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Ireitag, den 19. Zum

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88. Jahrgang.

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Beilagen:

Plauderstübchen.

* Illuftr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

1914

Wichtiges vom Tage.

Die Verhandlungen mit dem Stuttgarter Polizeidi­rektor Dr. Bittin ger über sein Verbleiben im Amt sind ergebnislos verlaufen. Es ist nunmehr entschieden, daß Dr. Bittinger Stuttgart verläßt.

Der Statthalter v. Dallwitz hat zu einem Diner von den Mitgliedern der Steuerkommisston des Landtages allein die Sozialdemokraten und Wettert« nicht eingeladen.

In der nordamerikanischen Stadt Champaing wurde auf den de u 1 schen Bo t s ch as te r Gras B ern st o r ss geschossen.

Bei Tschudnow (Rußland) soll ein folgenschwerer Anschlag auf den Zaren gemacht worden sein.

Gerüchte an der Berliner Börse wollten wissen, daß Durazzo erobert und der Mbret gefangen oder gefallen sei. Dis regelmäßigen Drahtverbindungen sind unterbrochen. Nach einem Funkspruch ist die Lage äußerst kritisch.

Der Troßschiffahrtsweg Berlin-Stettin, derHohen- zollernkanal", wurde seiner Bestimmung übergeben.

Der LloyddampserKaiser Wilhelm II" ist im Aermelkanal von einem englischen Dampfer ange- rannt worden. Er hat aber keinen bedeutenden Schaden erlitten.

Der deutsche Dampfer Bülow ist bei Portland auf Grund geraten.

Die Pforte hat sich in einer Note an die Mächte gewendet, in der sie die Griechenaustreibungen als über­trieben schildert.

Die chinesischen Rebellen, derWeiße Wolf", haben die Regierungstruppen durchbrochen und dringen plündernd weiter ins Land ein.

K. HberarnL Wcrgokö.

Marktverbot in Herrenberg.

Das K. Oberamt Herrenberg hat den Samstag. Schweinemarki in Herrenberg bis auf weiteres verboten. Nagold, 18. Juni 1914. Amtmann Mayer.

Die Aufgaben der Nationalliberalen.

Der Wille, die Einigkeit und Geschlossenheit der natio­nalliberalen Partei wiederherzustellen, tritt in den Reihen der Partei immer stärker hervor. Auch aus dem soeben in Neuwied abgehaltenen rheinischen Bertretertag ist der Ein­heitsgedanke wieder stark betont worden. Einen bemerkens­werten Appell zur Einigkeit richtete bei dem Festmahl, das den erwähnten Parteitag schloß, Abg. Bassermann an die dort Versammelten. Er fühlte u. a. folgendes aus:

Man schaut gern an solchen Tagen zurück auf ver­gangene Zeilen. Sie wissen, die 70er Jahre waren glän­zende Jahre für die Nationalliderale Partei. Und dann eine Zeit, in der die Sezession die Kraft und die Herrlich­keit dieser liberalen Macht zerstört hat. Die mächtige Partei, die einst 150 und mehr Mandate besaß, als dis Sezession des linken Flügels erfolgt ist, sank zurück auf 50 Mandate, ein warnendes Beispiel auch für die heutige Zeit. Wenn in der langen Zeit, in der ich die Ehre habe, an der Spitze der Partei Zu stehen, ich mich immer gewehrt habe gegen das Austauchen des Gedankens einer neuen Sezession, so war das hsroorgegangen aus den Erfahrungen jener Ausgangsjahre des ersten Jahrzehnts des Deutschen Reiches. Es ist cm Kleines gewesen, wenn wir heule da­raus Hinweisen können, daß die Zahl der nationalliberalen Wähler längst anderthalb Millionen überschritt, und daß wir hoffen können, bei den kommenden Wahlen auf zwei Millionen aufzusteigen. Dieser Ausstieg aber ist natür­lich nur möglich, wenn der Wille zur Einigkeit und damit der Wille zur Macht in der Partei obwaltet. Das ist die Frage des Tages.

Unsere Zukunft wird sichergestellt sein, wenn wir die beiden großen Richtungslinien unserer Partei immer im Auge behalten: national und liberal. Natio­nal. Ich meine, das kann uns doch niemand bestreiten, daß wir in den großen nationalen Fragen der hinter uns liegenden Jahre und wo gäbe es eine größere Frage als die Wehrkraft des Reiches? in den ersten Reihen gestanden haben, daß wir über Regierungsweisheit hinaus dis Unzulänglichkeit der deutschen Rüstung erkannt haben, daß wir keine Chauvinisten, aber ehrliche Patrioten sind, daß wir, besorgt um die Zukunft unseres Vaterlandes, den Finger in die Wunde legten und hinwiesen, wo unsere Rüstungen ungenügend sind. Wir standen treu zur Idee des deutschen Flottengrsetzes. Wir haben nie die Bewil­ligung von Gegenforderungen abhängig gemacht, und das gilt auch für unsere Kolonialpolitik, die wir unbeschadet des hohen Wertes der Missionen doch nie von den Missionen als solchen abhängig gemacht haben.

