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Fernsprecher Nr. 29. 87. Jahrgang. Fernsprecher Nr. 29.
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Beilagen: Plauderftiidchen, Muftr. SonniapsblaS und
Schwäb. Landwirt.
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Mtiwoch, dm 16. April
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Deutscher Reichstag.
Berlin, 15. April. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr. Die zweite Beratung des Etats des Auswärtigen wird fortgesetzt. Staatssekretär von Iagow bespricht den Zwischenfall in Nancy mit dem Ausdruck des Bedauerns, falls sich die Meldungen des Wolff'schen Bureaus bestätigen sollten (Zustimmung). Der Vorgang wäre ein erneuter Beleg für die chauvinistischen Treibereien, von denen der Reichskanzler sprach. Der Botschafter in Paris Hai Anweisungen erhalten, die französische Regierung um Aufklärung zu ersuchen (Beifall) und eventuell Vorstellungen wegen mangelnden Schutzes von Deutschen zu machen. Die Resolution betr. den Zugang zum diplomatischen Dienst werde ich prüfen. Dem Borwurf, daß für die Am wähl der Diplomaten die Protektion maßgebend sei, mutz ich w!de.sprechen. (Lachen links). Ohne jedes eigene Vermögen werden die Diplomaten nicht auskommen, es sei denn, daß man ihnen abnorm hohe Gehälter zahlt im Widerspruch mit den sonstigen Besoldungen und mit den Bezügen der Diplomaten in anderen Ländern. Wissenschaftliche Kurse soll n eingeführt werden: im übrigen werden alle Wünsche aus Neuerungen geprüft werden. Etwaige Mängel sollen abzeftellt werden. Dr. Oertel tritt für Erleichterung des Zugangs zum diplomatischen Dienst ,in: nach der ersten Ueberraschung hat die deutsche Diplomatie die Vorgänge ans dem Balkan richtig behandelt. Die deutsche Politik soll mit allen Zukunftsmöglichkeiien rechnen und sich die Zukunft nicht verbauen lassen. (Sehr wahr.) Wertvoll ist, daß unsere Beziehungen zu Rußland und England korrekte bleiben. Das Volk verlangt dringend eine Aufklärung über die Dorgänge in Luneville und die Durchsuchung des Luftschiffes. Ist jemals ein Franzose in Deu schland so behände!! worden, wie die Deutschen in Nancy? Lcdebour (Soz.): Die Wahrheit betr. Nancy muß festgestellt und evtl, für angemessene Sühne gesorgt werden. Unser amwärtiger Dienst muß gebessert werden. Der Türkei muß Gelegenheit gegeben werden, sich in ihrem astatischen Besitz zu einem modernen Staat zu entwickeln. Der Redner wird wegen einer Bemerkung bezüglich Anzettelung von Verbrechen öurch den Zaren und seine Helfershelfer zur Ordnung gerufen; dies zum zweitenmal wegen schwerer Beleidigung des Kaisers bei Besprechung des Falles Sohst. Prinz zu Schönaich-Carolath wünscht Aufklärung über den Niedergang des Z 4 bei Luneville. Er begrüßt die besseren Beziehungen zu England, tadelt aber ei» Nachlausen und hofft auf guten Eisolg der Fliedensarbeit. Dr. Müller- Meiningen (F.B.) verlangt ein interna tonales Lustrecht und strenge Sühne für Luneville, mehr Aufwendung für die Schulen im Ausland und baldige Anerkennung der chine- fischen Republik. Unterstaalesekretär Zimmermann ist gut unterrichtet über China, jedenfalls besser als der Bor- redner, der auf die Berichterstattung von Klatsch und Tratsch aufbaute. Er nimmt dir Diplomatie in Schutz. Bizepräs. Dr. Paasche spricht den Wunsch aus, daß eine solche Tonart einem Abgeordneten gegenüber nicht zum Brauch wird. Abz. Herzog (W.Bgg.) ist mit der deutschen Politik in der Balkanangelegenheit einverstanden. Abg. Dr. Pfeiffer (Z.) verlangt angesichts des französischen Chauvinismus Sühne für Nancy, Ausklärung bezüglich des Z 4 und ein Weißbuch über die Balkanoerhandlungen. Staatssekretär Zimmermann gibt eine Erklärung ab, daß er nur den objektiven Wert der Informationen des Abg. Müller-Meiningen kritisiert hat und behält sich das Recht hiezu vor. Dr. Paasche (natl.) hält größeren Einfluß auf das Schulwesen in China als notwendig, besonders bezüglich des Ausbaus der Hochschulen. Staatssekretär Iagow macht Anspruch darauf, daß seinerseits Verwahrung eingelegt werde in einer Angelegenheit der auswärtigen Politik, wenn das zur Abwehr eines Angriffs im Interesse der Pflege der Beziehungen zu anderen Dölkem notwendig erscheint. Es folgten noch kurze Bemerkungen der Abg. Dr. Weil! (Soz ) und Ahlhorn (F.B.), worauf Unterstaatssekretär Zimmermann kurz antwortet. Spahn (Z.) verlangt für die chinesischen Schulen Einführung der deutschen Sprache als obligatorischen Untercichtsgegenstand. Nach weiteren Ausführungen der Abqg. Dove und Müller-Meiningen (F. B.) vertagt sich das Haus auf morgen nachmittag 1 Uhr. T.