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Fernspreche? Nr. 29.

87. Jahrgang.

83

Ikreiisg, den 11. April

Deutscher Reichstag.

Erste Lesung der Derkungsvorlage.

Berlin, 9. April. (Schluß). Rcichsschatzsekretär Kühn: Infolge der neuen Hcercsverstärkung steht die Finanzoerwaltung einer außerordentlich schwierigen Aufgabe gegenüber. Bon 1913-1915 sind fast 1300 Millionen auszubringen. Eine Anleihe auszunehmen, war nicht mög­lich, um nicht in den Sumpf der Schuldenwirischast zurück­gestoßen zu werden. Ueber die einmalige Vermögensabgabe mag man verschieden denken. Wir haben geglaubt, den Wehrdeitrag tunlichst einheitlich und einfach zu gestalten. Die Einmaligkeit des Wehrbeitrags ist eines seiner wesent­lichsten Merkmale. Die neuen Stkueroorlagen sollen folgen­den Recht-zustand schassen: die Besitzsteuer wird reichlich 80 Millionen Mark bringen. Für die weiter erforderlichen Einnahmen sollen dienen die Stempclabgaben für Aktien­gesellschaften und Berstcherungsvertröge, lowie das Gesetz über das Erbrecht des Staates. Die Grundwechsel- und Zuckersteuer muß in der bisherigen Höhe noch einige Jahre aufrecht erhalten bleiben. Außerdem sollen, um den größeren geldlichen Anforderungen, die ein Krieg besonders im An­fang stellt, größere Mengen Siibsimünzen für die kleineren Zahlungsmittel geschaffen werden. Mon wird zugestehen müssen, daß versucht worden ist, für cine der größten Aus­gaben aller Zeiten Deckung zu schaffen, ohne das Fundament unseres Finanzwesens zu untergraben, den föderativen Charakter des Reiches anzutasten und Handel und Wände! neu zu belasten. Ich glaube, daß damit die Basis geschaffen worden ist, für das was geschaffen werden muß und wird zur Sicherheit und Größe unseres Vaterlandes. (Lebhafter Beifall). Schluß 5.45 Uhr.

Berlin, 10. April. Vizepräsident Dr. Dove eröffnet die Sitzung um 1.10 Uhr. Generalmajor Wenninger gibt zunächst eine persö-liche Erklärung ob, woran sich Er­örterungen anschlicßen. Die Angelegenheit wird erledigt. Darauf wird die erste Beratung der Deckungs- Vorlage fortgesetzt. Südekum (Soz): Der Nachweis des Reichsschatzsekretärs, daß das deutsche Volk die neuen Lasten tragen könne, ist beim Versuch geblieben. Unter­ernährung und körperliche Ueberanstrengunz haben die Kräfte des Volkes yintangehalten. Kinder- und Frauenarbeit haben zugenommen. Die Sozialdemokratie ist entschlossen, die Lasten der Rüstung auf die Schultern der Besitzenden zu legen. Wir brauchen direkte Reichssteuern, besonders den Ausbau der Reichserschaftssteuer. Dkm schon früher von Dr. David angeregten Wehrdeitrag st hlt die Progression zu Gunsten der großen und Ritseimermögen. Es dürften nicht 118 sondern 300 Milliarden Vermögen vorhanden sein. Die Veranlagung des Vermögens und des Einkom­mens muß von Reichswegen geregelt werden. Sie darf nicht den Cinzelstaaten überlasten bleiben. Speck (Z): Eine Lobpreisung des Wehrbeitrags ist nicht angebracht, da die Gefahr besteht, daß die einmalige Abgabe eine dauernde wird. Es geht nicht an, daß wir im Reichstag Mittel be­willigen und den Einzclstaaten überlasten, die Deckung zu finden. Redner äußert schwerste Bedenken gegen das Ber- mögenszuwachssteuergesetz, die Beibehaltung des Umsatz- stempels und die Ausdehnung des Erbrechts der Staaten, hält dagegen die Aufrechterhaltung der Zuckersteuer für angebracht. Die Kommission wird hoffentlich eine Vor­lage Hervorbringen, der wir zustimmen können. Dr. Paasche (n.): Wir dürfen froh sein, daß unser wirtschaftliches Leben und der Geldmarkt nicht noch mehr durch eine Riesrnanleihe beschwert za werden brauchen. An dem Grundgedanken

