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87. Jahrgang.

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SchwSb. Landwirt.

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Ter Gisenbahnetat im Landtag.

r Stuttgart, 16. Mai. Die Zweite Kammer setzte heute vormittag die Beratung des Eisenbahnetats fort. Zu­nächst ergriff der Ministerpräsident Dr, o. Weizsäcker das Wort, um sich über die Frage der Schaffung eines Ber­kehrsministeriums auszusprechen. Diese Frage könne nur auf dem Wege der Gesetzgebung geregelt werden und zwar in der Weise, daß dem Gesetz ein Passus angehängt wird, wonach die Errichtung eines weiteten Departements unter der Voraussetzung zulässig sein soll, daß zwei der bestehen­den 7 Ministerien von einem Ministeriaivorstand vertreten werden müßten. Abg. Wieland (DP.) hatte sich die Sache so gedacht, daß das Ministerium des Aeuhern in ein Berkehrsrninistermm umgewandelt wird u,-er Angliederung der Abteilung für das Auswärtige Amt an ttn anderes Mini­sterium. Der jetzige Meinungsaustausch soll einen Personen­wechsel im Ministerium vorbereiten. Dr. Nübling (BK.) wünschie, daß durch Heranziehung des Sreinmateiials der Alb der schwere Güterverkehr belebt werde und daß man bei den Verhandlungen mit der Schweiz im Einvernehmen mit Bayern handle. Wichtiger als die Frage, ob wir sieben Minister haben wie seiner Zeit Griechenland sieben Weise, lei, wo wir das Geld dazu Herdringen. Der Abg. H i l- denbrand (S.) bedauerte, daß die Eiscnbahnoerwaltung den Rückgrat der Staatsfinanzverwaltung bilde und daß man zuerst auf den Profit und dann erst' auf die Interessen der Bevölkerung sehe. Die ungleiche Behandlung Würt­tembergs bei der Ausfuhr von Salz über die Nordseehäfen durch Preußen sei bundesunfreunalich, Umleitungen im Güterverkehr sollten überhaupt unterbleiben. Der Zwei- pfenaigverkehr müsse sür die ganze Bevölkerung im Binnen­verkehr Geltung bekommen. Der Borortsverkehr hätte längst verbessert werden sollen. Seine Elektrisierung sei eine spruchreife Frage. Die Rede des Ministerpräsidenten sei so diplomatisch gewesen, daß sich niemand ganz klar geworden sei. Der Abg. Baumann (DP.) meinte, die Eijenbahnhoheit auf dem Gebiet der Tarifpvlitik sei nur eine Sch-ttnhohsil und die Schaffung einer Reichseisenbahn- gemeinschüfr zwar eine ideale, aber eine unwahrscheinliche Lösung. Abg. G r o tz-Stuttgart (Z.) trat mit entschiedenen Worten für r-ie Interessen des Eisenbahnpcrsonals ein. Abg. Wieland (DP ) beantragre die Vorlegung einer Denk­schrift über die Schaffung eines Berkehrsministeriums ohne Vermehrung der Zahl der Staaismmister. Ministerpiäs. Dr. v. Weizsäcker erklärte sich mit diesem Antrag ein­verstanden und betonte nochmals das Bestrebe» der Ver­waltung, allen modernen Anforderungen entgegenzukommen. Die Verkehrspolitik müsse über die Grenzen des Einzelstaates hinausreichen. Nach weiterer unwesenürcher Debatte wurde die Weirerbeccrtung auf morgen vertagt. Auf der morgigen

Samstag, den 17. Mai

Tagesordnung steht auch eine Anfrage des Abg. Gras-Stutt­gart (Z.) betreffend die Einberufung von der Landwirt­schaft angehörigen Mannschaften für die Zeit der Heuernte. Schluß der Sitzung erst nach 2 Uhr.

TaKes-Nerrigkeite«»

Las Stadt und Amt.

Nagold, 17. Mai 1913.

