Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
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Der GchlMtrr.
L«ts- mi> LiM-SKII fiir de« MnMls--yikk AqO
Fernsprecher Nr. 29.
88. Jahrgang.
Postscheckkonto Nr. 8113 Stuttgart.
Anzeigen-Gebühr sür die einspalt. Zeile au« gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal.
Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Beilagen: Plauderstübchen, Mustr. Sonntagsblatt und
Schwüb. Landwirt.
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Mittwoch, dev 18. März
1914
Amtliches.
Bekanntmachung
für die Mannschaften des Benrlandteustandes, welche vom Bezirkskommando Calw kontrolliert
werden.
In den setzten Tagen des Monat März erhalten sämtliche in dem Oberarm Nagold wohnenden Mannschaften des Beurlaubtenstandes sür das Mobilmachungsjahr 1914/15 ihre Mobilmachungsbest mmung in Form einer roten Kriegsbeorderung oder weißen Paßnotiz durch die Post zuge- fandt.
Wer bis 31. März d. Is. eine rote K^iegsbsorderung oder w iße Paßnotiz nich! erhalten hat, hat hiervon sofort dem Bezirksfeldwebel seines Aufenthaltsorts schriftlich oder mündlich unter Einreichung des Militär- bezw. Ersatz- Neseroe-Passes Meldung zu erstatten.
Unterlassung dieser Meldung, ohne genügende Entschuldigung, wird bestraft.
Der Verlust einer Kriegsbeordrrung oder Paßnoiiz ist dem Bezirksfeldwebel umgehend zu melden.
Die sür das Mobilmichmrgsjahr 1914/15 ungültigen gelben Kriegsbeorderungen pp., welche die Mannschaften in Händen haben, werden von den Mannschaften der Aeserve, Landwehr I. Aufgebots «nd der Hrsah-Peserve aller Waffengattungen gelegentlich der Arühzahrskon- trollversarurnknngen eingezoge«.
Mannschaften der Landwehr H. Avfgeöots aller Waffengattnnge» einschließlich derjenige« Mannschaften, welche i« Aahre 1914 das 39. Lebensjahr vollenden «nd solche, die von der Arühjahrskontrollversammlnng vefreit werde«, hake« ihre ungültigen Kriegsveorde- rnnge« pp. in der Zeit vom 1. Sis 7. April 1914 entweder persönlich dem Aezirksfeldwevel avzngeve», oder dnrch die Hfioff einjnfendev.
Wenn die Uebersendimg durch die Post erfolgt, so ist, um Strafporto zu vermeiden, ein offener Briefumschlag mit dem Vermerk „Heeressache" zu verwenden. (Gleiches Verfahren wie bei sonstigen Meldungen).
3um Beurlaubtenstande im obigen Sinne gehören:
1. Sämtliche Mannschaften der Hleferve, Marine-Hle- serve, Landwehr «nd Seewehr I. nvd II. Aufgebots, welche in den Jahren 1896 bis 1913 beim Militär eingetreten sind, mit Ausnahme derjenigen, welche bereits 39 Jahre alt sind oder im Jahre 1914 das 39. Lebensjahr vollenden.
2. Sämtliche zur Disposition der Krsahbehörde« Se- «rkanvte« Mannschaften.
3. Die in de« Jahren 1878 bis 1893 geborene« ßrsatz- Weserviffe«, welche geübt habe«.
4. Die in den Jahre« 1882 vis 1893 geborene« Kr- sah-Weserviffe«, welche nicht geübt habe«.
Calw, den 7. März 1914.
Köuigl. Bezirkskommando.
Dir Octsdehörden werden beauftragt, Vorstehendes in den Gemeinden wiederholt auf ortsübliche Weife bekannt zu geben.
Nagold, den 9. März 1914.
K. Oberarm: Kommerell.
K W Wevsichevungsarnt Vergold.
