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Der Gtskllsllillstkl.
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Fernsprecher Nr. 29.
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88 . Jahrgang. Fernsprecher Nr. 29.
Ikreitag, den 13 . Keöruar
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Beilagen: Plauderstübchen.
Alustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
1«14
Amtliches.
Den Herren Ortsvorstehern
werden demnächst durch die G. W. Zaiser'iche Buchhandlung Formulare zur Anzeige der Tuberkulose zugehen.
Nagold. 13. Febr. 1914.
K. Oberomtslicrarztstelle:
Metzger.
Tages-Nerrigkeiten.
Aus Stadt md Amt
Nagold, 13 Februar 1S14
* Jungdeutschlaud. Die hiesige Ortsgruppe wird am Sonntag, den 15. Februar, ihre Tätigkeit mit einer Geländeübung wieder ausnchmen, an der sich die Ortsgruppe Aliensteig, sowie die hiesigen und Altensteiger Pfadfinder beteiligen werden. Die Teilnehmer sammeln sich um 1 Uhr aus dem Stadtacker.
, Schwäbische Gedenktage. Am 17. Febr. 1795 zerstörte ein Brand in Ca iw 17 Gebäude. — Am 28. Februar 1812 ist in Nordstetten OA. Horb der Schriftsteller Berthold Auerbach geboren, er starb am 8 . Febr. 1882 in Cannes.
Aus den Rachbarbezirken.
Calw, 12. Febr. Bom 1, April an wird der Ober- amisbezirk Calw statt der bisherigen 43 nur noch 42 Gemeinden hoben. Es sind nämlich die Gemeinden Unterreichenbach (mit z. 2t. 945 Einwohnern) und Dennjächt (mit z. 2t. 253 Einwohnern) übereingckommrn, sich zu einer zusammengesetzten Gemeinde im Sinn des Art. 168 der Gem.-Ordn. unter dem Namen „Unterrcichenbach" zu vereinigen. Die getroffene Pereinbarung hat neulich die Genehmigung des K. Ministeriums des Innern und die ausgestellte Satzung der künftigen Gesamtgemeinde, die durch 8 Gesamtgemeinderatsmilglieder und ebensooiele Gesamtbürgerausschußmitglieder vertieren sein wird, die Genehmigung der Regierung für den Schwarzwaldkreis erhalten. Die beiden im unteren Nagoldtal gelegenen, nur l^/s Kilom. von einander entfeinten Gemeinden Dennjächt und Unterreichenboch hatten schon bisher gemeinsame Kirche, Schule, Begräbnisstätte, Feuerwehr und bergt.; nachdem aber im August 1912 die Ortsoorsteherstelle in Dennjächt erledigt worden, glaubten die beiderseitigen Kollegien, nicht mehr lange zögern zu sollen, die Bereinigung zu einer Gesamtgemeinde zu beschlichen. (C. T.)
r Rottenbnrg, 12 . Febr. (Eine Erklärung des Bischofs.) Nach den Berichten über die Berhand- lung des Prozesses Koch Rieg in Ulm hatte Professor Koch über eine mit dem Bischof Dr. v. Kepplec am 17. März 1913 geführte Unterredung bekundet: „Der Bischof habe ihm gesagt, der Fall ließe sich glatt erledigen, wenn nicht ein geistlicher Herr wäre, der in Aufsicht gestellt habe, da» Material nach Rom zu schicken, wenn der Fall nicht so erledigt wrde, wie er ihn erledigt haben wollte. Aus die wiederholte Frage habe der Bischof nochmal gesagt, der
Fall ließe sich glatt erledigen." Dazu bemerkt der Bischof folgendes: Ueber die 2 V 4 Stunden dauernde Unterredung am 17. März 1913 habe ich sofort nachher genaue Aufzeichnungen gemacht. M t düsen stimmt die obige Wiedergabe meiner Worte nicht. Don einer „glatten Erledigung" gesprochen zu haben, ka»n ich mich nicht entsinnen. Wäre dieser Ausdruck gebraucht worden, so hatte er jedenfalls nicht dm Sinn, der Bischof würde ohne weiteres von Klage und Enthebungscmlrag zurücklreten, wenn nicht die Meldung nach Rom ln Aussicht zu nehmen wäre. Denn der Bischof hat wieder und wieder, aus wiederholte Anfragen des Professors, nachdrücklichst betont, er müsse und werde seine Klage aufrecht e,halten und wetterführen, weil er ihn seiner ganzen Geislesrichtung und tzerzensstellung nach für den Bortrog der Dogmatik als nicht geignet betrachten müsse, wenn nicht der Professor von sich aus sich entschließe. von diesem Lehramt zmückzurreten.
