soll, um nicht rückwärts zu kommen, davon ist nirgends die Rede. Was er kaufen muß, Ackergeräte, Kleider und Schuhe soll er teurer bezahlen, was er verkauft, soll er billiger hergeben. Bei der allgemeinen Aufbesserung geht der Bauer nicht nur leer aus, nein er muß allen übrigen Ständen die Aufbesserung bezahlen.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 18. April. Württ. Landtag. Das hohe Haus beschäftigte sich heute Freitag mit der Beratung des Gesetzes betreffend die Fürsorge für Beamte bei Betriebsunfällen, welches bezweckt, die Wohlthaten des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 in entsprechender Weise auf die von Unfällen im Dienste vornehmlich bedrohten Beamten des Staates auszudehnen. Die Debatten nahinen kein allgemeines Interesse in Anspruch, erwähnt sei nur, daß auf Antrag Gr öH er's sich Ministerpräsident Dr. Frhr. v. Mittnacht bereit erklärte, beim nächsten Etat eine Exigenz einzubringen zu dem Zwecke, daß alle Beamten und Bediensteten des Staates, welche nicht unter Art. 1 des Beamtengesetzes stehen, unter Verzichtleistung auf ihre sonstigen Ansprüche an Staat und Reich bei Unfällen unter das Unfallversicherungsgesetz subsummieren sollen. Ein weiterer Versuch des Abg. Sachs, auch Communalbeamte, die in Ausübung von Staatsgefchäften verunglücken, mit unter das Unfallversicherungsgesetz fallen zu lassen, wird abgelehnt. Die Kammer vertagte sich bis zum Dienstag. Es soll dann zuerst die Frage der Besteuerung des Hausiergewerbes zur Beratung kommen.
Stuttgart, 16. April. Infolge einer von Seiner Majestät dem Könige gegebenen Anregung fand vor einigen Tagen im Wilhelmspalast unter dem Vorsitz Sr. K. Hoh. des Prinzen Wilhelm von Württemberg eine Beratung über die Frage der Wiederabhaltung einer württembergischen Landesgewerbeausstellung in Stuttgart statt. Das Ergebnis derselben ging dahin, daß die Veranstaltung einer größeren gewerblichen Ausstellung in Verbindung mit der Eröffnung des im Bau begriffenen neuen Landesgewerbemuseums in Aussicht genommen und der Ausführung dieses Gedankens zu geeigneter Zeit näher getreten werden soll.
Berlin, 18. April. Der Kaiser holte gestern den General Waldersee von dessen Wohnung zu einem längeren Spaziergang durch den Tiergarten ab. Der Vorgang gilt als Bestätigung der Annahme von der völligen Beseitigung des gestörten Einvernehmens zwischen dem Kaiser und Waldersee.
Die Reise des Kaisers nach Norwegen. Die geplante Reise nach der Hauptstadt Norwegens wird das Kaiser paar, wie dem „Hann. Cour." gemeldet wird, um den 25. Juni von Kiel aus auf der „Hohenzollern," begleitet vom Manövergeschwader, antreten.
— Das von Hamburger Kaufleuten an den Fürsten Bismarck geplante Geschenk einiger mitten im Besitzthum des Fürsten gelegener Grundstücke, ist bereits zur Ausführung gelangt und erledigt worden. Der Reichskanzler war davon überrascht und umso
mehr erfreut, als diese paar Hufen Land schon früher von ihm erworben werden wollten, was jedoch zu dem verlangten Preise, ihm nicht Zusagen konnte. Die Hamburger Herren zahlten dafür 50,000 Mk.
Mainz, 18. April. Die Vorstände der zu Mainz bestehenden Fachvereine haben sich dahin geeinigt, daß am 1. Mai die Arbeit nicht ruhen soll. Dagegen ist für den 1. Mai eine Volksversammlung in der Stadthalle geplant, welcher am darauffolgenden Sonntag noch ein Arbeiterfest in den gleichen Räumen folgen soll.
