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Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

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Ein freihändlerisches Schlagwort.

Die Erörterungen, die in der letzten Zeit über die Gestaltung unserer Wirtschaftspolitik bet der zu eiwartenden Neuregelung der Handelsverträge in Parlament und Preffe gepflogen worden find, haben gezeigt, daß der Einfluß der srethiindlerischrn Richtung nicht mchr allzu stark ist. Trotz­dem macht sich besonders in der wissenschaftlichen Welt die Freihandelsschule immer noch in einer Weise geltend, die nicht unbeachtet gelassen werden darf. Eines ihrer häufigsten Argumente ist der Hinweis auf die Größe der britischen Industrie, als deren Ulsache das Dorwalttn des Freihan­dels tm britischen Inselreiche bezeichnet wird.

In derTübinger Zeitschrift für die gesamte Staats- wissenschast" wendet sich Kuno Waltemath gegen dieses Argument mit durchschlagendem Mateiial. Er betont da, daß die Vergrößerungen des Lohnstandes der allgemeinen Einkommen, des Nationalwohlstandes, des Exportes, der Textilindustrie unbezweifelbare Fakta sind. Aber, so sagt er weiter, ihr Erscheinen von 1850 ab einseitig zugunsten des Freihandels zu verwerten, ist durchaus unzulässig, ist zum mindesten ein gewagtes Unternehmen. Man darf nie vergessen, daß die Blüte der Industrie in den beiden letzten Dezennien sich vornehmlich auf die Textilindustrie beschränkt hat. In der Textilindustrie behauptet England noch immer den Vorrang vor der ganzen Welt. Das liegt aber doch an den natürlichen Vorzügen des Landes für die Textilindustrie. England hat nun eil mal, dank seinem Klima, einen Vorzug für seine Tex ilwarrn. die heutzu­tage weit mehr als früher von der ganzen kaufkräf­tiger und anspruchsvoller gewordenen Welt gekauft werden. Der natürliche Vorzug wird noch durch die blühende Schaf­zucht des eigenen Landes gestärkt. Dann kommt der bri­tischen Textilindustrie noch der alte Ruf der englischen Tuche zunutze, die auch bei uns das Renommee der Vor­nehmheit haben. Dann die glückliche Lage der Industrie, dicht beim Meere und den Kohlengruben! Das ist total anders als bei uns, wo die Entfernung von den Meeren und den Kohlenfeldern den Bezug der Rohstoffe so sehr verteuert. Die anderen Industrien, vor allem die Eisen­industrie. bleiben im Wachstum bedenklich hinter Amerika und Deutschland zurück. Die englische Eisenindustrie ist erheblich von der deutschen überflügelt worden, mit der amerikanischen hält sie kaum noch einen Vergleich aus. w'e ein Zwerg fast erscheint sie neben dieser.

Walthemath geht nicht so weit, den Aufschwung der amerikanischen und deutschen Eisenindustrie allein auf das Konto der Zölle zu setzen, mit denen diese Industrien um­festet sind. Da haben auch noch andere Momente mitge­wirkt. Er bestreitet aber mit guten Gründen, daß die mit dem Jahre 1850 über England hercinbrechende wirtschaft­liche Blüte einzig dem Freihandel zuzuschretben ist. Dieser ist doch bereits einige Jahre früher inauguriert worden; im englischen Wirtschaftsleben spürte man aber vorläufig nichts. Mit weit mehr Recht kann man die mit dem Jahre 1850/51 beginnende Blüte als di.» Folge der E üdeckung der amerikanischen und australischen Goldfelder bezeichnen. Nach einigen Jahren traten zu den Goldfeldern Lager von Silber, das damals noch Wertmesser neben dem Golde war.

Der Verfasser hebt zum Schluß hervor, daß die Grund­lagen, auf denen die deutsche Industrie ruht, zu den Zeiten geschaffen wurden, als England ein Hochschutzzolland war. Wie so manches andere Argument der Freihändler, so schwindet also auch das von der Größe der britischen In- dustrie unter die Lupe der Wirklichkeit genommene dahin.

