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Betrage beigetragen hat, und es ist zu bekannt, wie dieselben für Zwecke der Armenunterstützung und für alle wohlthätigen Einrichtungen immer eme offene Hand haben; auch ist es kein Geheimnis mehr, daß alle die hohen Summen, welche unsere Stadt zu ihrer Verschönerung, zur Verbesserung der Wege, zur Anlage von Trottoirs u. dergl. mehrfach von einem unbekannten Geber erhalten hat, aus dieser Quelle geflossen sind. Dies alles kommt doch auch dem Arbeiter zu gut. Was aber die Arbeiter selbst anbetrifft, so rühmen diese selbst einstimmig die Fürsorge, welche ihnen durch die Arbeitgeber zu teil wird. Und es ist daher kein Wunder, daß in den Franck'schen Werkstätten, wie die Ludw. Ztg. mitteilt, heute noch über 100 Personen mit 12 bis 30 Jahren Dienstzeit in Arbeit stehen, unter denen sich sogar 70—80jährige Greise bei unverkürztem Lohne befinden. In dem Bestreben der in den Nachbarorten wohnenden Arbeiter, sich ein kleines Gütchen zu erwerben, wird diesen alle Förderung zu teil. Dieselben erhalten Zulagen zu ihren Fahrkarten im Betrag von etwa '/» des Fahrgeldes, solche, welche zu Fuß gehen müssen, erhalten monatlich 1 ^ 50^ Stiefelgeld; alle längere Zeit dem Geschäfte angehörigen Arbeiter erhalten eine Alterszulage bis zu 40 täglich und kranke werden über die gesetzliche Pflicht hinaus unterstützt. Aber in all dem findet die Sozialdemokratie keinen Grund zur Anerkennung. Freilich bei ihr gilt eben: Wenn man mir den Finger bietet, so ist mir die ganze Hand noch lange nicht genug. Sie kennt nur für sich und ihre Anhänger die Freiheit der polit. Agitation, nicht auch für den Arbeitgeber, und so tritt in diesem Fall wieder deutlich zu Tag, daß diese Richtung, wenn sie einmal zur Herrschaft gelangte, im Namen der vielverheißenen Freiheit nur die drückendste Tyrannei ausüben würde; ja daß sie nur eine Freiheit meint ähnlich der, welche sich jene Torfträgerin dachte, die zur Zeit der französ. Revolution in Paris zu einer vornehmen Dame sagte: Nun Madame, nun wird Alles gleich: ich werde in Sammt und Seide gehen und Sie werden Torf tragen! Schw. M.
Eßlingen, 28. April. Ein Gang auf unseren Bergen gestern Nachmittag bestätigte die erfreuliche Thatsache, daß die Blüte der Kirschen- und Birnbäume durch die kühlen Nächte keinen erheblichen Schaden erlitten hat. Möge dieselbe vor fernerem Unheil bewahrt bleiben.
Horb, 28. April. Der Reichstagsabgeordnete für Horb-Freudenstadt, Freiherr von Münch auf Hohenmühringen, hat gegen den Reichstagsabg. Freiherr v. Gültlingen, die Redaktion der Tübinger Chronik, den Landtagsabgeordneten Schosser von Sulz und andere wegen eines vermeintlich gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Wahlbestechung Klage angestrengt. Wie vorauszusehen war, ist Herr v. Münch mit seinem Klageantrag von der Staatsanwaltschaft abgewiesen worden, da demselben jede juristische Grundlage fehlte.
Rottenburg, 25. April. Der hiesige Marktbrunnen, ein gothisches Kunstwerk ersten Ranges, wurde von drei hiesigen Meistern sehr schön restauriert und bildet die schönste Zierde des Marktplatzes. Es ist diese Renovation ein Zeichen der Dankbarkeit gegen die Grafen von Hohenberg, denen
die hiesige Stadt so vieles verdankt und deren Bilder unten sehr schön angebracht sind.
