M 47. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 65. Jahrgang.

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Erscheint Dienstag, Donnerstag nnd Samstag. Die EinrückangSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung » Psg. bi- tz-il-, sonst IL Psg.

Deutsches Reich.

Stuttgart. Württ. Landtag. Diens­tag, 22. April. Eingelaufen sind eine Einladung zur Teilnahme an der Feier des Ausbaues des Ulmer Münsters, ferner eine Eingabe die Erbauung einer - Eisenbahn Tübingen-Böblingen-Renningen-Vaihingen. Man tritt in die Tagesordnung ein und erfolgt zu­nächst die Endabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes betr. die Fürsorge für Beamte infolge von Betriebsunfällen. Der Entwurf wird ange­nommen mit 82, allen abgegebenen Stimmen. Hie­rauf Beratung der Kommunalbesteuerung des Hau- fiergewerbebetriebs. Die Kommission schlägt vor, eine Ausdehnungsabgabe zu erheben, welche in jedem Oberamtsbezirk von den Hausiergewerbetreiben­den an die Amtskörperschaft zu entrichten sei und welche den 10. Teil der ihnen angesetzten Staatssteuer, wenigstens aber 20 -rZ betrage. Berichterstatter Härle ist entgegen der Anträge der Petitionen, welche an Stelle der auf Einschätzung beruhenden Staatssteuer fixe Tarifsätze aufgestellt wünschen, für eine Aus­dehnungsabgabe für den Oberamtsbezirk. Mit­berichterstatter Wendler stellt den Antrag die ge­werbepolizeilich wirkende Ausdehnungsabgabe von 10 auf 20 °/o der Staatssteuer zu erhöhe,:. Staatmin. v. Renner: Schon 1873 hat man die Frage auf­geworfen, ob man einen fixen oder beweglichen Steuer­satz wie bei der Einkommenssteuer ansetzen solle. Man habe sich damals gegen die fixen Tarife ausgesprochen. Es komme bei den Geschäften nicht blos auf die Waren, sondern hauptsächlich auf die Personen an. Mit den gleichen Waren machen oft verschiedene Personen sehr verschiedene Geschäfte. Bei den anderen Geschäften werde die Steuer bestimmt nach dem Zins aus dem Betriebskapital und nach dem persönlichen

Donnerstag, den 24. April 1890.

Einkommen. Die seßhaften und Hausiergewerbe wer­den von Schätzern eingeschätzt. Diese Art der Behand­lung hat gute Ergebnisse geliefert und es sind bezüg­lich der Staatssteuer keine Irrungen vorgekommen. Es ergebe sich aus allem dem, daß ein beweglicher Tarif mit Klassentafel entschieden den Vorzug verdiene. Was beklagt wurde, das ist die Besteuerung der Ausländer. Hier müsse geholfen werden. Dies geschehe durch Artikel 1. (Diejenigen Personen, welche ein der Wandergewerbesteuer unterliegendes Gewerbe betreiben, ohne in Württemberg einen Wohn­sitz zu haben, sind verpflichtet, neben der Staats­gewerbesteuer für Rechnung der Amtskörperschafts­kasse desjenigen Oberamtsbezirks, in welchem sie den Betrieb beginnen, eine Abgabe zu entrichten, welche den, auf den steuerbaren Betrag ihres Gewerbeein­kommens (Steuerkapital) treffenden Amtsschaden und durchschnittlichen Gemeindeschaden dieses Oberamts­bezirks gleichkommt.) Der Hausierhandel sei in ganz Württemberg, in allen Oberämtern nahezu gleich ver­treten. Bei der Steucreinschätzung werde für die Hausierer eine neue Klassentafel zu Grunde gelegt, so daß sie 33 "/<> mehr trage als die Steuer der seß­haften Gewerbe. Die hohe Zahl der Hausierer habe die Negierung veranlaßt, mit ganz besonderer Sorg­falt zu Werke zu gehen. Die Eingabe des Handels­vereins habe eine Agitation veranlaßt, welche sich auf Angaben stüzen, wie sie den thatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen. Redner weist dies an einzelnen Zahlen nach und versichert nochmals, daß die Regierung die größte Sorgfalt auf den Entwurf verwendet und sich bemüht habe, den Hausierern sowohl als auch den seßhaften Gewerben gleiche Berücksichtigung wider- sahren zu lassen.

Es sprachen noch Staatsminister v. Schmid, Abg. Egger, Bueble und Stälin. Morgen Mittwoch wird in die Einzelberatung eingetreten.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und 20 Pfg. LrLgerlvhn, durch d e Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. 35.

DieNordd. Allg. Ztg." erzählt, daß gegen­wärtig das Diplom eines Generalobersten für den Fürsten Otto v. Bismarck', Herzog v. Lauenburg" ausgefertigt wird. DieHamb. Nachr." ant­worten auf die Polemik gegen ihren wider Hrn. v. Caprivi gerichteten Artikel, sie brauchten verständigen Leuten nicht zu sagen, daß Fürst Bismarck weder die Haltung derHamb. Nachr." inspiriere, noch den Artikel, betreffend die Einführungsrede Caprivi's, ver­faßte oder veranlaßte. Aber selbst, wenn das Gegen­teil der Fall wäre, läge kein Anlaß zur Entrüstung vor, da dem Fürsten Bismarck, wie jedem Staats­bürger, das Recht zustände, seiner Meinung in Schrift und Wort Ausdruck zu geben. Fürst Bismarck sei auch nicht der Mann danach, sich durch blinden Preß- lärm dieses Recht verkümmern zu lassen. DieHamb. Nachr." hegen die Ansicht, Fürst Bismarck denke nicht daran, mit seiner Meinung zurückzuhalten, wenn die Kundgebung derselben möglich oder nützlich sein könnte. Gelegenheit, seine Auffassung darzulegen, böte sich ihm zunächst im Herrenhause, dessen Mttglied er sei, später im Reichstag, zu welchem er binnen ge­gebener Frist ein Mandat annehmen werde. Ein Staatsmann, der seit dreißig Jahren die hervor­ragendste Stellung eingenommen habe, könne mit seinen Aemtern nicht zugleich das Bedürfnis verloren haben, mit der 'öffentlichen Meinung in Berührung zu bleiben und dieselbe, unter Umständen auch durch die Presse, nach seiner Ueberzeugung zu beeinflussen.

