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Fernsprecher Nr. 29.
88. Jahrgang.
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Schwäb. Landwirt.
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Wichtiges vom Tage.
Das bisherige Ergebnis der Rote Kreuzsammlung in Deutschland betrügt noch vorsichtiger Schätzung rund !*/z Millionen Mark.
Die sozialdemokratischen Denkmalsschänder von Charlottenburg wurden zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Wie Pariser Blätter melden, sind im Monat Mai 56 Ausländer in die Fremdenlegion eingetrsten, darunter befinden sich H Schweizer, 8 Luxemburger, 5 Oesterreicher und 18 Deutsche.
Bei Epernay explodierte ein Ballon, 60 Personen wurden verletzt, darunter 25 schwer.
Auch Rußland soll bereit sein, ein Kriegsschiff nach Albanien zu entsenden.
Die albanische Regierung hat sich formell wegen der Verhaftung des italienischen Obersten bei Altotti entschuldigt.
Zwischen der Türkei und Griechenland besieht ein akuter Konflikt wegen der Austreibung von Tausenden von Griechen aus Anatolien.
„Vive la frsnoe"!
Der Ruf des Sozialdemokraten Wendel im deutschen Reichstag „Vivs la Graues" (Es lebe Frankreich i) hat in Frankreich ein interessantes Echo gefunden. *Ein französischer Gutsbesitzer hat nämlich Herrn Wendel einen Brief geschrieben, den er gleichzeitig den „Hamb. Nachrichten" zur Verfügung gestellt hat. Der Brief ist wert, wörtlich wiedergegeben zu werden, er lautet:
„Mein Herr! Soeben lese ich in den Zeitungen Ihren Ruf „Vivv 1» Kranes", den Sie im Reichstag ausgesprochen haben. Wissen Sie auch, was Sie damit taten? Ich sage Ihnen, mein Herr, daß Sie niemals Ihren Fuß auf diesen von Ihnen gepriesenen Boden gesetzt haben. Sie haben niemals die Städte, Dörfer und Landstriche Frankreichs gesehen, die sich durch den höchsten Grad von Unsauberkeit auszeichnen. Sie haben nie erfahren, was alles in Frankreich erlaubt und verboten ist, und niemals empfunden, daß man in Frankreich eingeklemmt ist, wie ein Nagel im Holz.
Es gibt Millionen oon Bretonen, die sich rühmen. Bre- tonen zu sein und keine Franzosen. Sehen Sie sich die Eisenbahnen in Frankreich an, suchen Sie ein Gepäckstück auf dem Bahnhof; Sie werden wahrscheinlich weder einen Vorgesetzten, noch einen Stellvertreter finden. Ich bin während meines ganzen Lebens gereist, habe deutsch, englisch, italienisch, holländisch und spanisch getrieben, um diese Länder besuchen zu können und auf angenehme Art ihre Sitten und Bräuche zu erforschen, da ich ihre Sprachen genau kenne. Nach langjährigen Studien war ich durch einfache Ueber- legung und durch den zwingenden Beweis des Augenscheins überzeugt, daß Deutschland das bestregierte Land
Ein Arühlingstraum.
Von Fr. Lehne.
(7. Fortsetzung.) (Nachdr. oerb.)
<N„» Ab-nnintrn erhalten den Anfang gratis nachgeliefrrt.)
„Bis jetzt habe ich Ihnen verschwiegen, daß mir das- selbe wie Hartleben passiert ist. Auch ich war von ihr entzückt und versuchte es, ihr das zu sagen. Aber sie war sehr wenig entgegenkommend — kurz, sie hat mich ganz gehörig abfallen lassen, und dieser Augenblick war einer der wenigen unangenehmen in meinem Leben! Sie hatte so eine Art, mich mit den großen Augen anzusehen und einen Tonfall in der Stimme, daß ich mir wie ein gemäß- regelt« Schuljunge vorkam I" Das Bekenntnis wurde ihm sichtlich schwer; er stockte öfter in der Rede und zupft« unbarmherzig an dem schönen Bärtchen, dem er sonst seine sorgsamste Pflege angedeihen ließ. Aber auch in Wolfsburgs Gesicht spiegelte sich bei jenem Bekenntnis eine unangenehme Betroffenheit wider, und unmutig sagte er:
„Daß Ihr doch so wenig Achtung vor einem allein- stehenden Mädchen habt, ihrEure Galanterien aufzudrängen!"
„Na, die Kleine ist vielleicht die eine von den hundert, denen man das nicht bieten darf; darin habe ich Erfahr- ung l — Und nochmals aus die kleine Winters zurückzukommen, was würden Ihre Angehörigen sagen, wenn Sie Ihnen das süße Ding als Verwandte zusührten?"
