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entsprechend Rabatt.
' Beilagen:
Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
Wonlag, den 3. Kovemöer
1913
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Amtliches.
K. Kberarnt Wagold.
Ausstellung für heimische ländliche Bauweise und Kleinwohnungswescn in Stuttgart Oktober—November ISIS
Die Bezirkseinwohner wer dm auf die von der Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel veranstaltete Ausstellung für heimische ländliche Bauweise und Kleinwohnungswesen, die im Oktober und Noocmder in Stuttgart im Ausstellungsgebäude gegenüber dem Landesgewerbrrnuseum ftailfindet, ausmelksam gemacht.
Unentgeltliche Besichtigung Werktags von !0—4 Uhr, außerdem Dienstags und Freitags abends von 8—10 Uhr, Sonntags von 11—3 Uhr.
Au-Kunst über Ankaufspreise und dergl. durch einen Beamten mittags von ^12—^/zl Uhr und an den Ausstellungsabenden von 8—9 Uhr.
Nagold, den 25. Okt. 1913. Kommsrell.
UMgeK-NeNigkeites.
TAS MM Md Amt.
Nagold, 3. November 1913.
5. Kirchenkonzert. Das gestrige Kirchenkonzert, das vom hiesigen Lehrerseminar allen Freunden edler Musik — und sie hatten sich in erfreulicher Anzahl eingestellt — gegeben wurde, versprach zum voraus einen außerordent- tichen Kunstgenuß. Dafür bürgte nicht nur der Name des großen Tondichters I. S. Bach, der allen in Aussicht gestellten Tonwerken aus die Stirne gedrückt war. nicht nur die seitherigen musikalischen Leistungen des Seminars und des mit ihm verbundenen Oratoriumoereins sondern auch der Umstand, daß gestern zum erstenmal künstlerische Hilfskräfte in verstärktem Maßstabe, besonders vom Württemb. Bachverein, herangezogen wurden. Die letzteren, die in der gewinnenden Erscheinung der Violinoiriuosin Frl. Leuze- Stuitgart mit ihrem seeienvollen Spiel und in Gestalt von vier gewandten Hoboisten resp. Klarinettisten und einem Trompeten bläser dem Orchester sich einfügten, trugen wesentlich zur Verstärkung des letztem und zu einem fließenden Schmelz des Instrumentalivncs bei. Die übrigen Mitwirkenden: Herr Konzertsänger Ackermann-Stuttgart mit seinem kräftigen und wohlgeschulten Tenor, Herr Siadtpfarrer Werner-Bcrneck mit seiner edeln, metallisch-abgerundeten und schmiegsamen Barytonstimme sind uns wie Herr Seminar- lehrer Nicht mit seinem p äzisen und kunstgerechten Orgel» spiel schon länger gute Bekannte und sozusagen Freunde, die uns wieder mit ihrem Besten erfreuten. Aber auch Frl. Stähle, die gestern eine Sopran-Solopartie übernommen hatte, verdient um ihres lieblichen und vielversprechenden Gesanges willen rühmende Erwähnung. Bor allem aber gedenken wir mit voller Anerkennung der umsichtigen und doch ruhigen Direktion des Ganzen durch H»rn Seminaroberlehrer
Schmid, dessen unermüdlichem Fleiß und künstlerischem Verständnis und Schassen wir die schönen Abendstunden verdanken. Ec hat uns in den 3 Kantaten 3. S. Bachs: „Herr, wie du willt", „Ich lasse dich nicht" und „Der Hirte Israel" wahre Perlen unserer Kirchenmusik erglänzen lassen und den unübertroffenen Orgelkomponisten in dem uns weniger bekannten Lichte eines genialen Choriondichters vorgejührt und dabei unser Herz und Gemüt namentlich durch die Einheit der allen 3 Kantaten zugrunde liegenden Gedanken des freudigen Gottoertrauens und des über ollem Wechsel menschlicher Geschicke und dem Simm der Will und ihrer Leidenschaften erhabenen Ruhe und des Friedens eines GotteskinLee, wie es uns am Refornicttionssest in Luther unwillkürlich entgegentritt, mächiig erfaßt, gehoben und gestärkt. Und das hauptsächlich, wenn die mehr bewegten Arien und Rezitativs mit dem fugenartigen Aufbau und der thematischen Durchführung jeweils in den imposanteinfachen und ruhigen, von Bach einzigartig und unvergleichlich schön gesetzten Choral übergingen. Hier erreichten die Schönheiten der Bach'schen Musik wie die Leistungen der sie darstellenden Kräfte jedesmal ihren Höhepunkt. Und von einem solchen schieden wir mit ausrichrigem Dank im Herzen und mit der Hoffnung, daß uns Herr Oberlehrer Schmid im Laufe des nächsten Frühjahrs wieder ein ebenso schönes und in sich abgerundetes Mustkbild vorsühren möge.