Wehrbeitrags halten wir fest. Die Beteiligung der Fürsten ist nach dem Wortlaut der Vorlage selbstverständlich, aber gegen wen ist die Bereiterklärung der Fürsten zum Tra- Z?» der Opfer erfolgt und in welcher Höhe? (Sehr gut!) Die Aufrechtsrhaltung der Zuckersteuer ist praktischer als die Einführung einer neuen Steuer. Die Hauptsache ist. daß eine direkte Belastung des Besitzes bei dieser Borwae eintritt Graf Westarp (Kons.): Wir werden die einmaligen Forderungen der Vorlage bewilligen. Zu einer fortdauern­den Einrichtung kann der einmalige Wehrbeitrag nicht wer­den, da die Vermögenssteuer Sache der Einzelstaaten ist. Wir stimmen dem Reichsschatzsekretür bei. daß der Umweg über die Einzelstaaten einer Reichsoermözenssteuer oorzu- ziehen ist. Zwang gegenüber den Emzelstaaien ist über­flüssig und unrichtig. Redner erklärt sich gegen Ausdehn­ung des Erbrechts des Reichs, hat aber nichts einzuwenden gegen die vorläufige Beibehaltung der Zuckersteuer und den Umsatzstempel. Die Mängel der Talonsteuer sollten bei dieser Gelegenheit beseitigt und eine Börsenumsatzsteuer ins Auge gefaßt werden. Die Deckungsoorlage muß unbedingt vleichzeitig mit der Wehrvorlage verabschiedet werden. Ent­

gegenkommen wird allerseits gezeigt werden. (Leb. Beif.rechts.)

Daraus wird die Wetterberatung auf morgen nachm.

1 Uhr vertagt. Schluß 7.15 Uhr.

Vom Landtag.

p Stuttgart, 10 . April. Die Zweite Kammer setzte in ihrer heutigen Sitzung die Beratung über das Lehrer- Besoldungsgesetz und die Erhöhung der Bezüge der un­ständigen Beamten fort. Den Hauptgegenstand der Erörte­rung bildete die Frage der Heranziehung der Gemeinden zu der Erhöhung der Bezüge der unständigen Lehrer und Lehrerinnen. Während die Regierung die größeren Gemein­den für die Lasten heranziehen will, verlangt ein Antrag des Berichterstatters Dr. Eisele die Uebernahme sämtlicher neuen Lasten für die Volks- und Höheren Schulen auf den Staat. Ein Antrag Rembold (Z.) schlug als Maßstab für die Belastung der Gemeinden, die Höhe des Umlagesatzes vor derart, daß nur diejenigen Gemeinden, die über 10°/o Umlage baden, von allen Lasten befreit sein sollen. Kult- minister Dr. o. Habermaas betonte, daß der Staat den größeren Teil der Kosten auf sich genommen habe. Die in Frage kommenden Gemeinden seien in der Lage, die Lasten zu übernehmen. Zum Kompromißantrag des Zentrums bemerkte er, daß man statt 10°/o auf 12 oder 13°/o hinauf­gehen könne, der Minister sprach sich im übrigen gegen den Zentrumsantrag, wie auch gegen den Antrag Eisele aus. Die Zustimmung zum Zent?umsantrag brachte seitens seiner Partei der Abg. Dr. Wolfs (BK.), diejenige zum Antrag Eisele seitens der Sozialdemokratie der Abg. Lindemann (S.) zum Ausdruck. Der Abg. Baumann (n.) brachte einen Zusatzantrag zum Zentrumsantrag ein. wonach diejenigen Gemeinden von der Beitragsleistung befreit sein sollen, in denen die Slaatssteuer mehr als 15 ^ pro Kopf der Be­völkerung beträgt. Die Abstimmung über die verschiedenen Anträge wurde aus übermorgen verschoben. Dann erklärte sich das Haus auch mit der Neuordnung der Bezüge der unständ. Geistlichen nach den Ausschußanträgen einvelstanden. Eine längere Erörterung entspann sich noch bei den An­trägen, betr. die Eingaben von Beamten und Unterbeamten zum Hauptfinanzetat. Der Finanzausschuß hatte einstimmig den Antrag gestellt, das Haus möge sich grundsätzlich mit der Staatsregierung damit einverstanden erklären, daß eine Aende ung des großen Werks der Gehaltsordnung aus­geschlossen sei. Dieser Auffassung traten sämtliche Parteien des Hauses auch im Plenum bei, mit Ausnahme der sozial­demokratischen Abg. Westmcyer und Hoschko, sowie der volksparteilichen Abg. Roth-Stuttgart, die die Resolution ablehnten. Zum Schluß teilte der Präsident mit, daß den Ständen ein Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes betreffend die Zioilliste des Königs zuzegangen sei. Nächste Sitzung Freitag 9 Uhr.

