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Fernsprecher Nr. 28.

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87. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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Beilage«:

Plaudersttbchen,

* Illustt. SonÄagoblaU und

SchwSd. Landwirt.

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Dienstag, dm 1. Autt

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deutscher Reichstag.

Bcrlm, 28. Irmi. Der Antrag auf Vertagung des Reichstages bis zum 20. November wird ohne Erörterung angenommen. In dritter Lesung wird erledigt das Abkom­men zur Vereinheitlichung des Wechselrechts, die Aenderung des Schutzgebietsgesetzes, wobei die Inkraftsetzung des Ge­setzes «m 1. August 1913 beschlossen wird, ferner das Gesetz betr. Aenderung zweier Reichstagswahlkreise. Es folgt die dritte Lesung der Heeresvor! age, m der der Abg. Scheid eure nn in längerer Rede, die zum Teil stürmische Unterbrechung heworries, die Regierung heftig angrifs. Der Redner legte namentlich den Standpunkt seiner Partei gegenüber dem Militarismus ausführlich dar und betonte, daß sie nicht das Militär, sondern lediglich das System bekämpfe. Scheidemann, der sich dann in Einzelheiten der Vorlage ergeht, wird wegen seiner scharfen Angriffe, die oft zu stürmischen Szenen führen, wiederholt vom Präsidenten zur Ordnung gerufen. Abg. S ch u l z - Bromberg (Rp.) nimmt das Unteroffizier- und Offizierko pz in Schutz und bestreitet, daß der Zusammenhalt zwischen Offizieren und Mannschaften sich gelockert habe. Reichskanzler v. Beth- mann-Hoklweg erwidert aus die Ausführungen des Abg. Schetdemann: Es sei ihm der Vorwurf gemacht wor­den, er Habs seine Pflicht nicht erfüllt und nicht versucht, die Notwendigkeit der Rüstungen darzulegen. Für den Vorwurf, Deutschland sei der Provokareur sür den Rüst- ungswetlbewerb. finde er überhaupt keinen Ausdruck. Der Reichskanzler weist die Vorwürfe mit Entschiedenheit zurück und betont, Deutschland wolle mit ollen Mächten in Frieden und Freundschaft leben und wolle keine Angriffspolitik.! Der Soßialdemokmtie sei es gar nicht darum zu tun, zu' bessern, sondern zu zerstören. (Diese Wmte riesen aus der Linken stürmische Zwischenrufe und großen 'Lärm hervor. Es wird gerufen: Flegelei!) Die Rechte spendet den Aus­führungen des Kanzlers stürmischen Beifall. Der Kanzler fährt fort: Der Sozialdemokratie wild es nie gelingen, das Vertrauen des Volkes zur Armee zu erschüttern. Die große Mehrheit des Hausss werde der Vorlage zustimmen und das Vaterland wird ihr dafür dankbar fein. Der Präsident fragt, wer das WortFlegelei" gerufen habe; von der Linken kommen darauf heftige Zwüchsnrufe.

Nach der Rede des Reichskanzlers besteigt Abgeordn. Scheidemann unter fortwährendem Lärm die Tribüne und polemisiert wiederum heftig gegen den Reichskanzler mit den Worten: Wer gibt dem Reichskonzler das Recht, unserer Partei vurzuwerfen, daß sie nicht bessern will? Es ist tief bedauerlich, daß es der Präsident nicht für nötig ge­funden hat, uns gegen den Vorwurf des Reichskanzlers in Schutz zu nehmen. Der Redner erhält eb en Ordnungsruf, was erneuten Lärm auf der Linken bekommst, Scheidemonn fortsahrend: Der Reichskanzler sprich! vom Volk, wer gibt ihm das Recht, im Namen des Volkes zu sprechen. (Stürm. Anruhe und Pfuirufe rechts, andauernd Glockenzeichen des Präsidenten). Das Heer als Instrument in der Hand eines Einzelnen, der verlangt, daß die Soldaten auf Bruder und Vater schießen, das ist Militarismus und gegen diesen