* Konzert. Zu Gunsten der Erneuerung des Küchleins in Berneck wird Herr Slodtpsarrer Werner in der Stuttgarter Liederhalle unter Mitwirkung von Frau Dagmar Benzinger-Wahl und Prof. Bsnzinger am Donnerstag 13. Noo. einen Liederabend geben.
r Zum Jubiläum des Roten Kreuzes. Die Feier des 50 jährigen Bestehens des Landesvereins vom Roten Kreuz und insbesondere, den Gesellschaft?abend im K. Kunstgebäude am Samstag den 8. November werden die Helferinnen vom Roten Kreuz umrahmen, denn zu dem Gesellschafisabcnd haben die Mitglieder des Württ. Landesvereins und eingeladen-' Gäste, sowie die Mitwirkenden und die Helferinnen gegen Vorzeigung der Ausweise freien Eintritt. Auch die Frauenausschüsse der verschiedenen Städte werden sich in großer Zahl zum Feste einfinden. Für die Festoorstellung im K. Hoftheoter am Freitag den 7. Noo. werden vom 5. November einschließlich ab von der Depositenkasse — Königstraße 40 (omm. E. Hummel u. Co.) der Stahl und Federer A.G. an Nichtmiiglieder Karten abgegeben. Für die Plötze sind die mittleren Preise des Hos- theaters angesetzi.
r Der Briefankuuftsstempel. Da sich im Geschäftsverkehr von Handel und Industrie der Wegfall des Briefankunftstempels störend geltend macht, haben der Präsident des deutschen Handclstages und andere Interessenten erneut die Wiedereinführung des Ankunftsstempels für Briefsendungen angeregt. Das RcichLpostomt hat aber den Bescheid gegeben, daß die Wiedereinführung nicht in Aussicht gestellt werden könne.
Die Zündholzsteuer sollte sobald als möglich abgeschafft werden. Statt dcsstn scheint aber eine Ergänzung der Steuer geplant. Wte die „Vossische Zeitung" erfährt, soll dem Reichstage eine Vorlage über die Besteuerung der Zündholzersatzmittel zugehen. Die Vorlage wird begründet mit dem Rückgang der Einnahmen aus der Zündwarensteuer, dcr hauptsächlich heroorgerufen sei durch den massenhaften Gebrauch der Taschenseuerzeuge.
Das Damenhaar und seine Verwendung. „Un- lautere Geschäftsmanöver im Friseurgewerde". Zu diesem in Nc. 254 des „Gesellschafters" erschienenen dem „Neuen Tagblait" entnommenen Artikel wird in diesem aus ersten Fachkreisen geschrieben: Die Verwendung von Chinesenhaaren zu Haarersatzteilen ist, mit Ausnahme von Theatcrperücken, nicht notwendig. Der Verkauf von Chi- ncsenhaaren, die zwar auch Menschenhaare sind, geht schon wegen der kurzen Haltbarkeit der Haaie von selbst zurück. Das reine, ungefärbte und ungemischte deusche Frauenhaar ist anerkannt das beste und wegen seiner Haltbai keil das billigste. Jedoch ist die Behauptung, daß bei großen Firmen giößienteils Chinesenhaare als echtes deutsches Frauenhaar verkauft wird, absolut nicht zutreffend. Dis großen Hoarspezialhäuser sind dank der entsprechenden Einrichtungen, in der angenehmen Lage, schon Zöpfe aus echtem deutschen Frauenhaar von 4.50 an her zustellen, wofür auch schriftliche Garantie erteilt wird. Der Preis richtet sich je nach Länge der Haare und geht dis zu 100 Unzutreffend tst die Behauptung, daß man im Handel mit Hoarersatz- leilen auf Chinesenhaore angewiesen ist, denn der technische Fortschritt ermöglicht cs, jeder Dome aus echtem deutschen Frauenhaar je noch dem Preis, den sie anlegcn will, alle erdenklichen Haarersatzteile zu einem, den individuellen Ansprüchen entsprechenden Preis eivzukousen.