Ausland.
— Gegner der Vivisektion hielten am 14. April Hierselbst im „Paradies Latin" in Paris eine Sitzung ab, welche so stürmisch verlief, daß der Vorsitzende, Fr. Huot, gar nicht zu Wort kommen konnte. Die Gegner der Vivisektion sowohl als ihre Anhänger erhitzten sich unbändig und lärmten die ganze Zeit, ja es kam sogar zu Thätlichkeiten. Die Studenten warfen mit allerlei Dingen, mit Gemüsen und Mehl um sich. Einer warf sogar' von der Galerie ein ausgestopftes Kaninchen unter das Publikum.
Kairo, 8. April. Aus S an si b a r angelangte Reisende berichten von einer Aeußerung des jetzigen Sultans, welche ein treffendes Licht auf die Gefühle der Verehrung und des Vertrauens werfen, mit welchen die Araber daselbst Emin Pascha ge- aenübertreten. Der Sultan soll nach der ersten Audienz Emms zu seiner Umgebung geäußert haben: „Dieser Mann gefällt mir so sehr, daß ich mit ihm immer in einem und demselben Zimmer schlafen möchte." — Wie man der „Allg. Ztg." aus Berlin schreibt, soll, wie in dortigen Kolonialkressen verlautet, EminPaschaam nächsten Montag nach dem Innern aufbrechen; bald darauf werde Wißmann seine Operationen im Süden aufnehmen. Man erwarte nicht, daß er auf starken Widerstand stoßen werde.
Tages-Ueuigkeiten.
Calw. In Ergänzung der Z-Correspondenz in der letzten Nummer ds. Bl. teilen wir mit, daß eines der gemalten Chorfenster von Hrn. Georg Dörtenbach, kön. baier. Generalkonsul in Stuttgart für sich und namens seiner Geschwister Frau Luise Federhaff geb. Dörtenbach hier, der Familie des Hrn. Paul Dörtenbach, gew. Bankiers in Stuttgart und Frau Oberamtsarzt Dr. Müller geb. Dörtenbach, zum ehrenden Gedächtnis ihrer Eltern erfolgt ist. Sowohl dieses, als das von Hrn. Ludwig Schüz gestiftete Fenster, werden im Laufe des Jahrs in einer berühmten Kunstanstalt Münchens ausgeführt werden.
* Calw, 21. April. Am Samstag abend fand im Badischen Hofe die Generalversammlung des Calwer Liederkanzes statt. Der Vorstand begrüßte die Erschienenen und gab einen Rückblick auf das zurückgelegte Vereinsjahr, worauf der Kassier
Hr. Hugo Rau die Einnahme- und Ausgabeposten pro 1889—90 erläuternd vortrug; ein Anstand ergab sich hierbei nicht, und einstimmig erteilte die Gesellschaft dem Ausschüsse Entlastung; ebenso wurde der Etat pro 1890—91 genehmigt. Die Rechnungsergebnisse und der Stand der Kasse sind recht günstig; die Mitgliederzahl beträgt über 200. Der seitherige Vorstand, Hr. Kollaborator Bäuchle, wurde durch Akklamation miedergewählt, und es wurde diese Wahl freudigst begrüßt. Zum Vizevorstand wurde Hr. Konditor Haager ernannt und die Ausschußmitglieder sämtlich wiedergewählt; als neue Mitglieder treten in den Ausschuß die Herren Hugo Helferich und Franz Schönlen. Die Wahlen vollzogen sich unter größter Einmütigkeit und gaben den besten Ausdruck von dem schönen Verhältnis, welches unter den Mitgliedern besteht. Die Sänger sangen mehrere Lieder, darunter ein sehr schönes Frühlingslied von Petschke, welches feurigen Schwung atniet und von vorzüglicher Wirkung ist. Der Abend gestaltete sich recht gemütlich und wünschen wir dem Verein auch fernerhin fröhliches Gedeihen.