Taged-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Amt

Nagold, SO. März 1S14.

Aersetzt: seinem Ansuchen gemäß Bezirksnotar Brehm in Großbottwar an das Bezirksno'ariat in Wildbod.

Zum neuen Fahrplanentwurf

sei im Anschluß an den gestrigen Rathausbericht folgendes bemerkt:

Herr Direktor v. Leo begründet darnach seinen ableh­nenden Bescheid bezüglich des Anschlusses unseres Mittagr- zugs auf den O-Zug 278 damit, daß dadurch der Durch- ganqsverkehrssahrplan. der in Berlin festgeiegt worden sei, gestört würde.

Die Berechtigung unseres Verlangens sch int also an sich von der Generaldlrektion selbst anerkannt zu werden.

Bei der Festlegung des Durch Mgsoerkehrsfahrplans durch Württemberg waren aber doch sicher Vertreter der

Zkreitag, den 20. März

württembcrgischen Eisenbahnverwaltung maßgebend beteiligt

Die Notwendigkeit des Anschlusses unserer Linie auf den mehrerwähnten V-Zug scheint dabei also trotzdem über­sehen. zum mindesten aber nicht richtig beachtet worden zu sein. Man hat vielleicht gar nicht bedacht, daß in Eutingen außer der Freudenstädter Linie auch unsere noch einmündet.

Wenn das verhältnismäßig kleine Württemberg von dem Durchgangsverkchr auch Nutzen haben soll, so sollte gerade unsere Eisenbahnoerwaltung bei der Durchführung von internationalen Zügen maßgebend berücksichtigen den Anschluß der von ihnen berührten Landesteile und Eisen­bahnen. Man sollte doch die teuersten und mit dem besten Wagenmaterial ausgestatteten Züge nicht allein führen für das Ausland und die Landeshauptstadt. Man sollte an­nehmen. daß auch vor allem seitens der in Betracht kom­menden Eisenbahnbezirksbehörde nachdrücklichst auf die Notwendigkeit eines derartigen Anschlusses hingewiesen und gedrungen würde, sodaß derselbe bei den Verhandlungen in Berlin nicht hätte unbeachtet bleiben können.

Aber der von Herrn Direktor v. Leo angeführte Grund kann nicht als durchgreifend erachtet werden:

Es ist wirklich nicht einzusehen, wodurch etwa durch frühere Abgangszeit unseres Zuges um wenige Minuten in Pforzheim und durch eine Beschleunigung unterwegs eben­falls um nur wenige Minuten oder gar durch Einlegung einer Triebwagenfahrt der internationale Verkehr gestört werden sollte..

Spielt sich doch die ganze Sache lediglich aus unserer von ihm unberührten Linie ab.

Der Eutinger Bahnhof wird auch wohl sür unseren Zug wie seither Platz haben.

Es müssen also andere, nicht genannte Gründe mit­spielen, für deren Mitteilung man dankbar wäre, um auch sie auf ihre Berechtigung prüfen zu können.

Wenn die Eisenbahnoerwaltung sich weiter darauf ver­steifen will, daß unsere Vorstellung zu spät erfolgt sei. so muß ihr entgegengchalten werden, daß sie dies selbst ver­schuldet hat. Ihr war doch sicher schon längere Zeit die in Rücksicht aus den Anschluß an den neuen Berliner Tagesfchnellzug geplante Früherlegung des V-Zuges 278 bekannt.

Es wäre nicht mehr als recht und billig gewesen und man hätte es als selbstverständlich erachten dürfen, daß die Bahnoerwaltung die in Betracht kommenden Landesteile bezw. deren maßgebenden Kreise von der geplanten Aenderung rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hätte.