Zum Empfang -es Frostspanners. Lbu Mit Anfang November pflegt der Frostspanner an den Obst- bäumen zu erscheinen. Es kommt häufig vor, daß die Raupe dieses Obstbaumschädlings im Mai des folgenden Jahres ganze Obstbaumbestände kahlfrißt. Deshalb lohnt es sich wohl, bereits rechtzeitig Bekämpfungsmaßregeln zu ergreifen. Man sieht nicht selten das Männchen des Frostspanners an milden Abenden des Herbstes oder Vorwinters umherslattern. Das nur mit Flügelstummeln ausgerüstete Weibchen dagegen krieckt an den Stämmen der Bäume empor, da es nicht zu fliegen vermag. In der Nähe der schlafenden Blattknospen legt es eine größere Anzahl Eier ab, aus denen im Frühjahr die unersättlichen Raupen her- oorkriechen. Nachdem letztere ihr Bernichiungswerk beendet haben, lassen sie sich an einem Faden zur Erde herab, verkriechen sich in der oberen Schicht des Bodens, um sich hier zu verpuppen. Aus der sich entwickelnden Puppe schlüpft dann im folgenden Herbste dcr Falter. Die wirksamste Bekämpfung des mit Recht sehr gefürchteten Frostspanners besteht nur darin, daß man dem Weibchen das Emporkriechen an den Obstbäumen unmöglich macht. Es
Wunsches ms Rordmerik«.
Bon Erich Marcks.*)
Die vereinigten Staaten und ihr Volk sind keineswegs geschichtstos. Sie sind nicht nur d e Kinder von Jahrtausenden der Menschheit, aus denen auch sie heworgegangen sind, aus deren Daietn auch ihr Dasein ruht; auch in ihrem Lands haben sie schon drei Jahrtausende oesehen.
Man tritt aus dem mod rnen New Park in da- Tal des majestätischen Hudson hinaus, und die Namen, die volkstümlich grotesken Scke?zgeschichten von den ersten alt- holländischen Besiedlein springen einem entgegen, aus den Ta PN, da New P r k noch Neuawstervom war. Weit stärker ist die Ber angerchett in Neuengland, in Massachusetts, in Boston. Da redet das arme nordische Land mit seinen Gronttkuppen und Birken und Kiefern, das steinige Land, das seine Bewohner zur harten persönlichen Betätigung zwang. Da reden die alten Fischer- und Kaufmanns- Üädlchen am Rande des atlantischen Meeres, mit ihren Holzhäusern, ihren engen gebogenen Gassen, klein und erinnerungsreich wie Salem etwa. Bor allem, die Altstadt von Boston ist ebenso, winklig, eng, historisch, europäisch. Und in diesen allen Gassen, die das Leben der Neuzeit
*) Obige Ausführungen des berühmten Bismarckdiographen entnehmen wir dessen soeben erschienenen überaus interessanten und aktuellen Schrift „Historische und akademische Eindrücke aus Nordamerika." (Verlaq von Quelle und Meyer in Leipzig. Mk. 1.20.) Geheimrat Marcks weist darin u. a. überzeugend nach, warum unsere Großstädte zu ihrer geistigen Bereicherung neuer Hochschulen bedürfen.
