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87. Jahrgang.
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Montag, den 14. April
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Spionage eines österreich. General- stabs-Offiziers zu Gunsten Rußlands.
Wie«, 11. April. Ungeheures Aussehen erregt in hiesigen po'.iiischen und militärischen Kreisen die Verhaftung des österreichischen Generalstabs-Osfiziers Zydomir Iand- ritsch, der zusammen mit seinem gleichfalls verhafteten Bruder im Verein mit andern Personen sür Rußland Spionendienste geleistet hat.
Am Sonntag, den 7. April, verhaftete die Polizei den früheren Offizier Alexander Iandriisch in dem Augenblick, als er ins Ausland abreisen wollte. Bei riner Haussuchung crgab sich soviel belastendes Material, daß auch sein Bruder Zydomir Iandriisch, der Oberleutnant im 2. bosnisch-herzegow'nisch.'n Infanterie-Regiment ist und auf zrvei Jahre zu: Kriegsschule abtrommandlert war, verhaftet wurde.
Oberleutnant Iandriisch wurde auf Verwendung des Sohnes des Chefs des österreichischen Generalstabes, Frhr. Konrad von Hötzendors, dem Generalstabe zugeteilt und in die Kriegsschule ausgenommen. Iandriisch. der bei seinen Vorgesetzten sehr beliebt war. fand Verwendung bei besonders vertraulichen Arbeiten des Generalstabes, die er größtenteils sogar zu kopieren hatte.
Seine Stellung im Generalstab hat Zydomir Iandriisch dazu ausgenutzt, um mit Rußland in Verbindung zu treten. Ueder die Einzelheiten des Verlrauensbruches wird strengstes Stillschweigen bewahrt, aber es steht fest, daß noch eine Reihe sensationeller Verhaftungen bevorstehen.
Der Verdacht der Spionage lenkte sich zuerst auf den Bruder des Oberleuinants, der großen Aufwand trieb und ein luxuriöses Leben führte, chne daß er die Mittel dazu besaß. Die ganze Affäre erregt um so peinlicheres Aussehen, als es gerade ein Generalstabsoffizier, der so großes Bettrauen genoß, ist, der sich zu den Spionagediensten zu Gunsten einer fremden Macht hergegeben hat.
Deutscher Reichstag.
Schluff der ersten Lesung der Deckungsvorlage.
Berlin, 12 April. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 11.20 Uhr. Abg. Gothein (F. B.): Durch die Ausgabe des vielen Paplergeldes gehen wir Berhält- . nissrn emgegen, die schließlich zum finanziellen Zusammenbruch führen müssen. Zahlreiche junge Leute werden der wirtschaftlichen Arbeit entzogen, was einen ungeheuren Pro- duktlonsausfall bedeutet. Um zu einer dauernden Gesundung unserer Finanzen zu gelangen, ist die Eröffnung einer ReichsZelmögenssteuer notwendig, in die auch die Einkommen bis wenigstens 10000 ^ herunter einbezogen werden müssen. Bayer. Ministerialrat Wolf erwähnt auf eine diesbezügliche Bemerkung des Vorredners, er hoffe nur. daß überall der
I Bermögensbeitrag mit der Zuverlässigkeit festgestellt werden kann wie in Bayern. Abg. Behrens (W. Dgg.) die Entziehung der Arbeitskräfte ist für die Arbeitgeber von außerordentlicher Bedeutung ; sür die Arbeiter bedeutet diese Entlastung des Arbeitsmarktes nur einen Vorteil. Der Wehrbeitrag muß gerecht auferlegt werden, die untere Grenze der Vermögensabgabe sollte auf 30 000festgesetzt werden. Es müsse Rücksicht genommen werden bei der Landwirtschaft bezüglich Werlermittelung der Liegenschaften, bei Fest- stellung des Betriebsvermögens, darauf ob der Betrieb rentabel ist, ferner auch auf die kinderreichen Familien. Daß die Fürsten an dem Wehrbeitrag teilnehmen ist für uns selbstverständlich.
