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87. Jahrgang.
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Erntesegen! Den unmittelbarsten Eindruck von ihm hat sicher der Landwirt, wenn er im Herbste die Schätze betrachtet, die ihm Gott auf seinen Feldern und Wiesen hat wachsen lassen und die nun Scheune und Haus füllen. Alles, was da als äußerer Erntesegen aufgespeichert ist, ist ein sichtbarer, augenscheinlicher Beweis für die Treue der göttlichen Verheißung: „Solange die Erde stehet, soll nicht aufhören Same und Ernte?"
Ader auch jeder andere Beruf kann und soll die starke Empfindung des Erntesegens haben. Wir müssen es nur lernen, in ernster Einkehr rückschauend den Lauf des letzten Jahres zu betrachten. Wir müssen uns Rechenschaft darüber geben, was uns in dieser Zeit als Frucht der Berufsarbeit geworden ist. Und bei dieser Rückschau kommt es vor allen Dingen auf einen Gedanken an. Draußen in der Natur läßt Gottes Macht aus Wenigem viel werden. Klein ist die Saatmenge, groß der Erntevorrat. Gottes Schöpferkraft multipliziert die Lebenskräfte jeder Saat in der herrlichsten und freigebigsten Weise. Finden wir nicht etwas von dieser vervielfältigenden Segenskraft auch in den Berufen, die nicht direkt mit der Pflugschar und dem Erntewagen zu tun haben? Spielte in dem Erfolge unserer Arbeit nur der Einsatz unserer persönlichen Kräfte eine Rolle, so würden wir nicht immer aufs neue vor einem großen Erntefegen stehen können. Für jede Arbeit und jeden Arbeiter, in welchem Berufe es auch sei, bewährt die Güte Gottes ihre segnende und mehrende Kraft. Es liegt vielfach nur an der seelischen Blindheit der Menschen, daß sie diese Wahrheit nicht erkennen wollen.
Freilich ist Gottes Walten nicht nur segnen; Mißernte und Mißerfolg gehören mit hinein in unsere Erziehung. Solchen Erfahrungen gegenüber gilt am Erntefest das Wort: „Wer nur den lieben Gott läßt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit." Aus diesem ruhigen, kindlichen Vertrauen erwächst ein fester Lebensmut, der auch Mißerfolge mit in das göttliche Walten hineinrechnen kann und an diesem nicht irre wird.
Aber aus das Ganze der Ernte gesehen können wir von einer guten Ernte reden und wollen heute am Erntedankfeste unserem Gott dafür danken, daß er uns wider alle Erwartung noch solchen Segen geschenkt hat und es hieß: Ende gut alles gut. Wir sollten es uns dabei freilich ernst und nachdrücklich gesagt sein lassen, daß dem Erntesegen gegenüber nicht nur der Dank des Herzens oder des Mundes am Platze ist, sondern vor allen Dingen der Dank der Tat. Wer praktisch dankbar sein kann, bereichert sich die eigene Seele. Und halten wir Umschau, wo ein Werk oder Stand besonders Not leidet und Hilfe bedarf, so ist dies Heuer in erster Linie der Weingärtnerstand. Diesem komme darum unser Erntedank hauptsächlich zu gut.
Es mag nun Christen geben, die am Erntedankfeste wirklich einmal etwas außerordentliches tun, damit aber für das ganze Jahr meinen, genug getan zu haben. So engherzig sollen wir nicht denken. Wir kommen sonst niemals innerlich in die Gemeinschaft des Gebens und Nehmens I
Ein rettender Gedanke.
Ein Studentengefchichte von Adolf Thiele.
(Nachdr. verb.)
„Und hat der Bursch kein Geld im Beutel, so pumpt er den Philister an", sang ein Student, ein hübscher, blonder, gewandter Bursche, und ging flotten Schritts durchs Zimmer.
„Jawohl, der Philister!" ließ sich eine Baßstimme hören, die aus einer mächtigen Tabakswolke heraustönte und einem behäbigen Bruder Studio angehörte. „Wer pumpt uns denn hier in dem Neste, drei Stunden von Potsdam, Berlin genannt? Da war's in Jena freilich anders —
„Ja, in Jena, lieber Daus!" rief der Blonde lebhaft. Unser gutes winkeliges Jena, das „liebe, närr'sche Nest", wie es schon der alte Göthe nannte, ja dort! Nie kehrst du wieder, goldene Zeit! sang er dann wieder.
„Na freilich!" antwortete der dicke Phlegmatiker. Nun sitzen wir da in der Tinte, und es ist kaum der 21. Warum mußtest du leichtsinniges Huhn denn auch deinen Schneider bezahlen?
„Aber Daus, konnte ich denn anders? Sieh', gemahnt hatte der Schneider schon mehrmals, ohne zu reüssieren. Nun kommt, du weißt es ja, eines Tages ein so zartes, duftendes, rosafarbenes Kuvert an, die Aufschrift von Frauenhand. Enthusiasmus —"
Samstag, dm 15. Aovemöer
herein, die der christliche Glaube zwischen Gott und den Menschen und auf Erden zwischen den Menschen untereinander schaffen will. Darum soll uns das Erntedankfest auch erinnern, daß wir täglich von Gottes Segnung leben und es daher unsere Christenpflicht ist, ihm auch täglich auf irgend eine Weise dankbar zu sein.