National und liberal! Liberal, das müssen wir bleiben. Wenn wir das nicht mehr sind, dann hat die Nationalliberale Partei die Existenzberechtigung überhaupt verloren. National und liberal sind wir auch in der Be­kämpfung der Sozialdemokratie. Wir wollen die Sozial­demokratie bekämpfen, wir hoffen sie zu überwinden in dem modernen Staatsgedanken. Die Sozialpolitik des Fürsten Bismarck ist fortgesetzt worden. Wir sind uns als Männer des praktischen Lebens bewußt, Sozialpolitik kann nur ge­trieben werden, zumal nach den großen erledigten Ausgaben der Reichsversicherungsordnung und der Angestelltenoersiche­rung in der schonenden Weise, daß die Produktion dadurch nicht erdrückt oder geschädigt wird. Die Sozialpolitik, die wir wollen, soll sich vollziehen in dem Zusammenwirken der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und unter der Schonung, die vor allem der deutsche Mittelstand verlangen kann.

Der Wille zur Einheit muß uns beseelen, der Gedanke an die große Zeit der Partei und der Gedanke

an die Ursachen, die den Rückgang Ende der 70:r Jahre herbeigesührt haben. Darum lassen Sie uns arbeiten! Einst und jetzt. Ich meine, die Notwendigkeit der Partei ist heule noch klar erwiesen, einer Partei, selbstlos, in schweren nationalen Lagen für die Sicherheit des Vaterlandes ein- tretend und jederzeit bereit, große Opfer zu bringen, eine Partei, die ihre Politik unabhängig von rechts und links macht. Wir sind nicht, und wollen es nicht werden, der linke Flügel einer Koalition von Konservativen, Frei- konservativen und Zentrum. Auch sind wir nicht, und das noch weniger, der rechte Flügel von Sozialdemokratm und Fortschrittlicher Bolkspartei. Davon kann keine Rede sein. Wir wollen uns leiten lasten von großen nationalen Ge­sichtspunkten, die uns unser liberales Programm, unsere wirtschaftliche Notwendigkeit gibt, die unser deutsches Volk zu fordern hat."

Der nationalliderale Bertreieriag in Neuwied beschäf­tigte sich sehr lebhaft mit der Frage der Auflösung der Sonderorganisationen. Der Delegierte Könne- Elbe!selb begründete folgende Entschließung:Der Bertretertag der NationaUiberalen Partei der Rheinprooinz begrüßt die aus den Beschluß des Zentralvorstandes einge- leiteten Beihandlungen mit dem Reichsoerband der All- narionalliberalen und der Nationailiberalen Jugend zur Herbeiführung der dringend notwendigen inneren Ge­schlossenheit der Partei. Er erkennt die Verdienste der nationailiberalen Iugendoereine um die Partei an und hofft, daß deren weitere ersprießliche Betätigung in der Parteiorganisation gesichert bleibt." Die Entschließung wurde gegen wenige Stimmen angenommen; dagegen lehnte der Bertretertag einen Zusatzantrag, daß er in der Auslösung der beiden Reichsverbände die Möglichkeit sehe, die not- wendige Geschlossenheit in der Partei zu erlangen, mit großer Mehrheit ab. _

Ein Schuß aus einen deutsche« Botschafter.

Ein außerordentlicher Vorgang hat sich am Mittwoch in einer nordamerikanischen Stadt abgespielt. In Cham- paing (Illinois) ist der deutsche Botschafter Graf Bernstorsf knapp dem Tode entgangen, als eii Polizei- beamter aus das Automobil feuerte, in dem sich der Botschafter zu der Semestereröffnungsfeierlichkeit an der Universität nach Illinois begab. Der Polzieibeamte erklärte, er habe nur aus die Gummireifen des Automobils geschossen. Ein Insasse des Automobils dagegen erklärte, der Polizeibeamte habe auf die Insassen des Automobils gezielt. Der deutsche Botschafter selbst hat dem Vorfall keine größere Bedeutung beigemessen, da es sich seiner Ansicht nach nur um einen Zufall gehandelt hat, und der Polizist das Automobil nur Hab anhalten wollen, weil es seiner Meinung noch zu rasch gefahren sei. Der Bürger­meister hat den Polizisten entlassen, aber keinen Strafantrag gestellt. Der deutsche Botschafter wohnte der Semester- schlußseier der Universität Illinois bet, welche ihm die Würde eines Ehrendoktors der Rechte verlieh.

