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33.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Calw.
65. Jahrgang.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.!! Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- >! gebung S Psg. di- Zeile, sonst 12 Ptg. ^
Donnerstag, den 20. Mär; 1890.
AbsnnementSpreiS vreNeljährlich in der Stadt SO Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch d e Post bezogen Mk. 1. 15, sonst i, ganz Württemberg Mk. 1 . 35.
Amtliche Bekanntmachungen.
Tages Nettigkeiten.
An die Krisvorsteher.
Für den Zweck der thunlichsten Verbreitung des Verständnisses der Vorschriften des Reichsge- setzes vom 22. Juni 1889, betreffend die Jnvalioi- täts- und Altersversicherung (R. G. B. S. 97 ff.), und besonders der Mittel zur Erlangung der Wohl- thaten der Ueb'ergcmgsbestimmungen dieses Gesetzes werden die Ortsvorsteher auf die im Ministerialamts- blatt Seite 69 genannten billigen und gemeinverständlichen Schriften hingewiesen.
Calw, den 18. März 1890.
K. Oberamt.
Supper.
An die Krisvorsteher.
Behufs Vorbereitung der Neuwahlen für die am 15. Mai d..J. ausscheidenden Arbeiterbcisitzer der Schiedsgerichte der landwirtschaftl. Berufsgenoffenschaft haben diejenigen Ortsvorsteher, in deren Gemeinde sich der Sitz einer Krankenkasse befindet, binnen 5 Tagen zu erheben und an das Oberamt zu berichten, ob diesen Kassen mindestens 10 in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben von Mitglieder der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft beschäftigte Personen (Arbeiter, Taglöhner, landwirtschaftliche Dienstboten) als Mitglieder angehören. — Die von der Staatsforstverwaltung beschäftigten Arbeiter sind nicht mit einzurechnen.
Calw, den 18. März 1890.
K. Oberamt.
Amtm. Bert sch.
Calw, 19. März. Gestern hatte der Bezirksbienenzüchtervereindie traurige Pflicht seinen allzufrühverstorbenen Vorstand, Hrn. Schullehrer Wolf in Althengstett, zu Grabe zu geleiten und hatte sich deshalb der Gesamtausschuß mit mehreren Vereinsmitgliedern aus Gechingen u. a. O. nach Althengstett begeben, wo Hr. L. Weiß—Stammheim in kurzen, kernigen Worten den Dank des Vereins für seine eifrigen Bemühungen um das Aufblühen des Vereins sowohl als der gesamten Bienenzucht, seine Uneigennützigkeit und Aufrichtigkeit, wodurch er sich die Achtung und Liebe des ganzen Vereins erworben, aussprach, und sodann den wohlverdienten Lorbeerkranz am Grabe niederlegte. Sanft ruhe seine Asche, was er gesät, wird Früchte tragen. Möge es dem Verein beschieden sein, wieder eine ebenso tüchtige Kraft an die Spitze zu bekommen.
Calw, 18. März. Am Dienstag Abend hatte der hieß Weltspracheverein eine Versammlung, in welcher der Vorstand Hr. Rektor Dr. Müller unter anderem über den Stand der Volapüksache berichtete. Hieraus war zu entnehmen, daß der leidige Streit zwischen den Häuptern der Volapüksachc noch nicht beigelegt und auch in absehbarer Zeit nicht zu erhoffen sei. Zuin völligen Ausbau der Weltsprache wurde vor 3 Jahren in dem Münchener Kongreß mit Einvernehmen des Erfinders Pfarrer Schleyer, die Gründung einer Akademie beschlossen und als Direktor ein sehr gelehrter und praktischer Förderer der Sache, Professor Kerckhoffs in Paris gewählt. Wiewohl nun Hr. Pf. Schleyer unter diesen Männern doch auch nicht lauter Jasager hinsichtlich seiner Vorschläge erwarten konnte, fühlt sich derselbe durch jede Aenderung und wäre es auch eine that- sächliche Verbesserung, verletzt, findet sein System
über den Haufen geworfen und durch die Herausgabe neuer Grammatiken und Wörterbücher sich in seinem Erwerb, der ihm durch den Verkauf seiner eigenen Bücher geworden, geschädigt. Das Eintreten dieses Falles war jedoch bei dom Münchener Congreß wohl eingesehen worden, weshalb dort beschlossen wurde, der Dankbarkeit gegen) den genialen Erfinder dadurch Ausdruck zu verleihen, daß demselben, von jedem Mitglied«: eines Weltsprachevereins in jeglichem Lande 80 (1 Fr.) zugewendet werden
soll, wodurch Hrn. Schleyer viele tausend alljährlich zugeflossen waren. Unbegreiflicherweise hat damals Pfarrer Schleyer dieses splendide Anerbieten abgelehnt, es geschah dies wohl in der Hoffnung, später in seinen Lehr- und Wörterbüchern eine weit reichere Einnahmequelle zu besitzen. Da es aber bei der Academie keinen Stillstand giebt, wie die Herausgabe einer Normalgrammatik und eines Wörterbuches beweist, so könnte es zum Leidwesen aller Anhänger des Volapük soweit kommen, daß Hrn. Schleyer neben dem Verdruß noch ein nicht unbedeutender Schaden erwachsen tonnte und außerdem die ganze Sache überhaupt geschädigt würde. Dies Alles dar- legcnd hat der Vorstand des hieß Vereins, Herr Rektor Dr. Müller in jüngster Zeit eine gedruckte „Erklärung eines alten Volapükans über die Lage und Lösung der Streitsache" an ihm gleiche, hervorragende, uni die Sache verdiente Herren erlassen mit der Bitte um Beipflichtung oder Aeußerung ihrer diesbezüglichen Ansicht. Selbstredend konnten auch darin keine bestimmten Vorschläge zur Lösung der Streitsache gemacht werden, aber die Anmahnung an den hochverehrten Erfinder, der Ansicht Raum zu geben, daß die Aenderungsvorschläge wenigstens gut gemeint seien und er die Arbeiten der bisherigen Academie weder stören noch verwerfen, sondern dieselben einem richtigen Ende zuführen möge, dürste doch nicht ganz umsonst geschehen sein. Auch den
ninL1 nn Nachdruck »erboten.
