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Schwäb. Landwirt.
1913
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Advent!
Ankunft und Vorbereitung! Zwei Begriffe die eng zusammen gehören, die wir aas seldstoersiändticher Höflichkeit oder aus herzlicher Liebe auch in unserem praktischen Verhalten unmittelbar im irdischen gastlichen Rahmen verbunden sehen. Nun handelt es sich hier um den jährlichen Advent des Heilsgedankens, der in Weihnachten seine Erfüllung findet.
Gehören wir zu denen, die Jesus Christus auch für das Heil unseres Volkes unentbehrlich finden, und erwarten wir ihn darum? Ob ja oder nein, das hängt davon ab, ob wr unser Volk in allem aus der Höhe finden oder nicht, ob wir also meinen, daß es von einem immer neuen und immer tiefer erfaßten Kommen des Heils Segen haben wird oder nicht. Das irdische Kommen des Heilands wiederholt sich nicht. Den einzelnen Völkern aber sind in ihrer irdi» schen Entwicklung Schicksalsstunden beschi den, in denen ihnen das gesch chtliche Heil Jesu zur besseren Aneignung besonders dringlich sich an bietet.
Auch unstr Volk steht in Schicksalsfragen. Wir denken u. a. nur an den Geburtenrückgang und das umfassende sittliche und winjchasrliche Problem, das sich damit verbindet. Wir denken an den zöhen Kamps zwischen materialistischer und chnstl cher Weltanschauung, der in den Reihen unseres Gesch echtes vielleicht für lange Zeit entscheidend gekämpft wird und von dessen Ausgang auch die sittliche Selbstbestimmung des Volkes abhängt. Diese beiden Beispiele genügen, um die Eäsickfaiskrists des deutschen Volkes zu zeigen. Wer wünscht da als CH ist nicht tief und inbrünstig ein reiches Kommen des Heils, um unser Volk vor den Klippen eines inneren und äußeren Scheiterns zu bewahren? Also mehr Erkenntnis des Heilandes und seines Lebens- Werkes!
Ankunft und Vorbereitung! Die Vorbereitung? Zu ihr gehört in erster Linie das. was einst auch die Vorbereitung des geschichtlichen Jesus in der Menschheitsgesch'chte ausmachte: nämlich die tiefe Erkenntnis der Besten und Innerlichsten, daß wir Ihn und sein Werk brauchen und nicht imstande sind, aus eigener Kraft d e Erlösung von aller sittlichen Krankheit und Schwachheit damals wie heute zu schossen. Darum ist es nötig unser Volk auf seine Wunden hinzuweisen, an die Schäden zu erinnern, .an denen es krankt, darum müssen wir das deutsche Volk auch an die Grenzen seiner natürlichen Kräfte erinnern, so hochgemut und ideal es auch zuweilen aus s inen Tiefen ausslelgt^ Erst in der Erneuerung durch das Weltheil wird es sich und seinen wahren Reichtum ganz finden. Die Kraft des Weihnachtsevangeliums muß auch zu uns kommen, wir brauchen sie. Möchte sie auch heute treue Wegbereiter finden, die um des Volkes Zukunft besorgt sind.
Hermann Kurz.
Zum 30. November 1913.
Bon Rudolf Kapss.
Es gibt einen deutschen Roman, der sich zwischen Ebersbach, Börtlingen und Wäschenbeuren und Hattenhofen abspt-lt, in dem Göppingen, Rechberghausen, Ottenbach und Adetberg vorkcmmen, und der schon deshalb in den Händen eines jeden Schwaben und einer jeden Schwäbin sein sollte. Es ist zudem ein Räuberroman, derb realistisch und gänse» hauterregend wie einer, dabei von A bis Z historisch, im inneren und äußeren Sinn wahr und darum von keinem ger ngeren ols Paul H y e der edelste Räuberroman deutscher Zunge gena nt: cs ist der „Sonnenwirtle" von Hermann Kurz, die Geschichte des Friedrich Schwan, Sonnenwirisohn von Ebersbach, Schillers „Verbrecher aus verlorener Ehre".