Gin IrüMngslraum.

Bon Fr. Lehne.

(16. Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)

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V.

O laß dich halten, gotdne Stunde,

Die nie so schön sich wieder 'beut!

So Brust an Brust, so ganz mein eigen, So halt ich dich, geliebtes Bild!

Es rauscht die Nacht, die Lippen schweigen, Und Seele tief in Seele quillt.

Ich bin dein Glück, du meine Wonne,

Ich bin dein Leben, du mein Licht,

Was soll uns Tag, was soll uns Sonne?

Du schöne Nacht, entflieh uns nicht!

Otto Roquette.

Eins zauberisch schöne Nacht, so warm und schmeichelnd die Lust, so durchtränkt vom Dust der Rosen und dem be­täubend süßen Geruch der Akazien, so verheißungsvoll in der Stille, die nur von den schluchzenden Sehr,suchtslauten der Nachtigall unterbrochen wurde, daß heut' jeder Kummer, jedes Weiterdenken aufhören mußte!

Zwei Tage nicht gesehen! O Liebster, wie ist mir die Zeit lang geworden." flüsterte Mary, sich innig in Wolfs Arm schmiegend wie immer saßen sie unter der großen Linde, wo es so köstlich in der stillen Dämmerung war.

Und wie ich mich nach Dir gesehnt habe, Maus.

brauche ich wohl nicht erst zu sagen," entgegnete er, sie mit entzückten Blicken betrachtend,wie schön Du wieder aus­siehst !"

Du Schmeichler," lächelte sie, mache mich doch nicht eitel!" Und wieder kosten sie miteinander.Du, Wolf, hast Du auch Dein Bild für Bergers mitgebracht? Wir hatten es ihnen versprochen."

Natürlich, mein Lieb! Ich vergesse nichts, was ich einmal gesagt!"

Dam?lasse es uns hintragen; ich habe das meine auch!"

Warte doch noch bis nachher; wollen wir nicht den schönen Abend noch für uns genießen? Es ist doch so köst­lich," bat er.

Das können wir trotzdem noch. Ich möchte Mutter Berger noch eine Kleinigkeit geben; sie ist nicht gern allein; ihr Mann ist bei Wilhelm. Nachher möchte ich Dich noch etwas fragen."

Dann komm, Maus! Wir halten uns aber nicht lange auf; denn auch mir liegt etwas am Herzen wegen neulich." Er nahm ihr ein kleines Paketchen ab und sie gingen zu Frau Berger, mit großer Freude von ihr be­grüßt.

Ich habe ja schon gewartet; mir ist so gruselig; Berger ist heute mal zu Wilhelm gegangen. Gegen 10 wollte er zurück sein."

So spät ist's ja noch lange nicht, Mutter Berger!" meinte Wolf.

Nun setzen Sie sich man, Fräulein Mariechen (sie

konnte sich an das f.emdklingende Mary nicht gewöhnen). Fräulein Mariechen trinkt ein Glas Limonade, ja?" Und während die Alte geschäftig hin und her eilte, öffnete Mary das Paket und nahm eine hübsch garnierte schwarze Haube, sowie ihr Bild heraus.

Was soll das?" fragte er.

Paß nur auf, mein Schatz, wie sie sich freuen wird. Die Haube habe ich gestern abend gearbeitet und dabei an Dich gedacht, wie Du Dich im Kasino amüsieren würdest!"

Wie hübsch von Dir! Ach, und Dein Bild!" Entzückt betrachtete er es und führte es dann an seine Lippen.

Geh, Wolf was tust Du? Du hast mich doch!" Und sich auf die Fußspitzen stellend, reichte sie ihm mit allerliebster Geberde den Mund zum Kusse.Nun aber schnell Dein Bild, Liebster!"

Frau Berger trat da mit der Limonade herein.Für den Herrn Leutnant habe ich eine Flasche Bier, die er hoffentlich nicht verschmähen wird!" Man sah ihr an. wie freudig erregt sie war, ihren Gästen etwas anbieten zu können.

Das ist recht, Mütterchen," sagte Wolf freundlich, ich habe gerade viel Durst, und Wasser ist so dünn!"

Mutter Berger, sehen Sie doch nur." rief da Mary freudig. Die Alte trat an den Tisch. Ihr erster Blick fiel aus die Bilder.O je, o je nein so was und so ähnlich, wie aus den Augen geschnitten!" Und ab­wechselnd betrachtete sie bald das eine, bald das andere Bild.