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Fernsprecher Nr. 2S.
87. Jahrgang.
Fernsprecher Nr. 29.
33L
Areitag, den 3. HKLoöer
Amtliches.
A. Hbevckrnt Wagokd.
Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß die durch § 15 der Beschälordnung vom 13. Febr. 1906 (Reg.Bl. S. 13) vorgeschriebene Stutenmusterung in Bondorf am Gamstag den II. Oktober d. Js., vormittags
Uhr und in Herrenberg am gleichen Tag vorm. SVi Uhr stattsindet.
Den 2. Oktober 1913. Kommerell.
Verbesserung des Verkehrs mit Milch.
Nach den Jahresberichten der Nahrungsmitteluntersuchungsanstalten in Württemberg für das Jahr 1912 sind gerade auch in neuerer Zeit wieder viele Fälle von Milch- sälschung oorgekommen. Diese Fälschungen der Milch durch Wasserzusatz, durch welche die Gesundheit und das Vermögen der Verbraucher geschädigt werden, sind um so weniger entschuldbar, als die Milchpreise zur Zeit angemessene sind. Man sollte daher von den Viehhallern und den Milchbändlern erwarten dürfen, daß sie die Milch unverfälscht liefern. Ebenso verwerflich ist auch die vielfach vorkommende Verunreinigung der Milch durch Schmutz, Beimengung der Milch kranker Tiere unter die Mischmilch und Verderben- lassen der Milch durch unsachgemäße Behandlung. Die Biehhalter werden daher dringend ermahnt, auch in letzterer Hinsicht auf die Verbesserung der Milch zu achten, insbesondere sich größte Reinlichkeit zur Pflicht zu machen. Vor allem ist nötig peinlich genaue Reinigung der Hände, der Milchgesässe und der Euter vor dem Melken. Vor dem Versenden ist dis Milch nochmals in geeigneter Weise zu seihen. Die Dersandgefässe müssen regelmäßig mit heißem Wasser gespült werden und mit dichten Verschlüssen versehen sein.
Die Herren Ortsvorsteher wollen die in Betracht kommenden Kreise in geeigneter Weise belehren und ihrerseits dazu beitragen, daß dieses wichtige Nahrungsmittel von den Landwirten unverfälscht und rein zum Verkauf gebracht wird.
Die Herren Lehrer werden ersucht, bei Gelegenheit im Schulunterricht entsprechend auf die Schulkinder einzuwirken.
Nagold, den 1. Okt. 1913.
Kommerell.
Deutschland ms der mtermtimM MeitwschWinsereuz.
Die Tatsache, daß auf der in der vergangenen Woche geschlossenen Iniernationalen Arbeiterschutzkonferenz in Bern das oorgeschlagcne Verbot der gewerblichen Nachtarbeit jugendlicher Arbeiter bis zum 18. Lebensjahr nicht zum Beschluß erhoben ist, hat man in einem Teil der Presse auf die Haltung der dsmschen Vertreter zurückgeführt. Diese Ansicht entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Für
I. F. Flattich.
(Geboren am 3. Oktober 1713.)
ep. Es ist schade, daß Psar ec Flctlich, dessen 200- jähriger Geburtstag auf den 3. Oktober dieses Jahres fällt, heute für weite Kreise höchstens noch in einigen charakteristischen Anekdoten weiterledt, (von welchen wir einige wiedergegeben haben. D. R.) Dieses prächtige, schwäbische Original wies in mehr als einem Stück über seine Zeit hinaus und zeigt echt moderne Züge. Dazu gehört schon seine im Unterschied zur damaligen Sentimentalität oft bis zur knorrigen Härte gehende nüchterne Ausdrucksweise. Er verschmähte mit bewußter Absicht allen „Schmuck der Rede". Klar und mit unerbittlicher Herbheit, wie er seine Gedanken denkt, spricht er sie aus. Gemildert wird diese Nacktheit des Stils allerdings wesentlich durch die schwäbisch volkstümliche Anschaulichkeit seiner Redeweise, die etwas ungemein Heimeliges hat: „Gottlob der Christian dübelet wieder", sagte er einmal von einem anfänglich übertrieben schüchternen Zögling zu seiner Frau. „In des armen Mannes Beutel verdirbt viel Witz" — und andere treffliche Redensarten finden sich in Menge in seinen Schriften. Nicht weniger modern ist seine aufs Nützliche, Gemeinnützige gerichtete Sinnesweise. So war er einer der ersten aiund- sätzlichen Gegner der Prügelstrafe, ein eifriger Befürworter einer besseren Mädchenbildung.
