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es Herrn Götz für die hiesige immer mehr empor- blühende Gemeinde eine glückliche sein und die infolge der in letzter Zeit stattgehabten Wahlen etwas aufgeregten Gemüter der Bürger wieder beruhigt werden.
Ulm, 12. März. Bor einigen Tagen übergab ein junger noch unerfahrener Handwerksbursche einem älteren Kollegen in Laupheim seinen Reisesack mit Kleidungsstücken u. s. w. zur Aufbewahrung, bis er bei seinen Meistern umgeschaut habe. Als der Vertrauensselige an den von den beiden bestimmten Ort zurückkehrte, war sein Genosse nebst dem Reisesack verschwunden, hat sich bis jetzt auch in einem Gasthaus in Neu-Ulm, in welchem er zu logieren vorgegeben hatte, nicht eingefunden. — Heute vormittag wurde ein fremder junger Kaufmann wegen Verdachts der Wechselfälschung vorläufig festgenommen.
Waldsee, 11. März. Eine ältere Frau aus hiesiger Umgegend, welche vor einigen Tagen allein durch einen Wald nach Hause ging, wurde, wie sie sagte, durch ein ihr unbekanntes, gräßliches Geschrei derart von Schrecken und Angst erfaßt, daß sie geistes- verwirrt nach Hause kam und es bis zur Stunde noch ist.
Lambrecht, 8. März. In der H. Botzong'- schen Fabrik dahier forderten im Laufe des vorigen Monats 20 Tucharbeiter Lohnerhöhungen u. s. w. Sie gingen in so schroffer Weise vor, daß die übrigen Tuchfabriken sich der mit Sperre bedrohten Fabrik solidarisch erklärten und ankündigten, wenn die Forderungen nicht zurückgenommen würden, nach Ablauf der Kündigungsfrist sämtliche Fabriken geschlossen würden. Die Arbeiter haben nun nicht nachgegeben, und werden infolge deffen heute die Fabriken geschlossen. Dem Lambrechter Fabrikanten-Verein sind von auswärts 300 Websttthle zur Benützung ange- boten worden, ebenso in reichlichem Maß Spinnerei und Appretur. Die Fabrikanten machen es gerade so wie die Arbeiter, welche abgereist sind: beide arbeiten auswärts. Zur Anwendung dieses Schadens machen aber die Fabrikinhaber in einer Erklärung an ihre Arbeiter einen letzten Versuch, indem sie die friedlich gesinnten Arbeiter auffordern, sich bis längstens nächsten Dienstag Abend bei ihren bisherigen Arbeitgebern zu melden. Der Fabrikanten-Verein wird am Mittwoch Abend beschließen, ob und wann alle Fabriken wieder in Betrieb gesetzt werden können. Melden sich jedoch zn wenig Arbeiter, so sind die Fabrikanten außer Stand gesetzt, für die Ausrechterhaltung des Betriebs noch etwas zu thun. Die Fabrikanten sind außerdem noch bereit, die Arbeitszeit von 6—7 Uhr allgemein einzuführen, sowie auch den hiesigen Verhältnissen entsprechende Lohnerhöhung zuzugestehen. Hoffentlich nehmen die Arbeiter den Vermittlungsvorschlag in eigenem Interesse an.
Aachen, 13. März. In einigen Tuchfabriken haben die Weber die Arbeit gekündigt, wenn innerhalb 14 Tagen die Forderung höherer Löhne nicht bewilligt würde. In einer anderen Tuchfabrik legten sie die Arbeit nieder, weil ein Kollege angeblich ungerechtfertigt entlassen sei.
Cassel, 11. März. Sämtliche Zimmer- ge feilen haben wegen Lohndifferenzen heute die Arbeit eingestellt.
