X.I-.0. Berlin, 30. März. Der über alle Begrifferohe und gemeine Ton, in welchem demokratische Blätter, voran das Organ des Führers der deutsch- freisinnigen Partei, den Rücktritt des Fürsten Bismarck besprechen, muß bei allen anständigen Männern, welcher Parteirichtung sie auch angehören mögen, Unwillen und Entrüstung erregen. Da ist von irgend welcher Anerkennung der historischen Größe des scheidenden Staatsmannes, der denn doch einiges hinterher auch von der Fortschrittspartei Geschätzte geleistet hat, nicht die Rede; das einfachste Anstandsgebot, ein Ereignis, das der großen Mehrheit der deutschen Nation tief an's Herz greift, nicht mit giftigen widrigen Schmähungen zu begleiten, wird von dieser Presse mit Füßen getreten; der scheidende Reichskanzler selbst und seine Familie werden mit ebenso albernen als boshaften Bemerkungen angefallen. Die „Volksztq." schwingt sich gar zu dem Satze auf: „Die innere Politik des Fürsten Bismarck hätte ein mäßig begabter Schutzmann ebenso gut oder ebenso schlecht treiben können." Ein würdeloseres und roheres Treiben ist uns in der gesamten auswärtigen Presse nicht vorgekommen, und in Deutschland behandeln selbst die sozialdemokratischen Blätter die Vorgänge mit ungleich mehr Anstand und Würde als hervorragende und als leitend anerkannte Organe der deutschfreisinnigen und demokratischen Partei.
Berlin, 24. März. Der Prinz von Wales hat gestern Abend mit seinem Sohne bei Graf Bismarck diniert.
Ausland.
Paris, 25. März. Die boulangistischen Blätter publicieren eine Depesche Boulanger's an oen Abgeordneten Laisant, in welcher der erstere erklärt, er verlange wie seiner Zeit von Tirard so jetzt von Freycinet vor das Apellgericht oder einen Kriegsrat gestellt zu werden. Er werde dann unverzüglich nach Frankreich zurückkehren.
Rom, 20. März. In der Nähe von Catania wurden Baron Zurlo und sein Sohn, welche sich auf dem Rückwege nach der Stadt befanden, am Hellen Tage von sechs Briganten überfallen. Indem sie dem Vater bedeuteten, er möge aus der Stadt das Lösegeld von 100,000 Frs. holen, führten sie den Sohn mit sich in die Berge. Am nächsten Tage gelang es dem Baron, seinen Sohn mit einer Summe von 46,000 Frs. von den Briganten loszukaufen.
Tages Neuigkeiten.
Calw, 26. März. Der heutige Markt war mit 549 Stücken Rindvieh und 13 Pferden befahren. Der Handel ging durchgängig flau und wurde erst zum Schluffe etwas belebt. Während die Preise in fetter Ware, in Zugochsen und Milchvieh etwas zurückgingen, behauptete Schmalvieh gleichen Stand. Auf dem Schweinemarkt waren Läufer gesucht und gut bezahlt. Zufuhr von Ferkeln 20 Körbe, bezahlter Preis 20—30 ^ das Paar.
Stuttgart, 25. März. Gestern wurden die 2 weiteren Thäter, welche am 11. d. M. in Feuerbach den Maurer Gottlieb Frasch von Wend
lingen durch Messerstiche verletzt haben, so daß der Tod nachgefolgt ist, durch einen Fahnder hier festgenommen. Einer derselben ergriff die Flucht, wurde aber eingeholt, wobei ein großer Auflauf von Menschen entstand.
— In Oberschwandorf wurde in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag das Wollspinnereigebäude von Joh. Müller vollständig eingeäschert, wobei die Warenvorräte und Maschinen, sowie der grüße Teil des Mobiliars ein Raub der Flammen wurden.
Oberheimbach, 22. März. Aus der Stallung des Oekonomen Glück hier wurde heute ein fünfzig Tage altes Hummelkalb um den Preis von 109,92 ^ nach Bizfeld verkauft, welches das sehr bedeutende Gewicht von 229 Pfund hatte, ohne eigentlich fett zu sein. Handelsleute wollen ein ähnliches Kalb in diesem Alter noch kaum angetroffen haben. Für den guten Stand der Viehzucht hiesigen Orts ist das ein glänzendes Zeugnis.
Rottenburg, 24. März. Der hiesige Fischereiverein setzte 5000 Aale in den Neckar ein, welche er durch Vermittlung der K. Zentralstelle von der Fischzuchtanstalt St. Ludwig im Elsaß bezogen hatte. Genannter Verein beabsichtigt in nächster Zeit auch noch Forellen und Karpfen einzusetzen.
Heilbronn, 22. März. Aus den letzten Tagen sind wieder einige freche Einbruchdiebstähle zu verzeichnen, wobei es namentlich auf Magdkammern abgesehen war und die Zeit zwischen 12 und 2 Uhr gewählt wurde. In zwei Häusern, in der Titot- und Bahnhofstraße, gelang es dem Dieb, den Mädchen aus ihren Kammern Geld zu stehlen, während er in einem dritten Hause mit leeren Händen abziehen mußte.