Der geistlosen Art, lateinische Verse zu schmieden, wie sie in den wüctt. Klosterschulen damals Sitte war, konnte er als Klosterschüler in Denkendorf keinen Geschmack ab-
dke Ausdehnung des Verbots der Nachtarbeit bis zum 18. Jahr traten in erster Reihe England, Frankreich und die Schweiz ein, well in diesen Ländern eine solche Bestimmung bereits besteht. Sie ist dort jedoch durch eine so große Zahl von zugelassenen Ausnahmen eingeschränkt, die sich sogar auf das Alter unter 16 Jahren erstrecken, daß man von einem generellen Verbot der Nachtarbeit für Jugendliche in diesen Ländern laisächlich nicht sprechen kann. Die Vertreter aller Staaten, — und zwar auch die von England, Frankreich und der Schweiz — waren aber der Ansicht, daß eine Heraufsetzung des Schutzalters für Jugendliche bis zum 18. Jahr ohne Zulassung von Ausnahmen undurchführbar sei. Derartige Ausnahmen eignen sich aber, wie übereinstimmend anerkannt wurde, nicht zu einer internationalen Regelung, weil die Verhältnisse in den einzelnen Ländern zu verschieden liegen. Aus diesem Grunde war mit Deutschland die überwiegende Zahl der Staaten ler Ansicht, daß ein internationales Verbot der Nachtarbeit bis zum 18. Lebensjahr nicht durchführbar sei, daß es aber tatt dessen erstrebenswert wäre, bis zum 16. Lebensahrein möglichst uneingeschränktes Bei bot allgemein durchzuführen. Bei dieser Uebereinstimmung der Ansichten ist dann über den ursprünglichen Progrommpunkt, das Verbot bis zum 18. Lebensjahr, überhaupt nicht mehr abgestimmt worden.
Die Notlage des Handwerks.
Dem Reichstag liegt eine Eingabe der offiziellen Vertretung des deutschen Handwerks vor gegen die Ueber- spannung der Sozialpolitik des Reichs durch die die Kleingewerbetreibenden und Handwerker in ihrem Betriebe infolge der großen Zahl der im Laufe der Jahre ergangenen sozialen Schutzvorschristen eingeengt und wirtschaftlich stark geschädigt würden. Das ganze System unserer Sozialpolitik wird in der Eingabe einer scharfen Kritik unterworfen. Es heißt dort:
„Das System der Sozialpolitik des Deutschen Reiches im allgemeinen bedarf ohneZweisel einer gründlichen Rcoision. Die heutigen sozialpolitischen Tendenzen, die vielfach zu einer übertriebenen sozialen Gesetzgebung gesührt haben, bedeuten eine Belastung der selbständigen Untern hmer der die nicht Kapital- kräftigenKleinhandwerkerschlechihingervachsensind. Redenden direkten finanziellen Lasten des Arbetterversicherungsgesetzes kommt in dieser Hinsicht vor allem die immer mehr fortschreitende Einengung der Bewegungsfreiheit des gewerblichen Unternehmers in seinem Betriebe durch Arbciterschutz- maßregeln in Brteacht, wie sie bisher fast alljährlich zu Gewerbeordnungsnovellen und Spezialgesetzen geführt hat. Wir gestatten uns daher, die Aufmerksamkeit des Reichstags auf die durch eine solche übertriebene Sozialpolitik hervorgcrufenen Mtßstände mit der -Bitte hinzulenken, in geeigneter Weise dafür Sorge tragen zu wollen, daß dieser Art einer sozialen Gesetzgebung, wobei zugunsten eines Standes andere für den Bestand des Staates dringend notwendigen Schichten allmählich ruiniert
gewinnen. Er trieb dafür lieber Mathematik, die seinem nüchternen, praktischen Sinn näher lag, obgleich diese damals noch nicht auf dem Stundenplan stand. In diesem Zug zum Praktischen ist Flattich noch als Vikar bei einem Dreher in die Lehre gegangen. Auch ist es gewiß kein Zufall, daß der Schöpfer der Feinmechanik in Württ., der Onstmettinger Pfarrer PH. M. Hahn, der Schwiegersohn dieses Praktikers geworden ist.