Gomaringen, 25. April. Gestern nachmittag kamen in Hinteriveiler 4 sog. Wohn-Wagen vor dem Gasthof zur Krone an, gut besetzt mit allerlei frechem, betrunkenem Gesindel (Zigeuner, Gaukler rc.) Dieselben wollten ihre Pferde im Gaststall einstellen, was ihnen die allein zu Hause anwesende Wirtin verweigerte. Dadurch gereizt, singen sie mit einem anwesenden Gast und einem zu Hilfe gerufenen Nachbar alsbald Streit an. Der gerade nach Haus konimende Wirt und dessen Vater wurden nun, (weil sie abwehren wollten) gestochen, ebenso ein anderer Bürger von Hinterweiler. Die Bande wurde dann in Gomaringen durch den dortigen Polizeidiener und Langjäger dingfest gemacht, und heute wurden 4 männliche Thäter dem Amtsgericht Reutlingen übergeben. Bei der Durchsuchung der Wagen fanden sich allerlei Waffen: Degen, Säbel, Revolver, dolchartige Messer rc. Zwei der Beschädigten in Hinterweiler hüten das Bett, sind jedoch nach Aussage des Arztes außer Gefahr.
— Das Lenninger Thal prangt im Frühlingsschmuck. Die Kirschen stehen in voller Blüte, und auch der Wald, der die steilen Thalwände bedeckt, beginnt sein grünes Laubdach zu entfalten. War schon seit Jahren die Frühlingspracht des Thales ein Anziehungspunkt für viele Naturfreunde, so ist es Heuer in noch stärkerem Maße die neuentdeckte Gutenbergerhöhle, welche, was die Gestalt und Klarheit der Tropfsteingebilde anbelangt, wohl einzig unter ihren Nebenbuhlerinnen dastehen dürfte. Obgleich der Himmel am letzten Sonntag ein schlimmes Aussehen hatte, stellte sich doch eine stattliche Anzahl von Gästen in Gutenberg ein, u. a. Se. Exzellenz der kommandierende General v. Alvensleben, welcher mit Familie der Höhle einen Besuch abstattete.
Heilbronn, 26. April. Während des heftigen Gewittersturmes, welcher sich gestern mittag plötzlich erhob, wurden am Wege von Sontheim nach Horkheim mehrere Bäume entwurzelt. Einer derselben riß in seinem Falle eine Telegraphenstange mit sich, die den gerade vorübergehenden Weingärtner Jngel- finger von Sontheim so unglücklich auf den Kopf traf, daß er sofort tot war.
Heilbronn, 28. April. In einer Versamm- lurg der Weingärtnergesellschaft wurde der „Heilbr. Ztg." zufolge die Mitteilung gemacht, die Kgl. Zentralstelle für die Landwirtschaft werde dieses Jahr die Ortsvorsteher der weinbautreibenden Gemeinden anweisen, dafür Sorge zu tragen, daß das Bespritzen der Reben mit Kupfervitriol möglichst allgemein durchgeführt werde; auch sollen durch Sachverständige Wandervorträge über die Gefährlichkeit der Peronospora und den Nutzen des Be- spritzens mit Kupfervitriol und Kalkmischung gehalten werden.
Neckarsulm, 29. April. Unter strömendem Regen entlud sich gestern abend in der Umgegend von Heilbronn das erste Gewitter des Jahres. Zwischen Neckarsulm und Heilbronn siel der Hagel so dicht, daß die Felder weiß überzogen waren; allein die Körner waren so klein, daß kein Schaden verursacht wurde.
Murr Hardt, 28. April. Ein Mitglied dev Heilsarmee (Lieutenant), der hier kürzlich zum Militär ausgehoben wurde, machte am Donnerstag nachmittag auf der Bühne einen Selbstmordversuch durch Erhängen. Er wurde aber noch rechtzeitig daran verhindert und sofort nach Stuttgart gebracht. Er meinte: „er sei verloren."