Die Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung dezw. die Herren Verw. Aktuare werden hiemit aufge- fordert. die Listen über die besonders eiugeschätzte« Umlagekapitale zur landwirtschaftlichen Bernfsge- uofsenschaft nach Ergänzung bis spätestens S8. ds. Mts. an dar Bersicherungsamt einzusend-n. soweit nicht bereits Vorlage erfolgt ist. (§ 13 der Minist.Berf. v. 26. OKI. 1912. Reg Bl. S. 820)
Den 17. März 1914. Amtmann Mayer.
Die Ausländer und der Wehrbeitrag.
Kine Demarche in Aerli« bevorstehend.
Berlin, 16. März. Die Heranziehung der in Deutsch, land domizilierenden Ausländer und ausländischen Gesellschaften zum Wehrbeitrag scheint auf unvorhergesehene Schwierigkeiten stoßen zu sollen. Nach dem Wehr» beitragesteuer-Gesetz sind bekanntlich auch die in Deutschland lebenden Ausländer unter gewissen Voraussetzungen verpflichtet, den Wehrbeitrag zu leisten.
Nun bestehen jedoch zwischen dem Deutschen Reiche einerseits und Rußland, Italien, Rumänien und Griechenland andererseits seit einiger Zeit Verträge,"nach denen die Staatsangehörigen dieser Länder in Deutschland n'cht zur Leistung einer Kriegs- oder Ausnahmesteuer herangezogen
werden dürfen. Wie wir hören, beabsichtigen die diplomatischen Vertreter der genannten Länder in Berlin unter Berufung aus diese Verträge — der deutsch-italienische Vertrag datiert vom Jahre 1904 — die Befreiung ihrer Stamsan- gehörigen vom Wehrbeitrag zn verlangen. Es haben über diese Frage vorläufig zwar nur unverbindliche Besprechungen zwischen den betreffenden Diplomaten stattgesunden, doch sollen in nächster Zeit Verhandlung,n Über die Form des Protestes ringeleitet werden.
Sollte diese Demarche, die unter Fiihmng Rußlands vor sich gehen dürste, von Erfolg sein, so liegt die Erwart- ung nahe, daß auch die üb-igen in Berlin diplomatisch ver- tretenen Staaten die gleichen Rechte für ihre Staatsange, hörigen fordern werden, und zwar sollen es vor allem die Bereinigten Staaten sein, die ein besonderes Interesse sür diese Frage an den Tag legen, die naturgemäß von großer Bedeutung sür die in Deutschland etablierten amerikanischen Gesellschaften ist. Es handelt sich natürlich in erster Linie nicht um eine politische, sondern um eine juristische Frage, wobei die Entscheidung vor allem in der Auslegung des Begriffs „Kriegssteuer" liegen dürste, der wohl nicht ohne weiteres aus den Wehrbeitrag angewendet werden kann.
(„Nat. Ztg.")
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Amt
Nagold, IS. MSr, 1914.
Aebertrage«: eine Hauptlehrstelle an der Gewerbeschule in Schorndorf dem Hilfslehrer Wilhelm Harr daselbst.
-r Landesfifchereiverei». Die diesjährige Haupt- Versammlung des Württ. Landesfischereioereins (XXII. Württ. Fischereitag) findet nicht, wie anfangs beschlossen, am 10. Mai. sondern erst am 21. Juni d. I. in Waldsee statt. Für Montag, den 22. Juni ist ein Ausflug an den Bodensee über Wangen-Hergaz-Lindau geplant.
r Eierlegpnlver. In letzter Zeit kamen in verschiedenen Zeitungen Inserate, die Eierlegpnlver anpriesen. Es soll bewirken, daß die Hühner mehr E er legen. Der Geslügelzuchtveretn Schramberg sandte ein solches Päckchen Eierlegpulver, das im Verkauf 1 -4t kostet, nach Hohenheim der Kgl. Versuchsstation, um das Pulver untersuchen zu lassen. Es kam folgende Antwort: Das uns zugesandte Eierlegpuloer, das mit 1 -4t in Verkauf steht, besteht in der Hauptsache aus phorvhorsaurem Kalk. Kochsalz und vegetabilischen Stoffen. Wir müssen Ihnen entschieden ab- raten, sich auf derartige Geheimmittel einzuiaflen. Der dafür geforderte Preis steht in gar keinen Verhältnissen zu ihrem Wert. _
Wenn d« in die Fremde gehst.