Tages-Neuigkeitem Aus Gtadt md Amt.

Helferinnen vom Roten Areuz.

Nagold, 11. April 1913.

* Nachdem am Dienstag vormittag eine Vorprüfung vorausgegangen war, wurde am Mittwoch nachmittag als Abschluß des Kurses die erste Prüfung der zwölf hier ausgebilderen Helferinnen vom Roten Kreuz in den Räumen des neuen Schulgebäudes abgehalten. Ihre Majestät die Königin, die Protektorin des Roten Kreuzes, hatte, wie wir vor einiger Zeit meldeten, ihr Erscheinen bei der Prüfung in huldvoller Weise zugesagt: sie traf um ^4 Uhr nachm, im Auto hier ein, begleitet in Vertretung der am Erscheinen verhinderten Palastdame Gräfin von Uxkull Gyllenband von der Hofdame Freiin von Falkenstein, dem Kammerherrn Freiherrn von Raßler und dem Genera! Exzellenz von Bossert. Böllerschüsse er­tönten bei der Ankunft des hohen Besuches. Als Ausschuß- Mitglieder des Landesvereins der Abteilung Helferinnen vom Roten Kreuz waren noch erschienen Freifräulein Helene von Gültlingen-Ludwigsburg, die verdienstvolle Förderin des Helfeiinnenwesens, die mit unermüdlicher Hingabe und Schaffensfreude ihre Kraft in den Dienst der guten Sache stellt und Fräulein Springer-Ludwigsburg. Als Geladene waren ferner erschienen Freifrau von Wöllwarih als Ver­treterin des Diakoniffcnhauses in Stuttgart, die stellvertretende Oberschwester des hiesigen Beztrkskrankenhauses, sowie die Oberschwester des Bezirkskrankenhauses in Calw mit einer dort zurzeit in Dienst stehenden Helferin.

Beim Eintritt in den Saal wurde die Königin emp­fangen vom Bezirksvorstände, Oberamtmann Ko mm ereil s

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Beilage«:

PlauderMbchen,

* Mustr. SonntapMatl und

Schwäb. Landwirt.

1913

und Frau Gemahlin. Ihre Majestät begrüßte die Dame» des Ausschusses mit gewinnender Liebenswürdigkeit und ließ sich den ärztlichen Leiter des theoret. Teiles des Kurses, Medizinalrat Dr. Fricker vorstellen. Der Saal bot ei« anmutiges Bild. Seitlich die zwölf Helferinnen vom Roten Kreuz in praktischen, dabei sehr kleidsamen Gewänder«, umrahmt von prächtigem Blattgrün, in das sich rechts und links die Büsten des Königs und der Königin einfügten, in der Mitte das Rote Kreuz aus weißem Felde, zu ernster Arbeit mahnend. An der Stirnseite des Saales war fol­gender Wandspruch angebracht:

Hoch über allen Völkerfahnen,

Schwingt sein Panier der Menschheit Band;

Es winkt-in schönen Zukunstsbahncn Das rote Kreuz auf weißem Grund.