durchflutet und beinah sprengt, stehen die architektonischen Zeugen der 1770sr Revolution, die geistlich-weltlichen Ber- sammlungssäle, das alte Ständchaus des Staates Massachusetts: bescheidene, wenig ausgedehnte Räume des 18. Jahrhunderts, in nüchterner Holzarchitekiur, mit schmucklosen Säulen, Pfeilern und Emporen, alles einfach, klein und beinah ärmlich. Und doch haben in diesen Zimmern, diesen Hallen die Versammlungen getagt, die für die Losreißung von England entscheidend und klassisch wurden, Ober- und Unterhaus der Staatsoertreiung, und vor allem das erregte Bostoncr Volk. Dcm Dostouer, aber dem Amerikaner überhaupt redet hier jede Bank, jede Kanzel, jede Angabe von Personen und Ereignissen, die er von Kindheit her kennt und ehrt; diese Säle sind zu Museen geworden, in denen jeder Winkel mit den Erinnerungszeichen, mit den Reliquien dieser Heiligen dcr Nation aus den Geburtsstun- dcn der Nation angesüllt ist. Nahe dem Stadtkern liegt der alte Stadtpark der Bostoner und an ihm entlang, von ihm ausgehend, die alten Patrizierstraßen, still, entlegen, mit den schmalen roten Backsteinhäusern der bürgerlichen Aristokratie, die hier wohnte und hier wohnt, noch heute unverwandelt und vornehm.
Man kommt aus dem vuntcmischen Neuengland, aus dem Norden, in die Mittelstaaten. in die Quäkrrgründung Philadelphia: geradlinig und schachbrettförmig von Anfang h r; regelmäßig und übersehbar, so mächtig cs gewachsen ist, stellt sich das Stadtbild noch heule dem Besucher dar, der es vom' hohen Rathausturme herunter mustert. Da sind, nahebei, die alten rechtwinkligen Hauptstraßen, die alten stillen Plätze, und an dem einen von ihnen die Un- vbhängtgke'ttshalle, das pennsyloanische Siaatenhaus, in dem
der Kongreß der Freiheitskriege tagte, in dem am 4. Juli 1776 die Urkunde der Lossagung beschlossen ward, die große Prinzipienerklärung, der neuen, freien, demokratischen Weit. In einfachem Backsteinhause auch hier wieder Räume von bescheidenem Umfang und der gleiche Stil des klasst Mischen Zeitalleis, gar nicht prunkvoll, aber freilich reicher a s in Boston, feiner in den Formen, behaglicher im Schmuck. Hier wie dort die Bildnisse der Väter der amerikanischen Freiheit; aber im Norden sind sie ernster, strenger, nüchterner auch dürftiger und härter in der Malerei. In Philadelphia, auf reicherem Boden, auf dem Wege zum aristokratischen Süden hin erscheinen Menschen und Bilder um ein Stück vornehmer und gelöster; es mag vor allem ein zeitlicher Fortschritt darin liegen, Maler wie Trumbull und Stuart waren um 20 Jahre jünger als Copley, oder auch die Gemalten gingen aus den engeren Zeiten der Vorbereitung in die stattlicheren und bewegteren dcr Erfüllung hinüber, und vor allem, die Redner und dis Heerführer aus Birginien traten nun in den Vordergrund; ihre Erscheinung und ihre Kämpfe hielt man fest, und das englisch vornehme, ein wenig langweilige und so männlich- geschlossene Aristokratengesicht George Washingtons wurde zum höchsten Gegenstands dieser jüngeren Kunst. Ihm folgt man. aus den Mittelstaaten zum Süden hin: in die ge- schichtsreicke Hauptstadt des Bundeslebens, in die Bundesstadt Washington zuerst, deren historisches Bild freilich nickt höher als 1820 hinaufreicht; aber ein Seück weiter, und durch ein oirgimsches Landstädtchen hindurch, das seiner Welt einst auch zugehörig führt der Weg zu George Washingtons Wohnsitz hinauf. Da siebt, auf dem Rondhügel des Poiomactolcs über dem breiten stillen Flusse, von einem