Unser Bezirk kann sich mit dem bisherigen Bescheid der Generaldlrektion unmöglich zufrieden geben. Es muß endlich einmal ein Ende haben, daß jeder neue Fahrplan statt Fortschritt Rückschritt bringt: War doch der Fahrplan vor 68 Jahren für uns wesentlicher günstiger als er künftig werden soll.

Man kann von der Eisenbahnoerwaltung verlangen, daß sie bet Aenderunqen des Schnellzugsverkehrs den Fahrplan der in Betracht kommenden Strecken neu durch- arbeitet und auch d e Anschlußzüge entsprechend legt.

Weitere Schritte müssen unternommen werden, und es mag hier Anregung gegeben werden, ob nicht seitens unseres Vertreters die Sache vielleicht durch eine kurze Anfrage im Landtag den maßgebenden höchsten Rezierunqsorganen unterbreitet werden will: sind doch wesentliche Interessen unseres ganzen Bezirks in Frage.

Saatzeit.

kp. Ueber den Wochen vor der Konfirmation liegt sür das Kind eine besondere Weihe; ein rechtes Kinderherz ist in diesen Tagen durchglüht von fr.scher Begeisterung sür alles, was heilig und groß ist; und sie prägen oft dem ganzcn Leben eines Menschen den besonderen Stempel auf. In diesen bedeutungsvollen Wochen gehört die frei« Zeit der Eltern in ganz besonderer Weise den Kindern, und auch Freunde und Bekannte dürfen wohl wissen, daß ein Konfirmationskind im Hause ist, und daß es ein Recht auf seine Elt-rn hat. Wie schön und reich können solche Stunden werden, in denen der Vater und die Mutter ein ernstes und tiefes Wort mit dem Heranwachsenden reden! Das braucht nicht gerade ein erbauliches Wort zu sein, jedenfalls nichts G mrchtes! Wo es aber ein Vater oder eine Mutter versteht, den richtigen Ton zu treffen, werden solche Stunden für Eltern und Kinder zu unvergeßlichen Erlebnissen werden. In dieser Z?it, wo das Kinderherz besonders zugänglich ist für ernstere Regungen, sollte man ihm auch darin entgegenkommen, daß man ihm Gelegen­heit gib', sich über das auszusprechen, was es, oft vor der Umwelt verborgen, bewegt oder bedrückt. Darum gilt es in diesen Tagen doppelt, sich Zeit nehmen für seine

1914

Kinder! Vor allem soll die Mutier nicht zum Lasttier der Gastfreund.chaft werden, sich nicht so mit den äußeren Vorbereitungen aus das Fest überladen lassen, daß sie keine Möglichkeit mehr hat, ein ruhiges Wort mit ihrem Kinde zu reden und ein geduldiges, offenes Auge und Ohr für seine Fragen und Gedanken zu haben. Und dann noch eins! Man mache nicht das Aeußerliche zur Hauptsache! Gewiß, Kinder sind Kinder. Sie freuen sich auf ihr schönes Kleid, ans Kettlein. Uhren. Gesangbuch und Sträußchen. Man soll ihnen diese Freude nicht nehmen, aber man soll darin auch nicht die Hauptsache seht», son­dern, was es ist, eine unwichtige Nebensache. Ein Jugend­freund erzählt von einem Hause, in dem am Konfirmations- tog nicht einmal die Geschenke von Verwandten und Freunden auf den Tisch gelegt werden durften. Man wollte die Kinder nicht von dem Kern der Feier ablenken. Die Freude am Freundlichen, was alle die Lieben in der Familie gespendet hatten, kam am andern Tage. Und diese Freude war darum um so mächtiger und reiner, weil sie nich! sich störend eindringcn durste in all das Andere und Große, was in das Herz des Kindes am eigentlichen Festtag etnströmte. Stille, Sammlung, heiliger Ernst das ist es, was wir unsern Kindern schuldig sind. Goethe hat einm il getagt:Der Ernst, der heilige, macht allein das Leben zur Ewigkeit." Wer dem Kinde das gibt, gibt ihm mehr als Silber und Gold, er gibt ihm ein Stück Leben, daß er nie verlieren wird.