-- Die Artikel derHamburger Nach­richten" beschäftigen unausgesetzt die Presse. Die Nationalzeitung" hat, wie bereits telegra­phisch bekannt geworden, die Fühlung Bis­marck's zu dem letzten Artikel bestätigt. WaS den Inhalt der Erklärung betrifft, meint ßas Blatt, so ist sie unanfechtbar: Fürst Bismarck wird, wenn er darnach verfährt, nur von seinem staats-

Keuilleton. «» 4 »«.-

Nach hartem Ringen.

Roman von L. Doyrmann.

(Fortsetzung.)

Gefühllos, kaltherzig, leichtlebig, nach nichts Anderem als nach Glanz und Prunk trachtend, das war die Frau, welche jetzt, nachdem drei Jahre seit dem Tode ihres Gemahls vergangen waren, ihren Besuch auf Wallheim ankündigte und die freilich, ohne daß sie selbst es ahnte dazu berufen sein sollte, als das Werk­zeug eines unerbittlichen Schicksals bestimmend in Helene's Leben einzugreifen.

10. Kapitel.

Am Tage der ermatteten Ankunft der jungen Baronin und der kleinen Tochter derselben fuhr Baron Herbert selbst in die Stadt, um Beide von der Bahnstation abzuholen. Helene war, wie die Baronin vorausgesetzt hatte, ohne Weiteres bereit gewesen, die Erziehung der kleinen Baronesse zu übernehmen und sah der Ankunft ihres jungen Zöglings mit Interesse entgegen.

Die Dämmerung brach schon herein, als das hellklingende Schellengeläute des Schlittens die Ankunft der Ermatteten ankündigte. Jetzt hielt das Gefährt vor dem Portal. Wenige Sekunden später trat der Baron in der Begleitung der An­gekommenen in das Familienzimmer. Die Begrüßung zwischen der alten Dame und ihrer Schwiegertochter erfolgte von der einen Seite mit eben so viel Reserve, wie von der andern Seite mit stürmischem Aufwand. Mit wirklicher Rührung aber schloß die Großmutter rhre kleine Enkelin in ihre Arme. In gemessener Weise stellte sie hierauf ihre Gesellschafterin der jungen Baronin vor, welche die tiefe Verbeugung Helene's mit einem herablassenden Neigen des Hauptes erwiederte und sodann die Gestalt des jungen Mädchens mit kalten, musternden Blicken überflog.

»Fräulein Schwarz?" wiederholte sie im hochmütigen Tone den ihr genannten Namen.Welch ein düsterer Name!"

Helene erblaßte, während sie sich zu dem ihr von der alten Baronin zuge­führten Kinde niederbeugte, um ihre Erregung zu verbergen. Baron Herbert aber preßte die Lippen fest aufeinander, als wolle er eine voreilige Antwort zurückdrängen; seine Mutter jedoch sprach in scharf verweisendem Tone:

Aber, Elfriede, ich denke, der Name des Fräuleins ist doch durchaus kein ungewöhnlicher."

Die also Getadelte schleuderte dem jungen Mädchen, um dessenwillen sie den Vorwurf empfangen, einen feindseligen Blick zu. Indes gedankenschnell war dieser Ausdruck wieder verschwunden; schon in der nächsten Minute wandte sie ein freund­lich lächelndes Antlitz der Baronin zu, welche eben die Aufforderung aussprach, ihr in das Speisezimmer zu folgen, wo Alles bereit sei.

Von nun ab begann im Schlosse ein gegen das bisherige vollständig ver­ändertes, neues Leben. Besuche wurden gemacht und wieder empfangen und die kleine Jda trat für Elfriede jetzt völlig in den Hintergrund. Sie überließ sie ganz und gar der Leitung Helene's, die sich oft tagelang in der alleinigen Gesellschaft des Kindes befand. Elfriede verstand es mit bewundernswerter Gewandtheit, dem jungen Mädchen zu verstehen zu geben, daß die Erzieherin ihres Kindes nicht in den Salon der Schloßherrin gehöre, wenn es nicht besonders gewünscht würde. Die Dienste, welche dieselbe sonst als Gesellschaften» der Baronin verrichtet hatte, über­nahm Elfriede als selbstverständlich und machte so die Gegenwatt einer Gesellschaf­terin oft überflüssig.

Helene fühlte instinktiv, daß die junge Frau sie haßte, wenngleich ihr die Ursache hierzu unverständlich war. Sie fühlte sich unter ihren kalten, hochmütigen Blicken unsagbar beklommen, so sehr auch die alte Baronin ihr seit der Ankunft ihrer Schwiegermutter mit verdoppelter Freundlichkeit entgegenkam und bei jeder sich darbietenden Gelegenheit bewies, wie sehr sie das geringschätzende Benehmen Elfriede'« mißbilligte.

Zu der kleinen Jda fühlte Helene sich auf das Innigste hingezogen und auch das Kind legte für ihre junge Lehrerin eine rührende Zärtlichkeit an den Tag, der sie Alles zu Liede that, was sie ihr nur an den Augen adsah.