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88. Jahrgang.

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Beilagen: Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

Samstag, den 25. April

1914

Der Wetterwart.

V-Nttfch- Amschau.

p Das reich; politische Mate.ial, in das w r gleich nach der Osterwich; wieder einzeführt wo:d n sind, Hai in der fälligen Brrichtswoche noch eine gute Mehrung erfahren, und die Tagesmeldungen lausen infolgedessen in so rascher bunter Reihenfolge ein, daß wir uns heute aus einige kleine Silhouettenzeichnungen beschränken können.

Ein Gedenkblatt haben wir auf das Grab eines Mannes zu legen, dessen Name in der Geschichte unseres engeren Vaterlandes ruhmvoll eingezeichnet ist, des nach einem schönen Lebensabend verstorbenen früheren württ. Ministerpräsidenten und Iustizministers Dr. v. Breitling, dessen Wirken wir ja beretls an besonderer Stelle gedacht haben.

Wenig Beachtung Hai in der großm Oeffenilichkeit die Tagung des Alldeutschen Verbandes und daran anschließend die des Reichsoerbands zur Bekämpfung der Sozialdemokratie gefunden. Wohl hat der Alldeutsche Verband mit Recht die außerordentlich heikle Situation der gegenwärtigen internationalen Lage betont, aber wir glauben, es wäre wohl bester und dem Ganzen dienlicher, wenn man in dem Volke das Vertrauen auf seine Stärke wecken, als fortwährend nach neuen Rüstungen rufen würde, deren doch endlich auch einmal genug sein muß und auch genug sein kann, denn es ist doch kein; Kleinigkeit und noch weniger eine Vernachlässigung der nationalen Pflichten, wenn wir jährlich 2 Milliarden sür Zwecke des Heeres aus« geben und zu Beginn eines Feldzugs gleich volle anderthalb Millionen Streiter ins Feld stellen können.

Das Ereignis in der hohen Politik des Reiches war die Berufung des neuen Statthalters sllr Elsaß-Lothringen, deren Bedeutung darin liegt, daß der Träger dieser Würde gew ssermaßen souveräne Rechte genießt. Die Berufung des seitherigen preußischen Minister« des Innern, des Herrn o. Dallwitz, hat nun der extremen Presse vorab der Reichslande, aber auch im Reiche selber Anlaß gegeben, darüber zu zetern, der Mann sei verfehlt aus diesem Posten. Wir meinen, wenn etwas verfehlt ist, so ist es die Voreingenommenheit, diese Bor­wegnahme des öffentlichen Urteile, bevor dem Statthalter überhaupt Gelegenheit gegeben ist. zu beweisen, wie er dies neue hohe Amt auffaßt und ausübt. Er wird keinen leichten Standpunkt haben in dem Lande, wo die Extreme zum Teil noch heftig aufetnanderstoßen, aber umso mehr wäre es angezeigt, Zurückhaltung zu üben und einmal ab« zuwarten, wie der Mann sich betätigt, dem auf alle Fälle hohe staatsmännische Fähigkeiten und ein erfreuliches Ziel« bewußtsein eigen sind.

Unsere sr a n z S s is ch en N a ch b a r n, die sich wegen der Aussprache zwischen den österreichischen und italienischen Staatsmännern in letzter Woche in die tollste Kombinations, politik hineingeredet haben, haben in dieser Woche die große Genugtuung zu verzeichnen, das englische Königs» paar in ihrer Hauptstadt begrüßen zu dürfen. In den Freudenbecher war freilich ein Tropfen Wermut gemischt, denn just an dem Tage, da das englische Herrscherpaar den französischen Boden betrat, ist von ministerieller eng­lischer Seite die Erklärung abgegeben worden, daß England nicht daran denke, dem französischen Wunsche zu entsprechen und statt der sogenannten Entente Cordiale, d. h. einem rein freundschaftlichen Einvernehmen, das sich allerdings schon in einer recht unfreundlichen Bekämpfung der demschen Politik betätigt hat. ein förmliches Bündnis mit Frankreich und Rußland abzufthließen. Das ist schmerzlich, nachdem Marianne ihrem Frühltngsempfinden gar so sehr nachgegeben und so eindringlich um da« Zustandekommen dieses Bünd­nisses geworben hatte. Nun werden die Franzosen eben gute Miene zum dösen Spiel machen und sich damit zu- frieden geben, daß durch den Besuch des englischen Königs­paares die Festigkeit der französisch-englischen Freundschaft aufs neue vor oller Welt sich erwiesen habe, wogegen ge- miß niemand etwas einzuwenden hat. Der Engländer aber hat sich wieder einmal als der kühl abwägende Politiker erwiesen; die gegenwärtige internationale Lage ist ihm zu heikel, als daß er sich nach einer besonderen Richtung fest binden will, zumal er nicht weiß, welcher Vorteil ihm daraus erwachsen wird, denn das ist ihm immer die Hauptsache.