f:j Calw. Wiener Konzert-Soirse. Kommenden Donnerstag, den 24. d. Mts, wird die Wiener Elite Konzertsänger-Gesellschaft „Lötsch" im Saale der Brauerei Dreiß einmalig hier auftreten. - - Da sämtliche Blätter unserer Nachbarstädte voll des glänzendsten Lobes dieser ganz außergewöhnlichen Gesellschaft sind, so machen wir alle unsere Leser, die Freunde von prächtigem Gesang, vorzüglicher Musik und drastischer, aber stets hochfeiner Komik sind, auf dieses einmalige Konzert ganz besonders aufmerksam. Nachfolgend die jüngste Kritik über diese wahrhafte „Elite"-Gesellschaft aus Rottweil. „Rottweil, 16. April. Wenn es dem Berichterstatter einmal leicht gemacht ist, das hiesige Publikum zum Besuche eines Konzertes aufzumuntern, so ist dies heute der Fall, wo wir es geradezu als unsere Pflicht erachten, auf die heute Abend stattfindende letzte Vorstellung der Gesellschaft Lötsch allgemein aufmerksam zu machen. Was auswärtige Blätter über die vorzüglichen Leistungen dieser Künstler berichteten, trifft vollständig zu: trefflicher Gesang, feine Mimik, zwerchfellerschütternde Komik, verbunden mit einer wohlthuenden Noblesse vereinigen sich zu einem Ganzen, das uns lieblichen Genuß und reine Freude bereitet. Auf Einzelnes cinzugehen mangelt uns die Zeit, es genüge zu konstatieren, daß die zahlreiche Zuhörerschaft jede der vielseitigen Leistungen mit lebhaftem Beifalle und stürmischen Dacaporufen, begleitete und daß nur die Stimme der hohen Befriedigung zum Ausdrucke gelangte. Neben den künstlerischen Leistungen wollen wir nicht unterlassen, auch die ebenso eleganteil als geschmackvollen Kostüme zu ermähnen, die mit dem Auftreten dieser wirklichen „Elite-"Ge- sellschaft in vollem Einklänge stehen. Heute Abend findet bei vollständig neuem Programm die letzte Vorstellung statt; versäume Niemand, der Freude an Scherz und Gesang hat, sich dabei einzufinden."
Nach solcher Kritik bedarf es wohl keiner weiteren Empfehlung an unser Familienpublikum, dieses Konzert recht zahlreich zu besuchen.
Sohne das aus vielen Besitzungen bestehende Majorat zufiel, verblieb Albert nur ein im Verhältnis zu dem Reichtum seines Bruders bescheidenes Vermögen, das jedoch immerhin groß genug war, um ihn mit einer Familie standesgemäß leben zu lassen. Er war als der jüngere Sohn von Jugend auf für die militärische Laufbahn bestimmt und kam zu diesem Behuf schon als Kind in eine Kadettenanstalt, unter deren strenger Zucht der alte Baron den sich schon früh in Albert zeigenden Hang zum Leichtsinn zu hemmen glaubte. Jedoch auch dort blieb Albert der unverbesserliche, im Lernen träge, zu lustigen Streichen stets bereite Zögling. Wo es galt, den Lehrern oder Vorgesetzten ein Schnippchen zu schlagen, da war der junge Baron Wallheim stets dabei, so oft ihm dafür auch die schwersten Strafen zuerteilt wurden. Die Folge davon war, daß Albert bei allen Vorgesetzten in höchster Ungnade stand und sie ihn bei jedem vorkommenden Unfug im Verdacht hatten, auch wenn er, was freilich selten genug vorkam, unschuldig war. Doch je unbeliebter er bei seinen Vorgesetzten wurde, um so mehr stand er in den Augen seiner Kameraden in Ansehen, deren Anführer und Berater in allen tollen Streichen er war und die, geradezu stolz auf die Freundschaft des „tollen Wallheims," ihn, wenn sie einmal abgefaßt wurden, auch bei der härtesten Strafe nicht verrieten.