Nach hartem Ringen.
Roman von <L. DoHrrnarm.
(Fortsetzung.)
Ein herzzerreißendes Lächeln flog über seine Züge, während seine Augen, wie magnetisch angezogen, in den Saal blickten. Helene wandte sich um und der Richtung seines Blickes folgend, gewahrte sie die Schwester, welche, strahlend in Schönheit, mit ihrem Tänzer durch die Reihen flog. Margarethe erschien entzückend in der mattblauen Seidenrobe, um den schneeweißen Hals eine kostbare Perlenkette und durch das goldig schimmernde Haar einen Vergißmeinnichtzweig geschlungen.
Es war der Referendar Hagen, an dessen Arm sie durch den Saal dahinglitt, derselbe, dessen brüstende Worte Baldern vor wenigen Tagen aus dem Restaurant in die Flucht getrieben hatten.
Jetzt trat das Paar zu einer Pause aus der Tanzreihe zurück. Hagen beugte sich zu seiner holden Tänzerin nieder und schien ihr einige Worte zuzuflüstern; Margarethe hob den schönen Kopf empor und sah ihn niit einem glückseligen, bezaubernden Lächeln an.
Helene'S Blick ruhte wie erstarrt auf dieser Gruppe.
„Hagen!" kam es in maßlosem Erstaunen von ihren Lippen. Dann wandte sie sich rasch wieder Baldern zu, und mit leisem Druck seine Hand ergreifend, sprach sie:
„Es ist so heiß hier im Saale; wollen Sie mich in den Garten gelitten?"
Er reichte ihr seinen Arm und Beide traten in den Garten hinaus, wo ein müder Luftzug sanfte Kühle fächelte. Eine Weile wandelten sie schweigend neben einander, bis das junge Mädchen mit leiser, bebender Stimme anhob:
„Verzeihen Sie mir, Herr Baron, wenn ich Ihnen indiskret erscheine, indem
ich Ihnen sage, daß ich Ihr Leid kenne." Erwin von Baldern sah sie überrascht an, und leicht errötend fuhr sie kort: „Zürnen Sie mir nicht, wenn ich Sie trotz des Geschehenen zu bitten wage, mir ein Bruder zu werden, wenn auch nicht in der Weise, wie ich früher hoffte. Ich hatte mich schon so innig darauf gestellt und nun — nun —"
Sie stockte verwirrt. Baldern sah sie tiefbewegt an.
„Sie sind ein liebes, gutes Kind, Helene, doch einen Bruder werden Sie ja auch in Jenem —"
Er vermochte es nicht, den Namen seines glücklichen Nebenbuhlers auszusprechen; aber schon unterbrach Helene ihn.
„Nein," sprach sie heftig, „Jener wird mir nie ein Bruder werden. Versagen Sie mir meine Büte?"
Erwin war stehen geblieben und sah voller Rührung auf ihre zierliche Gestatt. Sie sah heute reizender aus, denn je; bisher hatte er sie nur immer als ein unmündiges Kind bettachtet und sie neben Margarethe völlig unbeachtet gelassen. So überraschte das ihr sichtbar aus den Augen sprechende Mitgefühl ihn doppelt. Er erfaßte ihre Hand und antwortete herzlich:
„Ich danke Ihnen aus tiefster Seele für Ihre Teilnahme, Helene. Es berührt mich wie heilender Balsam, ein warm empfindendes Herz für meine Leiden zu kennen. Ich werde mich glücklich schätzen, wenn sie mich Ihren Bruder heißen wollen, und ich werde bestrebt sein, mich dieses Namens wett zu zeigen."
Helene lächelte ihn dankbar an.
„Ihre Worte machen mich unbeschreiblich glücklich, Herr Baron. Nun habe ich einen Bruder gefunden und Sie besitzen eine Schwester, die sich mit Ihnen freuen, mit Ihnen traurig sein wird. Einen Bruder! Wie schön muß es erst sein, einen wirklichen Bruder sein zu nennen!"
Als Beide dm Saal wieder betraten, kam ihnen der Regierungsrat entgegen.
„Heda, Baron, wo stecken Sie denn eigentlich? Ich habe Sie den ganzen Abend wahrhaftig noch nicht tanzm sehen. Ich hatte gedacht, Sie würden Margarethe