Zwickau, 5. März. Wie wenig gerechtfertigt im Ganzen die Klagen über kärgliche Löhne der Bergarbeiter sind, ergiebt sich aus genauen Untersuchungen, wonach der durchschnittliche Lohn ein über 16 Jahre alten Bergarbeiters 942 ^ 30 im Jahre betragen hat, wobei dasjenige Zehntel der Arbeiter, welche mehr als 4 »A täglich verdienten, außer Ansatz gelassen ist. Nach der Steuerabschätzung haben nicht wenige Arbeiter zwischen 12- und 1500 einzelne bis zu 1800 ^ verdient. Auch die als kümmerlich bezeichneten Renten der Witwen und Waisen verunglückter Bergarbeiter sind ganz ansehnlich. So beziehen z. B. die Hinterbliebenen eines Zimmerlings 825 die eines Oberzimmerlings 878 die eines Häuers 783 ^; Renten von 5—700 ^ werden vielfach gezahlt. Für die Unfallversicherung betrug 1888 der Beitrag für den Kopf denn Erzbergbau 6 ^ 80 -H, beim Steinkohlenbergbau 19 ^ 38 -H, so daß also die Werke für diesen Zweck ganz bedeutende Opfer zu bringen hatten.
Königsberg, 10. März. Ueber einen Unfall aus dem Kurischen Haff wird berichtet: Als eine große Anzahl von Fischern aus den Dörfern Postmchen, Steinort, Schaaksvitte mit 30 Schlittenfuhrwerken sich am frühen Morgen nach der Mitte des Haffes begeben hatte, um Fischfang zu betreiben, vemahmen d e Leute plötzlich das ihnen bekannte „Eisgedröhne" und gewahrten nun, daß vor wie hinter ihnen die Eisfläche durch zwei ungewöhnlich breite Riffe gespalten war. Zwar gelang es 20 Schlitten, noch zu rechter Zeit dem schmälsten der Riffe zuzujagen und vermittelst über denselben ge
worfener Planken schnell die andere Sette zu gewinnen. Die übrigen 10 Schlitten kamen aber zu spät an, da inzischen das Eis, auf welchem sie sich befanden, ins Treiben geraten war. Ohne Nahrungsmittel und ohne Futter für ihre Tiere, mußten die Leute, nachdem sie viele Irrfahrten bestanden, bis zum nächsten Morgen auf dem Eise verweilen. Dann erst gelang es ihnen, unter den größten Gefahren auf eine andere Eisfläche überzusetzen und wieder festen Boden zu gewinnen. Die Fischer waren nun, wie sich zeigte, bereits 7 Meilen von ihren Dörfern entfernt.
Metz, 11. März. Zwei Selbstmorde von Offizieren innerhalb acht Tage! Am 1. d. Mts. erschoß sich nachts in seiner Wohnung Sekonde- Lieutenant Heldberg vom 130. Infanterieregiment und am 6. d. M. Sekonde-Lieutenant Erbelding vom 4. bayerischen Infanterieregiment.
Vermischtes.
— Eine transportable Restauration aus Papier ist vor einigen Tagen am Hamburger Hafen aufgestellt worden. Die Wände derselben bestehen aus einer doppelten, in Rahmen gespannten Papierschicht, die nach innen gegen Feuer und nach außen gegen Feuchtigkeit imprägniert ist; außerdem bietet noch eine dünne Holzverschalung Schutz gegen Witterungseinflüsse. Wände und Dach sind niittels Haken und Charnire aneinander befestigt, so daß das ganze Gebäude schnell abgebrochen, leicht transportiert und an anderer Stelle rasch wieder aufgestellt werden kann. Die eigentliche Speisehalle ist 30 Meter lang und 6 Meter breit und faßt etwa 150 Personen; sie hat 22 Fenster und vier Oberlichte und wird durch 2 Oefen geheizt. Eine zugehörige Wirtschaftsbaracke enthält Küche, Aufbewahrungs- und Wohnräume. Das eigenartige Bauwerk soll insgesamt 15000 ^ gekostet haben.
