Er hat seinen Degen dem Kommandanten der Belagerungsarmee übergeben. Nach den weiteren Depeschen herrscht in dem brennenden Adrianopel ein Chaos. Die Türken verteidigten mit verzweifelter Tapferkeit den westlichen Stadtteil.
Wie», 27.März. Ueber die Bestürmung Adrianopels wird noch gemeldet: Nachdem gepanzerte Soldaten die Drahtzäune durchschnitten halten, jagten sie wegen der Minengefahr eine große Biehmenge vor sich her. Die betonierten Forts wurden im Bajonettangriff genommen. Auch die Serben, im nordwestlichen Sektor kämpften heldenhaft. Bei Tschataldscha dauert der Kampf ununterbrochen an. Ergebnis und Verluste sind bisher unbekannt.
Philippopel, 27. März. Nach einer „Matin"-Meld- ung begibt sich der bulgarische Berkehrsminister Franghia als Zivilgouoerneur nach Adrianopel. Er wird die Unterbringung der Gefangenen leiten und die Uebergabe Schukri Paschas entgegennehmen. Man erwartet, daß Zar Ferdinand dem Verteidiger von Adrianopel seinen Degen schenken und ihm die Freiheit geben wird.
In Philippopel geht das Gerücht, daß sich unter den Gefangenen von Adrianopel auch der türkische Thronfolger Iussuf Ezzedin befindet. Mit der Belagerungsarmee geraten auch 40 deutsche Offiziere, die als Instrukteure tätig waren, in die Hände der Bulgaren.
r Sofia, 27. März. Infolge der Kapitulation Adrianopels werden die einberusenen Landsturmmänner entlassen werden.
r Sofia, 26. März. Drei Korrespondenten statt eines von jedem Land erhielten die Bewilligung, sich nach Adrianopel zu begeben. Das Hauptquartier ist heute mittag von Dimotika nach Adrianopel abgegangen.
Adrianopel und der Friede.
Wien, 27. März. Der bulgarische Gesandte in Wien äußerte sich über den Fall von Adrianopel folgendermaßen: Der Fall von Adrianopel ist ein neuer Beweis dafür, daß die Türkei unfähig ist, in diesem Kriege noch einen entscheidenden Erfolg zu erringen. Auch sie selbst wird wohl diese Hoffnung aufgegebcn haben. Es ist also mit Bestimmtheit damit zu rechnen, daß der Friede nunmehr endlich zustande kommt, denn ein Hindernis hierfür gibt es nicht mehr und Europa wird erleichtert aufatmm, wenn dem jetzt doch ganz und gar unnützen Blutvergießen ein Ende bereitet wird.
Die Folge» des Falls von Adrianopel.
Sofia, 27. März. Was für Folgen wird die Einnahme von. Adrianopel haben?, wurde ein hervorragendes Mitglied der Regierung gefragt. Der Minister antwortete scharf und mit Nachdruck: „Hoffentlich werden nun die Türken alle Bedingungen der Verbündeten annehmen, wenn nicht, so bringen wir noch 30 Geschütze nach Tschataldscha und marschieren auf Konstantinopel." Er wurde weiter gefragt, warum mit dem Angriff auf Adrian opel so lange gezögert worden sei. Die Antwort lautete: „Wir scheuten vor neuen großen Menschenopfern zurück und hofften, daß die Besatzung wegen Hunger kapitulieren würde. Da aber die Mächte von uns verlangen, daß wir zngleich mit der Annahme der Vermittlung die Feindseligkeiten einstellm sollten, so mußten wir uns zu diesem letzten Druckmittel entschließen.
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Chronik der Ereignisse in Adrianopel.
Wir stellen hier eine Reihe von Meldungen über die Belagerung von Ädrianopel zusammen, die einige Hauptphasen festhalten und beweisen, wie oft man die Eroberung Adrianopels für unmittelbar bevorstehend hielt:
22. Oktober. ^ .
28. Oktober.
8 .
1. Dezember. 10. Dezember. 17. Dezember.
2. Januar. S. Januar.
7. Januar.
Angriffe der Bulgaren auf den Sekior Marasch, die zurückgeschlagen wurden. Einschließung von Adrianopel nach der Schlacht bet Kirktlisse.
3. November. „FM. Ztg." meldet den Fall von Adrianopel. 7. November. Ausfälle der türkischen Besatzung und ArtilleriekLmpse.
November. „Reichspost" meldet, daß in Adrianopel Typhus und Hungersnot herrsche. Adrianopel angeblich in Flammen.
Die Deutschen in Adrianopel wohlbehalten Bulgarien fordert in der Friedenskonferenz Adrianopel.