Der Wetterwart.
politische Amscha«.
p Mil Genugtuung ist im ganzen Lande die Kunde ausgenommen worden, daß die Regierung mit Rücksicht auf die Notlage des Weingärtnerstandes, die besondere Maßnahmen erforderlich macht, zu einer frühzeitigeren Einberufung des Landtags, als ursprünglich geplant, sich entschlossen hat. Daß die Hilfsmaßnahmen, die zugunsten des Weingärtnerstandes geplant sind, die einmütige Billigung der Landstände finden werden, darf heute schon als feststehend angenommen werden. Es wird deshalb mit der Erledigung dieser Materie ziemlich rasch vorangehen, und wir kommen so vor die erfreuliche Erscheinung, daß auf diese Weise für die anderen gesetzgeberischen Ärbeiten eine Spanne Zeit herausgebracht wird, die erwarten läßt, daß das übliche Zwangstempo diesmal vermieden werden kann. Die Beratung des Submissionswesens im volkswirtschaftlichen Ausschuß und die bereits erfolgte und zum Teil noch aüsstehende Stellungnahme einzelner handwerklicher Körperschaften hiezu, lassen ja erkennen, daß diese Frage allein einen breiten Rahmen der Beratungen der beiden Kammern in Anspruch nehmen werden, sodaß auch von diesem Gesichtspunkte aus die baldige Wiederaufnahme der landständischen Arbeiten nur zu begrüßen ist.
Im Reiche hat uns die Berichtswoche den Abschluß des zweiten Krupp-Prozesses gebracht, der in seinem Verlauf die politischen Leidenschaften ziemlich tief aufgerührt hat. Die sozialdemokratische Presse wollte in dem Prozeß absolut das Liebknechtsche Panama haben und machte sich darum, ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Verhalten, die Anklagen der Staatsanwaltschaft restlos entgegen allen journalistischen Gepflogenheiten derart zu eigen, daß sie dieselben noch vor dem Spruch des Gerichts zu Ungunsten des Angeklagten bezw. der hinter diesem vermuteten Hintermänner ausbeutete und kritisch verwertete. Auf der andern Seite stand der ebenso extreme Teil derjenigen, die da meinten, die Fehler, die die Firma Krupp in diesem Falle begangen hat, unter allen Umständen mit dem Mantel der Unnahbarkeit zudecken zu müssen. Man wird ungefähr das richtige Bild bekommen, wenn man zwischen diesen beiden Extremen den Mittelweg einhält und einerseits mit Bedauern, aber ohne angebrachte Vertuschung feststem, daß die Firma Krupp mit den von ihr beliebten Praktiken ihrem Ruf und ihrem Ansehen zweifellos geschadet hat, andererseits aber den guten Ruf unseres Beamtentums unangetastet in Geltung läßt, d.enn von Beamtenkorruption und Beamtenbe- stechung in irgendwie verallgemeinernder Weise hat dieser Prozeß auch nicht das Geringste ergeben. Und das ist zweifellos die Haupterscheinung dieses grotesk aufgebauschten deutschen „Panama".
„Bis in die Fingerspitzen", brummte der Dicke.
„Begeistert reiße ich das Briefchen auf — eine Schneider- rechnung! Aber der Spaß war zu gut, mein Schneider ist Menschenkenner, kurz ich konnte nicht widerstehen."
Und trugst deine letzten par Kröten hin. Na. laß' gut sein, Bernhard" sagte der Dicke gutmütig und hüllte sich in eine undurchdringliche Wolke, „ein feudaler Spaß findet immer seine Anerkennung. Aber was fangen wir nun an? Alles, worauf, uns einer was pumpen könnte, studiert. In den Zeitungen hast du auch nichts gefunden, als du heute das Cafö besuchtest?"
„Du lieber Gott, die Zeitungen! Da wird z. B. ein kräftiger Mann als Musrührer gesucht, das wäre was für dich, Daus!"
„Ach, dummes Zeug!"
„Doch sage, Bernhard, warum hast du denn unfern besten Freund, den Märtel, gestern nicht angepumpt? der Kerl hat doch immer Moos!"
„Freilich, aber der hat elendes Pech gehabt. Hast du noch nichts davon gehört?"
„Nein, wieso?"