Reichskanzler v. Bethmanu-Hollweg:
Ich habe den Eindruck, daß der Reichstag und mit ihm die verbündeten Regierungen gleichermaßen erfüllt find, von der Größe der Aufgaben, die uns gestellt sind und durchdrungen von dem Gefühl der Verantwortung für unsere Rüstungen und für unser Finanzwesen. Wir sind gerne bereit die kritischen Vorschläge anzunehmen, aber Sie werden nicht erwarten, daß wir sie alle billigen. Wir legen die gesamten einmaligen Kosten in Höhe von einer Milliarde auf den Besitz und von den lausenden Kosten soll der Besitz mehr als die Hälfte tragen. Eine Reichsoermögensfleuer ist eine Abkehr von Bismarcks Wegen, der die Etnzelstaaten nicht ausschatten wollte. Ich möchte dringend davor warnen. Die Steuersysteme der Einzetstaaten würden vollständig verwirrt, damit wäre der Anfang gemacht, der zum Zusammenbruch der Einzclstaaten führen kann. Mit der Reichsvermögenssteuer würde man eine einheitliche Besteuerung i,n Reich nur erlangen, wenn man die ganzen Steuersysteme umstößt. Bon der Besitzsteuer ist das Heil sür unsere Finanzen nicht zu erwarten. Wir dürfen uns nicht verweichlichen lassen, wir müssen hart bleiben und uns wehren. Wi' wollen die Stärke unseres Vaterlandes und den Frieden. Hierfür sind Opfer notwendig. Ich bitte um Bewilligung der Mittel dafür, sie werden gut angewandt sein. (Lebhaftes Bravo).
Abg. Bruhn (Rsp.): Wie werden nicht zu gesunden Finanzen kommen, wenn wir nicht dem Reich eine direkte Steuer geben; wir hoffen, daß in der Kommission etwas brauchbares zustande kommt. Abg. Segitz (Soz,) verlangt eine direkte progressive Reichseinkommcnsteuer. Das Haupl- interesse konzemriert sich für uns darauf, von den arbekenden Klassen neue Lasten fernzuhatten. Abg. Arendt (Rchsp.): Man sollte cs sich angesichts der großen Opfer Über- legcn, ob der verdoppelte Kriegsschatz nicht doch unter einem Vorbehalt der Reichsbank zur Erleichterung des Verkehrs einv.rleibt werden kann. Südekum (Soz.): Die Rede des Reichskanzlers war gegen die Redner derjenigen Parteien gerichtet, die eine Reichsvermögenssteuer befürwortet haben. Seine Warnung findet ober bei uns taube Oh-en. — Darauf wird die Vorlage der Budgetkommissson über
wiesen. — Nach Erledigung einer Reihe von Petitionen vertagt sich das Haus auf Montag nachmittag 2 Uhr. T.-O.: Etat des Auswärtigen, des Reichskanzlers und der Reichskanzlei. — Schluß ^5 Uhr.
Vom Landtag.