* Vom Rathaus. Sitzung der bürgerlichen Kollegien am 16. ds. Mts., nachmittags 6 Uhr. Der Gemeinderat erledigt zunächst einige minderwichtige Gegenstände. Hierauf Eintritt in die gemeinsame Tages­ordnung: Erösfnung der eingelaufenen Bewerbungen sür die Ortsvorsteherstelle. Der Vorsitzende erhebt die Frage, ob wegen der Verlesung der Zeugnisse der Bewerber die Oeffenttichkeit der Verhandlungen aufrecht erhalten bleiben soll und verliest hiezu die Bestimmung des Art. 39 der Gemeiiideoldnung. welcher lautet:Die Verhandlungen des Gemcinderats in Gemeindeangelcgenheiten sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Staats- oder Gemeindewohl oder berechtigte Interessen einzelner entgegcnstehcn. Die Frage, ob im einzelnen Falle die O.ffentlichkeit der Be­ratung oder Abstimmung ausgeschlossen werden soll, wird erforderlichen Falls in geheimer Sitzung entschieden." Nach Abtreten der Zuhörer erfolgt diese Entscheidung. Der Vor­sitzende verkündet das Ergebnis den außerhalb des Sitzungs­saales befindlichen Zuhörern, dahingehend, daß die Oeffent- lichkeit ausgeschlossen worden sei.

Angesichts dessen sind wir nicht in der Lage, übrr den Verlauf der Sitzung zu berichten. Dagegen ist es uns gelungen, die Namenliste der Bewerber zu erhalten:

Ansel Albert, Ratsschreiber in Eßlingen;

Dillmann Wilhelm, Verwalter der städt. Sparkasse mid Gas- und Wafferwerkskasse in Feuerbach;

FiMer Franz, Sekretär in Stuttgart;

He »mann Kar!, Beamter beim städt. Revisorat und »er BerwaltungsrKgistrülur Heilbronn;

Heyd Immanitel^Ämtsgerichtssckrctär in Nagold;

Maler, Hermann, Stadtpflsgebuchhalter in Tübingen;

Sesger K.^. .Rechtsanwalt in Geislingen a. St.;

Thßur er" Gustav, Stadtschulth.-Amts-Aktuar in Stuttgart; ^

Bösmle Ernst"'RchKschBl'ber in Nürtingen;

Woifstl8untheH-'2^s jur., Halle a. S.

Gewerbeverei«. (Mttgeteil!.) Der hiesige Gewerbe- oerein nahm gestern abend in einer Versammlung, die er im Gasthaus zum goldenen Adler adhielt, Veranlassung, ein kleines Fest, das die Firma Martin Koch, Möbel-

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geschäst hier, ihren beiden Angehörigen, den Schreinerwerk­führern Huzel und Hofer in Anerkennung ihrer 25jährigen ununterbrochenen treuen Dienste in diesem Geschäft veran­staltete, mitzufeiern. Beide Männer wurden von dem Ge­schäftsinhaber je mit einer wertvollen Uhr beschenkt und ausgezeichnet. Uhrmacher Günther hob als Borstand des Gewerbevereins die Bedeutung solcher treuen Arbeit für das Geschäftsleben hervor und Gemeinderat Kläger hielt auch eine kleine Ansprache an die Gefeierten.

* Auf das Fest des evang. Jünglingsvereius sei auch an dieser Stelle noch hingewiesen. Es verdient in der Gegenwart wohl Interesse, daß die Anfänge dieser Vereine schon 50 und mehr Jahre zurückliegen. Einheitliche Förder­ung des geistigen und leiblichen Wohls der Jugend ist ihr Ziel. Daß sie das nur auf klarer christlicher Grundlage wollen, hat ihnen zu aller Zeit Einschränkung auferlegt und Schwierigkeiten verursacht, ist zugleich aber immer ihre Stärke gewesen und wird es bleiben. Die Gründung des Nagolder Vereins ist eine der Segnungen, die Stadt und Bezirk dem edlen Christen und Menschenfreund Dr. Hein­rich Zeller verdanken. Die Erinnerung an ihn tritt an diesem Tag in den Vordergrund. Bei günstiger Witterung wird die Beteiligung auswärtiger Vereine lebhaft werden. In der Kirche wird außer dem Festprediger auch Prof. Merz- Hall reden, in der Turnhalle Pfarrer Köhler vom südd. Iünglingsbund und Prof. Müller-Stuttgart, früher Real­lehrer hier. Die Aufführung, Konrad Wiederhold, spielt in der Zeit des 30jährigen Krieges und soll das Bild eines echten Patrioten geben. Auf die Wiederholung am Montag abend 8 Uhr wird insbesondere die konfirmierte männliche Jugend aufmerksam gemacht.