Das Buch hat bei ieir.cm Erscheinen nicht den E folg gehör-), dem man seinem sesseb.den Inhalt und seiner meisterhaften Erzählungskunst hätte wünschen müssen. Darum hat auch sein Verfasser, dessen hundertsten Geburtstag wir am kommenden Andreasfeicrlag begehen, die größte Zeit seines Lebens mit den Seinen in bitterer Armut gelebt. Kurz ist ein geborener Reutlinger. Diesen hat man je und je nachgesagt, sie vermögen zu sprechen, daß man's greisen kann; darum ist's a- ch kein Zufall, daß gerade dieser unser erster schwäbischer Erzühiungskünstler mit Echatzwvffer getauft war. Zum Theo'o. en bestimmt durchlief er das Seminar Maul» bronn und Tübinger Stift, ging aber nach kurzer Tätigkeit als Vikar in Ehningen bei Böblingen zum freien Echrist- stellerberuf über. Er hat jedoch mit seinen ersten Veröffentlichungen in Stuttgart keine S-ide gesponnen, nicht einmal mit seinem ersten Hauptwerk „Schillers Heimakjahre" das heute neben dem „Sonnenwirtle" als eines der eisten
Erzeugnisse erzählender Heimalkunst geschätzt wird. Deshalb war es eine Erlösung für ihn, als ihm sein Freund Auerbach einen Redakreurposten in Karlsruhe verschaffte. „Der Sonnenwirtle hat mich Heimgetrieben", schreibt er selbst über seine Rückkehr von Karlsruhe noch Stuttgart. Um leben und sogar heiraten zu können, nahm er die Stellung eines Rcdoktems am „Beobachter" an, hat es aber dort nur 5 Jahre ausgehvlren. Er zog die Freiheit vor, wenn sie auch Not brachte und folgte einer Einladung des berühmten Demokralenpfarrers Hops noch Odereßlingen. Diese, äußerlich so traurigen Obercßltnaer Jahre, sind ungeheuer reich an kleinen Erzählungen. Sein goldigster Humor schwebt wie ein lichter Schein über diesen unsterblichen Sachen und Eächlein, wie „das Arkanum", „Sankt Urbans Krug", den Galgen sogt der Echeie", oder gar das Kabinettstück geiströch humoristischer Satire „die beiden Tubus". In diese Jahre fällt auch der erste L chtblick äußeren Erfolges. Kurz wird von Paul Heyse emdeckt, nach München eingelodcn und, als er das obschlägt, zum ständigen Mitarbeiter an seinem „Deutschen Novellenschatz" gewonnen. Bald folat die Ernennung zum Bibliothekar in Tübingen, die den Fünfzigjährigen allmählich endgültig der Nahrungs- sorgen enthob. Doit ist er in der rühmlichst bekannten jetzigen Brtntzingerei mit 60 Jahren am 10. Oktober 1873 allzu früh gestorben.
