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Betrag des unter Ziffer 1. festgesetzten Lohns zu entrichten, wenn das zum Ausbrennen nötige Material nicht von dem Hausbewohner, sondern von dem hiezu verpflichteten Kaminfeger gestellt wird. Liefert der Hausbewohner selbst das Material, so gebührt dem Kammfeger nur der 2'/-fache Betrag des ordentlichen Lohns.
Der erforderliche Maurer ist von dem Haus- eigenthümer zu bestellen und besonders zu belohnen.
III. Die Festsetzung des Kehrlohns für die Kamine und Dörrvorrichtungen, für welche nach dem oben unter Ziffer I. Gesagten ein polizeilicher Zwang zur Reinigung nicht besteht, bleibt dem gegenseitigen Übereinkommen der Beteiligten überlaffen. Können sich hierüber die Kaminfeger in den Fällen, wo sie von der Polizeibehörde mit der Reinigung beauftragt werden, mit den betreffenden Gebäudebesitzern nicht einigen, so wird die betreffende Polizeibehörde die fragliche Gebühr für jeden einzelnen Fall nach vorgänmger Verhandlung und Untersuchung bestimmen.
Die Ortsvorsteher werden angewiesen, diese Bestimmungen geeigneten Orts noch besonders zur Kenntnis der Ortsemwohner zu bringen.
Calw, den 24. März 1890.
K. Oberamt.
Supper.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. März. Ein Extrablatt des „Reichsanzeigers" von heute Abend enthält folgende Schreiben des Kaisers an den Fürsten Bismarck: Mein lieber Fürst! Mit tiefer Bewegung habe Ich aus Ihrem Gesuche vom 18. d. M. ersehen, daß Sie entschlossen sind, von den Aemtern zurückzutreten, welche Sie seit langen Jahren mit unvergleichlichem Erfolge geführt haben. Ich hatte gehofft, dem Gedanken, Mich von Ihnen zu trennen, bei unseren Lebzeiten nicht näher treten zu muffen. Wenn Ich gleichwohl im vollen Bewußtsein der folgenschweren Tragweite Ihres Rücktritts jetzt genötigt bin. Mich mit diesem Gedanken vertraut zu machen, so thue Ich dies zwar betrübten Herzens, aber in der festen Zuversicht, daß die Gewährung Ihres Gesuches dazu beitragen werde, Ihr für das Vaterland unersetzliches Leben und Ihre Kräfte so lange wie möglich zu schonen und zu erhalten. Die von Ihnen für Ihren Entschluß angeführten Gründe überzeugen Mich, daß weitere Versuche, Sie zur Zurücknahme Ihres Antrags zu bestimmen, keine Aussicht auf Erfolg haben; Ich entspreche daher Ihrem Wunsche, indem Ich Ihnen hierneben den erbetenen Abschied aus Ihren Aemtern als Reichskanzler, Präsident Meines Staats-Ministeriums und Minister der auswärtigen Angelegenheiten in Gnaden und in der Zuversicht erteile, daß Ihr Rat und Ihre Thatkraft, Ihre Treue und Hingebung auch in Zukunft Mir und dem Vaterlande nicht fehlen werden. Ich habe es als eine der gnädigsten Fügungen in Meinem Leben betrachtet, daß Ich Sie bei Meinem Regierungsantritt als Meinen ersten Berater zur Seite hatte. Was Sie für Preußen und Deutschland gewirkt und erreicht haben, was Sie Meinem Hause, Meinen Vorfahren und Mir gewesen sind, wird Mir und dem deutschen Volke in dankbarer, unvergänglicher Erinnerung bleiben, aber auch im Auslande wird Ihrer weisen und thatkräftigen Friedenspolitik, die Ich auch künftig aus voller Ueber- zeuaung zur Richtschnur Meines Handelns zu machen entschlossen bin, allezeit mit ruhmvoller Anerkennung
gedacht werden. Ihre Verdienste vollwertig zu belohnen, steht nicht in meiner Macht, Ich muß mir daran genügen lassen. Sie Meines und des Vaterlandes unauslöschlichen Dankes zu versichern. Als ein Zeichen dieses Dankes verleihe ich Ihnen die Würde eines Herzogs von Lauenburg. Auch werde Ich Ihnen Mein lebensgroßes Bildnis zugehen lasten. Gott segne Sie, Mein lieber Fürst und schenke Ihnen noch viele Jahre eines ungetrübten und durch das Bewußtsein treu erfüllter Pflicht verklärten Alters. In diesen Gesinnungen bleibe Ich Ihr Ihnen auch in Zukunft treu verbundener dankbarer Kaffer und König Wilhelm I. U. Berlin, den 20. März 1890. Anden Fürsten von Bismarck.