24. Dezember. Kiamil Pascha erklärt, „keinen Stein von Adrianopel abtreten" zu wollen.
Adrianopel wird nicht verproviantiert.
Die Einnahme Adrianopels wird binnen zehn Tagen erwartet.
Die Botschafter der Großmächte in Konstantinopel suchen die Türkei zum Berzich auf Adrianopel zu bewegen. Sir Edwarl Srey schlägt vor. zwischen den künftiger Grenzen Bulgariens und der Türke! eim neutrale Zone zu bilden, in die Adrianope einbegriffen sein soll.
Eine Teilung Adrianopels zwischen Bulgarier und Türken und die Uebergabe der Stad an Bulgarien unter Borbehalt eines exterri torialen Moscheebezirkes, der zur Verfüg uag des Sultans stehen soll, wird erörtert Die Lage der Festung soll gut, der Geis der Truppen ausgezeichnet sein.
11. Januar. Nach türkischen Meldungen soll in der Festum noch für einen Monat Proviant und Mu nition vorhanden sein.
Die Großmächte raten in einer Kollektivnot der Türkei, auf Adrianopel zu verzichten iva; diese ablehnt.
8. Januar.
10. Januar.
16. Januar.
30. Januar. Die Bulgaren hoffen den Fall Adrianopels in wenigen Tagen herbeizuführen.
4. Februar. Adrianopel im Granaiseuer ; in der Stadt wütet eine große Feuersbrunst.
24. Februar. Schükri Pascha soll der Regierung milgeteilt haben, daß der Proviant höchstens noch für eine Woche reicht.
25. März. Die Bulgaren erstürmen die Ostforts Adrianopels.
Tschataldscha von de» Bulgaren erobert.
r London, 27. März. Die Blätter erhielten eine Mitteilung der bulgarischen Gesandtschaft, daß Tschataldscha von den Bulgaren nach zweitägigen erbitterten Kämpfen genommen worden sei.
r Konstantinopel, 27. März. Die letzten Kämpfe vor Tschataldscha nahmen das Interesse des Stambuler Publikums in hohem Maße in Anspruch. Fortgesetzt treffen aus Anatolien Reservisten und Rekruten ein, die eilig nach Tschataldscha befördert w.rdrn. In türkischen Kreisen glaubt man, daß die Mächte das Ende der militärischen Aktion der Bulgaren, eventuell den Fall von Ädrianopel abwarten, was die Annahme der Fciedensbedlngungen durch die Pforte erleichtern würde.
r Konstantinopel, 27. März. Sicheren Informationen zufolge ist auch die Ortschaft Tschataldscha von den türkischen Truppen geräumt worden. Der Rückzug der Truppen aus Kadikoej soll sich gestern vormittag vollzogen haben. Die Türken sollen in dem Kampfe mit der bulgarischen Uebermacht etwa 200 Tote und 74 Verwundete gehabt haben. Der Rest konnte sich retten. Die Front des linken Flügels scheint jetzt bei Bachtscheischkoej zu stehen. Letzteres liegt vier Kilometer vor Tschataldscha.
r Konstantinopel, 27. März. Sicherem Vernehmen nach sind die hier verbreiteten Nachrichten über eine ungünstige Kriegslage der Türken bei Tschataldscha unrichtig. Ein Teil der bulgarischen Truppen ist schon vor einigen Tagen nach Norden zu abgerückt.
r Sofia, 27. März. Die Vorhut der Bulgaren unternahm heute bei Tschataldscha von neuem einen Angriff gegen die türkischen Truppen und warf sie über den Fluß Karau zurück.
r Konstantinopel, 27. März. Der heutige amtliche Kriegsbericht besagt: Bei Tschataldscha waren gestern die Vorposten unseres rechten Flügels bis zum Abend in einen leichten Artilleriekamps des Feindes verwickelt, doch wurde an diesen Punkten keine feindliche Bewegung von Bedeutung bemerkt. Im Zentrum und auf dem linken Flügel ist alles ruhig. Doch war eine Vorwärtsbewegung erkennbar, der die Höhen westlich von Büjükischekmedsche besetzte, doch wurde diese Bewegung durch das heftige Artillerieseuer unserer Vorposten zum Stillstand gebracht. Das Artilleriefeuer dauerte an diesem Punkte bis nach Sonnenuntergang, ohne daß sich eine Aenderung der Lage ergeben hätte.
Bulgarische Kulturtaten.