Landesmchrichteu.
Bom Landtag.
p Stuttgart, 12 . Febr. Die 2weite Kammer nahm in ihrer heutigen Sitzung zunächst die Abstimmung über die verschiedenen Anträge zur Arbeitslosenversicherung vor. Der 2entrumsantrag mit dem national- liberalen Abänderungsantrag, wonach Mittel gefordert werden zu Staaisbeiträgen an Gemeinden, welche die Unterstützung unverschuldet arbeitslos gewordener Arbeiter und Angestellten in geeigneter Weise organisieren und die namentlich eine gleichmäßige Berücksichtigung der organisierten und unorganisierten Arbeiter gewährleisten wurde in namentlicher Abstimmung mir 59 gegen 23 Stimmen angenommen. Der 2en1cumsantrag, der die schleunige Ausführung von staatlichen Arbeiten verlangt, wurde in namentlicher Abstimmung einstimmig angenommen. Schließlich wurde gleichfalls in namentlicher Abstimmung der Antrag Hiller (B.K.), der Staatsbeiträge für geeignete Wohltätigkestsvereine fordert, damit sie in besonderen Notfällen, die durch Arbeitslosigkeit oder durch sonstige wirtschaftliche Umstände herbeigeführt werden, hilfreich ein- greifen können, mit 45 gegen 33 Stimmen der Linken und 3 Enthaltungen angenommen. Das Haus setzte dann die Weiterberaiung desKörperschastspensionsgefetzes fort und genehmigte die Anträge des Ausschusses für innere Verwaltung zu verschiedenen Artikeln zumeist ohne Debatte. Bei dem Artikel, der das Verhältnis der Versicherten zur Invaliden, und Hinterbliebenen- sowie zur Angeftelltenver- sicherung behandelt, bat der Minister des Innern um Streichung der Bestimmung, daß das Witwengeld und die Waisenaussteuer von der Kürzung der Hinterbliebenenbezüge ausgeschlossen bleiden'sollen. Ein bezüglicher Antrag des Abg. Stiefel (BK) wurde aber abgelehnt. Die Weiterberettvng wurde auf morgen vertagt. Nächste Sitzung Freilag 9 Uhr.
Stuttgart, 12. Febr. 2ur Feier des 25jährigen Jubiläums und zugleich auch des 60. Geburtstages von Reichs, u. Landtagsabg. Gröber veranstaltete die 2entrums- Partei Groß-Stuttgart gestern abend im großen Saale des
Europäischen Hofes eine Festversammlung, die sich eines sehr starken Besuches zu erfreuen hatte und 2eugnis gab von der Bekehrung, welche dem Führer des 2en1rums in Württemberg entgegengebracht wird.
r Stuttgart, 12 . Febr. (2ur Gemeindesteuerfrage.) Der Berband Württ. Staatsbeamten-, Lehrer- und Unterbeamtenvereine hat mit aller Entschiedenheit Widerspruch gegen den Vorschlag des Stuttgarter Haus- und Grund- besitzeroeretns erhoben, wonach diejenigen Gemeinden, die mehr als 2 "/§ Gemeindeumlage erheben, ermächtigt werden sollen, das 20 fache des Mehrbetrags des Umlagesatzes über 2 °/g an Gemeindeeinkommensteuer anzusetzen. Schon die Erhöhung des Gemeindezuschlags zur staatlichen Einkorn- mensteuer von 50 aus 75°/o bedeute sür die Festbesoldeten eine schwere Belastung.