p Stuttgart, 12. April. Zu Beginn der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wurde zunächst die Abstimmung über verschiedene Anträge zur Erhöhung der Bezüge der unständigen Lehrer vorgenommcn. Der Antrag Eisele (B.) auf Uebernahme der Lasten des Mehrbetrags sür die höheren Schulen wurde gegen die Stimmen der Bolkspartet und der Sozialdemokratie sowie eines Teils der National- liberalen abgelehnt. Dagegen wurde der wettere Antrag Eisele, die Mehrbelastung für die Volksschulen auf die Staatskasse zu übernehmen, mit 48 gegen 40 Stimmen angenommen. — In der fortgesetzten Beratung des Kult- etats wurde bei Kapitel 56 (Universität) eine ziemlich lebhafte Debatte über die Berücksichtigung der Homöopaihie an der Universität Tübingen gepflogen. Namentlich von Seiten der Sozialdemokratie wurde sür die Berücksichtigung der Homöopathie lebhaft eingetleien, wodurch eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen Sozialdemokratie und Kuliminister heroorgerusen würde, der sich gegen eine Aeußerung des Abg. Tauscher (S.) wandte, der Minister möge den betreffenden Tübinger Professor veranlassen, seine Vorlesungen für die Homöopathie günstiger zu gestalten. Der Minister lehnte dies als einen Eingriff in die Lehrfreiheit ab, ebenso lehnte cr es ab, in die Autonomie des Senats der Universität einzugreifen unter Hinweis darauf, daß die angeregte Schaffung eines Lehrauftrags für Homöopathie Sache de» Senats und nicht der Regierung sei. Der Antrag der Sozialdemokratie, die vorliegende Eingabe von Anhängern der Homöopathie der Regierung zur Berücksichtigung zu übergeben, wurde vom Hause schließlich angenommen. Der Finanzausschuß hatte nur Erwägung bean ragt. — Eine längere Erörterung entspann sich dann noch wegen der vom Abgeordneten Dr. o. Kiene beantragten Verlegung der Landeshebammenschule von Stuttgart nach Tübingen und deren Bereinigung mit der Universität. Die Resolution des Finanzausschusses, in der die Regierung ersucht wird, die Frage zu prüfen und dem Landtag entsprechende Vorschläge zu machen, wurde gegen die Stimmen der Sozial- demokratie angenommen, nachdem die Abg. o. Hieber (N.) Schees (B.) und Körner (B.K.) sowie v. Gauß (B.) sich dafür ausgesprochen hatten. Beim Kapitel „Technische Hochschule" teilte der Präsident mit. daß ein von Mitgliedern sämtlicher Fraktionen Unterzeichneter Antrag aus Erweiterung des Lehrgebicts der Technischen Hochschule, insbesondere was die Handelswtssenschasten anbelangt, ringe- aangen sei. Nächste Sitzung Dienstag 4 Uhr mit der Tagesordnung: Erhöhung der Zivilltfle des Königs.
Msoden Vs dem Lehen PierpM Murgans.
In den Kämpfen um die Eiscnbahr,Herrschaft gegen Fisk und Ioy Gould mußte der wohlerzogene junge Morgan oft die phantastischsten und brutalsten Mittel anwenden. Die Vanderbitts und die mit ihnen verbündeten Morgans suchten der zerstörenden Politik von Jim Fisk und Iay Gmld auf dem Gebiete der Bahnen ein Ende zu machen. In dieser Zeit, anfangs der sechziger Jahre, war der finanzielle Kampf gar oft ein Kampf mir Fäusten und mit anderen körperlichen Gewaltmitteln. So hört man eines T iges, wie der junge Morgan vor einer Generalversammlung der Aktionäre der Aldany and Smquehanna-Bahn, d-e er gerade den Gegnern unter der Nase wcggekauft hc-tie, m t dem Präsidenten der Bahn oben an der zum Bersamm- iuugslokal führenden Treppe steht.
Jim Fisk hatte, wie man wußte, eine Bande gemietet, die die Versammlung stören und die Genehmigung des Verkaufes hindern sollte. In dem Moment, da Fisk, von seinen „Fechtern" gefolgt, die Höhe der Treppe erreicht, tritt der Eisenbahnprästdent vor, packt ihn am Kragen und wirft ihn dis Stufen hinab. Die Flucht von Fisk und den Seimgen ist gefolgt von der Verhaftung des P:8sidrnten durch den zur Erhaltung der Ordnung anwesenden Polizisten, der aber, wbald er mit dem Verhafteten die Straßen erreicht, den Präsidenten durch eine andere Tür wieder ins Haus läßt. Der Polizist war nämlich ein verkleideter Helfershelfer des
vom jungen Morgan ersonnenen Planes.
