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Juni. Die Landschaften brachten ihre Beschwerden vor, der Herz-g verteidigte sich und endlich verhandelte man über die Geldverwilligung und die dagegen zu gewährenden Rechte und Freiheiten. Nachdem beide Teile in einigen Stücken nachgegeben hatten, wurde der Entwurf eines Vertrages aufgesetzt und dieser selbst am 8. Juli von dem Herzog und der Landschaft angenommen.
Der Herzog mußte, wie E. Schneider darüber berichtet, versprechen, die Reichslagsabschiede gegen Gotteslästerung und Zutrinken durchzusühren, übermäßiges Dienstgeld abzubestellen, die inländische Ritterschaft vor anderen zu bedenken, Räuber zu bestrafen, die Rechnungen des Landschreibers persönlich abzuhören, bei der Kanzlei taugliche Leute einzustellen, den Amtleuten jedes Prioatgewerbe verbieten, die Fapnachthennen in Geld abtragen zu lassen, bei Verleihung der Pfründen die Landeskinder zu bevorzugen, mutwillige Beschädigungen durch seine Reisigen und Forstleute zu verbieten, bei allen Beamtungen Ordnung zu schaffen, für Aufnahme von Eingeborenen tn die Klöster zu sorgen, dem Uebermut des Hofgesindes zu steuern, den Wildschaden einzuschränken, das Recht der Städte aus Besetzung ihrer Aemter zu wahren, die Münze im Einverständnis mit der Landschaft zu regeln, Geschenkannahme der Beamten zu ahnden, die Frohndienste zu ordnen, schädliche Monopole abzustellen. Die einzige Klage, die der Herzog durch ein persönliches Eingreifen zum Verstummen brachte, war die gegen Kanzler, Marfchall und Landschreiber, denen Eigennutz oorgeworfen worden war. Dafür übernahm das Land aus 5 Jahre je 22000 Gulden an den laufenden Ausgaben des Herzogs, wozu noch entsprechende Beiträge der Klöster und dem Lande nichteinoerleibter Aemter kamen, ferner zur Deckung alter Schulden 800 000 Gulden. Dafür sollte der Landschaden, d. h. jede außerordentliche Steuer abgeschasst werden, so daß der Herzog mit seinen herkömmlichen, pri- oatrechtlich begründeten Einkünften auszukommen hatte. Endlich wurde noch vereinbart, daß Kriege zur Verteidigung des Landes und der herzoglichen Herrlichkeit oder zum Schutze der Verbündeten mit Rat und Wissen der Landschaft geführt werden, solche, die der Herzog aus anderen Gründen beginnen wollte, nur mit Willen derselben; während eines Krieges solle die Abbezahlung der Schulden ruhen. Ein weiteres wichtiges Zugeständnis des Herzogs war das nur in den ersten Jahren beschränkte Recht der Auswanderung. Außerdem sollten keine Teile des Landes ohne Zustimmung der Landschaft verpfändet, die Prinzessinnen nach dem Ermessen der Körperschaft ausgesteuert, heimlich Angeklagte nicht ohne rechtliches Urteil bestraft werden. Den Schluß bildeten schärfere Bestimmungen über die Huldigung der Untertanen und Züchtigung der Ausrührer.
Das war der Tübinger Vertrag, der Grundpfeiler der Verfassung Al Württembergs, der am 10. Januar 1515 vom Kaiser Maximilian bestätigt wurde. Für die ersten Tage des Juli wird Tübingen eine 400jährige Erinnerungsseier daran veranstalten, an der das ganze Land teilnehmen wird.
Der Kaiserbesuch in Konopifcht.
Dem deutschen Kaiser wird anläßlich seines Besuches beim österreichischen Thronfolger tn Konopifcht in der Presse eine herzliche Begrüßung zuteil. So schreibt das „W jener Fremdenblatt": Der Besuch Kaiser Wilhelms auf Konopifcht gibt neuerlich der vertrauenden herzlichen Beziehungen kund, welche zwischen ihm und dem Erzherzog- Thronfolger bestehen. In ihnen findet das Verhältnis aufrichtiger treuer Freundschaft, das die beiden Monarchen und die beiden Herrscherfamilien einigt, seine Bekräftigung und dos Bündnis, mit welchem die beiden Reiche unerschütterlich zueinander stehen, seine harmonische Ergänzung und Vertiefung. Wenn Kaiser Wilhelm beim Erzherzog Franz Ferdinand zum Besuch erscheint, wenn der erlauchte Hausherr von Konopifcht und sein kaiserlicher Gast in freundschaftlichem Beisammensein ihre herzliche Intimität zum Ausdruck bringen, so wird damit der Welt neuerlich der Charakter der Alltanz der be i- den Kaiserreiche vor Augen geführt als ein Bund,
durch die ein Lichtschein schimmerte. „Wer ist da?" tönte eine Stimme von innen. „Gewähren Eie uns für ein Weilchen Zuflucht", bat Wolf. Einen Augenblick später wurde die Tür ausgeschlossen; der Friedhofswärter musterte die Draußenstehenden mit erstaunten Blicken und sagte dann kurz: „Kommen Sie herein!" Mary und Wolf traten in das einfache saubere Stübchen. Eine Hängelampe verbreitete ein mildes Ltcht; auf dem Sofa saß eine ältere Frau, die bei dem Eintreten der Fremden das Gesangbuch, in dem sie las, aus den Tisch legte und sich erhob. Auch sie war sehr erstaunt über die späten unerwarteten Gäste; jedoch sagte sie nichts, sondern mar Wolf behilflich, die zitternde Mary aus ihrer Umhüllung zu befreien.