Ich kann Sie nicht aus der Stellung scheiden sehen, in der Sie lange Jahre hindurch für Mein Haus, wie für die Größe und Wohlfahrt des Vaterlandes gewirkt, ohne auch als Kriegsherr in inniger Dankbarkeit der unauslöschlichen Verdienste zu gedenken, die Sie sich um Meine Armee erworben haben. Mit weitblickender Umsicht und eiserner Festigkeit haben Sie Meinem in Gott ruhenden Herrn Großvater zur Seite gestanden, als es galt, in schweren Zeiten die für nötig erkannte Reorganisation unserer Streitkräfte zur Durchführung zu bringen. Sie haben die Wege bahnen helfen, auf welchen die Armee mit Gottes Hilfe von Sieg zu Sieg geführt werden konnte. Heldenmütigen Sinnes haben Sie in den großen Kriegen Ihre Schuldigkeit als Soldat gethan, und seitdem, bis auf diesen Tag, sind Sie mit nie rastender Sorgfalt und Aufopferung bereit gewesen, einzutreten, um unserem Volke die von den Vätern ererbte Wehrhaftigkeit zu bewahren und damit eine Gewähr für die Erhaltung der Wohlthaten des Friedens zu schaffen. Ich weiß Mich eins mit Meiner Armee, wenn Ich den Wunsch hege, dem Mann, der so Großes geleistet, auch fernerhin in der höchsten Rangstellung rhr erhalten zu sehen. Ich ernenne ^ie daher zum General-Obersten der Kavallerie mit dem Range eines General-Feldmarschalls und hoffe zu Gott, daß Sie Mir noch viele Jahre in dieser Ehrenstellung erhalten bleiben mögen. Berlin, den 20. März 1890. Wilhelm L. An den General der Kavallerie, Fürsten v. Bismarck, L 1a suits des Kürassier-Regiments v. Seydlitz (Magdeburgisches Nr. 7) und des 2. Garde-Landwehr-Regiments.
Ferner enthält das Extrablatt die Ernennungen Caprivi's und Herbert Bismarck's: „Deutsches Reich. Se. Majestät der Kaiser haben allergnäoigst geruht, den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck auf seinen Antrag von dem Amte als Reichskanzler zu entbinden und den commandierenden General des 10. Armeecorps, General der Infanterie v. Caprivi zum Reichskanzler zu ernennen. Königreich Preußen. Se. Majestät der König haben allergnädigst geruht, den Präsidenten des Staatsministeriums und Minister der auswärtigen Angelegenheiten Fürsten v. Bismarck auf seinen Antrag von den Aemtern als Präsident des Staatsministeriums und Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu entbinden und den commandierenden General des 10. Armeecorps, General der Infanterie v. Caprivi zum Präsidenten des Staatsministeriums zu ernennen, sowie den Staatsminister, Staatssekretär des Auswärtigen Amts Grafen v. Bismarck-Schönhausen mit der Leitung des Minist eriums der auswärtigen Angelegenheiten einstweilen zu beauftragen.
Köln, 20. März. Die „Kölnische Ztg."
meldet: Die UrkundeüberdieEntlassung des Fürsten Bismarck ist heute Nachmittag, 3 Uhr durch den Chef des kaiserlichen CivilkabinetA v. Lucanus und den Chef des Militärkabinets v- Hahnke im Aufträge des Kaisers dem Fürsten, überbracht worden.