* Zur Wasserkante. Auch in diesem Jahre wird seitens des Passage-Bureau Rominger, Stuttgart, wieder eine Sonderfahrt nach der Wasserkante, und zwar in der Zeitoom 1518. August veranstaltet werden. Die Reise führt mit Extrazug nach Bremen, von dort weiter nach Bremer­haven, wo auf dem modernen SchnelldampferKaiser Wilhelm II." des Norddeutschen Lloyd für eine Nacht Wohnung genommen wird. Don Bremerhaven geht es mit einem Dampfer des Norddeutschen Lloyd weiter über Helgoland, Brunsbüttelkoog nach Kiel zur Besichtigung der kaiserlichen Werft und anwesender Kriegsschiffe. Die Reise endigt nach Besichtigung Hamburgs mit einem Ausflug nach Friedrichsruh. Die Teilnahme kostet ab Stuttgart bis Hamburg einschließlich voller Verpflegung 3. Kl. ^ 105. und nehmen Anmeldungen sämtliche Ortsgruppen des Deutschen Flottenoereins, sowie die Vertreter des vorgenannten Bureaus, am hiesigen Platze Herr Paul Schmid, Fa. Berg L Schmid, entgegen. Da der Andrang zu dieser allgemein beliebten Reise immer ein starker ist, so empfiehlt sich baldigste An­meldung.

Der GesmAochstmt >« Mi «d die mng. GesosOWr sm M 2 s. isi 2 .

Von Professor Karl Bauder in Stuttgart.

Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Am 11. Febr. 1792, dem Gebu.issest des Herzog Karl, erfolgte bei Absingung der abgeänderten LiederLobe den Herren, den mächtigen König" undNun danket alle Gott" ein wütendes und disharmonisches Zetergeschrei. Es wurden meist solche Lieder ausgewähit, welche in beiden Gesangbüchern standen. Auf dem Raihause wurde vorge­bracht:Mit dem ABC-Buch hat man angefangen, mit der Kinderleyre, dem Spruch- und Gesangbuch fortgesetzt, und zuletzt wird es auch noch hinter die Bibel gehen." Einzelne verboten ihren Kindern btt Schlägen, ein Lied aus dem neuen Gesangbuch für die Schule zu lernen.

Bei der hierauf angestellten Vernehmung wurde unter anderem nicht ohne Grund zur Entschuldigung vorgebracht, in der Vorrede des neuen Gesangbuches stehe ja. daß man die alten abgenutzten Lieder weggelassen habe und die neuen seien doch nicht verbessert.

In der Entscheidung vom 20. März 1792 heißt es ausdrücklich, es sei niemals die Absicht gewesen, das neue Gesangbuch an irgend einem Ort durch Anwendung gewalt­samer Zwangsmittel einzuführen. Den Gestraften sollte be­sonders bedeutet werden, daß sie nicht wegen ihrer Anhäng­lichkeit an das alte Gesangbuch, sondern als Störer der öffentlichen Ordnung gestraft würden. Es sollte selbst hin­sichtlich der allmählichen Einführung kein Zwang angewen- der werden, vielmehr alles auf den Willen der Gemeinden selbst ankommen. Bei der Eröffnung dieser Entscheidung entstand Murren unter der Bürgerschaft, und sie stand im

Begriff, den Rathaussaal zu verlassen, als der Oberamtmann noch aus die empfind! chm Folgen eines solchen Beschlusses aufmerksam machte. In dem darauf angestellten Durchgang sprach sich die Mehrheit für die Beibehaltung des alten Ge­sangbuches aus.

