Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier mit Trägerlohn 1.35 im Bezirks­und 10 Lw.-Verkehr 1.40 im übrigen Württemberg 1.50 --k. Monats-Abonnements nach Verhältnis.

Der GeNIWkr.

Anzeigen-Gebühr sür die eluspalt. Zeile au» gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal.

Einrückung 10 /H, bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

mi> L>W-M im st» Gstriols-SkM W».

Fernsprecher Nr. 29.

88. Jahrgang.

Postscheckkonto Nr. 5113 Stuttgart.

Beilagen: Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

Dienstag, den 17. März

1814

Amtliches.

A. HberarnL Wagokd. Bekanntmachung.

Auf die Bekanntmachung der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel im Gewerbeblalt Nr. 11 betreffend Landesausstellung von Lehrlingsarbeiteu im Jahr LS14 werden die beteiligten Kreise hiedurch hingewtefen.

Das betr. Gewerbeblatt kann auf dem Rathaus ein- gesehen werden.

Den 16. März 1914. Amtmann Mayer.

Professor Dr. Gaupp über den Alkoholrausch.*)

In einer Abhandlung betr. den »Schutz vor gefähr­lichen Geisteskranken" imSchwäbischen Merkur" kommt der Verfasser Professor Dr. G a u p p-Tübingen zu folgendem Schluß:

Die Häufigkeit von Verbrechen unzurechnungs­fähiger Geisteskranker wird im Allgemeinen überschätzt, weil der einzelne Fall im Vergleich zu dem Gros der ge­wöhnlichen Strafrechtssälle mehr von sich reden macht und weil besondere Schreckenstaten, wie z. B. die Wagners, sich dem Gedächtnis der Menschen tiefer ernprägen als die Masse dergewöhnlichen" Verbrechen und Vergehen. Dabei muß ich freilich eine Einschränkung gelten lasten: die häufigste Geisteskrankheit, der Alkoholrausch, ist auch weitaus die gefährlichste. Es hieße Eulen noch Athen tragen, wollte ich darlegen, welch enormen Prozentsatz die Alkoholdelikte in der Gesamtkrimtnalität einnehmen. Man lese nach, was erfahrene Männer, wie der frühere hervorragende Leiter des preuß. Strafanstaltswesens Geh. Rat Krohne darüber ge­schrieben haben. Mag es auch für die, die alles Heil von gesetzlichen Bestimmungen, von Paragraphen und Regle­ments erwarten, nicht' angenehm klingen, so muß es doch gesagt werden: hundertmal wichtiger als alle Gesetze über die Versorgung krimineller Geisteskranker ist die Bekäm­pfung der Trunksucht. Der Alkohol macht aus dem Gesunden einen gemeingefährlichen Geisteskranken (das ist jeder Schwerbetrunkene, gleichgültig, ob das Gericht ihn bereits für unzurechnungsfähig hält oder nicht) und der Alkohol macht den sonst harmlosen Geisteskranken sehr häufiä erst zu einem gefährlichen Kranken. Wir erleben es alle Tage, daß Geisteskranke, die draußen in der Freiheit