Man darf es Kurz nicht als schwäbischen Eigensinn und Eigenbrödelei auslegen, daß er Heyses Einladung nach München abgelehnt hat, die ihn aus der Enge in die Weite, aus der Not zum Brot führen wollte. Hermann Kurz hing zu sehr mit den feinsten Fasern seines Herzens am schwäbischen Boden. Seine großen wie kleinen Erzählungen spielen fast ausnahmslos auf diesem Boden. Hätte ihn Kurz verlassen, so hätte er sich in inhaltlicher wie formeller Hinsicht das Grab seiner Schriststelleriätigkeit gegraben, denn auch seine Sprache, feine meisterliche Erzählungsgabe ist stammheitliches und heimstädtisches Erb» aut. Seine Zeitgenossen haben Kurz diese selbstoerleugnende Treue zur Heimat schlecht vergolten. Sein kommender hundertster Geburtstag soll uns eifrig an der Arbeit finden, diese Schuld unseres Stammes an diesem edlen Dulder zu tilgen. Wer miltun will, greife zu Kurz' Werken! Sie sind jüngst von Hermann Fischer bei Hesse in Leipzig in 2. Auslage (3 Bände zusammen 6 -H) neu berauegegeden worden. Auch die treffliche „Rheinische Hambücherei" enthält in Band 10 bis 12 die kleinen Kurz'schen Erzählungen (Verlag Behrend, Wiesbaden, Band 75 ^). Drei davon sind auch in den „Bunten Büchern" (Heft 1 und 7) zu je 10 zu haben. Die Buchhandlungen sind zu röscher Lieferung dieser Ausgaben überall bereit.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 28. Nov. (Tel.) Auf die Frage der elsäs- sisch-n Abgeordneten wegen der Vorgänge in Zabern erwidert Kriegsminister v. Falkenhayn, eine Beleidigung oder Herausforderung sei nicht vorgekommen; er sei selbst vier I hre in den Reichslonden gewesen, ohne daß er die beleidigende Bedeutung des Worts gekannt hätte. Es soll nichts beschönigt oder entschuldigt werden, aber im jugend- lichen Alter kommen im Beins oder Dienst Entgleisungen vor, die nicht an die große Glocke gehören. Die Aufregung ist entstanden, weil dienstliche Vorgänge von Soldaten in die Oeffkntlichkeit ge ragen und in aufreizender Weise ausgebeutet worden sind. Solche Zustände können in der Armee nicht gedultet werden. (Bravo rechts, Unruhe.) Auf die Frage wegen Eli schränk'.ng des Handels mit Waffen erfolgt die.Antwort, es seien Vorbereitungen getroffen, dem Mißbrauch von Revolvern zu begegnen. E n Gesetzentwurf werde dem Reichstag noch in dieser Session zugehen. Betreffend die Frage wegen Beziehungen des englisch-amerikanischen Tabaktrusts zur deutschen Zigaretten- industrie wird sich der Reichstag alsbald mit dieser Auge- legenheit zu befassen haben. Es folgen noch verschiedene kleine Anfragen und Antworten. Zu der sozialdemok atischen Interpellation wegen der Vorgänge in Zobern erklärt G- neial» leurnant Wild o. Hohenborn, der Reichskanzler sei be- reit, in der nächsten Woche weitere Antwort zu erteilen. Es folgen Wahlprüfungen. Die endgültige Abstimmung über verschiedene Wahlprüsungen wird aus Dienstag anqesetzt. Die Wahlen der Abgeordneten Graf v. Caimer-Osten (Kons) (1. Breslaii-Gurau-Steinou» Wohlan), Dr. Bmckhardt (Wirtsch. Bgg.), (5. Wiesbad. n- Dill nburg-Oberwcstrrwald) und v. Bontn (Kons.) (5 Köslin-Neusteitin) sollen für giltig erklärt werden. Bet der Wahl des Abg. Kopsch (B.) entspinnt sich eine längere Debatte, in der hauptsächlich der Umstand besprochen und die Meinungen darüber ausgerauscht werden, daß ein kon
servativer Malermeister an den Vertreter der Sozialdemokratie herangetreten ist. Die Wahl des Abg. Laser (nl.) wird ohne Debatte erledigt. Bei der Wohl des Abg. Dr. Cohn (Soz.) beantragte die Kommission Giltigkeit, wohnend die Fortschrittler Beweiserhebung befürworteten. Ohne Debatte werden die Wahlen der Abg. Eosinsky (Pole) und Herzog (W.Dgg.), die für giltig erklärt werden sollen, erledigt. Darauf vertagt sich das Haus auf Samstag 12 Uhr. Kleine Vorlagen. Schluß V^6 Uhr.