Neresheim. Das Kgl. Oberamt erläßt eine Bekanntmachung gegen die in zahllosen Annoncen angepriesenen Geheimmittel unter der Bezeichnung: Warners Safe Cure, Warners Safe Diabetes und Warners Safe Pills. Die drei Mittel zusammen werden um 10 verkauft, während der wirkliche Wert derselben den Preis von 1 ^ 20 --Z nicht, übersteigt. Dieselben besitzen keine Heilkraft gegen die in den Reklameartikeln angeführten Krankheiten.
Laupheim, 28. April. In Achstetten erkrankte der dortige Leichenschauer, unterließ aber, einen Stellvertreter aufzustellen. Während seiner Krankheit starb ein einjähriges Kind. Um nun seiner Pflicht nachzukommcn, ließ er dessen Leiche auf einem Schubkarren in seine Wohnung führen und nahm dann die vorgeschriebene Leichenschau vor. W. Ldsztg.
Waldsee, 26. April. Einen Beweis von der Brutalität der Dienstboten liefert ein Vorfall, der sich gestern in dem nahen Mattenhaus ereignete. Der Bauer M. arbeitete mit seinen Knechten auf dem Felde, kam mit einem derselben wegen der Arbeit in Wortwechsel, der Knecht drohte mit Niederstechen und als der Dienstherr zur Gegenwehr nach einem Stein griff, führte der erstere auch schon die Drohung aus und versetzte seinem Herrn mit dem Taschenmesser einen Stich in die Brust, so daß jetzt mn das Leben des Verletzten befürchtet werden muß. Der Thäter, ein älterer Mann aus dem Oberamt Tettnang, wurde sofort verhaftet.
Pforzheim, 28. April. Das Großh. Be-, zirksamt hat einen von dem „Verein für volkstümliche Wahlen" statt der Feier des 1. Mai auf Sonntag den 4. Mai mit andern hiesigen Vereinen in Aussicht genommenen festlichen Zug mit Musikbegleitung nach einem benachbarten Ort verboten. Schw. M.
Hechingen, 28.April. Der heutige Georgii- jahrmarkt war mit Zug-, Milch- und Jungvieh, sehr stark befahren, doch ging der Handel nicht sehr lebhaft und bei sinkenden Preisen. Milchschweine wurden gleichfalls viel zu Markt gebracht. Der Preis pro Paar bewegte sich zwischen 24 und 58
— Ein heftiger Sturm hauste am 25. April in verschiedenen Teilen Bayerns und richtete erheblichen Schaden an Fenstern, Dächern, Bäumen u. s. w. an. In den Wäldern liegt eine große Anzahl von Hochstämmen entwurzelt. Auch die Felder haben stellenweise viel gelitten. In der Stadt Bioosburg sind die Glaser damit beschäftigt. Duzende von Fensterscheiben, die der Hagel eingeschlagen, auszubesiern. Furchtbar hat das Wetter bei Schwarzenfeld gewütet,, wo es alle Hoffnungen der Landleute vernichtete.
Elberfeld, 26. April. Einer großen Jn- subortination machte sich letzter Tage beim Militärappell auf dem Johannisberg der Fabrikarbeiter H. von hier schuldig. H. ist wegen gleicher Vergehen, mit zehnjähriger Festungsstrafe bestraft worden und
Die Kleine entwand sich ihren Armen und stellte sich mit blitzenden Augen vor sie hin.
„Einen neuen Papa? Nein, ich will keinen neuen Papa! Ich will immer hier bei Onkel Herbert bleiben! Hier ist es schön und Sie müssen auch immer hier bleiben; ich will es!"
Eine Thräne drängte sich in Helene's Auge.
„Du wirst immer bei Onkel Herbert bleiben!" flüsterte sie, während ihre Finger fast gleichzeitig wie unbewußt einige volle Akkorde anschlugen. Es war eine tiefschwermütige Melodie, welche dem Instrument entquoll und zu welcher, wie hingerissen von ihren Gedanken, sie, trotz ihrer vorherigen Weigerung, mit leiser Stimme zu singen begann.
Es war ein bekanntes Lied, welches, wie Thränen vom Auge perlen, über ihre Lippen bebte.