r Stuttgart, 12. Febr. (Schon wieder ein Todesopfer der Straßenbahn). Gestern nachmittag 12 ^ Uhr wurde in der Ludwigsburgerstraße ein 53 Jahre alter verwitweter Schlosser, als er aus einem Straßenbahnwagen der Linie 2 ausgestiegen war und hinter diesem über das Gleis ging, von einem aus entgegengesetzter Richtung kommenden Straßenbahnwagen erfaßt und zu Boden geworfen. Der Mann erlitt einen Schädelbruch, der noch wenigen Minuten seinen Tod herbeiführte.
r Tiudelfiugeu, 12 . Febr. (Liebes 1 ragödie). Aus einer hiesigen Weberei haben sich am Montag der 19jährige Weber Karl Weihing und die 17jährige Maria Faißt entfernt. Weih'ng hatte auf seinem Webstuhl einen 2ettel mit den Worten zurückgelaffen: Lebet wohl auf Nimmerwiedersehn. Man befürchtete, daß die beiden jungen Leute Selbstmordgedanken trügen, machte sie ausfindig und bewog sie, nach Sindelfingen zurückzukehren. Gestern nach- mittag nahm aber Weihing neuerdings Abschied von seiner Mutter und sagte, daß er jetzt sterben müsse, weil er soeben Lysol getrunken habe. Eine Stunde darauf war er tor. Die Faißt erklärte, sie habe ihrem Schatz versprochen, eben- falls Lysol zu trinken und konnte nur mit Mühe daran gehindert werden, ihm in den Tod zu folgen. Wie es heißt, hatten die Eltern Wethings dem Liebesverhältnis Hindernisse bereitet.
Reutlingen, 12. Febr. Der 64 Jahre alte Tag- löhner Bernhard BIHler von Reutlingen hat sich tpute infolge Unvorsichtigkeit sein im Griff feststehendes Taschenmesser in den linken Oberschenkel gestoßen und dabei eine Hauptschlagader verletzt, sodaß der Tod infolge Verblutung alsbald eintrat.
r Rohr a. F., 11. Febr. (Der vergessene Bahnhof.) Stehen da, so erzählt das neue Tagblatt, gegen 100 arbeitefreudige Rohrer Bürger in der Frühe am Bahnhof Rohr, um mit dem 2ug 7.18 Uhr sich in die Residenz, den Schauplatz ihrer Taten, befördern zu lassen. Der 2ug von Böblingen braust heran, aber m't ungewöhnlicher Schnelligkeit. Vergeblich stößt unser wackerer Stations- Vorstand ins Horn, einmal, zweimal, fünfmal, zehrmal, verächtlich speit die Lokomotive 10 Liter heißes Wasser auf den Bahnsteig, ocrgeblich winken die Fahrgäste mit Stöcken, Hüten und Armen: der 2ug braust weiter und verschwindet
Z« Sebastian Failers r«b. Gebnrlslag.
<12. Februar 1914).
Schluß. (Nachdr. verb.)
Der benachbarte Seewein scheint den Schwaben und ihrem Stammessänger weniger zugesagt zu haben.
Der Kerle macht a' Gsiicht wla Gschpenster,
Ar guggat zum Glas raus, wia He,ödes zum Fenschter Saur. trutzig und rauh,
FH bin itt so keack, daß am trau.
Absonderlich viel weiß er auch an der Armee des schwäbischen Kreises auszusetzen, die freilich in den voran- geganzenen Kciegsjahren keine großen Heldentaten vvllsiihit hatte.
Bklfrgor. Sobald ich nu' tur schiaßa hairo,
Tuat si mei' Maga im Heazgrüable umkaihra. As kommt zwar nu' vo dar Guraschi hear.
Ih fürcht mar halt, daß ich verschossa wear.
Luzifer. Wenn dar so sükchia tuascht, rois.
Und laß di' a'werba beim schwäbischa Krois.