Tettnang, 21. März. Im nahen Hemig- kofen wurde ein 3jähriges Knäblein von einer umfallenden schweren Käskiste tötlich verletzt.
Sa lach, 20. März. Neben den großen Legaten, welche der in Frankfurt ch Kommerzienrat Herr Karl v. Hallberger und dessen Erben aussetzten, haben auch die Arbeiter der hiesigen Papierfabrik „Deutsche Verlagsanstalt früher Eduard Hallberger", ebenso die Arbeiter in den Filialgeschäften Süssen und Plochingen, zusammen die schöne Summe von ca. 7000 als Vermächtnis des Verstorbenen erhalten.
Derdingen, 23. März. Gestern vormittag ereignete sich hier ein schweres Unglück. Steinbrecher Helmle von hier wollte in seinem erst kürzlich verkauften Steinbruch am sog. Horn einige steine für seinen Garten brechen. Obgleich von einem Kollegen auf die Gefahr aufmerksam gemacht, arbeitete Helmle, der es für gefahrlos hielt, weiter. Aber schon nach wenigen Minuten stürzte ein Teil herab und zerschmetterte demselben den Kopf, so daß der Tod sofort eintrat.
Aus der Rheinpfalz, 21. März. Dieser Tage wurde im Rheine bei Ludwigshafen ein Mammutschenkelknochen und zwei Zähne dieses Tieres, sowie ein Mooshirschgebiß gefunden. Der Schenkelknochen wiegt 28 Kilogramm und mißt 1,5 Meter.
Fern er wurde im Rhein bei Maxau ein Eichenstamm 12 Meter lang, Umfang 5,40 Meter, Durchmesser 1,70 Meter gefunden, welcher unzweifelhaft dem vorzeitigen Urwalds entstammt. Das Gewicht des gewaltigen Stammes wurde auf etwa 600 Ztr. und dessen Holzergebnis auf rund 23 Kubikmeter berechnet.
— In Kassel stand dieser Tage ein bartloses Bürschchen vor dem Gerichtshof. Der Angeklagte, ein einstmaliger Forstpraktikant, hatte seine älteren Kollegen schwer betrogen. Derselbe kaufte Hunde aller Rassen auf und verkaufte sie als „Förster und Jäger" unter den verlockendsten Anpreisungen, welche selbst den hohen Gerichtshof zur Heiterkeit stimmten, als vorzügliche Tiere mit allen guten Eigenschaften, raffeecht und mit bester Dressur. Dieselben gingen nach Rußland, Oesterreich, Italien u. s. w. zu Preisen von 100—200 pr. Exemplar ab, obwohl die Hunde oft ihr eigenes Fell nicht wert waren. Fricker, so heißt der Schwindler, erhielt 3'/ü Jahre Gefängnis.
Hamburg, 22. März. Wegen Verdachts des Betruges sollte auf Anordnung der Staats an-, waltschaft ein Cigarrensortierer in seinem Logis aus dein Valentinskamp durch einen Kriminalbeamten verhaftet werden. Der Beschuldigte war der erklärte Bräutigam der Tochter seiner Logiswirtin. Als die. zärtliche Braut erfuhr, daß ihr Bräutigam verhaftet werden sollte, widersetzte sie sich energisch der Ausführung der Verhaftung und griff den Beamten thät- sächlich an, indem sie mit einem eisernen Ofenpoker nach ihm schlug. Nur unter Beihilfe zweier herbeigerufener Konstabler gelang es sich der schlagfertigen Braut zu erwehren und den Bräutigam in.. Haft abzuführen. Die erstere wird sich demnächst vor Gericht wegen Beamtenbeleidigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu verantworten haben.
Wan nehme nichts anderes. Hirrlingen- Seit mehreren Jahren mit Kopf- und Magenleiden behaftet, haben die vielen und auch oft dagegen gebrauchten Mittel nicht geholfen; da wurden mir die Schweizerpillen von Apotheker Richard Brandt ungeraten, welche ich auch kommen ließ und gebrauche. Ich bin Gott sei Dank von meinen Leiden befreit, kann daher Allen, welche an diesem Uebel und ähnlichen leiden, die Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillen (L Schachtel 1 Mk. in den Apotheken) auf's gewissenhafteste bestens empfehlen. Franz Strobel. (Unterschrift beglaubigt.) — Man sei stets vorsichtig, auch die ächte« Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillen mit dem weißen Kreuz in rotem Felde und keine Nachahmung zu empfangen. Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandtteile sind: Silge, Moschusgarbe, Aloe, Absynth,. Bitterklee, Gentian."
Calw.
Kandwirthschaftl. Denrksverein.
Höstbäume betreffend.
Die bei dem Unterzeichneten bestellten Dbst- bäume sind unfehlbar am Samstag Vormittag von 8 Uhr an abzuholen.
Calw, 26. März 1890.