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Ein anderes Mal gewinnt der junge Morgan durch seine rücksichtslose Taktik eine förmliche Schlacht um den
Besitz eines Tunnels. Aus der von Morgan gekauften Albanylinic hält Fisk mit 500 Mann eine Station und den Eingang eines nahen Tunnels besetzt und macht den Erwerbern die Aufnahme des Verkehrs unmöglich.
Am andern Tunnelende liegt Morgan mit einer gleichen Kraft. Am Abend beschließt Fisk die Eroberung des Tunnels und läßt eine Lokomotive mit zwei Waggons, von feinen Leuten besetzt, einfahren. Kaum zeigt sich dieser Zug am andern Ende, da erfaßt die Leute eine Panik. Gn zweiter Zug, besetzt von Morganleuten, fährt mit vollem Dampf auf demselben Geleise entgegen und hält nicht, trotz aller verzweifelten Pfeifsignale des Fiskschen Maschinisten.
Es erfolgt ein Zusammenstoß, nur gemildert durch die Anwendung der Bremsen, die der Fisksche Maschinist mit aller Kraft anzog. Ohne Rücksicht auf etwaige Verwandele infolge des Zusammenstoßes beginnen die aus drin Wagen auf das Geleise geschleuderten Mannschaften beider Züge einen Kampf mit Stöcken und Steinen und gelegentlich mit Rcooloerschüssen. Erst nach ein paar Viertelstunden eines wüsten Handgemenges, in dem Freund und Feind einander im Dunkeln nicht unterscheiden können, Hot Fisk genug und kommandiert den Rückzuq durch den Tunnel.
Im Geschästslrben war Morgan immer hilfsbereit, wo er fand, daß Hilfe am richtigen Platze war. Don einem kleineren Finanzier Amerikas weiß man, daß er, in eine plötzliche Klemme geraten, an einem Nachmittag, nach Bankenschluß, zu Morgan kam. um Hilfe zu erbitten, die von dem Ausbringen einer halben Million Dollar abhing. Er brachte auf einem halben Bogen Papier seine Vermö- gensaufstellung. die seine Solvenz erwies. Morgan, der den guten Rüs des Mannes kannte, beschick ihn kurz, er
solle am nächsten Morgen auf seine Bank kommen. Al» dies geschah, rief er, ohne sich erst mit Grüßen auszuhalten, einen Beamten herbei und ordnete an, daß dem Hilfes»- chenden ein Scheck auf eine halbe Million zu geben sei.
„Ich danke..begann der Petent.
„Nein," unterbrach Morgan, „ich habe keine Zeit. Guten Morgen!"
Bon hohem Wuchs und fast hundert Kilogramm schwer, war der große Finanzmagnat Amerikas breitschultrig und breiibrüstig mit einem großen Kops auf dem kurzen Hals und einer ungewöhnlich großen und warzigen Nase. Unter einer mächtigen Stirn zeichneten sich seine scharfen Brauen über tiefliegenden Augen. Im Geschäftsleben rücksichtslos und diktatorisch, hat er niemals Bedingungen geändert, die er anbot. Er benutzte seine Macht im Sinne des Frieden», und so war der große Etahllrust nur ein Mittel, um einen Kampf Carnegies mit der übrigen Stahlindustrie zu verhindern, der für Amerika leicht verhängnisvoll hätte werden können.
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Morgan war bekanntlich sehr zurückhaltend und ziemlich schweigsamer Natur, und selten war es möglich, seine Meinung über irgendeine Tagesfrage aus ihm herauszuziehen. Eines Tages wurde er von einem amerikanischen Reporter gestellt, der ihm für ein Interview von fünf Minuten zweihundert Mark bot. Morgan war derart amüsiert über diese Zumutung, daß er sich mit dem Zeitungsmann angelegent- lichst über das Wetter unterhielt. Als die fünf Minute» vorüber waren, gab der R porter dem Millionär den ausbedungenen Preis und wollte sich entfernen, als ihn Morgan fragte: „Warum wollten Sie mich denn mit aller Gewalt sprechen? Sie haben doch von mir nicht das geringste