„Also neulich", berichtete Bernhard, „sitzt er abends in der Kneipe, und da sagt sein Nachbar, das lange Laster, zu ihm: „Du, Märtel, ich habe meine Manschetten ver- gessen, du könntest einmal meine Striche auf deine machen',! Märtel also schreibt die acht Glas Bier des langen Lasters mit auf seine Manschette unter seine eigenen neun und denkt sich weiter gar nichts dabei. Ein paar Wochen später
1913
Fehler sind nur gut zu machen, wenn man sie einsieht. Dieser Grundsatz gilt vornehmlich auch in der Politik und deshalb können wir über zwei Vorgänge, die sich in den letzten Tagen abgespielt haben,' nicht ohne einige kritische Worte vorübergehen. Den Anspruch auf den Vorrang hat als der ältere der Fall Amundsen. Dieser berühmte Forscher und Kulturpilot — die Nordd. Allgemeine Zeitung selbst gibt ihm das Prädikat eines Mannes von „überragender Bedeutung" — wollte in der schleswtgschen Kreisstadt Flensburg einen Bortrag über seine Südpolexpedition halten und zwar in seiner Muttersprache, der norwegischen. Der Regierungspräsident von Schleswig glaubte nun für diese Veranstaltung den bekannten Paragraphen des Vereins- gesetzes, wonach „Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen in deutscher Sprache zu führen sind" herbeiholen zu müffen, und verbot kurzerhand den Bortrag in norwegischer Sprache. Nachher ging der Minister des Innern her und gestattete diesen Bortrag wieder. Allerdings erläuterte das Regterungsorgan, die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", dieses Vorgehen dahin, das Gesetz sei schon richtig angewendet worden, aber man wolle in Anbetracht der ganzen Sachlage eine Ausnahme machen. Das sind doch, gelinde gesagt, Zustände, die des Deutschen Reiches unwürdig sind. Die Regierung selber stößt das Gesetz in einem Einzelfalle um, das beweist doch nur, daß das Gesetz nicht richtig gemacht worden ist und der Abänderung bedarf. Es ist auf alle Fälle ein kulturwidriger Zustand, wenn ein rein wissenschaftlicher Bortrag dem Sprachenparagraphen, der doch rein auf politische Verhältnisse zugeschnitten ist, unterworfen ist und deshalb von irgend einer beamtlichen Instanz verboten werden kann, während ihn eine 'andere Instanz daM wieder gestattet. /
Ein Vorgang, der in seinen Wirkungen starken politischen Charakter angenommen hat, hat sich in dem elsä s- fischen Dörfchen Zadern abgespielt. Und auch er ist durch dis behördliche Behandlung nicht besser, sondern nur schlimmer geworden. Die Untersuchung des Falles ist zwar noch nicht abgeschloffen, aber da bereits eine amtliche Erklärung zu dem Falle an die Oessentlichkeit gegeben worden ist und die politische Presse sich lebhaft damit beschäftigt, sei auch hier kurz auf die Sache eingegangen. Wir halten uns lediglich an die behördliche Erklärung. Danach hat ein Leutnant beim Infanterieregiment 99 in Zobern beim Exerzieren auf die unguten Verhältnisse angespielt, die dort zwischen der Zivil- und Mtlitärbevölkerung herrschen und schon mehrfach zu Schlägereien und sonstigen Zwischenfällen geführt haben. Dabei hat er nach der amtlichen Darstellung zu einem als Raufbold bekannten^ und deswegen schon mit Gefängnis vorbestraften Rekruten gesagt: „Wenn Sie aber angegriffen werden, dann machen Sie von Ihrer Waffe Gebrauch. Wenn Sie dabei so einen Wackes niederitechen, dann bekommen Sie von mir noch 10 Mark." Daß das an sich eine ungehörige Sprache ist, wird jedermann zugeben, als doppelt ungehörig mußte sie von der einheimischen Bevölkerung empfunden werden, bei der der Name Wackes als Schimpfname gilt. Der betr. Leutnant mag nun mit dem Ausdruck nur die einheimischen Raufbolde, die die Soldaten belästigen, gemeint haben, wie
schreibt ihm sein Alter: Lieber Junge, beim Empfang deiner Wäsche zeigte mir deine Mutter eine deiner Manschetten. Siebzehn Glas Bier ist doch ein bischen viel an einem Tage, du wirst es daher begreiflich finden, daß ich deinen Wechsel etwas kleiner bemeffe, zumal ich selber Zahlungen zu leisten habe usw."
„Na, da schlage doch einer lang hin!" rief Daus und stimmte mit rundem Baß in das Lachen feines Freundes ein. Dann erhob er sich vom Sofa und schritt auf das gemeinsame Büchergestell zu. Er hinkte etwas und man konnte bei genauer Beobachtung bemerken, daß er ein künstliches Bein benutzte.
Beide setzten sich zur Arbeit nieder, doch bald sprang Bernhard auf.
„Ob wir noch einmal unsere Phileuse anpumpen?" rief er.
„Ach, das Weib gibt nichts mehr her", erwiderte Daus, „und dann scheint sie überhaupt nicht mit den Rothschilds verwandt zu sein!"
„Nun ich versuche es", sagte Bernhard und verließ das Zimmer.
Bald darauf erschien er wieder.
„Na? fragte Daus. „Schon wieder zurück?"
„Sie will gleich hereinkommen. Sie war bei ihrer gewöhnlichen Hausarbeit, sie — schwatzte.
Gleich darauf trat die so gütig Beurteilte ins Zimmer.
(Schluß folgt.)