Als die Königin Platz genommen hatte, überreichte da» kleine in reizende Schwarzwaldtracht gekleidete Töchterchen des Bezirksvorstands Elisabeth Kommerell mit eine« von Schulrat Schott verfaßten hübschen Gedicht einen schö­nen Schwarzwaldstrauß. Das Gedicht lautet:

Set uns mit frohem Munde O Königin, gegrüßt.

Wie freut uns diese Stunde,

In der Du bei uns bist.

Du spendest reichen Segen,

Wohin Dein Fuß auch geht;

Auf allen Deinen Wegen Des Kreuzes Fahne weht.

Des Roten Kreuzes Zeichen Führt Dich heut her zu uns;

Wir machen's uns zu eigen 7

Als Sinnbild unsres Tuns.

Und weil Dein Herz in Treue Das ganze Volk umfaßt,

Geloben wir aufs neue Auch Treu' Dir edlem Gast.

Und weil ich kleines Mädchen Mehr nicht weiß, bitt' ich Dich,

O Königin, unser Städtchen Hab' lieb, und dann auch mich.

Dann bot Ihrer Majestät Oberamimann Kommerell in kurzen, ansprechenden Worten das Willkommen. Er führte weiter aus:Zu dem heute seinen Abschluß findende« theoretischen Kurs hat sich eine stattliche Zahl von Teil­nehmerinnen gemeldet. Einige zu junge Mädchen mutzte« auf später vertröstet werden. Eine Teilnehmerin mußte wegen Krankheit ausscheiden. Seit 20. Januar wurde vo« Herrn Medizinalrat Dr. Fricker in 26 Doppelstunden der Unterricht erteilt. Es ist mit Eifer und Hingebung sowohl von Lehrer wie von Schülerinnen gearbeitet worden. Die heutige Prüfung, die durch die huldvolle Teilnahme Eurer Majestät ein so festliches Gepräge erhalten hat, sott zugleich den Gedanken an die hohe Bedeutung der Bestrebungen des württ. Landesvereins vom Roten Kreuz in weitere Kreise tragen; wir hoffen, daß er heute eine stattliche Anzahl neuer Mitglieder erhält und daß immer in unserer Stadt und in unserem Bezirk die Liebe zum Nächsten sich auch aus dem Gebiete der Pflege der verwundeten und kranken Krieger betätigen wird. Der heutige Festestag wird unseren Helfer­innen ein weiterer Ansporn sein, das was sie gelernt haben zu bewahren und zu vertiefen und zu vervollkommnen. Mit der Unterweisung allein ist es aber nicht getan; die Pflegerin muß sich fleißig üben: und das kann nur durch den Dienst im Krankenhaus geschehen. Gehen Sie mit Mut an die nicht leichte Arbeit und nehmen Sie sich unsere bewährten und aufopfernden Krankenschwestern zum Borbild, die Ihnen gerne mit Rat und Unterweisung an die Hand gehen »erde«. Sie werden ein Gefühl der Befriedigung davon haben, wenn Sie gelernt haben, Ihren leidenden Mitmenschen zu helfen, und wenn Sie sich bewußt sind, im Ernstfälle zum Dienste des Vaterlands gleich ihren Brüdern bereit zu sein und das wird der beste Lohn für Ihre Mühe und Arbeit sein. Ich heiße alle Teilnehmer an dem heutigen Festes­akt herzlich willkommen."

Hierauf-bat der Oberamtsvorstand Ihre Majestät u« die Erlaubnis mit der Prüfung beginnen zu dürfen. Die theoretischen Fragen von Medizinalrat Dr. Fricker um­faßten den ganzen menschlichen Körperbau, wobei jede Helferin eine Anzahl Fragen auf einem Gebiete zu beantwort« hatte. Dabei ließ sich leicht erkennen, daß alle Helferin«« den ganzen Stoff beherrschten. Man hatte seine Freude an diesen wackeren und intelligenten Töchtern «ns «>«