Pi nstag, de« S. Juni
ist. Daß Deutschland ein Staat ist. unter einer weisen und starken Leitung, die nicht so oft ihren Standpunkt ändert, wie unsere Regierung. Es ist leicht, diese Hand zu spüren. Ich had's kennen gelernt, daß Deutfchland das sauberste Land ist, das Land, in dem man nicht soviel Plackereien hat, um von einem Ort zum andern zu kommen; hab's erfahren, daß dort nicht jedermann ein Schuft ist, ein Land, wo noch Ehrbarkeit herrscht, wo man nicht mit Worten, fondern durch die Tat wirkt. Das steht fest: Sie haben einen Bock geschossen, als Sie riefen: „Vivo la Uranos". Ich meinerseits werde, sobald es mir möglich ist, ein Deutscher; der Zeitpunkt wird nicht mehr fern sein. Wenn Eie wünschen, daß ich Ihnen aus deutsch schreibe, so bin ich dazu durchaus bereit, denn ich kann deutsch. Ich verständige Sie auch davon, daß ich zu gleicher Zeit an Herrn Spahn und an eine Zeitung in Hamburg geschrieben habe. Genehmigen Sie meine ergebensten Grüße . . ."
Auf die Antwort des Herrn Wendel darf man gespannt sein. _
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit!
Aus die gehässigen und beleidigenden Angriffe, die der Landtagsabgeordnete West meyer in der letzten Generalversammlung des Stuttgarter sozialdemokratischen Vereins auf seine Landtagskollegen gerichtet hatte, veröffentlicht der Vorstand der sozialdemokratischen Landtagssraktion eine Darstellung des wahren Sachverhaltes. Westmeyer hatte der Landtagssraktion Eselei, Verrat, Verleugnung sozialdemokratischer Grundsätze oorgeworfen, weil die Fraktion eine gemeinsame Kundgebung der freien Gewerkschaften mit den Christlichen Gewerkschaften und Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen in der Frage der Arbeitslosenfürsorge habe veranlassen wollen. In Wirklichkeit habe lediglich, nachdem sich im Landtag auch die Vertreter der anderen Arbeiterorganisationen sür die staatliche Arbeitslosenfürsorge ausgesprochen halten, im Privatgespräch ein Abgeordneter eine gemeinsame Demonstration, wie sie in anderen Städten schon erfolgt ist, angeregt. Die Fraktion hat sich mit der Angelegenheit aber überhaupt nicht befaßt. Auch ein anderer Fall persönlicher Art sei von Westmeyer völlig unwahr dargestellt worden, und trotz Aufklärung des Sachverhalts habe Westmry« feine Angriffe im Lande wiederholt. Gegen die Solinger „Arbeiterstimme", die die Landtagsfraktion Parteischädlinge usw. nannte und ihr Berichterstattung über Parteiangelegenheiten an die bürgerliche Presse und Niederträchtigkeit zum Borwurf gemacht hatte, hat die Fraktion beschlossen, den Schutz des Parteivorstandes in Anspruch zu nehmen.
Die neue Postscheckordnung.
Im Staatsanzeiger vom 5. Juni wird die am 25. Mai 1914 für Württemberg erlassene neue Postscheckordnung veröffentlicht. Sie bringt in Uedereinstimmung mit dem Post- scheckgesetz vom 26. März 1914 und der Postscheckordnung
Wolfs Gesicht verfinsterte sich. „Lieber Strachwitz. das soll mich nicht kümmern; ich tue. was ich will; mit meinem Vater bin ich durch seine zweite Frau vollständig auseinander, und mein Bruder —" er zuckle die Achseln und schwieg. Teilnahmsvoll betrachtete ihn Strachwitz. „Armer Kerl." sagte er leise.
„Mein Leben ist mir durch jenen Zwist so verbittert," fuhr der andere fort, „ich bin so allein, kein Mensch fragt nach mir. Wenn ich damals Doktor Schöne nicht gehabt hätte, in dessen harmonischer Häuslichkeit ich wenigstens etwas Ersatz für das Verlorene fand, wer weiß, was da aus mir geworden wäre! Schade um ihn —"
„Ja. uns allen ging es durch und durch, wie wir von seinem plötzlichen Tode hörten! Die arme Frau — sie lebten so glücklich miteinander! Den hübschen Jungen hat sie auch htngeben müssen! Wo ist sie jetzt eigentlich?"
„Soviel ich weiß, in der Schweiz! Sie mußte fort; sie sah ja furchtbar aus. Am Begräbnistage habe ich sie zuletzt gesehen; danach war sie ja sür niemand zu sprechen!"
Strachwitz warf einen Blick auf die Uhr. „Donnerwetter. schon halb zwölf; da muß ich aber eilen!" Er stand aus, schnallte den Säbel wieder um; der Bursche half ihm in den Mantel; dann reichte er dem Freund zum Abschied die Hand.
„Na, gute Nacht, Wölfchen! Also — es wird ge- Mieben!^ Sie müssen doch nachgerade wissen, woran
1S14
für den Wechselverkehr zwischen den deutschen Postgebieten vom 22. Mat 1914 eine Reihe bedeutsamer Aenderungen im Postscheckverkehr. Die am 1. Juli 1914 in Kraft tretenden Neuerungen sind von den 3 deutschen Postverwal- tungen nach Verhandlungen mit den Interefsenten-Kreisen beschlossen worden zur weiteren Ausgestaltung, zur Erleichterung und zur Verbilligung des Postscheckoerkehrs. Sie seien allen Geschäftskreisen, besonders den noch sernestehen- den, zur Beachtung empfohlen.