Im Namen der europäischen Kultur und zu ihrem Siege gegen die türkische Unkultur haben die Balkanslawen angeblich den Kampf gegen die Osmancn ausgenommen. Einige Proben bulgarischer Kulturtaten gibt der Korrespondent der „Köln. Zig.", der vor Tschataldscha die Ortschaften besichtigt, die die Bulgaren besetzt gehalten Md dann wieder geräumt hatten. Die ganze Gegend ist ein Trümmerhaufen, kahle Mauern zeigen, wo früher der Bahnhof von Tschataldscha stand. Die griechischen (!) Dörfer Oklali und Subaschi wurden geplündert und zerstört, und die griechischen Kirchen als Ställe hergerichtet. Eine ganze Litanei von Klagen trugen die Vertreter der griechischen Bevölkerung vor, und dann wurde als Hauptzeuge ein junger Grieche hereingcführt mit einer schweren Säbelwunde an der rechten Wange und Schußwunden unter dem Herzen. Er erzählte gern seine Leidensgeschichte, wie er mit noch fünf Freunden von einer bulgarischen Abteilung verhaftet und von jedem die Zahlung von zwei Pfund verlangt wurde, die aber keiner von ihnen hatte. Da wurde den Armen erklärt, sie seien Spione; man führte sie aus dem Dorfe, verurteilte sie kurzerhand zum Tode und schoß sie nieder. Nur der Erzähler wurde gerettet, weil er sich tot stellte und nach zwei Tagen sich ms Dorf zurückschleppen konnte. Nach dieser Erzählung erhob sich die griechische Abordnung, küßte dem türkischen Obersten die Hand und bat mich, dafür zu sorgen, daß die Handlungsweise der Bulgaren an die Oeffenttichkeit käme.
Dann wollte ich das türkische Stadtviertel besichtigen. Was sich mir nun darbot, ist schwer zu beschreiben. Ein Stadtteil von vielen hundert Häusem eine einzige Ruine, so schlimm kann Messina nach dem Erdbeben nicht ausgeschaut haben. Ein riesiges Trümmerfeld, keine Mauer steht mehr, die anmutigen Gärten verwüstet, die Obstbäume umgeknickt oder abgehauen. Alles kurz und klein geschlagen. Die türkischen Friedhöfe zerstört, die Steine ausgerissen und umgestürzt. Ein trauriger Anblick — und inmitten eines kleinen Friedhofes ein schöner neuer Marmorgrabstein mit großen Goldlettern ze trümmert, und davor ein aufgewühltes Grab. Hier erzählt mir der Oberst, daß hier eine junge Türkin, die kurz vor dem Einmarsch der Bulgaren gestorben, begraben wurde, von den Bulgaren aber ausgescharrt und die Leiche geschändet worden sei. Dann zeigte man mir den zerrissenen und beschmutzten Koran, drn man in der Nähe der Moschee in einer Dunggrube gefunden hat. — und nachdem ich eine Stunde lang nachdenklich diesen Trümmerhaufen besichtigt hatte, wandte ich mich zu dem vor der Stadt gelegenen christlichen Friedhof. Hier war alles in Ordnung, kein Kreuz zertrümmert oder beschädigt, und in der Mitte des Friedhofes sehe ich ein neues Grab
eingezäunt mit dem Gitter eines heiligen Grabes der Türken, deutlich erkennbar durch seine Verzierungen, und dabei eine Tafel, die anzeigt, daß hier ein bulgarischer Offizier begraben sei. Die Türken haben es gelaffen, sie haben an den Frevlern keine Rache genommen, sie ehren den toten bulgarischen Offizier.
Rom, 27. März. Nach einem Telegramm der „Tribuns" aus Brindisi hat der türkische Kreuzer „Hamidije" San Giovanni di Medua bombardiert und die Stadt vollständig zerstört.
Zinn österreichisch-montenegrinischen Konflikt, r London, 27. März. Das Reutersche Bureau erfährt, daß gestern nachmittag in der Botschastersitzung die Vorschläge Oesterreich-Ungarns über die Grenzen Albaniens formell angenommen worden sind. Die Vertreter der Mächte in Belgrad und Cetinje werden nunmehr Anweisungen erhalten, die montenegrinische und die serbische Regierung von der Entscheidung der Mächte über die Nord- und Nordostgrenze Albaniens zu unterichten. Das Reutersche Bureau erfährt weiter, daß eine Delegation von Kuzowallachen heute von London nach Berlin und Rom fahren wird, um den Mächten die Forderungen der Kuzowallachen hinsichtlich der Garantien in Albanien und in den Gebieten, die in den Besitz der Verbündeten übergehen werden, zur Kenntnis zubringen.
Eine Witze Entscheid!»!« des nm!l. Be» mlinngsgerichtshoss im ZniWssteuergesetz.