Kämpfen wir weiter. In der nun folgenden Einzelberatung begründen die Abg. Bassermann (nat.) und Gans Edler zu Putlitz (Kons.) die Anträge auf Bewilligung der sämtlichen sechs Kavallerieregimenter. Die Abstimmung hierüber findet am Montag stall. Schulz-Erfurt (Soz.) begründet einen Antrag, in verschiedenen Paragraphen des Militärstrafgesetzes mildernde Umände zuzulassen. Kriegs­minister v. Heeringen: Wo Härten eingetreten sind, ist die allerhöchste Gnade nie ausgeblieben. Aus der weiteren Erörterung ist noch hervorzuheben eine Frage des Abg. Müller-Meiningen, ob nicht eine bindende Erklärung abgegeben werden könne, daß ein Notgesetz zum Militär- strafgesetzbuch ausgearbeiket werden kann, woraus der Kriegs­minister erwidert, er könne eine solche Erklärung nicht adzeben, ehe die verbündeten Regierungen. nicht darüber beraten haben. Auf Antrag des Abg. Gröber wird die Fortsetzung dieser Aussprache bis Montaz vertagt. Der Rest der Wehworlage wird genehmigt. Es folgt die Be­ratung des Wehrbeitrages. Die Abstimmung über einige Abänderungsanträge wird auf Montag verschoben. Die Aenderung des Reichsstempelgesetzes führt in dritter Lesung zu keiner Erörterung. Ueber einige unwesentliche Abänderungsanlräge wird am Montag abgestimmt. Das Haus vertagt sich.

Die Wehrvorlage im Reichstag endgültig angenommen.

Berlin, 30. Juni. Der Reichstag nahm den Antrag aus Wiederherstellung der Regierungsvor­lage betr. Schaffung sechs neuer Kavallerieregi­menter gegen die Stimmen der Polen, Eisäffer, Sozial­demokraten und Fortschrittler und sodann die Wehroor- lage endgültig an. Der Reichstag nahm ferner in allen drei Lesungen den Antrag aus Einführung mildernder Am st ände indas Militärstraf- aesetzbuch an. nachdem der Reichskanzler erklärt hatte, für ihn im Bundesrat eintreten zu wollen.

Endgültige Annahme des Wehrbeitrags, der Ver­stärkung des Reichskriegsschatzes, des Besitzsteuer- gefetzes «nd des Reichsstempelgefetzes im Reichstag.

Berlin, 30. Juni. Im Reichstag wurde heute die Bestimmung betr. die Steuerpflicht der Bundesfürsten mit mit 195 gegen 169 Stimmen bei 8 Stimmenenthaltungeu abgclehnt, nachdem der Reichskanzler im Interesse des Zu­standekommens des Gesetzes um Ablehnung ersucht hatte. Der Reichstag nahm sodann den einmaligen Wehr- beit r a g gegen die Stimmen der Polen und Elsäßer a n, ferner die Bestimmungen betreffend Aenderungen im Finanz­wesen (Verstärkung des Reichs Kriegsschatzes) gegen Sozialisten, Polen, Elsässer und Welfen. Das B e- sitz steuergesetz wurde mit 280 gegen 63 Stimmen bei 29 Enthaltungen angenommen, ebenso das Reichs­stempelgesetz. (Aus diesen vorläufigen Mitteilungen geht hervor, daß die Sozialdemokratie sowohl sür den

Wehrbeitrag, wie für das Besitzsteuergesetz gestimmt hat.) Damit sind sämtliche Wehr- und Deckungs­vorlagen definitiv angenommen. Nach einer Ansprache des Präsidenten und des Reichskanzlers vertagte sich das Haus auf 20. November.

Tager-Nettigkeite«.

Stadt und Amt.

Nagold, 1. Juli 1913.