E. Horlacher,
Secr.
resigniert. Aber dann, — hatte der Tod des Vaters sie schon schwer gebeugt, ein neuer Schlag sollte sie zu Boden strecken, — der Verlust ihres Vermögens. Wieder galt ihr erster Gedanke dem Manne, dem ihr Herz gehörte; würde er die arme Braut eben so heiß lieben, wie das bisher vom verklärenden Lichte des Reichtums umgebene Mädchen? Schon in der nächsten Minute, daß ihr dieser Zweifel kam, schämte sie sich ihres Mißtrauens. Nein, sie war von seiner Liebe fest überzeugt und kein quälender Gedanke sollte sie dieser Hoffnung berauben. Täglich, stündlich wartete sie auf sein Erscheinen.
Aber er kam nicht; statt seiner erhielt sie nur einen Brief. Warum zitterte sie so heftig, als sie da» Kouvert öffnet«? Wirbelnd tanzten die Buchstaben vor ihr auf und ab. Leichenbläffe lag auf den schönen Zügen und ihre Augen blickten starr und immer starrer auf die klaren, ihr wohlbekannten Schristzüge nieder, welche ihr tief in die Seele schnitten, während sie las:
„Geliebte Margarethe!
Mit unsagbarem Schmerz schreibe ich diese Zeilen. Ich gebe Sie frei, gebe Ihnen Ihr Wort zurück. Unerbittrrlich hat das Schicksal sich zwischen uns gestellt, uns getrennt, ob auch mein Herz darüber brechen will. Die Liebe, welche für Sie in mir lebt, werde ich ewig für Sie hegen, aber nie kann ich Sie die Meine nennen. Gänzlich ohne Vermögen, kann ich bei meiner langsamen Karriere noch jahrelang an keine Verbindung denken mit einem Mädchen, welches arm, gleich mir, ist. So ist es meine innige Liebe zu Ihnen, die mir diese Trennung gebietet. Sie sind schön, das schönste Mädchen in der ganzen Stadt, von zahlreichen Bewerbern umringt, von denen ein Jeder sich glücklich schätzen wird, Sie zu gewinnen. Nicht kann ich daher fordern, daß Sie mir Ihr Dasein opfem sollen, nicht Sie an mein unsicheres Lcs ketten. Ein großer Trost ist e» für mich, daß Sie nicht so schwer leiden werden, wie ich. Ich habe schwer gekämpft, aber mit tiefem Weh erkannt, daß Ihre Liebe nicht mir, sondern dem Baron Bälden, gehört, und nur Ihr Edelmut das einmal mir gegebene Wort nicht brechen wollte. Bälden, war mir stet» al» Nebenbuhler verhaßt; ich ahnte, daß Sie ihn liebten, aber ich wollt« r» nicht wissen. Jetzt hat da» grausame Schicksal ihm dm Sieg in di» Hand gedrückt. Bei
seinem Reichtum wird er ihre Armut nicht empfinden. Mögen Sie mit ihm glücklich werden!
Ihr Sie stets liebender Ernst Hagen.*
Das Blatt entsank ihren bebenden Fingern und in stummer Qual bedeckte sie ihr Antlitz mit beiden Händen.
Diesen Mann hatte sie zu lieben vermeint!
Ein bitterer Zug legte sich um ihren Mund. Ihr Stolz war tief gekränkt; nicht ihrer Person hatte seine Liebe gegolten; nur nach ihrem Vermögen hatte ihn verlangt, und nun dieser glänzende Schimmer von ihr gewichen war, stieß er sie mit rauher Hand von sich. Und sie hatte so felsenfest auf seine Treue gebaut. O, die bittere Erkenntnis dieser Stunde! Jetzt war ihr Alles gleich, was die Zukunft ihr noch bringen würde. Tiefes, lichtloses Dunkel lag auf dem Wege vor ihr und kein Stern erhellte die trostleere Nacht.
Kein Gedanke daran kam ihr in den Sinn, die jetzt freie Hand dem Baron zu reichen und so des Vaters sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, der in dem Glauben gestorben war, sie in Baldern's Schutz geborgen zu wissen. Konnte sie, die in den Staub Gezogene, je die Augen wieder offen zu ihm emporheben? Mußte er sie nicht verachten, die seine echte, innige Liebe eines Elenden wegen verschmäht hatte? Nein, nein, nimmermehr konnte sie das ertragen. Mochte alle Welt sie stolz nennen» die Achtung vor sich selbst wollte sie sich bewahren. Und handelte sie ehrlich, wenn sie dem Manne ein gebrochenes Herz gab, der mit Recht eine volle, innige Liebe verlangen konnte?
Mühsam richtete sie sich auf; sie hörte die Stimme der Mutter dicht neben sich. Aber im gleichen Moment, da sie auf ihren Füßen stand, würde sie wieder umgesunken sein, wenn der Arm der Mutter sie nicht aufrecht gehalten hätte- Stumm reichte sie derselben aus deren bestürzte Frage die verhängnisvollen Zeilen und barg das weinende Antlitz an der Brust der Treuen. Und während die Re- gierungsrätin den Brief las, prägte sich das höchste Erstaunen in ihren Zügen ou»^. zugleich aber ward ihr Blick immer finsterer.
(Fortsetzung folgt.)