Berlrn, 21. März. Der Prinz von Wales: traf mit seinem Sohne Georg um 10 Uhr vormittags, im Lehrter Bahnhof ein, wo er von dem Kaiser und der Kaiserin Friedrich mit den Prinzessinnen Töchtern im Bahnhof erwartet wurde. Der Prinz trug preußische Generalsuniform mit dem Band des Schwarzen Adlerordens. Die Begrüßung des Kaisers und des Prinzen war sehr herzlich. Bei dem Eintreffen der hohen Gäste spielte die Kapelle des im Bahnhof aufgestellten 2. Garderegiments die englische Nationalhymne. Bei der Fahrt von dem Bahnhof nach dem Schloß ritt eine halbe Schwadron Kürassiere: voran, dann folgte der Wagen mrt dem Kaiser und dem Prinzen von Wales, dann der Prinz Leopold mit dem Prinzen Georg, dann eine zweite halbe Schwadron Kürassiere, dann das englische Gefolgt dem sich auch Graf Bismarck angeschlossen hatte. Eine zahlreiche Menschenmenge begrüßte den Kaiser und den Prinzen durch lebhafte Zurufe.
Berlin, 21. Marz. Beider Galatafel führte der Prinz von Wales die Kaiserin, der Kaiser die Prinzessin Friedrich Karl, der Großherzog von, Baden die Herzogin Karoline Mathilde zu Schleswig- Holstein, der Großherzog von Hessen die Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg, Prinz Georg von. Großbritanien die Herzogin Wilhelmine von Mecklenburg, Prinz Leopold die Erbprinzessin von Sachsen- Meiningen, Prinz Alexander dei Prinzessin Viktoria und der Landgraf von Hessen die Prinzessin Mar-, garethe. Gegenüber dem Kaiser saß Lord London- derry, gegenüber dem Prinzen von Wales, welcher zwischen den kaiserlichen Maststäten saß, der Reichskanzler v. Caprivi, gegenüber der Kaiserin der Botschafter Malet, rechts vom Kaiser die Prinzessin Friedrich Karl, links von der Kaiserin die Großherzogin von Baden; hieran reihten sich die übrigen Höchsten Herrschaften, die englische Botschaft, sämtliche Hofstaaten, die Minister und die Generalität, an ihrer Spitze Graf Moltke und Gras Waldersee; elfterer saß gegenüber dem Großherzog von Baden. Der Kaiser trug englische Admiralsuniform und das Band des Hosenbandordens, der Prinz von Wales die Uniform der Blücher-Husaren und das Band des Schwarzen Adlerordens. Der Kaiser brachte folgenden Toast aus: Er danke herzlichst für den im Vorjahr ihm in England bereiteten Empfang. Der Kaiser,, die Armee und die Marine empfingen mit Stolz und Freude, daß ihm die Königin die Würde eines Admirals der englischen Marine, welche England groß gemacht, verliehen habe. Er sei erfreut einen Vertreter der englischen Armee vor sich zu sehen in der Uniform des Regiments Blücher, welcher mit Wellington deutsches und englisches Blut im Kampfe gemischt habe. Er trinke auf das fernere Fortbestehen der- guten Beziehungen zu der Regierung der Königin und beider Länder und hoffe, daß die englische Flotte mit, der deutschen Armee und Flotte ferner zusammenstehen werde für den Frieden Europa's. Der Prinz von Wales erwiderte in deutscher Sprache: Er danke für die herzlichen Worte; über den schönen Empfang habe er seiner Muttter telegraphisch berichtet und wie schön ihr Regiment ausgesehen habe. Er habe es immer für ein Glück erachtet, hierher zu
wurden, aber tagelang hielt der Tod seine Hand nach dem jungen Leben ausgestreckt, stets bereit, sein willkommenes Opfer zu ergreifen.
Drei Wochen vergingen so; wie unendlich lang schienen sie dem Herzen der Mutter, welche trüben Auges neben dem Krankenbett ihres Kindes saß. Bleiern, träge schlichen ihr die Stunden dahin und doch schrak sie jedes Mal vor dem Dunkel der Nacht zurück.