Rückgang der Säuglingssterblichkeit in Würt­temberg. Während bei 69 687 Lebendgeborenen im Jahre 1911 13 278 Säuglinge starben, sind 1912 von 71161 Lebendgeborenen nur 9841 Säuglinge gestorben, also 3437 weniger. Der Donaukreis hat mit 18,4 °/g immer noch die höchste Säuglingssterblichkeit, dann folgt der Schwarzwald­kreis mit 16,4 o/g, der Iagstkreis mit 15,9 und der Neckarkreis mit 15,4 °/o. Ueber 20"/« ist die Säuglings­sterblichkeit in den Bezirken Blaubeuren, Leonberg, Ehingen, Biberach, Horb, Leuikirch, am geringsten ist sie in Freuden­stadt, Tübingen, Künzelsau. Mergentheim, Sulz, Vaihingen, Schorndorf, Brackenheim, Backnang, Marbach und Cannstatt.

r Altensteig, 30. Juni. (Ferienpläne) Die hiesige Stadt bekommt diesen Sommer willkommene Ein­quartierung. Badische Ferienfahrer mit etwa 180 Personcn nehmen hier Aufenthalt. Zu diesen Schülern höherer Lehr­anstalten gesellt sich das 1. Stuttgarter Pfadfinderregiment mit über 100 Mann. Auch eine Abteilung der höheren Töchterschule in Ulm unter Führung des Professor Weller trifft wieder in unseren Mauern ein.

Aus de» Rachbarbezirken.

Baisingen, 28. Juni. In Nr. 132 derHorb. Chrk." wird in einer Zuschrift aus Rohrdorf anläßlich der Sturm­katastrophe der Schaden im dortigen Wald schlimmer dar­gestellt, als bei den Obstbäumen. Dem muß entschieden widersprochen werden. Wenn in unserem Wald von Obst- bäumen nach Zählung einer Kommission über 3000 der größten und schönsten um- und ausgerissen wurden denn gerade diese fielen dem Sturm am meisten zum Opfer, be­finden sich doch Bäume darunter, die ihren Besitzern nicht um 3400 seil gewesen wären; beispielsweise wurde ein Allmandbaum umgeworsen (Wildling von Einsiedel), welcher der Gemeinde schon in einem Herbst 70 -4t Pacht­geld eintrug so ist das doch ein viel größerer Schaden, als bei ein paar hundert Meter Holz, da ein schlagbarer Wald ja sowieso bald der Axt zum Opfer gefallen wäre. Bedenkt man noch, daß hier annähernd eine halbe Million Ziegel gekauft werden mußten und zieht weiter die vielen und zum Teil recht umfangreichen und kostspieligen Repara­turen in Betracht, von den vielen umgeriffenen Hopsen- anlagen gar nicht zu reden, so dürste der Schaden doch auch noch wo anders zu suchen sein, als nur im Rohrdorfer Walde. Auch bei uns wurde Privatpersonen noch außer­dem erheblicher Schaden an ihren Waldungen angerichtet.

(Rottbg. Ztg.)

Das neue Bier.

HkMoreske von Victor Bküthgen.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verböte»),

»Ich sage den Herren: ein weichliches, süßliches Zeug, dick und nicht im geringsten süffig; würde sich hierorts nie­mals einbürgerrr. Sie haben natürlich als Soldaten und so herumgehctzt, wie es da unten zrgegonqen ist. immer einen Riesendraud gehabt, und da hätte Ihnen sonstwas geschmeckt."

Na, streiten wir nicht. .

Aber der erregte Drlckes fuhr fort:

Warum habt ihr dis Bayern geschlagen? Weil ihr solche Kerle wäret. Warum wäret ihr solche Kerle? Weil ihr Lagerbier getrunken habt, ein gesundes Bier, ein kräftiges Bier. Das bayrische Bier ist ein Bier für Säufer, wie die da unten alle sind . . ."

Sie sagten doch, Herr Drickes. es wäre nicht süffig?" bemerkte ein Referendar, der seinem Vorgesetzten zu Hilfe kommen wollte.

