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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw
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Erscheint DienS taz , Donnerstag und S-mitag. Die Einriicknngsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung s Pfg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Donnerstag, den 13. Mär; 1890.
Kb»nnementöpreir vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. v»d 2o Pfg. Lrägerlohn, durch die Post bezogen M?. 1. 1b, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. SS.
Am Grabe Kaiser Wilhelms I.
Berlin, 10. März.
Ein Tag ernsten Gedenkens zog gestern vorüber. Zum zweitenmale kehrt die Stunde wieder, in welcher der greise Einiger der Deutschen die Augen schloß, die nimmer müde geworden waren, über sein Volk zu wachen. Und wieder wirbelt die Erinnerung die ganze Fluth der Sorge und Bangnis, des Zweifels und Argwohns, der Unsicherheit und Unentschlossenheit empor, wie sie damals in den rauhen Märztagen des schmerzenreichen Jahres 1888 die Seele durchschüttelte und die Gemüther in Bann legte. Der Wintersturm fegte durch die Lande und noch wilder und gewaltsamer als er zerrte das Verhängnis an den Herzen der Deutschen. Das ruhmbekränzte Haupt des ehrwürdigen Monarchen sank in dem Augenblick, da schon der Tod die edle Stirne seines einzigen Sohnes und Erben gezeichnet hatte. Aus der Sonne des Südens rief ihn das unerschütterliche Gefühl der Pflicht, das der Hohenzollern unveräußerliches Erbteil gewesen in guten wre trüben Tagen, und er zog gen Norden, ein todtsiecher Mann. Das Vaterland trauerte tief, da sein leuchtender Heros hinuntergestiegen war in's Schattenreich und der Schmerz wühlte noch erbarmungsloser, da inan schon die Fittiche der finsteren Dämonen rauschen hörte, welche auch den neuen Kaiser dem Licht und Leben entziehen wollten. Und was man klar erkannte, obschon man sich's nur flüsternd und bang horchend gestand, wurde schnell zur traurigen Wahrheit; mit zitternder Hand vermochte der von einem verräterischen Geschick gefällte Königssohn noch auf die Kaisertafel der deutschen Geschichte die Worte zu schreiben: Friedrich der Dulder. Dann sank er hin und zum zweitenmale verwaiste eine Nation. . . .
Aus Nacht und Grauen ist die neue, die
jüngste Zeit heraufgestiegen. Die Herrschaft Wilhelms II. ward zunächst verdunkelt von den Nebeln und gigantischen Schatten, welche die Erinnerung an die entrückten Helden um Herz und Sinn gebreitet hatten. Man grollte dem Schicksal und deshalb kam man nur zögernd Dem entgegen, der doch am Schwer- sten ander Heimsuchung trug. Selten hat ein junger Herrscher eine schwerere Bürde der Pflichten übernommen, niemals aber ist ein solcher an seinen verantwortungsvollen Beruf gegangen gegen eine so gewaltige Strömung des Mißtrauens und arger Verkennung als der Enkel Kaiser Wilhelms I.
Vor den Augen der Welt liegt im Sonnenlichte der Gegenwart das Sinnen und Trachten des jungen Herrschers, der in allem und jedem an das Werk seines entschlafenen Großvaters anzuknüpfen zum leitenden Grundzug seiner Regierung erkoren hat. Des sind vor allem die jüngst vergangenen Tage Zeuge, daß er jene Aufgabe, welche die letzte, innigste Sorge des Kaiserlichen Patriarchen gewesen ist: Frieden zu stiften unter den Gliedern des Volkes, die scharfen Gegensätze der gesellschaftlichen Ordnung zu mildern, Not zu lindern und der Begehrlichkeit Schranken zu legen, aber gerechtem Anspruch Genüge zu schaffen — daß er diese Mission mit jugendkräftiger Energie weiterzuführen entschlossen ist.
Gestern bettete man den großen Kaiser an die Stätte, die er selbst bestimmte, an die Seite seiner verklärten Eltern. Künstlerhand hat sich emsig geregt, um dem großen Entschlafenen den Ruheplatz würdig zu bereiten. Aber treuer als Marmor und Erz zeugt die Liebe, daß das Gedächtnis an Kaiser Wilhelm nicht erlöschen wird und nicht erlöschen kann im Wandel der Zeiten. Zu einer heiligen Pilgerstätte wird jener schlichte Tempelbau im düsteren Fichtenhaine, der gestern erschlossen ward, für jeden Deutschen
werden. Und wer von hier, aus weltentrückter Stille, zum fluthenden geräuschvollen Leben seine Schritte lenkt, der nimmt gewißlich den Vorsatz mit sich, zu seinem Teile zu schützen und zu schirmen, was der große Herrscher, der hier von gewaltigem Erdendasein ausrastet, in segensvollem Mühen ge sch affen hat. Und jedesmal, wenn der 9. März wieder heraufzieht mit seinem ernsten Bedeuten, mahne er aufs neue zur Einigkeit und zu einträchtigem Gelöbnis die Segnungen zu erhalten, die von Kaiser Wilhelm ausgingen und die fortdauern werden, so lange Deutsche sich in seinem Namen zusammenfinden!