Später, als er sein Ofsizierspatent erhalten hatte, änderte er sich nur wenig. Seine tollen Wetten, seine abenteuerlichen Liebschaften wurden bei dem Offizierskorps bald sprichwörtlich. Dabei konnte es nicht auSbleiben, daß der gutmütige Herbert, der inzwischen durch den Tod des Vaters Majoratsherr geworden war, nicht selten für den leichtsinnigen Bruder die Börse ziehen mußte.
Die Damen fanden ihn bezaubernd, obgleich er wie ein Schmetterling von einer Blume zur andern schwirrte, bis er in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr plötzlich „hängen blieb," wie seine Kameraden lachend behaupteten. Eine kleine, lustige Blondine hatte sein flatterhaftes Herz gefangen genommen und er verlobte sich mit ihr. trotz des Widerspruchs der Seinigen. Elfriede von Lossow, seine Auserkorene, dir er während eines Manövers kennen gelernt hatte, war eine schöne Erscheinung, aber gleichfalls leichtfertig, was den Grund des Widerspruchs seitens der Baronin und Herbert'- ausmachte, — ein Umstand, auf welchen der junge Offizier nicht die geringste Rücksicht nahm.
Ein großer Trost für die Mutter war die Versetzung des Sohnes in die nahe Garnisonstadt von Schloß Wallheim. So konnte sie doch einigermaßen die Aufsicht über das junge Ehepaar führen. Nach einem Jahr wurde dasselbe mit einem Töchterchen beschenkt, welches nach der Großmutter den Namen Jda in der Taufe erhielt. Das Kind wurde der Augapfel des jungen Vaters, der durch die neue Würde hoch beglückt war. Die tollen, übermütigen Jugendstreiche, die unsinnigen Wetten, kurz Alles, was er bisher für die höchste Freude des Lebens gehalten hatte, schien er fortan eines Familienvaters unwürvig zu finden; er wurde zur großen Freude seiner Mutter häuslicher und solider und schien im Besitz von Frau und Kind sich vollkommen glücklich zu fühlen.
Vier Jahre vergingen dann dem jungen Ehepaare voll eines ungetrübten Glückes, dem ein jäher Schlag ein Ende bereiten sollte. Ein Wettrennen, an welchem der Lieutenant sich beteiligte, führte seinen plötzlichen Tod herbei. Zwar hatte er sich auf seinem wilden, feurigen Renner den ersten Preis errungen, aber er hatte diesen Preis zu teuer bezahlen müssen. Schon am Ziel angelangt, stürzte er mit seinem Pferde und verletzte sich dabei so schwer, daß er bereits nach wenigen Minuten sein Leben aushauchte.
Die Verzweiflung der jungen Frau schien grenzenlos; laut und geräuschvoll,, wie ihr ganzes Wesen, war auch ihr Schmerz. Für Trostsprüche zeigte sie sich taub. Nachdem das pomphafte Begräbnis vorüber und die Leiche des Verunglückten in der Familiengruft auf Wallheim beigesetzt worden war, kehrte die junge Witwe mit ihrem nun vaterlosen Kinde in das Haus der Eltern zurück. Sie hatte ihren Gatten in ihrer Weise von Herzen geliebt und betrauerte ihn auch m ihrer Weise, für die jedoch weder die Baronin, noch Herbert Verständnis hatten. Kaum jedoch, daß die Trauerzeit vorüber war, so suchte sie bereits alle nur erdenkbaren Vergnügungen und Zerstreuungen wieder auf, die Erziehung ihres Kindes gänzlich Anderen überlassend.
Auch die Zwischenräume wurden immer größer, in denen sie an die Mutter ihres Gatten schrieb, so daß allmählich ein Brief von ihr zur Seltenheit ward, ein Umstand, welcher die aste Dame nicht eben sonderlich bekümmert haben würde, wenn, nicht die kleine Jda gewesen wäre. (Forts, folgt.)