Gegenüber Neckereien, weiche namentlich in den „Sieben Schwaben" zur Geltung kommen, weist Sailer auch nachdrücklich auf die ruhmvolle Vergangenheit der Schwaben hin, unter welchen es an tüchtigen Männern von hohem Geist und tiefem Gemüte niemals fehlte.
Dia Schwoba nu' allei Müassat Odsieger fei'.
Die üblichen schwäbischen Ortsneckcreien verewigt er im „Sonn- und Mondsang", das verzopfte schwäbische Herkommen in der „Schultheißenwahl zu Limmelsdorf". Auch ist es beachtenswert, daß der fromme Katholik in den „Schwäbischen heiligen drei Königen" den Aberglauben der unteren Schichten der damaligen Bevölkerung Obcrjchwabens wie auch gewisse Auswüchse der kirchlichen Schrifterklärung an den Pranger stellt.
Bon den überaus zahlreichen Schriften Sailers kommen hier nur die schwäbischen in Betracht, die jedermann zugänglich sind. Don den verschiedenen Bearbeitungen der „Schöpsunq" ist noch eine Abschrift aus der 2eit des Dichters im Besitz Paul Becks; ein« Uebersetznrg derselben ins Neu- hochdeutsche erschien in Wien 1783 als geistliches Fastnachtsspiel (vgl. Gödeke, Grundriß, 2. Ausl. V, 8 . 551). Eine zuverlässige Biographie Sailers hat Beck in den Württ. Bjh. f. LG.. NF. III 1894, S 236—250 veröffentlicht. Sailerbiographie von ihm: Alemannia XIX, S. 36 ff. S. Nachtrag in der Beilage zum Diözesanarchiv von Schwaben 1892. S. 33 .
Sebastian Sailer errang selbstverständlich als siammts- mundartlicher Dichter in seiner Hrimar große, unmittelbare und bleibende Erfolge. Seine Landsleute erkannten sich selbst, wenn sie die Sailerschen Gestalten richtig verstanden Der schwäbische Mutterwitz (Slammeshumor) kam durch ihn wi der zu Ehren, nachdem er seit G. R. Weckherlins Feiten im mundartlichen Schrifttum geschlafen zu haben schien. Man begann die lächerliche Scham, mit welcher
früher das Bewußtsein der schwäbischen Stammeszugehörigkeit unwillkürlich verknüpft war, jetzt abzulegen. Der Schwabe ermannte sich, wenn er sich in die Sailer'sche Dichtung versenkte, und entschädigte sich für den unbilligen Spott, dem er jeweilig ausgesetzt war, durch den Genuß des kostbaren Witzes, der ihm aus Sailers Schriften entgegenblitzie. Man lernte um diese Feil aufs neue, den Witz nicht bloß unter sich zu pflegen, sondern ihn auch als wohlgeschliffene Waffe zu gebrauchen.
Und damit hat Pater Sebastian der Entwicklung und Ausbreitung der schwäbisch mundartlichen Volksdichtung in wetten Kreisen den Boden geebnet. Unsere Dialektdichiung bediente sich bald neuer, freierer Formen und ging mit der 2eit auch an die Behandlung größerer Aufgaben. Dem kräftigen A. das er anstimmte, folgte ein freudiges B seiner Schüler. Es ist in der Tat nicht zu verwundern, daß manche ältere Bei suche einer schwäbischen Dialekt- literaiurgeichichte ihre Darstellung mit Sebastian Sailer beginnen. Eine sehr schöne Ausgabe seiner Werke ist bei I. Ebner in Ulm 1893 erschienen unter dem Tiiel: Seb. Sailers sämtl. Schriften im schwäbischen Dialekte; vierte, neu durchgesehene Ausl, mit Ein!. und Wörterbuch von Dr. K. D. Häßler (durchgesehen von Dr. R. Weitbrechi). Illustr. v. Prof. G. Hkyberger. (Die Ausg. S'xt Bachmann 1819, 2. Ausl. 1826, ist vergriffen und veraltet).