„So. mein Herz, jetzt bist Du im Sichern — jetzt fürchtest Du Dich nicht mehr, nicht wahr?" fragte er liebreich.
„Nein, Wolf! Aber Du — Du bist ja ganz durchnäßt", sagte sie erschrocken.
„Das tut nichts", lächelte er, den Rock wieder anziehend, „es wäre schlimm, wenn ein Soldat nicht einmal ein wenig Regen vertragen könnte!"
„Wollen Sie sich nicht setzen?" fragte der Alte. Er trat näher auf Wolf zu und sah ihn prüfend an. „Sie waren gestern abend schon hier?"
„Ja," entgegnete der Angeredete, mit einer leichten Verlegenheit kämpfend, „ja — ich weiß, ich bin Ihnen Aufklärung über unser seltsames Erscheinen an diesem Orte schuldig. Wir beide" — er deutete aus Mary dabei, — „wir beide haben uns lieb, können uns aber nur an einem
an dem ebensosehr die Vernunft wie das Gefühl ihren Anteil haben. Es ist ein wirklicher Freundschaftsbesuch. den der deutsche Kaiser seinem Freunde Erzherzog Franz Ferdinand auf dem vom Blütenzauber des Frühlings erfüllten Konopifcht abstattet.
Die „Reichspo st" führt aus: DieZusamenkunft Kaiser Wilhelms mit dem Erzherzog Franz Ferdinand ist ein neuerliches Zeichen für die herzlichsten und innigen Beziehungen, welche Deutschland und Oesterreich, sowie ihre Fürsten in unerschütterlicher Stärke verbinden, und von diesem Standpunkt aus kann man den Besuch in Konopifcht auch auch als eine hocherfreuliche politische Erscheinung bewerten.
Beneschau, 12. Juni. Der deutsche Kaiser ist heute Morgen 9 Uhr hier eingetroffen und vom Erzherzog-Thronfolger. dessen Gemahlin und Kindern empfangen worden. Die Begrüßung war überaus herzlich. Das Publikum bereitete den fürstlichen Herrschaften begeisterte Kundgebungen. Unter 21 Salutschüssen wurde in Automobilen die Fahrt nach dem Schlöffe Konopifcht angetreten.
Ministerium Ribot gestürzt.
Paris, 12. Juni. Nach einer sehr bewegten Debatte wurde die von dem geeinigten Radikalen Dalimier und Genossen eingebrachte Mißtrauenstagesordnung mit 306 gegen 262 Sümmen angenommen. Das Abstimmungs- resultat wurde von der ganzen Linken mit stürmischem Beifall begrüßt. Die Minister verließen sofort den Saal, um dem Präsidenten der Republik ihre Demission zu überreichen.
Nach dem Sturze begaben sich die Minister ins Elysse und überreichten dem Präsidenten ihre Demission. Ribot erklärte: „Ich habe meine Pflicht gegenüber meinem Lande erfüllen müssen und empfinde nicht das geringste Bedauern." Ein anderer Minister erklärte seinen Bekannten gegenüber, daß die sozialistischen Abgeordneten, ihre Absicht, den Präsidenten durch das Mißtrauensvotum zu treffen, gar nicht verborgen hätten. Einer der sozialistischen Abgeordneten sagte in den Wandelgängen der Kammer: „Nächsten Monat gehen wir alle nach Versailles zur Präsidentenwahl." Es ist anzunehmen, daß der ungeduldige Herr sich doch noch wird gedulden müssen.
Die Größe der Mehrheit, die sich gegen das Kabinett Ribot aussprach, hat selbst unter den geeinigten Radikalen Ueberraschung heroorgerufen. In parlamentarischen Kreisen nimmt man es als selbstverständlich an, daß der Präsident der Republik einen der Führer der geeinigten Radikalen mit der Bildung des neuen Kabinetts betrauen müsse. Nach den letzten Meldungen ist es höchst wahrscheinlich, daß Diviani das neue Ministerium übernehmen wird. _
4 Millionen für Kleinwohnnngsbante«. In
den Reichsetat für 1915 sind vier Millionen Mark zur Förderung des Kleinwohnungsbaues durch das Reich eingestellt. Für Zwecke der Wohnungsreform sind bisher von dem Reich 49 Millionen Mark ausgewendet.