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Amt
Nag ld, 29. November >S'.3.
Adventssehneu.
Wie schnell auch die Gedanken rennen, kein Forschen und kein Grübeln frommt, der Geist kann nur dm Geist erkennen, wenn ihm der Geist entgegenkommt.
Drum lüste euer Geist die Flügel, und reißet eure Herzen auf und nehmet über alle Hügel
der Sehnsucht nimmermüden Laus. „
' N. Lenau.
Das höchste Streben und Verlangen eines Dinges, das ihm zueist von der Natur eingcprägt, ist die Heimkehr zu seinem Ursprung; und weil Gott der Ursprung ist unserer Seele, also verlangt sie vornehmllich
heimzukehren zu ihm. Dante.
*
Der Schrei nach Gott ist noch nicht veistummt, und er kann nie verstummen, solange sich eins Menschheit in der Nacht der Gottesferne härmt. Ties drinnen bohrt brennender Schmerz, zehrendes Heimweh. Weh spricht: vergeh! Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit. L- Seur.
O Herr von großer Huld und Treue, o komme du auch jetzt aufs neue zu uns, die wir sind schwer veistön.
Not ist es, daß du selbst hievieden kommst, zu erneuern deinen Frieden dagegen ist die Welt empört.
O laß dein Licht auf Erden siegen,
die Macht der Finsternis erliegen
und lösch der Zwietracht Glimmen aus;
daß wir, die Völker und die Thronen
vereint als Brüder wieder wohnen
in deines großen Vaters Haus! Fr. Rückert.
* Zum Welteinheitsporto äußert sich der würt- tembergische Oberpostmeistec Dr. Haaß-Hetdenheim in einem Buche „Weltpostverein und Einheitsporto". Er sagt darin u. a.: Wir glauben, daß zunächst die Einführung des verbilligten Welipmtos gewagt werden muß ohne Kompensation auf anderen Gebieten. Wir würden ja sonst mit der einen Hand geben und mit der anderen Hand nehmen. Zumal das billige Postpaket nützt Handel und Gewerbe, es hat sich bewährt. Mit seinen Tarifen rechnet man und festst hende Sätze soll man nicht Umwerfen. Ueberdies: der gewaltige Bau unseres Postwesens veriräc t ebenso gut keine Üngerechügkeilen, wie sie die Staatsbahn erlaubt. Auch hier sind gewiß Besörderungscmgelegenhtben und vor allem gewisse Linien schlecht Geschäfte. Darum aber beharren wir dennoch aus den Einheitsjätzen und das mit Recht.
Wir dürfen auch bei der Post den Mut haben, und hoffen bestimmt: 1914 Geburtsjahr des Welteinheits- portos.
Aus den Nachbarbezirke».
Areudenstadt, 28. Nov. Der Abg. Kölsch (Natl.) hat sein Mandat für den Reichstag niedergelegt. Dcmit hat im 7. badischen Wahlkreise (Offenburg-Obcrkircii-.Kehl), zu dem unsere Nachbargemetnden G iesbach, Peterstai uiw. gehören, eine Nachwahl stattzu- finden. Die Wahl Kölsch war angefochten worden. In der Stichwahl siegte er mit nur 8 Stimmen Metz heit über den Zentrumskandidaten.
Landesuachrichteu.
Stuttgart, 28. Nov. Die Siuttgarter Sozialdcmo- kratie widmet sich gegenwärtig wieder lebhr st Fingerübungen. „Wer nicht pariert, fliegt." So hat die letzte Parieioersammlung nicht weniger als 60 arbeitswillige Boscharbeiter aus der Partei ausgeichloffen und der Freiheit wiedergeaeben.
r Hall, 28. Nov. (Der Fall Lang). Der neulich von der Strafkammer wegen Amtsvergehen verurteilte Rechtsanwalt Dr. Lang von Crailsheim hat Revision eingelegt.