DerEvangelischePreßverband schreibt uns:
Es find gerade zehn Jahre her, da fuhr ich, stolz auf meine Selbständigkeit und erhoben von den mancherlei Eindrücken, dt« ich in der Fremde gesammelt, im Schnellzug von Genf nach Basel. Wie cs halt ist, wenn man 17 Jahre alt ist, wo die Welt und das Leben noch hinter rosigen Schleiern verborgen liegt und man keine Gefahr kennt und keine Furcht. Ein Pärlein fuhr mit mir, sie sehr jung, er mit dem größten Eifer auf sie cinredend. Er störte mich nicht. Auch das gehörte meiner Ansicht nach in di« wunderbare Welt. Mt einem Ruck hält der Zug: „Basel-Bäle!" tönte es deutsch und französisch an mein Ohr. Die Wagentüren flogen auf, ein großes Hasten und Jagen begann; plötzlich stand ich mitten im Gewühl. Ein Schwarm von Gepäckträgern umdrängte mich; ich hotte 2 Stunden Aufenthalt, wollte nur tm Wartsaal eine kleine Mittagspause machen und hatte durchaus nicht die Absicht, mich meines kleinen Köfferchens zu entledigen. Da fühlte ich es schon von energischer Hand ergriffen, und ein kleiner, unangenehmer Mensch hüpfte wie ein Frosch neben meinen langen Schritten her. „So lasten Sie doch lo^!" schrie ich ihn an. Der Mensch grinste nur, ich fühlte förmlich, wie seine Faust sich fester um den einen Handgriff schloß. Ich hielt den andern fest und war durchaus nicht gewillt, nachzugcben. Bor meinen Augen leuchteten große weiße Tafeln auf, fürchterliche Mahner im Ged änge: „Bor Dieben w'rd gewarnt!" Andere Gefahren kannte ich nicht; doch die schien mir groß genug, wenn ich an die Bilder der Ellern und Geschwister und an die vielen lieben Andenken dachte, die mein Köf- ferlein barg. Immerfort weiter rennend mit dem Mann auf den Fersen überlegte ich, was tun? In der Ferne sah ich mein Pärlein verschwenden. Da kam mir ein Gedanke. Ich zog mein Portemonnaie und hielt dem Zu
dringlichen ein Geldstück unter die Nase. Er schien verblüfft, doch nahm er es nach einigem Besinnen. Die Pause benützte ich, mein Köfferlin loszureißen und war nun wieder frei. Doch schien mir jetzt die Freiheit schon nimmer so golden wie ein Paar Stunden vorher.