Am 1. Advent 1800 kam in Kirchentellinsfurt in der Kirche beim Gesang eine Störung vor. Als dies vor Kirchenkonoent untersucht werden sollte, drangen außer den Bo; geladenen 11 andere mit Gewalt und Ungestüm in das Rathaus ein. Die Auftritte wiederholten sich immer aufs neue. Dem Pfarrer wurde ein anonymer Brief gelegt, worin derselbe vor dem widerchristlichen Wesen gewarnt wurde. Das Eigentümlichste in dieser Gemeinde, wodurch die Widerspenstigkeit so hoch stieg, war, daß der Pfarrer Sturm, der dann darüber wegstarb, beständig seit 1796 be­richtete, das neue Gesangbuch sei vollständig eingesührt, während in der Stille immer das alte gebraucht wurde. Erst 1800 machte der Dekan die Entdeckung, daß jene Angabe ganz unbegründet war. So war der Starrsinn im Stillen gewachsen, und die Unbotmößigkeit halte sich der Gemüter bemächtigt. Am 21. August 1801 wurde vom gemeinschaftlichen Oberomt auf die steigende Kühnheit und Unart der Widersetzlichen aufmerksam gemacht. Am 19. August war vom Herzog ein zweimonatlicher Termin ge­stellt morden. Man habe, hieß es, alle Schonung und Nachsicht erschöpft; sollten sich die Störungen des Totti s - dienstes wiederholen, so werde mit den nachdrücklichsten Strafen eingeschritten werden. Oefter wurde der Pfarrer genötigt, die Kanzel zu verlassen, bis die Ruhestörer sich auch entfernt hatten. Der größte Unfug fand bei der Dank­predigt für Ernte und Herbst statt. Hierüber wurde unter dem 17. November 1801 eine strenge Untersuchung unge­ordnet. Auch in der Abwesenheit der Geistlichen wurde dieselbe Unbotmäßigkett fortgesetzt, woraus hervorgeht, daß die Person des Geistlichen keineswegs der Anstoß war.

Am 21. November wurde vom gemeinschaftlichen Oberamt im Ort selbst der ganzen Bürgerschaft eine ernstliche Ermah­nung erteilt und die bevorstehende Untersuchung angebündigt. Allein dies alles wurde durch immer lauteres Murren unter­brochen und dem Oberamtmarm, der die Leute zur Ruhe verwies und nach Hause gehen hieß, geradezu nicht gehorcht. Um sich von der Größe dieser Unbotmäßigkeit ganz zu überzeugen, wurde den sechs Unruhigsten der Befehl erteilt, an demselben Tage auf dem Oberamt zu erscheinen: es mar beabsichtigt, durch die Festnahme der Anführer vielleicht bei der übrigen Einwohnerschaft eine Sinnesänderung zu be­wirken. Auch dies blieb gänzlich unbeachtet. Nun erst blieb dem gemeinschaftlichen Oberamt kein anderer Ausweg übrig, als auf militärische Unterstützung bei der vorzuneh­menden weiteren Untersuchung den Antrag zu stellen. Unter dem 28. Noo. wurde zunächst noch von Absendung eines Militärkommandos nachKirchentelliinsfurt abgesehen, dagegen aufgegeben, jene sechs unbotmäßige Bürger bei Strafe einer kleinen Buße nochmals vor das Oberamt zu laden, und wofern solche abermals nicht erscheinen sollten, eine noch­malige Ladung an sie unter der Bedrohung ergehen zu lassen, daß sie im Nichterscheinungssall mit einem Militär­kommando abgeholt werden würden. Falls nun dieselben sich gleichwohl nicht stellen sollten, so sei hievon ungesäumt Bericht zu erstatten. Während so von seiten der Regie­rung immer neue Mäßigung und Nachsicht geübt wurde, sah sich schon am 4. Dezember 1801 die Behörde genötigt, über die zunehmende Unordnung und Zerrüttung in der Gemeinde Anzeige zu machen. Die Rotte der Widersetz­lichen wiederholte mit immer größerer Kühnheit die Ver­gehungen; ein ärgerlicher Austritt in der Kirche entstand nach dem andern. Es verbreitete sich über die ganze Ge­meinde eine große Furcht, indem man sich den gefährlichsten Gewalttaten ausgescht glaubte.

(Schluß folgt.)