„Was wird sie bringen?" war ihre Frage, wenn sich die Finsternis auf die Erde herabsenkte. Aengstlicher lauschte sie dann auf die unregelmäßigen Atemzüge, auf die unheimlichen, mit heiserer Fieberstimme gemurmelten Worte, die durch die Stille des Zimmers tönten.
So saß sie eben wieder an ihrem gewohnten Platze, als draußen die Dämmerung ihren Schleier ausbreitete.
„Papa," murmelle da die Kranke plötzlich, „Papa, wo bist Du? O, gehe doch nicht fort, ich will mit Dir, — ich lasse Dich nicht, — ich bin hier ja so ganz allein. Mich hat Keiner lieb, — Keiner, — nur Du!"
O, die Folterqual, welche bei diesen Worten da- arme Mutterherz zerriß! Sie vergaß, daß es wllde Fieberphantasien seien, die sie vernahm.
„Helene, mein Kind," flüsterte sie mit unendlicher Liebe in der Stimme, „ist Dir denn Deine Müller Nicht»?"
Sie schlug die Hände vor da» Antlitz und heiße Thränen perlten durch die schlanken Finger. Vergangene Jahre zogen an ihrem Geiste vorüber, Jahre, die es nicht vermocht hatten, ihr di« Liebe diese» Kindes zu sichern. Wie vielm Schmerz hotte sie schon um Helene'» starren Trotz leiden müssen! Sie hatte sich abgewandt von dem Mutterherzen, da» sie doch mit Innigkeit umfaßte, hatte alle ihre leidenschaftliche Liebe dem Vater zugewandt, um, als dieser, der ihr einzigster Halt, ihr genommen, völlig unter dem harten Schlage zusammenzubrechen.
Ein Klopfen an die Thür unterbrach ihren Gedankengang; sich fassend, erhob sie sich. Ein Diener brachte die Meldung, der Herr Geheimrat lasse die gnädige Frau um eine Unterredung büten. Die Regierungsrätin forderte die Wärterin, herbei und erst als sie derselben einige Anweisungen erteilt, ging sie in den Em- psangssalon, wo der Geheimrat ihrer harrte.
Sie ahnte nicht, daß derselbe mit aller Ueberwindung nach Fassung ringen mußte, als er ihrer ansichtig ward, während sie ihm gegenübertrat.
„Gnädige Frau," hob er nach formeller Begrüßung beklommen an, „ein Sprichwort sagt, ein Unglück kommt selten allein. Auch ich bin heute gezwungen,, als Unglücksbote Ihnen entgegen zu treten!"
Ihre Hand griff nach der Lehne eines Sessels, aber trotzdem sie sich schwer stützte, erzitterte sie dennoch so heftig, daß sie sich kaum aufrecht hielt. Welches Unglück konnte ihr noch zu Teil werden? Was für Ungemach konnte noch über sie Hereinbrechen? Mit Mühe nur bezwang sie sich.
„Sprechen Sie!' rang es sich bleiern von ihren Lippen. „Foltern Sie mich nicht mit Andeutungen, sagen Sie mir ohne Rückhall Alle», — die Wahrheit!"
Als langjähriger Hausfreund hatte der Geheimrat auf die Bitte der Re- gierungSrätin die Vormundschaft ihrer beiden Töchter übernommen und mit größter Gewissenhastigkeck unterzog er sich dieser neuen Aufgabe. Da aber seine ärztliche Thätigkeit feine meiste Zeit in Anspruch nahm, so stand Erwin von Baldern ihm bereitwillig zur Seite, dem der harte Schlag der tiefgetroffenen Familie unendlich nahe ging. Das Krankenzimmer hatte der Geheimrat, zur höchsten Betrübnis der Regierungsrätin, schon lange nicht mehr betreten können. Die Kranke schien gegen ihn eine unerklärliche Abneigung zu hegen. Sobald er das Zimmer bettat, verfiel sie in die größte Auflegung, weshalb er die Behandlung der Kranken einem B»- rufSgenossen überlassen mußte. (Fortsetzung folgt.)