Sozialdemokratische Landesversammlnng. Die Landesoersammlung der Sozialdemokraten Württembergs wird am 25. und 26. Juli zu Eßlingen abgehalten. Auf der Tagesordnung steht außer den üblichen Jahresberichten der Kampf um die Jugend, sowie die Neuwahl von Landesoorsland und Landesausschuß.
Aus Stadt und Land.
Nagold, 13. Juni 1914.
Die Passionsblume (?L88iüora L.) ist hier gewiß ein seltenes Gewächs. Es dürfte für manchen Freund der Botanik interessant sein, zu wissen, daß sich ein solcher Strauch im Gewächshause des Gärtners Hermann Raaf, Haiterbacherstraße, befindet. Die Passionsblume ist ein kletternder Halbstrauch, der größtenteils in Amerika vorkommt. Die weiß violetten Blüten haben einen langgestielten,
dritten Orte sprechen, da die junge Dame ganz allein steht!"
„Und da haben Sie nun den Friedhof dazu erwählt? Sonderbare Wahl!"
„Es blieb uns nichts weiter übrig," sagte Mary leise. „Wo anders wird man so gesehen -"
„Ach, und Sie haben Grund, das zu fürchten, Fräulein ?" fragte der Alte, sie groß ansehend. Wolf war dieses Benehmen sehr unangenehm; jedoch konnte er weiter nichts dagegen tun, da jener im Rechte war. Darum sagte er ruhig:
„Ich sehe, daß Sie — und mit Recht — höchst verwundert über uns sind. Ich gebe Ihren die Versicherung, daß Sie uns ohne Besorgnis Ihre Gastfreundschaft geben können — die Dame ist meine Braut! Sind Sie nun zufriedengestellt?"
„Ja. ja," entgegnete der Alte — „es wäre aber nichts Neues, wenn es anders wäre! So junge Dinger lassen sich leicht von der Uniform blenden, und die Herren Leutnants nehmen es auch nicht so genau! — Aber Ihnen glaube ich; ich habe schon vieles von Ihnen gehört; Sie sind doch der Leutnant von Wolfsburg?"
„Sie kennen mich?" fragte Wolf verwundert.
Der Alte nickte. „Ja, setzen Sie sich nur erst — da aufs Sofa neben Ihre Braut. Zittern Sie nur nicht so, Fräulein, Sie sind beim alten Berger gut aufgehoben; und das Gewitter tut uns auch nichts, wenn es der liebe Gott nicht will! — Man muß nur immer erst wissen, wen man vor sich hat! Ich bin nun schon ein alter Mann, da kennt man manches vom Leben. — Also woher ich Sie kenne.
einen blauen Fadenkranz, drei keulenförmige Griffel, in welchen man die Marterwerkzeuge Christi zu erblicken glaubte, und beerenartige Früchte. Die einzelne Blühte blüht nur einen Tag.
Ei« starker Gewitterregen kam Samstag früh über unsere Stadt. Gegen 11 Uhr war die wässerige Geschichte vorbei. Hoffentlich kommt nun das ersehnte Heu- wetter!
r Mahnung zur Vorsicht. Das 13jährige Töchter- chen Sophie des Taglöhners Franz Maier in Oberkirch i. B. hatte vor einigen Tagen Kirschen gegessen und Wasser darauf getrunken. Kurze Zeit nachher verspürte das Kind Unwohlsein, das immer stärker wurde, bis die Kleine schließlich unter großen Schmerzen starb. Der Fall bildet wieder eine ernste Mahnung. _
o Pfrondorf. Gewiß auch ein „freudiges Ereignis" wurde dem Bauern Bsrenner von hier, indem eine Henne ein 98 Gramm schweres Ei legte. Es soll sich dabei um keine besondere Rasse handeln.