Und nun haben wir noch den großen amerikanisch- mexikanischen Kriegsbluff. Die beiden Gegner sind ja so fürchterlich loyal, daß der eine Teil dem andern erklärt, er wolle keinen Krieg mit dem Volke des andern. Was sie eigentlich wollen, wissen sie wahrscheinlich selber nicht, und wenn auch schon etwas Blut geflossen ist, dis ganze

Sache kann noch ebenso leicht auegehen wie das Hornberger Schießen, sie kann aber auch ein recht langwieriges und opsecschweres Ding werden, bei dem schließlich Amerika der obsiegende Teil sein wird, weil er über das meiste Geld versügt, während Mexiko sowieso schon bankerott ist und sein Repräsentant bet dem Baba quespiel nicht mehr viel verlieren, sondern bu ch zeitweilige Wiederherstellung seines stark durchlöchertenPrestiges" bestenfalls noch etwas ge­winnen kann. Daß die Bereinigten Staaten den Hauptteil der Schuld für die jetzige Entwicklung der Dinge tragen, können sie keincm Menschen wegreden, der deren Gang verfolgt hat. Es sind im Laufe der mexikanischen Wirren schon ganz andere und viel ernstere Zwischenfälle oorge- kommen als der, den sie sitzt zum Anlaß des Einschreitens genommen haben (zeitweilige Gefangensetzung einiger ame­rikanischer Matrosen, die in Tampico an Land gekommen waren, um Benzin zu fasten), wohl ein halb dutzendmal haben sie mit Ultimaten und sonstigen Maßnahmen gedroht, aber immer wieder ist die amerikanische Regierung unter Präsident Wilson mutig zurückgewichen, sodaß Huerta den Eindruck gewinnen mußte, daß derartige Drohungen über­haupt nicht ernst zu nehmen seien. Und nun, da sich Huerta bereit erklärt hat, Genugtuung zu geben, nachdem er schon von Anfang an sich offiziell entschuldigt hatte, fahren sie gleich das gröbste Geschütz aus und lausen nun Gefahr, den ganzen Wirrwarr noch zu vergrößern. Das Schönste dabei aber ist, daß sie erklären, nur Huerta zu bekämpfen, den sie gar nicht als Präsidenten anerkennen, von dem sie aber doch die Genugtuung gefordert hatten, die er eigentlich nur als Staatsoberhaupt geben konnte. Einen Ueberblick über die Lage zu geben, ist in dem heu­tigen Rahmen noch nicht möglich, da die Tagesmeldungen stündlich das Bild verändem können.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt Md Amt

Nagold, 25. April 1914.

Sorrntsgsgrdanken.

Raturfrende.

Die frische Luft des freien Feldes ist der eigentliche Ort. wo wir hingehören; es ist als ob der Geist Gottes dort den Menschen unmittelbar anwehte. G»rthr.

Am wohlsten ist mir in Schmierstiefeln, weit weg von der Zivilisation. Am besten ist mir da zu Mut, wo man

nur den Specht hört. Bismarck.

*

Die Welt ist ein Brief Gottes an die Menschen.

Plato.

Die Blumen wollen dir ein Gottgeheimnis sagen, . wie feuchter Erdenstaub kann Himmelsklarheii tragen.

Es wankt das Tulpenbeet von eignem Glanze trunken: Das Lieberseuer brennt, wer zählet seine Funken?

In tausend Blumen steht die Liebesschrist geprägt:

Wie ist die Erde schön, wenn sie den Himmel trägt!

, Friedrich Rückert.

Es schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu fingen, triffst du nur das Zauberwort.

2 . v. Eichendorff.

* Der Homöopathische Verein veranstaltet am Man- tag Abend in der Traube einen allgemein zugäng- lichenBortrag seines Vorstands überUnsreNah- rungs mittel". Nach demselben werden Beratungen

-gepflogen über gemeinsamen Besuch der Gesundheit s- ausstellung in Stuttgart, wozu unter Umständen Extrazüge mit ermäßigten Preisen in Aussicht gestellt sind. Näheres s. Anzeigenteil.

* Jungdeutschland marschiert morgen Nachmittag um 1 Uhr vom Stadtacker ab. Hoffentlich hat der Himmel ein Einsehen und begünstigt den Ausmarsch.

r Selbstmörderleiche«. Nach einer vom Ministerium des Innern an die Oberämter ergangenen Anweisung soll in Zukunft von der Ablieferung der Leichen von Selbst- Mördern an die Anatomische Anstalt in Tübingen abgesehen werden, wenn die Leiche von Angehörigen oder Nahe- stehenden zur Bestattung beansprucht wird. Auch wird in Zukunft ohne besondere Veranlassung eine Leichenöffnung der Selbstmörder nicht mehr stattsinden.