— In einem alten geschichtlichen Werk über Preußen findet sich eine Nachricht, der zufolge 1601 am 1. Jan. die Fleischermeister in Königsberg in Preußen eine Wurst von 1005 Ellen, 885 Pfund schwer, in feierlichem Aufzuge durch die Stadt trugen. 103 Fleischergesellen waren vonnöten, das Wurstungeheuer zu tragen. 130 Ellen bekam der Fürst, dessen Wißbegier wir die Kunde danken, was die Riesenwurst gekostet. Verwendet wurden zur Herstellung derselben 81 Schweineschinken: 118 ^ 10 Gr., anderthalb Tonnen Salz: 3^5 Gr., anderthalb Tonnen Bier 3 18*/- Pfund Pfeffer:
24 ^ 14 Gr.; die drei Meister und 87 Gesellen, welche die Wurst verfertigten, tranken bei ihrer 1 '/»tägigen Arbeit für 480 ^ Bier, zu welcher Summe 112 ^ 16 Gr. 3 ^ für 109 Kränze zur Schmückung der Wurst kamen. Im Ganzen kostete also die Wurst nach damaligem Gelds 412 Thaler 16 Gr. 3 A, wobei der Thaler zu 36 Groschen gerechnet ist. Die Bäcker, welche auch ihren Teil von der Wurst bekamen, backten darauf 8 Bretzeln und 6 Handbretzeln; von den ersteren waren 2 Stück 4°/» Ellen lang, die dem Fürsten als Beibrod zu dem langen Wurstende der Metzger verehrt wurden. Hoffentlich ist's ihm gut bekommen.
Die Instuenza und ihr Einstich auch auf Uichterkrankte.
Ein Bericht von R. Malling'Hansen, Direktor der kön. Taubstummen-Anstalt in Kopenhagen, wirft ein merkwürdiges Licht auf den Einfluß, welchen die Influenza zur Zeit ihrer Herrschaft sogar auf Njchterkrankte hinsichtlich des Körpergewichts ausgeübt hat. Dieser Direktor teilt nämlich in einer Volapük-Zeitschrift für Dänemark und Norwegen folgendes mit:
In der königl. Taubstummen-Anstalt in Kopenhagen wurden in den letzten sieben Jahren alle Schüler täglich gewogen. Zur Wägung wird eine hundertteilige Wage gebraucht, auf welcher bis 15 Kinder auf einmal gewogen werden können. Gegenwärtig werden 40 Knaben und 31 Mädchen in 6 Abteilungen gewogen; jede Abteilung wird für sich gewogen; das ganze Wägungsgeschäft läßt sich in wenigen Minuten besorgen. Die täglichen Gewichts» zahlen geben das Gewicht jeder Abteilung und das Gesamtgewicht aller Kinder an, aber nicht das des einzelnen Kindes.
Ein solche tägliche Wägung ist etwas ganz Neues gewesen und hat neues Licht über die verschiedenen Reihen der Veränderungen m der Gewichtszunahme der Kinder verbreitet, unter anderem auch darüber, daß die Gewichtszunahme der hiesigen Schüler besonders im Herbst und zu Anfang des ersten Wintermonats stattfindet, während der zwei andern Wintermonate aber und den März hindurch und zu Anfang Aprils die Gewichtszunahme nur klein ist, worauf eine Gewichtsabnahme folgt, die
bis zum letzten Tage des Sommers fortdauert. Diese Aenderungen in der Gewichtszunahme haben sich in den sieben Jahren, in welchen das Wägen vorge» nommen wurde, ganz regelmäßig wiederholt. Jetzt ist zum erstenmal in dieser langen Zeit eine nicht unbedeutende Ausnahme eingetreten und der Anfang dieser Ausnahme fällt ziemlich genau mit der Zeit zusammen, da die Influenza in Kopenhagen ankam. Im Jahr 1889 waren die das Gewicht der Kinder darstellenden Kurven durchaus den gewöhnlichen, wie sie in den vorhergehenden Jahren erkannt worden waren, bis zum 22. Nov. ganz ähnlich gewesen, aber am 23. Nov. machte die gewöhnliche Gewichtszunahme Halt und dieser Stillstand blieb während der vier Wochen von diesem Tage an bis zum 21. Dezbr. unverändert. Nach den Erfahrungen der 7 vorigen Jahre sollte das Gewicht jedes Kindes durchschnittlichmehr als 500 Gramm während dieser 4 Wochen zunehmen; allein diese Gewichtszunahme trat Heuer bei den Mädchen gar nicht ein, und bei den Knaben betrug sie nur 200 Gramm auf die Person, d. h. weniger als ^/s der normalen Gewichtszunahme.