im höchsten Maße g« koholfreiem Leben ruh wegen ihrer Harmlv

ährlich waren, in der Klinik bei al- g und harmlos sind. Wenn sie dann stgkeit wieder entlasten werden und nachher von neuem Schlimmes anrichten, dann ist man sogleich bei der Hand, diein den Kinderschuhen steckende Psychiatrie" (ein neuerdings besonders beliebter Ausdruck der Presse!) dafür verantwortlich zu machen; daß aber auch der Krankesein Bier" oderseinen Most" haben müsse, gilt als selbstverständlich und die Warnung davor wird in den Wind geschlagen. Nicht jeder Geisteskranke bedeutet eine Gefahr für seine Mitmenschen. Nicht jede Krankheit führt zu gefährlichen Erregungen, und nicht jeder Kranke ist in seiner Krankheit zu Gewalttaten acneigt. Charakter und Erziehung wirken auch noch in der Psychose sehr häufig mit. Die gefährlichsten Kranken sind die Schwachsinnigen, die Epileptiker und die Degenerierten. Die angeborene Entartung ist der fruchtbare Boden, auf dem die kriminelle Betätigung des Geistig-Abnormen erwächst. Die Quellen der Entartung sind uns rmr zum Teile bekannt; die wich- tigsten sind ohne Zweifel die Trunksucht und die S y- phklis; sie richten nicht nur ihre Träger, sondern auch deren Nochkommen nicht selten zu Grunde. Auch Wagner ist der Sohn eine» Trinkers. So bildet den wichtigsten Schutz vor den kriminellen Geisteskranken nicht der Para- qraph eines Gesetze» oder die Verfügung einer Behörde, sondern ein erfolgreicher Kampf gegen jene beiden großen Bolksseuchen. Auf keinem Gebiete der Medizin ist die Prophylaxe an sich klarer und wirksamer als aus dem der Irrenheilkunde, der es bekanntlich weniger als anderen medizinischen Zweigen beschieden ist, durch aktive Therapie den Krankheiten selbst direkt auf den Leib zu rücken. Kein Gebiet der Medizin beunruhigt das öffentliche Leben mehr als die Geisteskrankheiten, vor allem die angeborenen Entartungszu stände, aus denen Verbrechen und Krankheit emporwachsen, deren Bekämpfung und Behand­lung unserem Volksvermögen immer neue Millionen ent­zieht. Kann man es uns verübeln, wenn wir immer wieder mahnen, die Ursachen der Entartung, die wir kennen, zu vernichten?

*) Mit Genehmigung des Verfassers und des Verlags.

Brief einer deutschen Frau aus Natal/i

Wie sich die Vorgänge in Deutschland in den Augen unserer Ausländsdeutschen widerspiegein, zeigt in sehr fesseln­der Weise der Brief einer deutschen Frau aus Natal, welcher denHamb. Nachr." zur Verfügung gestellt wurde. Das Schreiben der Dame, welche inMatol an einen Farmer ver- heiratet ist, ist zwar schon vom 21. Januar datiert und daher durch die Ereignisse überholt. Indessen bietet es des Lehr­reichen genug, um trotzdem noch Interesse zu finden:

.Für die englischen Zeitungen war die Zabern-

sache natürlich eine Fundgrube, die ausgebeutet wurde in hämischen Artikeln; kann man's ihnen verdenken, wenn fast

die gesamte deutsche Presse sich so.benommen hat?

Es ersaßt einen wirklich.vor dieser Versunkenheit.

Das kann nicht gut werden! Wie konnte aus solch kleiner Sache solche Staatsaktion gemacht werden und die Zivil- behörde sich so schlapp benehmen! Wir haben hier in letzter Woche verschiedene Affären in der Art gehabt, aber mit entgegengesetztem Ausgang. Sie haben natürlich in den Zeitungen von den verschiedenen Ausständen, die in Südafrika stattgefunden haben, gelesen. Am 8. Januar wurde für ganz Südafrika ein Eisenbahnerauestand erklärt. Ein großer Teil der Eisenbahnangestellten legte die Arbeit nieder; besonders in Johannesburg und Pretoria sah es ernst aus. Die Regierung fürchtete, daß der Pöbel sich wieder daran beteiligen und es zu Ausschreitungen kommen würde, auch daß die Schwarzen aufstrhen würden. Infol­gedessen wurde am 9. Januar der Mobilmachungsbefehl für die Bürgerwehr ausgegeben und am selben Tage abends waren 60 000 Mann bewaffnet. Bor etwa einem Jahre hat die Regierung (the Union Government) ein neues Wehr- system geschaffen. Jeder Afrikaner vom 17. bis 40. Jahre ist wehrpflichtig und hat seiner Militärpflicht zu folgen, sowie die Regierung ruft. Die militärische Ausbildung er­halten sie in jährlich einmal stallfindenden Manövern von sieben bis zehn Tagen Dauer, außerdem haben sie alle drei Monate Schießübungen. Jeder muß jährlich so und so viel Punkte geschaffen haben. Uniform. Sattel und Zaumzeug wird von der Regierung zum Selbstkostenpreis gestellt. Ge­wehr und sonstige Ausrüstung wird umsonst geliefert, das Pferd muß sich jeder selbst holten, kann es aber bei der Regierung versichern für je ein Pfund des Wertes einen Schilling Versicherung, im Sterbefall ersetzt die Regierung zwei Drittel der Versicherungssumme. Für die Städte sind Infanterieregimente! eingerichtet. Durch dieses Wehrsystem (desence force heißt es hier) will sich die Regierung unab­hängig machen von England und den englischen Truppen.