Es mag manches Einzelne von dem, was Flattich gesagt hat, recht hausbacken klingen. Aber Flattich hat nicht gesprochen und geschrieben, um von den Leuten gesehen zu werden; sondern was er sagte und tat, kam aus einem inneren unmittelbaren Drang heraus. Und gerade das ist nicht feine schlechteste Seite: es macht vkelmeh: das aus, wodurch Flattich ganz abgesehen von einzelnen gescheiten Gedankcn es verdient, daß man ihn immer wieder und wieder heroorzieht. vr. L.
Ein »OOjähriges Heimatkirchlein.
op. Im Laus des kommenden Jahres soll die 300- jährige ev. Kirche des landschaftlich anmutigen Dörsleins Maienfels im Mainhardter Wald gründlich renoviert werden. Sie wurde seinerzeit an Stelle einer zerfallenen Kapelle erbaut und bietet zusammen mit der überragenden massigen Burgruine, der sich die Linie des steilen Kirchendochs trefflich anpaßt. dem schöngewölbien Narrenhämchen, dem Pranger, dem Burgpsörtchen reizvolle Bilder. Das Innere bedarf jedoch dringend der Erneuerung; zugleich soll dem Mangel eines überall vernehmlichen Uhrenschlags und Glockengeläutes durch Errichtung eines bescheidenen Turms abgeholfen
Beilage»: PlauderstRbchra.' Illustr. Souotoprblate und
Schwäb. Landwirt.
werden, beizeiten Einhalt getan wird, und daß die bestehenden sozialen Schutzvorschristen nicht mit bureaukratischer Engherzigkeit gehandhabt werden, sondern im Geiste dieser sozialen Schutzgesetzgebung, deren Absicht sicherlich nicht dahin gerichtet war, den Handwerkern die Ausübung ihres Handwerks zu erschweren."
TageH-Neuigkeitep
All- Eladt and Amt.
Nagold, 3. Oktober I9l3.
* Zum 18. Oktober. In einer am letzten Freitag in der „Traube" abqehaltenen Versammlung, an welcher die Vorstände der hiesigen Vereine teilnahmen, wurde zu der Frage der Jahrhundertfeier der Völkerschlacht bei Leipzig Stellung genommen. Ein vorläufiges Programm fand die Zustimmung der Versammlung.