Ans de» Nachbarbezirke«, o Rottenbnrg. Vom schönsten Wetter begünstigt, fand die Fronleichnamsprozession statt. Bischof Dr. o. Kepp- ler trug das Sanctissimum und sämtliche hiesige Dereine nah- men teil. Groß war wieder der Fremdenzuzug: viele besuchten auch die Gemälde-Ausstellung.
p Rottenbnrg. Der Bischof wird den Alumnen des Priesterseminars am 22. Juli die Priesterweihe erteilen.
a Calw. Das diesjährige Kinderfest wickelte sich in dem herkömmlichen Rahmen ab. Früh machte die Jugend- Kapelle Tagwache. Der Vormittag diente Kindern und Eltern zu Vorbereitungen für den am Nachmittag abzuhaltenden Festzug. Dieser nahm den Weg über den Marktplatz durch die Badgasse, über die neue Brücke durch die Bahnhofstraße nach dem Brühl. Dort hielt Rektor Beutel eine an die Kinder und an die Alten ffich lichtende Ansprache, worauf die Menge und die Kinder, begleitet von der Musik, mit Paul Gerhards „Geh aus, mein Herz und suche Freud'" antworteten. Alsdann kamen die Spiele an die Reihe und mit ihnen das Austeilen der Gaben. Auf dem Festplatz spielte die Stadtkapelle, das Karussell tat feine Schuldigkeit nach Kräften, das Kasperltheater entfaltete seine Herrlichkeiten und in der Turnhalle vergnügten sich die Leute mit Bolzenschießen. Bald sah man auch Ballons aufsleigen, die nach ihrem Zerplatzen in der Luft gar merkwürdige Gebilde herabsallen ließen. Um ^ 7 Uhr war alles Volk auf dem Marktplatz versammelt, wo es sich um Dekan Roos scharte, der tn einer liebevollen Ansprache die Eindrücke des Festes zusammensatzte. Und dann stieg, als schöner Ausklang des Kinderfestes, der Dankchoral „Nun danket alle Gott" zum Himmel.
r Neuenbürg. Ein Pfinzweiler Dieb namens Kling verlegt sich aufs Räubern von Fahrrädern und hat in Wilhelmshöhe schon zwei solche gestohlen.
r Baiersbronn. Der Reisende Wandres der El- säßer Mühlenwerke von Kehl fuhr aus dem Rad die neue Straße herab und verlor die Herrschaft über sein Rad. Er stieß mit einem dort stehenden Langholzwagen zusammen und wurde gegen den Sperrbengel geschleudert. Er erlitt schwere Verletzungen am Kopf und an der Hand, ferner wurden ihm mehrere Rippen gebrochen.
r Stuttgart. Die erste ordentliche Generalversammlung des Württ. Industriekohlen-Dereins G. m. b. H. hat am 6. Juni stattgefunden. Dem Verein gehören zur Zeit an: Der Verband Württ. Industrieller E. B., die Stadtgemeinden Ludwigsburg. Heilbronn, Reutlingen, Stuttgart, Ulm, die Kohlenkonsum-Vereine Cannstatt, Göppingen, Ravensburg, Reutlingen, die Schwäbische Gipsverkaufsstelle G. m. b. H- Stuttgart und der Württ. Brauereiverband G. m. b. H. Stuttgart. Aus den Mitteilungen des Geschäftsführers Frantz ging hervor, daß sich der Umsatz gegen das vorige Jahr, wo der Verein nur eine lose Organisation hatte, sich vervierfacht hat, und daß die Gesellschaft, die bei
Herr Leutnant," wandte er sich an Wolf, der neben Mary
saß und den Arm um sie gelegt hatte - „mein Enkel, Wilhelm Berger, ist nämlich in Ihrer Kompagnie, und der erzählt immer von seinem Leutnant, daß der der beste vom ganzen Regiment wäre — so einen guten gäb's nicht mehr!"
Wolssburg wehrte ab. Glücklich aber schaute Mary zu ihm auf und sagte: „Ja das ist wahr!" Gleich darauf schauderte sie wieder zusammen, denn ein krachender Donner ließ das Haus in seinen Grundfesten erbeben. Das Gewitter tobte noch in unverminderter Heftigkeit fort, und an ein Fortgehen war vorläufig noch nicht zu denken. „Wie kommen wir nur nach Haus?" klagte Mary, „es wird so spät."
„Sorge Dich darum nicht, Lieb! es ist kaum zehn vorüber, und ewig kann es nicht dauern," sagte Wolf.
„Weißt Du, Alte," wandte sich Berger an seine Frau, „weißt Du, Du kochst für dar Fräulein eine Taffe Tee, und da trinkt der Herr Leutnant auch davon — besser ist besser, sonst könnte er sich noch was holen, und das Fräulein nimmt nachher ein Tuch von Dir!" Wolf widersprach nicht, um nicht zu beleidigen. Er nahm sein Zigarrenetui aus der Tasche und reichte es dem Alten. „Wollen wir n'cht eine Zigarre zusammen rauchen?" fragte er freundlich, „da uns das Wetter zusammengebracht hat, wollen wir es uns auch gemütlich machen!"
„Danke schön, Herr Leutnant, ich nehme gern eine. Mein Endel bringt mir auch öfter welche mit? — 's ist überhaupt ein guter Junge —"
und ein braver, tüchtiger Soldat," meinte Wolf,