Unsere Regierung hat in dieser Ausstandsangelegenheit einfach großartig gehandelt und der Mobilmachungeplan ist glänzend geglückt. Die verschiedenen Kommandos wurden über ganz Südafrika verteilt; die Hauptmacht nach Johan­nesburg und auf die Minrn, da dort ein Ausstand befürch­tet wurde. Auf einer Mine im Oranje-Freistaat hatten die Koffern schon revoltiert und einige weiße Aufseher ermordet. Durch die Polizeitruppe und ein Bürgerkommando wurde der Aufruhr im Keime erstickt. Sechzig Kaffem wurden erschaffen.

Da die Ausständigen cmfingen, die Arbeitswilligen anzugreisen. Züge zum Entgleisen zu bringen, durch Dy­namit und Ausreißen der Schienen, wu den die Truppen an der Bahnlinie entlang und auf allen Stationen ver­teilt. Da die Führer des Auestandes großen Einfluß hatten, Hetzreden H ellen in größeren Versammlungen, ließ die Re- gierung den allgemeinen Kriegszustand (martiol law) er- klären. Auf diese Weise konnte nian den Hetzern beikom­men. Jetzt herrscht Militärverwaltung und Kriegsgericht.

Dabei haben sich schon einige komische, für die Bettes- senden aber wenig angenehme Szenen abgefpielt. So hiel­ten sich in Germiston. einer Stadt in Transvaal, einige Leute auf über ein Buren Kommando, das durch die Straßen patrouillierte, sie höhnten und lachten über die Truppen. Stillstehen, Gewehr hochnehmen, anle- gen, einen Kreis um die Leute schließen und sie abführen, war das Werk eine» Augenblicks, den Leuten ist das Lachen vergangen. In Durban sind zwei Parla­mentsmitglieder. angesehene Persönlichkeiten, verhaftet und mit fünf Pfund Sterling bestraft worden, w-il sie sich ungehörig über die Maßnahmen der Regierung und die Truppen geäußert haben, sowie den Ausständigen bei- standen. In Moritzburg hatte eine bekannte Fi>ma'Kart- baiuren über den Eisendahnminister, über Botha und den Truppenführer im Schaufenster stehen. Ein Leutnant mit

*) Wir geben diesen Artikel auf Wunsch eines Leser» wieder, möchten uns aber nicht in allen Einzelheiten mit den Ausführungen identifiziert wissen. (D. Red.)

seiner Patrouille geht in das Geschäft, fordert den Besitzer auf, die Karikaturen zu entfernen, und als er ansängt, zu argumentieren^ wird er sestgenommen und abgeführt und ebenfalls mit fünf Pfund Sterling oder sieben Tagen Ge­fängnis bestraft. Südafrika ist kein Miiitärstaat, aber unsere Truppen und Minister lassen sich nicht verulken.

Die Burenkommandos in Transvaal und im Freistaat haben nicht viel Federlesens mit den Ausständigen gemocht; manchmal mögen sie vielleicht zu weit gegangen sein, aber nur auf diese Weise ist es gelungen, den Ausstand so schnell zu Ende zu führen und Zucht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Es muß so regiert werden, daß es imponiert, es ist ganz verkehrt, mit Glacehandschuhen anzufasien. Wenn damals in Zobern der kleine Belagerungszustand nach den ersten Anrempelungen verhängt worden wäre, würden die Hetzer und Schreier wbhl auch bald ruhig geworden sein. Dieses schnelle und energische Eingreifen der afrikanischen Regierung Hot mir imponiert. Jetzt flaut der Ausstand allmählich ab, die Führer sind festgenommen und werden hoffemlich ausgewiesen und als (undestrables) unerwünscht abgcschoben. (Wie es ja auch gemocht worden ist.) Die Züge fahren noch unter militärischer Bedeckung und unre­gelmäßig, doch hofft man, daß von morgen an, 22. Januar, wieder normale Zustände eintreten werden, so daß die Truppen Ende der Woche wieder entlassen werden können.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt uud Amt

Nagold, 17. Miirz 1S14.