In welcher Weise hier vor 50 Jahren der 18. Oktober gefeiert wurde, darüber entnehmen wir dem „Gesellschafter" vom 20. Oktober 1863 folgende Angaben:
* Nagold, 19. Okt. Der Gedächtnißtag der großen Besrei- ungsschlacht bei Leipzig, der >8. Oktober, wurde auch hier gestern durch Kirchgang, Gesang, Freudenfeurr und schließlich gesellige Unterhaltung würdig gefeiert. Der Himmel begünstigte die Feier mit dem freundlichsten Sonnengianze. Genau nach dem Programm versammelten sich um 1 Uhr die Feuerwehr, der Turnverein, der Liederkranz, sowie die Schüler der oberen Volks- und Lateinschulen vor dem Rathhause zum Zuge, welchem sich nicht nur die Ortsspitzen und Veteranen und ^Kapitulanten, sondern auch eine größere Zahl Bürger und die Mitglieder des Kirchen-Gesangvereins anichloßen. Zur erhebenden, feierlichen Stimmung ertönte aus dem Sammelplätze von dem Liederkranze das Lied „Großer Gott, wir loben dich", und unter Musik den Choral: „Nun danket alle Gottspielend, bewegte sich der Zug in Begleitung der beiden Octsgeist- lichcn durch die untere Stadt der Kirche zu. Die Feier in diesen Räumen eröffnet« der Kirchengesangoerein mit dem Liede „Lobe den Herren, den re." Nach dem von der Festgemeinde gesungenen „Nun lob mein Seel, den Herren- sprach Hr. Dekan Freihofer am Altäre ein kräftiges, der Feier vollkommen angepaßtes Gebet. Zwischen der hieraus folgenden Rede des Hrn. Diaconus Kemmler sang die Gemeinde das Danklied, das die Helden jener Tage nach dem errungenen Siege auf dem Schlachtfelde anstimmten: „Nun danket alle Gott". In fast anderthalbstündigem Bortrage skizztrte Redner jene sür uns so denkwürdigen Tage und beantwortete die Fragen: Warum wird der 18. Oktober gefeiert und was war die Schuld jener schweren Heimsuchung. Die Leiden und Drangsale jener Helden des Befreiungskampfes schildernd und der Feier des Tages noch eine »vettere Deutung, die einer Todtenfeter gebend, kommt Redner schließlich auf die Bestrebungen der gegenwärtigen Zeit, der Ein'gung Deutschlands, zu sprechen, worüber aber er uns ein trostloses Pro- gnostikon stellt. Die Schuld findet er in den gleichen Ursachen, die die Schmach Deutschlands jener Zeit herbeigesührt: in dem religiösen Unglauben und dein verweltlichten Sinn. Gebet und Gesang schloß diese erhebende Feier. Nun folgte der zweite Theil der Feier, näm- lich die außerkirchliche. Mit Gesang marschirte der nun von den oben genannten Vereinen und Veteranen gebildete Zug auf den sog. Stadtacker, wo die von Hrn. Collaborator Wieland gehaltene Festrede wohl den Glanzpunkt dieser Feier bildete. Dieselbe auch nur in weiten Umrissen zu geben, würde den Raum unseres Blattes zu sehr beengen, wcßhalb wir nur noch kurz erwähnen, daß die anderthalbstündige Erholung nach dem noch gehörten Gesang und gesehenen Schauturnen bis zum Abgang nach dem Bergfeuer aus der Vollmaringer Höhe für die Fcsttheilnehmer sehr vonnöthen ge-
werden, — eine künstlerisch schwierige, aber reizvolle Aufgabe, die nach den vorliegenden Entwürfen der Architekten Prof. Vöklen und Fetl-Sttittgart bei der Erneuerung unter feiner Anpassung an das geschlossene Landschastrbild gelöst ist.
Neben diesem Interesse d s Heimatschutzcs darf die Gemeinde bei dieser Renovation noch aus die besondere Teilnahme derer rechnen, die mit der letzten Landessynode der Ueberzeugung sind, daß Kirchbaulotterien, soweit irgend möglich, durch die Hilfe der Gesamtkirche ersetzt werden sollten. Die Gemeinde Maienfels ist die erste gewesen, die unter dein Druck jener Verhandlungen ihr Lotteriegesuch trotz den ungü istigen Erwecbsoerhältnissen und der schlechten Vermögenslage zurückgezogen hat. Hoffentlich rechtfertigt der E folg der Kirchenkollekte, die ihr zusammen mit den beid-n Schwarzwoldgemeinden Berneck und Bickelsbcrg für den kommenden Sonntag bewilligt ist, dieses Wagnis.
Musikkultur. Von den Scklagern aus Jean Gilberts Operetten „Polnische Wirtschaft", „Autoliebchen" und „Puppchen" sind über eine Million Stück im Musikalien- Handel abg,s.tzt worden. So werden von unfern musik- l eibenden Kreisen Unsummen sür Noten, die in einem Jahre Makulatur sind, vergeudet, wo es auf der andern Seite kaum mehr möglich ist, für wertvolle Gesangs- und Klavierkompositionen ernster Künstler auch nur die Druckkosten einzubringen.
Aus dem Oktoberhest des von Frh. v. Grotthuß herausgegcb. „Türmer".
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