„Wenn ich den Wandrer frage: wo kommst Du her?
Von Hause, von Hause, spricht er und stuftet schwer.
Wenn ich denn Landmann frage: wo blüht Dein Glück?
Im Haust, im Hause, spricht er mit frohem Blick.
Wenn ich den Knaben frage: wo gehst Du hin?
Nach Haust, nach Haust, spricht er mit heiterm Sinn.
So ward auch ich gefraget, ich seufzte schwer,
Ich wandre nicht nach Hause, Hab' keine Heimat mehr!
Die letzten Worte durchzitterte ein namenloser Schmerz, ein unsägliches Weh, darin sich die tief verborgensten Gefühle der Sängerin verrieten, so daß es das Herz ves heimlichen Lauschers, der von der Portisre verhüllt dastand, mächtig ergriff.
Es war Baron Herbert, der bereits kurz vor dem Beginn des Liedes eingetreten und weder von Helene, noch von Jda bemerkt worden war. Mit angehaltenem Atem hatte er dem Gesänge gelauscht, dm Blick wie gebannt auf sie, über deren Lippen sich die Worte rangen, gerichtet. Als sie schwieg und aufschluchzend ihr Antlitz mit dm Händen bedeckte, da durchhallte ein Ton, als wenn eine Saite zersprang, dm Raum. Derselbe kam aus der Brust Herbert's, der eine Bewegung machte, als wolle er vorwärts stürzen und die Sängerin in seine Arme schließen.
Im selben Moment sprang Jda auf die Weinende zu, um ihr die Hände von dem Antlitz herabzuziehen und ihr die süßesten Schmeichelnamen zu geben.
Leise, wie er gekommen, schlich der fülle Lauscher sich davon; draußen im Park aber hemmte er nicht eher dm Schritt, als bis er den Hügel erreicht hatte,, wo er heute morgen das junge Mädchen angetroffen hatte.
Aber er fand keinen Blick für die Schönheit des Naturbildes, welches vor ihm ausgebreitet lag. Er sah nur ein Bild vor sich im Geiste, — das Bild Helene's.
„Sie ist eine Sirene und ihr Gesang lockt mich vollends ins Verderben!" rief er aus. „Ich sehe dm gähnenden Abgrund vor mir und doch eile ich unaufhaltsam darauf zu und fühle mich noch selig im Hinabstürzen. Bin ich denn noch Derselbe von einst? Wo ist meine Willenskraft, meine Unabhängigkeit? O, dieses Mädchen ist ein Vampyr, der mir das Herzblut nimmt; sie ist eine Gauklerin, eine Zauberin, der ich willenlos verfalle, wenn ich mich nicht selber rette vor ihr. vor ihr, der — o, ich Rasender! — der ich, ob ich nun will oder nicht, dennoch ganz «„d g« -i,.» bm!- ^ ^
Eine lebhaft konversierende Gruppe saß in dem Salon auf Schloß Wallheim beisammen. Dieselbe bestand au» den beiden Baroninnen, Baron Herbert, dem Assessor Hagen und des Letzterm beiden Schwestern und Jugendfreundinnen Elfriede's.
Emma, die ältere, war fest einigen Jahren verheiratet.
Mit ihrer jüngeren Schwester Franziska auf einer Durchreise die nahe Stadt,. in welcher ihr Bruder domiciliert war, berührend, hatten sie von ihm in Erfahrung gebracht, daß Elfriede auf Schloß Wallheim weile, und demzufolge ihre Jugendfreundin hier ausgesucht.
Beide schienen ein sehr lebhaftes Temperament zu besitzen und trugen die Kosten der Unterhaltung zum überwiegend größten Teil.
„Aber wo ist denn Deine kleine Jda, liebe Elfriede?" fragte Franziska plötzlich. „Du mußt sehen, Emma, welch ein reizendes Kind Elfrirde besitzt; so schüchtern und zurückhaltend, ganz anders, wie Dein vorwitziger, wilder Benno," wandte sie- sich der Schwester zu. (Fortsetzung folgt.)