Na, für solche vielleicht, die dran gewöhnt sind und nichts Besseres haben. Meinethalben lasten Sie sich doch bayrisches Bier kommen."

Hier erhoben sich Stimmen, weiche stürmisch das Ende der Bierdebatte und den Anfang der Kriegsabenteuer for­derten. Herrn Drickes aber war das Vergnügen des Zu­hörens zur Hälfte vergällt; er bewahrte einen verdrießlichen

Ernst sowohl bei den erhebenden wie bei den lustigen Schrlderunqen.

Der Ratsbrauherr besaß eine lebhafte Phantasie, und die halbe Nacht ärgerte er sich mit der Erinnerung an den Amtsrichter herum, der auf das Drickessche Lagerbier ge­scholten hatte. Indes beim Aufwachen dachte er ruhiger über die Sache: Bayern war weit, und in Hörnsheim mußte der Herr Amtsrichter eben wieder Drickessches Bier trinken, es hals ihm alles nichts, und das war eure lustige Seite an dem Zwischenfall.

So geschah es denn auch Abend für Abend, und Herr Drickes konnte stch's nicht versagen, mit einem gewissen grimmigen Vergnügen ab und zu den Amtsrichter zu fragen: No, schmeckt's?"

Aber eines Tages fiel ein neuer Wermutstropfen in dis Lebensseidel des Ratsbraumeisters.

Sapristi, Drickes," Hub der Postmeister an, indem er seinen Hut an den Nagel hing,an der Geschichte mit dem bayrischen Bier ist doch etwas."

So, woher misten Sie denn das?'

Woher? Weil wir gestern beim Amtsrichter ein Ge- burtstagsfäßchen Nürnberger getrunken haben. Wenn das Zeug nicht so verwünscht teuer..

Aha!" fiel Drickes ei«.Da liegt der Hund be­graben. Wenn ihr's bezahlen wollt, will ich euch auch bayrisches Bier brauen. Es sollte mir Spaß »lachen, euch für so 'ne Brühe das Fell über die Ohren zu ziehen; warum nicht? Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Also Zackes hat sich ein Füßchen aus Nürnberg komme»

lassen. Kann's ja, hat 'ne wohlhabende Frau geheiratet. Sie lasten sich natürlich auch eins kommen, wenn Sie Ge­burtstag haben? Natürlich; einer macht viele Sie misten schon, was ich meine."

Drickes, werden Sie nicht ausfallend . . . Guten Abend, meine Herren, Füßchen gut bekommen? Mir groß­artig ... Ich habe eben Drickes davon erzählt; wenn wir wollen, will er uns auch bayrisches Bier brauen."

,,'nen alten Hut will ich," sagte der kurz;lasten Eie sich nur Ihr bayrisches Bier per Bahn besorgen."

Im Ernst, Drickes, das sollten Sie tun."

Und wer trinkr's? Wegen Ihrer Geburtstage werde ich meine Brauerei umkrempeln und den Rest in die Gaste laufen lassen. Wenn Sie alle Tage Geburtstage feiern wollen aber jeder! dann meinethalben. Ich braue Lager­bier, und damit basta."

Drickes saß auf seinem Monopol wie der Engländer auf dem Wollsack. Er ärgerte sich auch nur ein ga^z klein wenig, wenn er Hörle, daß da oder dort wieder ein Füßchen verschrieben worden.

Wer lang hat, läßt lang hängen," sagte er.Sie müsten's doch dazu haben."

Das bayrische Bier blieb eine seltene Delikatesse in Hörnsheim, und auch die Siege von 1870/71 wurden noch zur Genugtuung und zum Vorteil für den Ratsbrauherrn >m ganzen Kreise mit Drickesschem Lagerbier begossen.

Die heimkehrenden Sieger schwärmten diesmal von französischen Weinlagem und Lhampagnerkellern, wobei sich Herr Drickes die Hände rieb und die Anmerkung machte: