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In Altheng st ett wurde am Pfingst­montag im Hause des Waldmeisters Söll einge- brochen und die Kaste des Darlehenskastenvereins ihres Inhalts mit 500600 entleert. Die Be­wohner waren nicht zu Hause und diese Gelegenheit benutzte der Dieb, um vom Futterstalle aus in den Hausöhrn zu gelangen und vermittelst einer Axt die Stubenthüre und die Kommode zu erbrechen. Vor­erst ist der Dieb, der jedenfalls ganz lokalkundig war, noch unermittelt.

Als Beweis, wie weit in diesem Jahr die Vegetation vorgeschritten stt, mag dienen, daß man bereits vollständig ausgereifte, große Erdbeeren in unfern Wäldern antrifft. Diese schönen und schmack­haften Früchte, wie auch die Heidelbeeren gedeihen in diesem Jahr vortrefflich und versprechen einen recht guten Ertrag.

* Calw, 28. Mai. Der Liederkranz in Altheng st ett beging am Pfingstmontag das hohe Fest seiner Fahnenweihe. Zu diesem Zweck hatte der Ort ein festliches Gewand angelegt; an den Ein­gängen der Straßen von Calw und Ostelsheim waren Ehrenpforten errichtet; zu beiden Seiten der Straßen standen Tannenbäumchen; Fahnen, Kränze und Guir- landen schmückten die Häuser; Inschriften boten den Sängern und Gästen ein freundliches Willkommen. Die Einwohner thaten ihr Möglichstes, um die zu­sammenströmenden Sänger und Sangesfreunde aufs Beste zu beherbergen. Auf dem Festplatz, welcher vortrefflich gewählt war, luden 4 Wirtschaftsbuden zur Erfrischung und Stärkung ein, die sich jedoch des kühlen und nassen Wetters wegen nicht der gehofften Frequenz erfreuten. Morgens 7 Uhr wurde das Fest mit Musik eröffnet und von 10 Uhr an fand festlicher Empfang der Vereine statt, welche von Vor­reitern und Festordnern mit wohlgelerntem Spruch aufs freundlichste willkommen geheißen und mit Musik in ihr Quartier begleitet wurden. Das ganze Ar­rangement hatte Schneid und machte den besten Ein­druck. Um '/-2 Uhr stellte sich der Festzug in der Hauptstraße auf. Eröffnet wurde derselbe durch Musik, worauf der festgebende Verein, 12 in Weiß gekleidete und mit blauen Schärpen geschmückte Festjungfrauen und 13 Gesangvereine folgten; eine Abteilung Feuer­wehr schloß den Zug. Nach der Ankunft auf dem Festplatze sangen sämtliche Vereine gemeinschaftlich das LiedBrüder reicht die Hand zum Bunde". Sodann hielt der Direktor des Liederkranzes, Schul­lehrer Appenzeller, eine sehr packende und ge­haltvolle Festrede, welche er mit einem zündenden Toast auf den Gesang schloß. Der Redner erntete den wohlverdienten Beifall. Die Tochter des Ge­meindepflegers Flik übergab hierauf mit einem ent­sprechenden Gedicht die Fahne an den Verein. Diese entstammt einem Fahnengeschäft in Weilheim und ist dem Preise (225 entsprechend ausgefallen. Nach der Fahnenübergabe trugen die anwesenden Vereine abwechslungsweise ihre Lieder vor. Der Festplatz leerte sich der zweifelhaften Witterung wegen aber bald und die Wirtschaften im Ort waren daher über­füllt. Ueberall hörte man fröhliche Gesänge erschallen. Abends fand im Gasthaus zum Adler ein Festesten und eine zahlreich besuchte Tanzunterhaltung statt. Damit hatte das Fest, welches dem Ort und dem Liederkranz zur Ehre gereicht, seinen würdigen Ab­

schluß gefunden. Noch möge anerkennend hervorge­hoben werden, daß Speise und Getränke in den meisten Wirtschaften recht befriedigten.

Beuren, OA. Nagold, 24. Man Gestern mittag gegen 1 Uhr entstand hier Feuerlärm. Es brannte in der Scheune des Bauern Kirn (Christen­bauer). Das Feuer teilte sich auch dem in der Nähe stehenden Wohnhause mit, welches ebenfalls gänzlich zerstört wurde. Gerettet konnte fast nichts werden. Der Abgebrannte ist versichert.

Vom Welzheimer Wald, 22. Mai. In vergangener Nacht um 1 Uhr machte sich ein Fahr­knecht der Krämerschen Kunstmühle in Schorndorf mit einer schweren nach Kirchenkirnberg bestimmten Fuhre Mehl auf den Weg. Bald nach der Abfahrt wurde derselbe von einem Pferde so auf den Fuß getreten, daß er nicht mehr gehen konnte. Um seinen Auftrag aber dennoch zu vollziehen, setzte sich der zu­verlässige Mann, um die Fuhre wenigstens nach Welz­heim zu bringen, auf den Wagen. Der zuvorkommende Gasthofbesitzer zum Rößle in Welzheim ließ dann das Fuhrwerk durch seinen Knecht nach Kirchenkirn­berg bringen. Auf der Rückfahrt geriet letzterer zwischen Kirchenkirnberg und Kaisersbach so unglück­lich unter den mit etwa noch 30 Zentner beladenen Wagen, daß ihm die Räder über den Unterleib gingen. Die Verletzungen sind so schwer, daß an eine Erhal­tung des Lebens kaum zu denken ist.

G e r a d st e t t e n, 23. Mai. Durch die herr­liche Witterung der letzten Tage sind die Kirschen so rasch ihrer Reife entgegengegangen, daß anfangs nächster Woche mit dem Versandt begonnen wird. Der Stand ist seit vielen Jahren kein so günstiger gewesen wie dieses Jahr; es aiebt sehr viel Kirschen, auch Aepfel und Birnen, und die Weinberge stehen wunderschön. Möge der Himmel gnädig sein, daß die Weingärtner auch einmal wieder voll für ihre Mühe belohnt werden!

Berns seiden, 23. Mai. Ein hiesiger Oekonom erhielt vorgestern von einem Mutt er - schwein (Tausche) 22 lebende Junge. Bei den derzeitigen hohen Preisen für Milchschweine repräsen­tiert dieser Wurf nach 5 bis 6 Wochen einen Wert von 400 und darüber.

Aus Ulm wird uns über das bevor­stehende Münsterfest geschrieben: Die Stadt rüstet sich, ihre Gäste würdig zu empfangen und ihnen am 28., 29., 30. Juni und 1. Juli ein Fest zu bieten, wür­dig der hohen Besucher, welche angesagt sind (König und Königin, Prinzregent von Bayern, ein Vertreter des Kaisers rc.), und des großen Gegenstandes, um den es sich bei der Feier handelt. Denn es handelt sich um die Vollendung eines Werkes, das einzig da­steht an Großartigkeit wie an künstlerischer. Durch­bildung. Das ist der Ausbau des Westturms des Ulmer Münsters, der in seiner Anlage ohne Zweifel von dem großen Ulrich Ensinger, dem dritten Münsterbaumeister (139295), der auch das Achteck des Straßburger Turmes ausführte, stammt, und von ihm und Nachfolgern mit dem Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Abschluß des Vierecks 70 w hoch gefördert wurde. Vom letzten dieser Nachfolger, der das Viereck abschloß, Matthäus Döblinger, ist ein datierter Originalriß vorhanden, welcher den

Plan der Vollendung des Turmes durch Achteck und Pyramide verzeichnet. Seit dem großartigen ersten Münsterfest 1877 ist die Vollendung des Ganzen nach diesem Plan eifrig betrieben worden. Dieselbe ist mit dem Jahre 1890 zur Wahrheck geworden. Der Traum der Vorfahren, das Ziel der genialen Urheber ist verwirklicht durch einen congenialen Meister, wel­cher sich der Riesenaufgabe der technischen Ausführung des alten Planes in vollem Maße gewachsen zeigte: Professor August Beyer. Die Unterstützung des ganzen Deutschlands, von Fürsten und Volk, hat an dem Werke mitgewirkt, darum möchte die Stadt Ulm auch dem ganzen Deutschland ein Fest bereiten, wie es selten erlebt wird; ja wir hoffen auf den Anteil der ganzen gebildeten Welt bei der Feier eines so hohen Ereignisses auf dem Gebiete der völkerver­brüdernden Kunst. Mit 161 m Höhe vom Kirchboden ab überragt der Ulmer Turm die Kölner, die bisher als die höchsten der Welt gehalten, um 5 Meter. An Reichtum der dekorativen Formen," sagt ein Kunsthistoriker, übertrifft der Ulmer Turm alle Türme der Welt" und sein Helm mit den Wimperg-Kränzen hat nirgends seines Gleichen. Vor allen andern Türmen hat der Ulmer auch die Besteigbarkeit bis zum Kranze der Pyramide in der Höhe von 143 m voraus, von wo sich ein überwältigender Blick dar­bietet. Den Abschluß bilden, wie anderwärts, Kreuz­blume und Knopf, deren Versetzung in den nächsten Tagen stattfindet. Das Programm des Festlichkeiten ist folgendermaßen festgestellt:

Samstag, den 28. Juni, nachmittags 4 Uhr: Umzug der Schuljugend. Abends 8'/- Uhr: Läuten aller Glocken, Zusammenspiel sämtlicher Musik-Kapellen Ulm's auf dem Münsterplatz, hieran anschließend Singen eines patriotischen Liedes durch die gesamte Bürger­schaft. Abends 9 Uhr: Beleuchtung des Münster-Aeußeren.

Sonntag, den 29. Juni, morgens 6 Uhr: Läuten der Schwörglocke, Choral vom Münster. Morgens 9'/- Uhr: Großer historischer Fe st zu g. Abends 7 Uhr: Im Münster Aufführung des OratoriumsElias" von Mendelssohn.

Montag, den 30. Juni. Morgens 6 Uhr: Läuten der Schwörglocke, Choral vom Münster. Morgens 9 Uhr: Festgottesoienst. Morgens 1011 Uhr: Orgelspiel im Münster. Morgens 11 Uhr: Historisches Festspiel. Nachmittags 3 Uhr: Volksfest in der Fried- nchsau unter Beteiligung der verschiedenen Gruppen des historischen Festzugs.

Dienstag, den t. Juli. Morgens 9 Uhr: Umzug der Fischer. Morgens 10 Uhr: Wiederholung des Festspiels. Morgens 1112 Uhr: Orgelspiel im Münster. Nach­mittags 3 Uhr: Fischerstechen. Abends 6 Uhr: Fest-Bankett. Abends 9 Uhr: Be­leuchtung des Münsters.

Da das Fest gerade in die frequenteste Reise- Saison fällt, ist ein großer Zuzug von Fremden und Kunstfreunden aus allen Teilen der Welt zu erwarten und empfiehlt es sich, sich wegen Beschaffung von Quartieren möglichst bald an dieQuartier-Kommission des Münsterfestes" zu wenden.

In starrem, wortlosem Erstaunen hatte der Alte zugehört. Was er da ver­nehmen mußte, klang ihm so ungeheuerlich, so unglaublich, daß er meinte, seinen Ohren nicht trauen zu dürfen, und daß Sekunden vergehen mußten, ehe ihm die Fähigkeck, zu reden und zu handeln, wiederkehrte. Seine ganze knorrige Gestalt zit­terte vor der Gewalt des Zornes der ihn erfüllte.

Hinaus!" donnerte er, und seine eisenharte Faust war fo drohend erhoben, als ob er den Müller mit einem einzigen Schlage zu Boden schmettern wollte. Der aber war offenbar nicht gesonnen, die gespannte Situation bis auf das Aeußerste zu treiben. Ohne noch einen einzigen Blick auf den Wütenden zu werfen, ging er hinaus, fest und aufrechten Hauptes, wie er gekommen war, wenn auch ein Ausdruck ernster Betrübniß auf seinem hübschen Antlitz lag.