r Hagelversicherung. 3m Hinblick auf das Heran­nohen des Sommers wurden die Oberämter, Landwirtschafts, inspektoren und Ortsoorsteher beauftragt, bet jeder Gelegen» heit den Landwirten die Versicherung ihrer Felderzeugnisse

gegen die überall im Lande drohende Hagelgefahr dringend zu empfehlen. Es wurde vom Ministerium des Innem daraus hingewiesen, daß die Norddeutsche Hagelversicherung», gesellschaft in Berlin aus der von dcm württ. Staat mit ihr abgeschlossenen Uebereinkunst verpsl chtet ist. auf Antrag der Beteiligten die Feldfrüchte sämtlicher Landwirte in Württemberg gegen Hagelschaden in Versicherung zu nehmen, und daß die württemdergischcn Landwirte, die der Nord­deutschen Hagklversicherungsgesellschaf! beitreten, infolge der Uebemahme der Verpflichtung zur Nachschußleistung auf die Staatskaffe durch Bezahlung eines dem staatlichen Ha- gelversicherungvfondc zufließenden Zuschlags von 40 °/o der Vorprämie von der Gefahr der Anforderuurg einer Nach­schußprämie unbedingt befreit, also gcgen feste Prämien versichert sein werden. _

* Untertalheim, 24, April. (Berichtigung). In dem Bericht über die goldene Hochzeit der Eheleute Josef und Eleonora Zimmermann in Nr. 94 ds. Blts. muß es heißen: Seine Majestät der König ließ eine goldene Plakette überreichen.

Au- de« Nachbarbezirke«.

r Herrenberg, 24. April. (Junge Langsinger.) Durch den Landjäger in Gärtringen wurde eine noch sehr jugendliche Diebesbande aufgehoben, die einem Mitbewoh­ner nach und nach Papier, Geld und Silber stahl bis der Tabakbeutel, der den Schatz verborgen halten sollte, leer war. Etwa 75 Mark von dem gestohlenen Geld wurden aus einem Versteck ausgegraben.

r Rotteuburg, 24. April. (Tödlicher Unglücks- fall). Der 8jährige Knabe Felix des Schneidermeisters Uttenweiler fuhr mit einem kleinen Wagen beim Wegertal samt einigen Kameraden eine steile Stelle hinab, verlor die Herrschaft über die Deichsel und kam unter den Wagen. Er wurde mit schweren Verletzungen sofort in die Klinik nach Tübingen geschafft, ist aber noch heute nacht gestorben.

r Freudenstadt, 24. April. (Wenn der Auerhahn balzt.) Herzog und Herzogin Robert von Württemberg sind auf dem Kniebis zur Auerhahns:gd eingeiroffen. Herzog Robert erlegte am Mittwoch abend und Donnerstag früh je einen Auerhahn. Außerdem weilen im Lamm zurzeit der preußische Gesandte v. Below und der Generalüdjutant o. Starkloff. von denen der letztere gestern ebenfalls einen Auerhahn zur Strecke brachte. In den nächsten Tagen werden auf dem Kniebis auch die Fürstlich Fürstenbergischen Iagdgäste eintreffen.

Landesuachrichleu.

Stuttgart, 24. April. Wie verlautet, ist der vor wenigen Tagen von seinem Amt zuückgelretene Finanz- minister a. D. o. Geßler dazu ausersehen, wieder an die Spitze der Hoskammer zu treten. Hr. o. Geßler war bekanntlich schon vor seiner Emennung zum Finanzminister Präsident der Hoskammer; er war am 25. März 1904 zum Präsidenten der Hosdomänenkammer ernannt worden und wurde dann am 8. April 1908 Finanzminister.

Stuttgart, 25. April. Einer Blättermeldung zufolge bezeichnet der zurückgetretene Finanzminister v. Geßler das Gerücht, daß er infolge von Gegensätzen inner­halb des Staatsmtntsteriums zurückgetreten sei, als völlig gegenstandslos.

Stuttgart, 24. April. Der Landtagsabg. Dr. Nüb- ling veröffentlicht in der Südd. Zig. eine Erklärung zu der Unterzeichnung des Fragebogens der sozialdemokrati­schen Parteileitung gelegentlich der Reichstogsftichwahl im 8. Reichstagswahlkreis. Er bestreitet, damit sich um die Stimmen dieser Partei bemüht und seine konservativen Grundsätze verletzt zu haben. Nicht er habe sich um die Hilfe der Sozialdemokraten beworben, sondern umgekehrt düse sei an ihn gekommen. Er habe keinerlei Hilfe de- gehrt, sondern lediglich die gestellten Fragen beantwortet, trotzdem er sich völlig klar gewesen sei, daß die Partei für ihn vollständig verloren war. Tr verwahrt fich gegen den Vorwurf, als ob er einTechtelmechtel", d. h. «in» ge­heime Abmachung mit der Sozialdemokratie geschloffen habe. Er habe offen und ehrlich mit voller Namensunterfchrift seine Erklärung abgegeben. Die Stuttgarter konseroaMoe Parteileitung veröffentlicht gleichfalls eine Erklärung, worin sie aufs lebhafteste bedauert, daß Dr. Nübling den sozial­demokratischen Fragebogen überhaupt und alle darin ent- haltenen Fragen mitJa" beantwortet hat. stellt aber fest, daß es sich um keinegeheimen" Machenschaften mit der Sozialdemokratie über die Stichwahl gehandelt hat. Es müffe Herrn Dr. Nübling zugute kommen, daß er den Frage­bogen frei und offen, ohne weitere Hintergedanken beant­wortet hat, im guten Glauben, daß er das nach Lage der Verhältnisse tun könne, ohne gegen seine Parteigrundsätze