-O.: Fortsetzung der heutigen Beratung. — Präsident Dr. Kämpf kündigt an, daß in der nächsten Woche eine oder zwei Dauer- oder Abendsttzungen abgehalten werden.
* -ft
* Berichtigung. Im gestrigen Reichstagsbericht ist in Spalte 1 Zeile 9 von unten nach dem Wort Völker« frieden als Redner Fürst zu Löwenstein-Werthetm- Rosen berg (Ztr.) einzufügen.
Vom Landtag.
r Stuttgart, 15. April. In ihrer heutigen wegen vorausgehender Fraktionsbesprechungen erst um Uhr begonnenen Nachmittagssttzung begann die Zweite Kammer die Beratung des Gesetzentwurfs über die Erhöhung der Zioillifte des Königs. Er wurde auf Wunsch der Regierung und aus Antrag Kiene (Z.) mit den Stimmen aller bürgerlichen Parteien gegen die der Sozialdemokraten dem Finanzausschuß überwiesen. Nach einer kurzen Begründung durch den MinisterpräsidentenDr.v.Weizsäcker legte namens der Sozialdemokratie Keil (S.) die Gründe dar, aus denen seine Partei den Entwurf grundsätzlich ablehnte. Er stehe in Widerspruch mit der Landerverfammlung. und wolle lediglich eine glanz-und prunkvolleInstilution unterstützen. die dem allgem. Bolksinteresse keinen Vorteil bringe. Jede Mehrausgabe auf sozialem und kulturellem Gebiet sei in letzter Zeit auf großen Widerstand gestoßen. Auch die bürgerliche Demokratie müßte dem Entwurf ihre Zustimmung versagen. Wenn die Sozialdemokratie auch nicht für eine bürgerliche Republik schwärme, so lehne sie diese Vorlage doch entschieden ab. und es werde nicht ihr Schaden sein, wenn sie in ihrem Widerstand allein bleibe. Der Ministerpräsident knüpfte an die Aeußerung an und erklärte, die Keil'sche Rede zeigte wenigstens offen, wie er und seine Parteifreunde von dem Eck- und Grundpfeiler des Württemberger Landes denken. An der weiteren Debatte beteiligten sich noch der Abg. Dr. v. Kiene (Ztr.), Finanzminister v. Geßler und der Abg. Ke l (S.). Sodann wurde dis zweite Beratung des Kultetats wieder ausgenommen. Die Erörterungen drehten sich ausschließlich um einen Antrag Wieland und Genoffen, in Anbetracht der erheblich gesteigerten Anforderungen an die Berufskreise, die ihre Ausbildung aus der technischen Hochschule erhalten, ein Erweiterung der allgemeinen Lehrgebiete an dieser Hochschule insbesondere nach der Richtung ins Auge zu fassen, daß die Ausbildung in den Handelswiffenschasten an ihr ermöglicht werde. Wieland (DP) begründet den Antrag, Remdold-Aalen (Z), Fischer (B), Schaidle (BK). Betz (B) und o. Gauß (B) erklärten ihre Zustimmung, wenn auch teilweise mit einigen Einschränkungen, wie sie insbesondere in den Ausführungen des Kultministers Dr. v. Habermaas zum Ausdruck kamen, der feststellte, daß die anderwärts gemachten Versuche mit der Errichtung einer handelspolitischen Abteilung an einer technischen Hochschule nicht gerade zur Nachahmung ermutigen und daß das Verlangen nach einer besseren Ausbildung lediglich von den jüngeren Handelsschuilehrern, nicht aber von den kaufmännischen Kreisen selbst gestellt wird. Bon der Errichtung einer Handelshochschule könne vollends in dem Augenblick nicht die Rede sein, in dem eine andere Hochschule,, die tierärztliche, aufgehoben wurde. Den Plan der Gründung einer Württemberqischrn Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften erklärte der Minister für eine private, von Tübingen auegeganqene Anregung, bei der sich das Ministerium jeder Einwirkung enthalte. Schließlich wurde der Antrag angenommen und sämtliche Titel des Kapitels 62 genehmigt. Morgen Dormittag 9 Uhr Weiterberatung des Kultetats.
TageS-Nerrigkeite».
Aus Stadt und Amt.
Ragotd. 16. April 1913.
Zur Kaiserspende.
Unter diesem Sammelwort erzählt Dr. Theodor Heuß nachstehende Geschichte, deren Moral recht fein zwischen den Zeilen hervorbtitzt: Wir waren fast im Unfrieden geschieden, mein Freund H. und ich. Bor seiner Geschäftsreise nach England und Amerika war. zunächst in kleineren Kreisen, die erste Nachricht aufgetaucht, daß für die Mission in den deutschen Kolonien „gespendet" werden solle. Mein Freund war außer sich: ungeschickt, verdreht, unpopulär waren die bescheidenen Worte aus seinem Aergerlexikon. im Hinter- grund lauerten schlimmere. Ich bot alle Beredsamkeit gegen ihn auf, nach berühmtem Muster der Reihe nach auf'Verstand. Gefühl, Willen wirkend. Alles umsonst. Er dampfte ärgerlich, sehr ärgerlich ab. Bor erst 8 Tagen kommt eine Postanweisung mit 100 „für die Mission in den deutschen Kolonien"; gestern kommt er selbst. Mein Dank mochte ihm als Frage erscheinen. Ja. weißt du, Alterle, sagte er, die drüben über dem Kanal haben mich bekehrt. Kam da so von ungefähr bei dem Geschäftsfreunde die Rede auf unsere „Kaiserspende", so schwieg ich fein still, geschimpft Hab' ich ja bei dir genug, draußen tu ich das nicht über uns. Aber denk dir mein Erstaunen: nicht nur ganz in der Ordnung
fanden ste's; mehr als einer meinte, so was Kolonialvernünftiges hält' er den Deutschen gar nicht zugetraut. Und dann nannten sie dieselben Gründe, die ich dir nicht abgenommen hatte, ich will sie dir nicht wiederholen — von der wirtschaftlichen, der politischen, der moralischen Bedeutung der Mission. Am meisten Eindruck haben mir die amerikanischen Kausleute gemacht, die bei unserer Versammlung waren: was die von China erzählten, vom Einfluß ihrer Bereinigten Staaten dort und wie dies ganz unmöglich so hätte kommen können, ohne die stille Pionierarbeit der Missionen. Nur das auch will ich dir noch offen gestehen: ich merkte, daß wir ihnen unrecht tun, wenn wir ihre Mtssionsarbeit in der Hauptsache doch als „Geschäft" ansehen würden. Nicht nur die Missionare selbst tun'» aus einem tieferen Grund, auch sie selbst, diese Geschäftsleute waren weithin durchdrungen von der inneren Macht und Wahrheit unserer christlichen Kultur, und, warum so> ich's nicht sagen, zuletzt des Evangeliums. Freund, schloß er. ich Hab' dich jetzt erst verstehen lernen: Wir Deutsche haben von den alten Kolontaloölkern was zu lernen, und wenn Kaisers Geburtstag Anlaß wird, in der Kolonialschule eine Klaffe vorwärts zu kommen, so haben wir Grund gehabt, ein Jubiläum zu feiem.
Der Frostschaden.
Auch wenn man weiß, daß erfahrungsgemäß die ersten Nachrichten über Weiterschäden, wie sie auch jetzt wieder aus dem ganzen Lande eingelaufen sind, unter dem frische« Eindruck des Naturereignisses leicht zu Uebertreibungen neigen» ist doch nicht zu verhehlen, daß der Echneesturm am Samstag und die beiden scharfen Nachtfröste zum Sonntag und zum Montag eine Katastrophe für unsere engere Heimat und insbesondere für die milderen Landstriche bedeutet.
Wohl hört man von mancher Seite, daß sich vielleicht noch einiges Hereinbringen wird, wenn bald dauemd warme» Wetter eintreten würde, aber selbst hiefür besteht zunächst keine Aussicht, da die Wetterlage vielmehr für die nächsten Tage weiteren Frost befürchten läßt.
Was zunächst den Temperatursturz anbetrifft, so ist de« bisherigen Meldungen ergänzend nachzutragen, daß die Nacht zum Sonntag ln Münsingen 12 bis 13 Grad R. unter Null ergab. Das will auf der rauhen Alb nicht viel besagen. wenn man hört, daß in dem milden Knlttlingen OA. Maulbronn 8 bis 9 Grad, oder in Großheppach OA. Waiblingen 8 bis 10 Grad Kälte gemessen wurden, und daß das Thermometer auch im Remstal dis auf 8 Grad unter Null gesunken ist. In Tübingen (Ammertal) wurden am Samstag abend 10 Uhr 8, um 11 Uhr 9 Grad Kälte gewesten; Sonntag morgen zeigte die Quecksilbersäule auch 8 Grad unter Null.
Leber das Schtcksal der Kirschenernte herrscht denn «uch nirgends mehr ein Zweifel. Die bereits in voller Blüte stehenden, zum Teil sogar schon verblühten Bäume werde« Heuer keinen Ertrag bringen. Einzelne Orte im Remstal» die fast Vt Million Mark von einer guten Kirschenernte einnehmen, und die Bezirke Nürtingen und Kirchheim, die gleichfalls im Lenninger- und Neufsenertal große Kirschenkulturen haben, erleiden dadurch einen ungeheuren Ausfall.
Aber auchjder Weinstock hat zweifellos gelitten. Zwar heißt es aus einzelnen Bezirken wie Heilbronn, die Gescheine seien noch nicht so weit entwickelt, daß sie von der Kälte Schaden gelitten hätten, aber hier ist offenbar der Wunsch zum Vater des Gedankens geworden, denn au» anderen bevorzugten Weinbauorlen, wie Untertürkheim, wird zuverlässig berichtet, daß gerade an den guten und bessere» Lagen die Augen zum Teil in der Wolle erfroren feie» und daß die Üage für unsere Weingärtner schon heute al» sehr ernst anzusehen ist. Freilich, die letzten Hoffnungen find nicht vernichtet, aber es wird sich, wie von sachverständiger Seite mitgeteilt wird, bald zeigen, daß ein guter Teil de» erhofften Herbstertrages schon heute verloren ist.
Auch Frühbirnen, Zwetschgen, Pflaumen, Aprikosen. Pfirsiche und die frühen Apfelsorten müssen mehr oder weniger als vernichtet qelten. Im Unter lande sind oußerde« Gartengewächse und Gemüse, Johannisbeeren, Erdbeere« usw. schlimm weggekommen. An manchen Stellen hat man die Odstbäumc mit Tüchern gegen die Kälte zu schützen gesucht, doch sind die Blüten selbst untcr den Tüchern erfroren; Knospen und Blüten, alles ist schwarz.
Die späten Obstsorten dürften weniger gelitten haben, sodaß namentlich auf Moslobst noch gehofft werden darf.
Es klingt wie eine grausige Ironie, daß am Samstag die Skifahrer bei bis zu 20 om tiefem Schnee nochmals zu ihrem Recht gekommen sind und lm' Echwärzwald die Schlitten hervorgeholt Wurden und die vom Wettersturz weniger betroffenen Bewohner der rauheren Landesteile mit fröhlichem Geläut dahinfuhren, während in den von der