Mit verschränkten Armen und dröhnenden Schrittes ging der Bühlhofbauer in dem Gemache auf und nieder. Er wollte seinen Zorn erst ein wenig verrauchen lasten, che er einen Entschluß faßte und seine Tochter zur Rede stellte. Trotz seines herrischen und jähzornigen KarakterS war er seit Langem nicht in einer ähnlichen Erregung gewesen. Aber er glaubte diesmal auch wahrhaftig Grund genug dazu zu haben! Konnte er sich doch nicht erinnern, daß man ihm, dem reichsten und mächig- sten Manne der ganzen Gegend, je mit so trotziger Respektlosigkeit begegnet wäre, wie cs jetzt der junge Müller Philipp Straßburger gewagt. Man hieß dm Philipp überall den Jeetzemüller, weil seine Mühle von einem kleinen Flüßchen dieses Namens getrieben wurde, und weck man ihn damit von seinem Konkurrenten Peter Studt, dem Besitzer der großm Thalmühle, unmittelbar am Ausgang des Dorfes, unter­scheiden wollte. Er erfreute sich zwar eines guten Leumunds und man wußte wohl, daß er in dm wmigm Jahrm, die seit seines Vaters Tode vergangen waren, sein kleines Geschäft zu ansehnlicher Blüte gebracht hatte; aber im Vergleich mit dem steinreichen Bühlhofbauer blieb er freilich immer ein armer Tmfel, und seine Aus­sichten für die Zukunft warm um so geringer, als der wohlhabende Thalmüller mit seinen ungleich großartigen Einrichtungen und seiner günstigeren Lage in dem Wett­kampfe doch immer Sieger bleiben mußte. Dazu kam noch, daß schon zwischen dm

Vätern der beiden jetzigen Mühlmbesitzer eine grimmig« Feindschaft bestanden hatte, und daß namentlich der alte Thalmüller selbst vor den verwerflichsten Mitteln nicht zurückgeschreckt war, wenn es sich darum gehandelt hatte, seinem regsamen Konkur­renten einen Schaden zuzufügen. Der Haß der Alten hatte sich schon frühe auf die Söhne übertragen; aber die Feindschaft hatte sich auf beiden Seiten sehr verschieden geäußert. Während Philipps gerade, freimütige Natur bei jeder Begegnung offene Fehde suchte, und während er stets bereit war, Auge in Auge für die Gerechtigkeit seiner Sache zu kämpfen, hatte Peter Studt schon als Knabe mit Vorliebe die k,ummen Wege feiger Hinterlist und Tücke eingeschlagen, und er hatte cs später, als er zum Manne gereift war, seinem Vater an Niederträchtigkeit der Kampfesmittel gegen dm Jeetzemüller noch zuvorgethan.

So hatte sich denn Philipp zuletzt mit Verachtung von dem erbärmlichen Gegner abgewendet und die verstohlenen Feindseligkecken desselben zumeist unbeachtet gelassen. Nur als cs chm Jener einmal gar zu arg getrieben mit seinen Ränken und Verleumdungen, hatte er ihn an einem Sonntag Nachmittag mitten unter seinem Freunden im Wirtshause aufgesucht und hatte mit dem bleich und züternd Dastehenden ein paar kräftige, deutsche Wörtlein geredet, ihm für den Wiederholungsfall eine eindringliche Lektion in Aussicht stellend. Seitdem hatte Peter seinen Feind in der ganzen Gegend als einen gefährlichen Raufbold zu verschreien gesucht; ja, er hatte sich sogar einen Revolver angeschafft, den er überall herumzeigte mit der prahlerischem Erklärung, daß er auf einen Ueberfall von Seiten des Jeetzemüllers gefaßt sein müsse, und daß er dem bei der Gelegenheit gehörig heimleuchten wolle. Alle diese Dinge- hatten vielleicht zu ihrem Teck mit dazu beigetragen>, dm Bühlhosbauern schon bei der bloßen Vorstellung, daß Philipp sich vermessen könnte, um seine Tochter zu werben^ mit Hellem Zom zu erfüllen; in der Hauptsache aber war es doch die Ueberzeugung, daß eS dem jungen Manne nur um Käthen's reiche Erbschaft zu thun sei, die ihn. von vom herein so hart und kurz abweisend hatte auftreten lasten.

(Fortsetzung folgt.)