Dieser Stillstand in der Gewichtszunahme während der vier Wochen ist noch merkwürdiger, wenn wir ihn vergleichen mit den Gewichtsverhältnissen in denselben Wochen des Jahres 1888, weil das Gewicht jedes Kindes, sowohl der Knaben als der Mädchen, im Jahr 1888 vom 24. November bis zum 21. Dez. um 700 Gramm mehr als in denselben Wochen des Jahres 1889 zunahm. Während der betreffenden vier Wochen trat in der Ernährung der Kinder und in allen anderen örtlichen Verhältnissen gar keine Aenderung ein; sehr wahrscheinlich ist die Meinung daß das Ungewöhnliche in den Gewichtsverhältnissen der Kinder durch die genannte epidemische Krankheit verursacht wurde. Freilich können wir nicht ganz bestimmt beweisen, daß die Influenza gerade am 23. November hier angekommen ist, aber weil die 59 ersten Fälle von Influenza in Kopenhagen dem Stadtarzt in der Woche vom 1. bis 7. Dezember angezeigt worden sind, so hat man nicht wenig Grund zu der Annahme, daß die Krankheit schon acht Tage vorher hier gewesen sei.
Der Gesundheitszustand der Schüler war durchaus regelmäßig. Während sechs von den Lehrern der Anstalt von der Influenza bedeutend ergriffen wurden, ergriff die Krankheit in diesen 4 Wochen keines der Kinder; freilich kamen mehrere Fälle von Schnupfen vor, aber weder von einer ungewöhnlichen Art, noch zahlreicher als in einigen andern Jahren im Herbst und zu Anfang des Winters. Folglich, während die amtlichen Verzeichnisse keinen Fall von Influenza unter den Schülern der königlichen Taubstummen-Anstalt angeben, zeigen meine das Gewicht der Kinder angebenden Kurven das Gegenteil an: sie zeigen, daß in den dem 23. Nov. nächst vorangegangenen Tagen unsichtbare Veranlasser von Influenza in unserer Anstalt eingedrungen sind, daß ein Kampf zwischen diesen und den Kindern seine Folgen vom 23. November an deutlich zu zeigen angefangen hat, daß dieser Kampf an den Kräften der Kinder in der Art genagt hat, daß fast kein Ueber- schuß von den Ernährungsorganen an die gewöhnliche Gewichtszunahme der Kinder abgegeben wurde, daß die Gewichtszunahme in den 4 Wochen von dem genannten Tag an um 500 Gramm auf die Person gegen die normale Zunahme vermindert wurde, daß jede der sechs Abteilungen der Kinderwägung die Folgen des Ergriffenseins merken ließ, am meisten die der ältesten Mädchen (von 15—17 Jahren), am wenigsten die ältesten Knaben, daß schließlich die Knaben bis jetzt größere Widerstandskraft hatten als die Mädchen.
Amtlich haben wir folglich keine Influenza (gehabt), aber thatsächlich war jedes Kind in der Anstalt gewiß ein Angriffsobjekt der Influenza während jener vier Wochen. Folglich: wir alle haben Influenza (gehabt). —r.
Handels- und Gewerdekarnrner Calw.
Sitzung:
Montag, 17. März 188«, vorm. 1« Uhr,
Tagesordnung:
Vornahme der Wahlen zur Konstituierung der Kammer.
Jahresberichtsangelegenheiten.
Flößerei auf der- Enz und Nagold.
Der stellv. Vorstand: Louis Wagner.
Gottesdienst
am Sonntag, den 16. März.
Vom Turme: 130. Vormittagspredigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. Bibelstunde um 5 Uhr im Vereinshaus: Herr Helfer Eytel.