Die Stammetnlage auf ein Konto ist von 100 Mark aus 50 Mark ermäßigt worden. Mit Zahlkarle kann künf- tig jeder Betrag ohne Höchstgrenze statt seither bis 10000 Mark eingezahlt werden. Gebühren für Zahlkartenzahlungen künftig 5 Psg. bis 25 Mark. 10 Psg. sür alle höheren Beträge (seither 5 Psg. für je 500 Mark). Zahlkarten bis 3000 Mark können künftig telegraphisch — wie seither schon die Postanweisungen — übermittelt werden. Bon der Einzahlung kann auf Verlangen des Absenders der Empfänger (Kontoinhaber) durch die Aufgabepostanstalt telegraphisch benachrichtigt werden. Privatmitteilungen können in das Telegramm ausgenommen werden. Für die lieber« mittlung von Postauftragsgeldern auf Scheckkonto werden künftig Postauftragsformulare mit angehängter Zahlkarle ausgegeben. Die Gebühren für die Auszahlungen find die gleichen geblieben (3 Pfg. für die Ueberweisung auf anderes Konto; die feste Gebühr von 5 Psg. samt der Steigerungsgebühr von 1 Pfg. für 100 Mark für bare Auszahlungen). Dagegen ist weggefallen die Zuschlaggebühr von 7 Pfg. bei allen die Zahl 600 übersteigenden Buchungen. Der Aussteller einer Ueberweisung kann verlangen, daß das Scheckamt, bei dem sein Konto geführt wird, den Empfänger von der Ueberweisung direkt — durch Brief oder — Telegramm — benachrichtige. Die schriftliche Benachrichtigung ist nur an Empfänger, die bet andern Scheckämtern angeschlossen sind, zulässig und kostet 20 Pfg. Für telegraphische Benachrichtigung wird die wirkliche Telegrammgebühr berechnet. Ueberweisungen bis 3000 Mark können telegraphisch vollzogen werden. Bon einer solchen telegraphischen Ueberweisung kann der Empfänger durch das Scheckamt des Absenders brieflich oder telegraphisch benachrichtigt werden. Private Mitteilungen werden mitbesördert. Gebühren wie oben. Der Höchstbetrag des Schecks ist von 10000 Mark auf 20 000 Mark erhöht worden. Scheck- betrüge bis 3000 Mark werden dem Empfänger auf Verlangen telegraphisch übermittelt. Sämtliche Gebühren einschließlich der Preise für Formulare (5 Pfg. für je 10 St. bei allen) werden vom Konto abgebucht. Es dürfen übrigens künftig die für den Postscheckoerkehr notwendigen Formulare — ausgenommen die Ueberweisungen und Schecks — durch die Privatindustrie hergestellt werden; sie müssen aber stets genau mit den amtlichen übereinstimmen. Die Briefe von den Kontoinhabern an das Postscheckamt kosten künftig nur sovirl wie die Ortsbriefe — also 5 Psg. bis 250 Gr. — nur müssen sie dann in besonderen von der Postoerwaltung im Muster festgelegten — übrigens auch von ihr erhältlichen — Umschlägen versandt werden. Bei Verwendung anderer.Umschläge tritt Portoermäßigung nicht ein.
Wolf nickte stumm und geleitete den Gast bis zur Treppe.
Dann setzte er sich vor den Schreibtisch, den Kopf grübelnd in die Hand gestützt. Nach einer Weile nickte er. „Ja. ich glaube, es ist das beste; Strachwitz hat recht," sagte er halblaut. Er griff nach Papier. Feder und Tinte, und nach einem Nachsinnen warf er folgende Zeilen auf den Bogen:
„Sehr geehrtes Fräulein!
Verzeihen Sie die Kühnheit, daß ich an Sie schreibe; aber ich kenne keinen anderen Weg zur Annäherung. Vielleicht bin ich Ihnen nicht so ganz fremd, und wenn Sie nur eine Spur von Interesse für mich hegen, bitte ich Sie inständig, mir eine Unterredung zu gewähren. Bestimmen Sie Zeit und Ort. Mein Ehrenwort darauf, daß meine Bitte keine uplauteren Beweggründe hat.
In Sehnsucht Ihrer Antwort entgegensetzend, bin ich
ganz der Ihrige Wolf. Freiherr von Wolfsburg.
Nun der Brief fertig war. brannte er wie Feuer in seinen Händen, und Wolf selbst brachte ihn nach dem nächsten Briefkasten. Zwei Tage schwebte Wolf in Hangen und Bangen; endlich hielt er am Morgen des dritten Taqes ein kleines Briefchen in den Händen, das in feinen, etwas flüchtigen Schriftzügen seine Adresse trug. Fast liebkosend betrachtete er es, ehe er mit zitternder Hand öffnete — end- lich las er —