Ileöertragerr: eine ständige Lehrstelle in Hohenhaslach, OA. Vaihingen a. E., dem Hauptlehrer Bahnet in Hausen a. L., OA. Reutlingen.

? Letzten Sonntag tagte die Generalversammlung des Geflügelzuchtvereins im schwarzen Adler hier. Es war ungefähr ein Drittel der Mitglieder erschienen. Nachdem der stellvertretende Bereinsoorstand, Hauptlehrer Wolf-Isels- hausen, den Jahresbericht erstattet hatte, trug Kassier Lehre den Kassenbericht vor. Da Vorstand Killinger krankheits­halber fein Amt niederlegte, mußte zur Wahl eines Vor­standes geschritten werden. Durch Akklamation wurde Hauptlehrer Wolf-Iselshausen einstimmig zum Vorstand berufen. Den Schluß der Versammlung bildete ein Vor­trag überDie wichtigsten neuen Hühnerrassen". Eine an­genehme Dreingabe bildet« ein Kaninchen-Esten, welche» allgemein befriedigte und der Küche des Herrn Gehmonn alle Ehre machte. Die nächste Versammlung soll in Isels- haufen abgehalten werden mit einem Dortrag über Kanin- chenzucht.

r Blauko-Akzept über SS SOV Mt. verlose».

Ausgangs Februar d. Is. ist bei der Postdeförderung tron Reutlingen nach Stuttgart ein Blanko-Akzept der Firma Karl Seybold in Ebingen über 32 500 ^ zahlbar am 31. August 1914 bei der Württ. Notenbank in Stuttgart in Verlust geraten.

Alteusteig, 16. März In der Generalversammlung des Gewerbevereins wurde bezüglich Berkehrssachen zur Sprache gebracht, daß u. a. der Zug 10.55 vorm, ab die bisherige Verbildung mit Stuttgart nicht mehr habe; es wurde beschlossen, Schritte für die Erhaltung dieser wich­tigen Verbindung zu tun.

An- den Nachbarbezirkev.

Rotteubnrg, 16. März. (Sprechsaal). Nach den Aushebungstagen wird sich Heuer niemand mehr zurücksehnen; derStraßenbrtrieb" nimmt Formen an, die nicht jeder billigen wird. Der Aushebungstag zeigt ein Gesicht, das in die stille Fastenzeit wenig mehr paßt. Könnte nicht Bvrsorge getroffen werden, daß die schlimmsten Auswüchse verschwinden? Gegen ein flottes Lied der Rekruten wird niemand etwas einwenden. Etwas anderes ist das Gröhlen, an welchem kein Rekrutenfreund Gefallen haben wird. Also wie ist abzuhelsen? (Rottbg. Ztg.)

r Mreudenstadt, 16. März. In der Angelegenheit der Eingemeindung von Friedrichstal hat die Stadt ein Rechtsguiachten ringeholt, wonach eine Klage des Staats oder der Laboranten auf Herausgabe von Wold oder aus Leistung des Geldwerts völlig ausgeschloffen fein soll. Die Stadt habe die beste Aussicht, einen Prozeß zu gewinnen.

r Are«denstabt, 16. März. (Städtische Abfuhr.) Die brenzliche Frage der Latrinenabsuhr bildet gegenwärtig in den bürgerlichen Kollegien und aus der Bierbank den Gegenstand eingehender Beratung. Unter niedreren Kon- kurrenzprojekten tiug das Wiltlensmeiler den Sieg davon.