bist glücklich?"

Unsagbar, mein Lieb! Bleibe Du mir nur treu und gut; dann bin ich zufrieden! Bisher war ich ein einsamer Mann; Deine Liebe hat mich erst gelehrt, mein Lcb.m zu lieben! Ach, Mary, wären wir nur erst vereint, dann bleibt mir nichts mehr zu wünschen übrig! Wie wollen wir dann erst glücklich sein!"