Da tauchte plötzlich ein gütiges Gesicht vor mir auf und eine Stimme fragte nach meinem Woher? und Wohin? Eine ältere freundliche Frauengestail stand vor mir. zu der ich gleich Verträum faßte. Sie leistete mir Gesellschaft bei meinem Mittagsmahl, daß ich nicht allein unter all den fremden Menschen sitzen mußte und brachte mich dann in einen Warteraum, in dem noch eine Schar jüngerer und älterer Mädchen, in Gruppen und allein, beisammen saß. Da waren Ladnerinnen, Dienstmädchen. Bürosräulein. Erzieherinnen und alle wandten sich mit dem gleichen Vertrauen an meine Beschützerin. Die eine fragte um Rot wegen eines Nachtquartiers, die andere wegen einer Stelle, die drille wußte sich mit dem Umstetgen nicht zu helfen, und allen wurde bereitwillig und freundlich Auskunft erteilt. Mein Staunen wuchs vollends, als nun die Tür sich öffnete, und eine zweite Frau mit einem ebensolchen Stern aus seidenem Band über der Schulter, wie es mir schon bei meiner Freundin ausgefallen war, eintrat. Auch sie war nicht allein, ein zitterndes, weinendes Etwas schob sich mit ihr zur Tür herein. Boll Erstaunen erkannte ich meine Reisegefährtin, die nun allein und ohne den flotten Begleiter dastand. Die Arme war einem Mädchenhändler in die Hände gefallen, und gerade noch am Bahnhosaus- gang hatte die Frau mit dem Stern aus der Schulter sie ansprechen und somit befreien können. Immer mehr brannte die Frage in mir: Wer find diese Frauen, die sich aller in so uneigennütziger und hingebender Weise annehmen ? „Ich bin eine Freundin junger Mädchen" chatte meine Beschützerin gleich zum Anfang gesagt in den weichen Lauten der französischen Sprache, da sie mich zuerst für ein Französletn hielt. „Es ist Zeit; Ihr Zug geht in wenigen Minuten" wandte sie sich nun wieder an mich, die andern bat sie. einstweilen hier zu warten, bis sie zurück käme. Bald saß ich behaglich in meinem Zug, drei älteren Damen, die ebenfalls über Karlsruhe nach Stuttgart fuhren, warm anbefohlen. Als ich abend» meinen Eltern erzählte, wie es mir ergangen, konnten sie nicht genug dankbar sein, daß ich so einen freundlichen Schutzengel gesunden. Das war meine erste Begegnung mit den „Freundinnen junger Mädchen."
Manchem dürfte es nun so gehen, daß er. wie ich damals, wenig oder noch gar nichts von dieser Bereinigung weiß. Denen möchte ich kurz einiges Mitteilen:
Christlich gesinnte Frauen haben sich zusammengeschlos- sen, um den Mädchen, die in die Fremde gehen, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und sse vor allen auch vor Gefahren, die sie zum Teil noch gar nicht kennen, zu bewahren. und zwar soll allen Mädchen dieser Schutz zu Teil werden, gleichviel welcher Religion, welchem Volk, w'lchem Stand sie angehören. Daß diese Fürsorge nicht unnötig ist, zeigen die Spalten unserer Zellungen mehr oder weniger grell, ganz zu schweigen von den traurigen und doch so zahlreichen Fällen, in denen unerfahrene junge Mädchen durch Verführung in der Fremde in den Tod getrieben werden oder an schlimmen Krankheiten zu Grunde gehen.
Der Württenlbergische Landesverein der „Freundinnen junger Mädchen" hat seinen Sitz in Stuttgart. Mostrstr. 12. Dieser Verein ist aber nicht der einzige dieser Art; überall im deutschen Reich und auch außerhalb desselben, hauptsächlich in der Schweiz, seiner Urheimat, reckt und streckt er sich aus und breitet sich wie ein Netz über die ganze Welt. In fast allen größeren Städten bestehen Auskunsts stellen und Heime, wo die jungen Mädchen Rat und billige Unterkunft erhol- ten. Wer eine Stellung sucht, wendet sich am besten an Stellenvermittlungen, die von gemeinnützigen Vereinen eingerichtet sind. Auch hier stehen die „Freundinnen junger Mädchen" für alle Berussarten zu Diensten. Wie gut Hot man's doch! Nur ja nicht aufs Geratewohl in die Welt reisen, ins Blaue hinein, wenn auch dies zunächst gerade die Kühnen und Mutigen lockt! Es qiedt noch genug Gelegenheit im Leben, seinen Mut und seine Kühnheit zu beweisen; das muß man nicht noch besonders herausfordcrn. Aber auch die Gedankenlosen, ein Bißchen Bequemen, möchten wir warnen, die mit dem ergebenen Sätzlein: „Es wird schon recht werden" auf das erste beste Anerbieten hereinfallen, zufrieden, daß sie Lohn und Kost haben und die oft bitter hart aus ihrer Schläfrigkeit aufgerüttelt werden.
Wer vollends ins Ausland reist, kann nicht vorsichtig genug sein. Der „Ratgeber" unseres Vereins sür die