* Konzert. (Mitgeteilt.) Wie aus dem Anzeigenteil ersichtlich ist, konzertiert am kommenden Samstag und Sonntag im Gasthos z. Löwen das Gesangs-, Posten- und Mustkenfemble Rudolphi aus Pforzheim und können wir Freunde eines gesunden, und dabei in anständigem Rahmen gehaltenen Humors den Besuch nur aufs Wärmste empfehlen, denn laut Kritiken anderer Zeitungen werden die wenigen Stunden die uns diese kleine Truppe unterhalten wird nur zu schnell vorüber eilen.

Kaufmann-Erholungsheime. Der Gesamteingang an Stiftungen für die Deutsche Gesellschaft für Kaufmanns- Eeholungsheime im Jahre 1913 betrug 780000 Mark. Hierfür werden zwei neue Heime erstellt' Die feierliche Grundsteinlegung des neuen Heimes in Bad Elster wird voraussichtlich berelts im Mai dieses Jahres erfolgen. Bei der ungeheuren Nachfrage nach Plätzen ist jedoch die Er­bauung weiterer Heime ein dringendes Erfordernis und die Zuweisung weiterer größerer Stiftungen deshalb ebenfalls eine Notwendigkeit. Der Herstellungspreis eines Heimes für 150 Betten, in welcher Größe die Heime der Gesell­schaft erbaut wurden ursprünglich waren nur Heime sür 100 Betten in Aussicht genommen beträgt nach dm bisherigen Erfahrungen zirka 425000 Mark für Bau und vollständige Einrichtung, der Preis pro Bett somit 2500 Mark, was in Anbetracht der äußerst gediegenen Bauweise und den vollkommenen hygienischen Einrichtungen ein außer­ordentlich billiger genannt werden muß. Allerdings ist auch, so schön und behaglich die Heime sind, doch jeder Luxus vermieden worden. Die Heime in Traunstein (Oberboyen,) und im Taunus (bei Wiesbaden) sind das ganze Jahr geöffnet, das Heim in dem Sool- und Stahlbad Salzhousen wird am 1. April und das Heim in Ahlbeck an der Ost­see am 15. April eröffnet.

Ausbildung von Schiffsköche» für die deutfche Handelsmarine. Der Deutsche Schulschiff-Verein de- schästtgt sich neben der Ausbildung von seemännischem Personal sür die Handelsflotte auch in beschränktem Um­fange mit der Ausbildung von Mannschoftsköchen für Handelsschiffe. Mitte April d. I. beginnt auf den Schul­schiffenGroßherzogin Elisabeth" undGroßherzog Fried­rich August" je ein Kochkursus, zu drin auf jedem Schiffe 68 Kochschüler eingeschifft werden. Die Ausbildung erfolgt kostenlos, eine Pension für Unterbringung. Ver­pflegung. Kochunterricht und Krankenbehandlung an Bord durch den Schiffsarzt wird nicht gefordert, die Kochlehrlinge haben nur eine gleichmäßige Kleidung, die aus der Klei­derkammer des Schiffs geliefert wird, im Betrage von etwa 110 selbst zu bezahlen. In Frage kommen nur junge Leute, die bereit» gedient oder Militärs'ei find, die jedoch das Alter von 25 Jahren möglichst nicht überschritten haben. Bäcker und Schlächter werden wegen ihrer Vor­bildung bevorzugt Nach erfolgter Ausbildung finden die Kochlehrlinge Beschäftigung als Mannschaftsköche auf den Schiffen der Handel« marine, wo sie etwa 80110 bessere Köche auf größeren Schiffen auch darüber verdienen. Die näheren Einsiellungsbedingungen sind auf der Geschäfts­stelle des Deutschen Schulschiff-Vereins, Bremen, Herrlich­keit 5. zu erhalten.