Deutsches Reich. '
— Der Kaiser hatte am Samstag Nachm, eine einstündige Besprechung mit dem Kanzler. — Die Hamb. Nachr. verzeichnen ein in Berlin verbreitet gewesenes Gerücht, wonach die Herren Munkel und Virchow vom Kaiser zum Essen eingeladen worden seien. Das Blatt sagt, schon, daß Derartiges erzählt werde, kennzeichne die Verwirrung der öffentlichen Meinung über die Lage. Zu den Bemühungen der Freisinnigen und Klerikalen, ihre Stunde als gekommen hinzustellen, meinen die Nachrichten, es fehle nur noch, daß auch Bebel mit dem gleichen Anspruch auftrete. — Ueber die angekündigten Mehrforderung e n für Militärzwecke schreibt die von einem Teil der sreisinn. Partei herausgegebene Liberale Korresp.: Wie von anscheinend unterrichteter Seite verlautet, würden nicht weniger als 60 Batterien Feldartillerie, abgesehen von den erforderlichen Pionier- und Traintruppen, verlangt werden.
— Präsident v. Levetzow soll nach der „Königsberger Allgemeinen Zeitung" bei den Verhandlungen des Staatsrats privatim erklärt haben, daß er nicht geneigt sei, im neuen Reichstage die Wahl zum Präsidenten anzunehmen.
KeuMeton. ^»ruck
Nach hartem Ringen.
Roman von L. Dohrmann.
(Fortsetzung.)
„So steht Ihr wohl mit Geistern in Verbindung, die Euch die Geheimnisse aller Menschen ins Ohr flüstern?" fragte sie ironisch.
Ein tückischer Blitz schoß aus den Augen der Alten auf die kecke Sprecherin.
„Vielleicht; Ihr werdet es ja sehen, wenn Ihr mir Eure Hand zeigen wollt," versetzte sie beißenden Tones.
Lachend streckte Helene ihr die kleine, weiße Reckte entgegen.
„Seht und verkündet, erhabene Prophetin," spöttelte sie, „hebt den Schleier von meinen Blicken!"
In den Augen der Alten blitzte es zum zweiten Mal unheilvoll auf.
Sie ergriff die schmale Hand und schaute forschend in dieselbe hinein. Trotz ihres Unglaubens prägte sich Erwartung in Helene's Antlitz aus und aufmerksam lauschte sie den Worten der Sibylle, als diese in dumpfem, beschwörendem Tone anhob:
„Viel Kummer und Leid steht Euch bevor, vergrößert durch eigene Schuld. Trotzig lehnt ihr Euch gegen das Schicksal auf, aber dasselbe demütigt Euch doch und dann, — wenn Ihr durch das Unglück geläutert worden seid, — dann wird das Glück Euch noch einmal die Hand bieten und auf Euch selbst wird es ankommen, daß Ihr es ergreift —"
Sie stockte jählings; mit heftiger Bewegung hatte Helene ihr die Hand entriffen-
„Da — nehmt den Lohn für Eure Lügen und geht!" rief sie unwillig, der Alten, aus deren Gesicht höhnischer Triumph leuchtete, ein Geldstück zuwerfend.
„Lügen, mein Täubchen? Hihi, werdet es ja sehen, werdet noch an die Worte der alten Sarinka denken! Und Ihr, mein Goldkindchen?" wandte sie sich Margarethe zu.
Mit einer Geberde des Abscheus kehrte diese sich heftig ab und entfernte sich mit solcher Hast, daß Helene Mühe hatte, ihr zu folgen, indes das widerliche Lachen der alten Zigeunerin ihnen nachhallte.
Erst als das Haus in Sicht war, mäßigte Margarethe ihre Schrille.
„O, Hella, Du hättest es nicht thun sollen," sprach sie mit zuckenden Lippen.
„Weshalb nicht?" ftagte diese lachend zurück. „Zweifelst Du denn, einen Augenblick nur daran, daß der ganze Orakelspruch etwas Anderes zu bedeuten'hatte, als sich für meinen Spott zu rächen?"
Sie hatten eben den väterlichen Garten erreicht, den betretend sie bemerkten, daß auf der Veranda mehrere Personen Platz genommen hatten.
„Ah, eS ist Besuch gekommen. Wer mag es sein?" fragte Margarethe.
Helene blickte forschend nach dem Hause hin und antwortete dann bestimmt:
„Jener mit dem Rücken hergewandte Herr ist der Herr Geheimerat Brauns, und, ich wette, der, welcher neben Mama sitzt, ist der Baron Baldern."
Als habe der elegante, junge Mann, dem die letzte Bezeichnung galt, die Nennung seines Namens gehörte, so schweifte dessen suchender Blick fast in demselben Moment über den Garten hin. Die beiden jungen Mädchen erspähend, erhob er sich und eilte mit elastischen Schritten den Herankommenden entgegen, sie strahlenden Blickes begrüßend.
„Willkommen, Herr Baron!' sprach Margarethe freundlich. „Ihre Gegenwart beweist, daß Sie uns während unserer Abwesenheit nicht vergessen haben."
Aus den hübschen, offenen Zügen des jungen Mannes sprach die lebhafteste Freude, dennoch blickten seine braunen Augen Margarethe mit leisem Vorwurf in das liebliche Antlitz.
„Wenn Sie wüßtm, gnädiges Fräulein, mit welcher Sehnsucht ich Ihrer Rückkehr harrte, Sie würden nicht glauben können, daß ich Ihrer in den wenigen Wochen nicht zu gedenken im Stande wäre! Gerechtfertigter wäre meinerseits die Furcht, daß Sie in dem buntbewegten Wechsel des Badelebens Ihre alten Freunde vergessen würden."
(Fortsetzung folgt.)