Von Rechtsanwalt Dr. Kallee-Stuttgart. r Gemäß Z 1 Abs. 2 des Zuwachssteuergesetzcs wird Zuwachssteuer dann nicht erhoben, wenn der Veräußerungspreis (und im Falle einer Teiloeräußerung der Wert des Gesamtgrundstücks) bei bebauten Grundstücken nicht mehr als 20600 Mark, bei unbebauten Grundstücken nicht mehr als 5000 Mark beträgt und weder der Veräußerst und sein Ehegatte im letzten Jahr ein Einkommen von mehr als 2000 Mark gehabt haben, noch einer von ihnen den Grundstückhandel gewerbsmäßig betreibt. Die Frage, wann die Veräußerung eines selbständigen Grundstücks und wann eine Teilveräußerung oorliegt, ist sehr wichtig, saber auch sehr schwierig zu beantworten. Unbestritten ist, daß die rechtliche Einheit, also die Katasterangabe oder die Parzellennummer nicht entscheidend ist. Denn sonst wäre ja jeder Grundbesitzer in der Lage, das Grundstück, das er veräußern will, so in mehrere Parzellen zerlegen zu lassen, daß jede z. B. bei einem unbebauten Grundstück, weniger als 5000 Mark wert ist. Dann müßte er beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 keine Zuwachssteuer bezahlen. Damit wäre natürlich das Gesetz wieder aufgehoben. Man sagt dabei, als Grundstück fei die „wirtschaftliche Einheit" des Besitzes anzusehen. Damit ist aber sehr wenig gewonnen. Denn es ist naturgemäß sehr schwierig, ?u sagen, was als „wirtschaftliche Einheit" onzusehen ist. Unter unserer Weinbau und Landwirtschaft treibenden Bevölkerung entstand nun nach dem Inkrafttreten des Zu» Wachssteuergesetzes große Erregung darüber, daß von den Zuwachssieuerämtern in der Regel ihr ganzer Besitz als wirtschaftliche Einheit, die Veräußerung eines Grundstücks demnach als Teilveräußerung angesehen wurde. Da die aus dem Grundstück lastenden Schulden nicht abgezogen werden dürfen, wurde die Vorschrift des Z 1 Abs. 2 daher verhältnismäßig selten praktisch. Man wird wohl sagen, daß daß die Auffassung eines weit zerstreuten Besitzes als einer wirtschaftlichen Enheit ziemlich gekünstelt ist. Es ist daher erfreulich, daß unser württembergischer Berwaltungsgerichts- hos in einer (in den Amtlichen Mitteilungen über die Zu- wachssteuer, 2. Jahrgang Seite 216) veröffentlichten Entscheidung dem Begriff der wirtschaftlichen Einheit eine erheblich einschränkende Auslegung gibt. Er sagt nämlich, für diesen Begriff gebe es keine für alle Fälle brauchbare Formel, es seien vielmehr die Umstände des Einzelsalles maßgebend. Entscheidende Bedeutung komme dabei insbesondere zu: dem gegenseitigen Aufeinanderangewiesensein einzelner Parzellen, der örtlichen Gewohnheiten, der historischen Entwicklung und Zusammengehörigkeit, der Ver- kchrsanschauunq. Aehnlich hat auch der badische Verwal- tungsgerichtshos dahin entschieden: als einheitliche Bewirtschaftung sei nicht schon eine gleichartige Nutzung schlechthin anzusehen vielmehr sei erforderlich, daß die Gesamtheit der Parzellen zu einem einheitlichen Wirtschafte betriebe derart vereinigt sind, daß die verschiedenen Parzellen wirtschaftlich auf einander angewiesen sind.
Es ist erfreulich, daß unser württembergischer und der badische Benvaltungsgerichtshos in ihrer Rechtsprechung der von den Zuwachsstenerämtem vielfach beliebt,-n und zwar vom rein fiskalischen Standpunkt aus verständlichen, aber gekünstelten, ausdehnenden Auslegung des Begriffs der wirtschaftlichen Einheit einen Riegel oorschieben.
Häglich kann abonniert werden!
Mutmaßt. Werter am Samstag und Sonntag.
Der Lustwirbel über Südwesteuropa entwickelt Rand- depresstonen, die die Herrschaft des östlichen Hochdrucks beeinträchtigen. Letzterer dürfte sich aber gleichwohl erhalten, weshalb für Samstag und Sonntag zwar zeitweilig bewölktes und ziemlich mildes, aber vorherrschend trockenes Wetter zn erwarten ist.
RN die Redaktion verantwortlich: Karl Paur. — Druck». Vertag der E. W. 3 ai r r scheu Buchdruckers (Smil Zaisrr) Nagold.