ferenz abhängig gemacht werden soll. Man erwartet die alsbalvrge Einberufung des Reichs­tages zur Entgegennahme eines Arbeiter­schutzgesetzes, welches bestem Vernehmen nach im wesentlichen mit den vom vorigen Reichstage ge­faßten Beschlüßen übereinstnmnen wird. Eine gleich­zeitige Beratung der sozialdemokratischen Materie durch die Konferenz und den Reichstag ist nicht aus­geschlossen. Die Teilnahme des Staatsrates an den Vorbereitnngsarbeiten für die Sozialgesetzgebung ist mit den beendigten Beratungen der Abteilungen abgeschlossen; die Berufung des Plenums des Staatsrats findet nicht statt. Daß der Reichstag mit der Frage des Sozialistengesetzes befaßt werden wird, gilt als wahrscheinlich; man nimmt an, daß die verbündeten Regierungen ihre Ansichten über die Zweckdienlichkeit des geltenden Ge­setzes geändert haben, und gibt sich der Erwartung hin, daß bei der Aussichtslosigkeit auch einer ab­geänderten Vorlage die Angelegenheit gar nicht an den Reichstag gebracht werden wird.

Ausland.

Aus Sansibar wird über London ge­meldet, Major Wißmann werde Kilwa erst im April angreifen, wenn die anzuwerbenden 600 Suda­nesen und Geschütze eingetroffen seien. Das Befinden Emin Paschas ist ein derartiges, daß er bereits täglich weite Spaziergänge unternehmen kann.

Die Reichstagsrvahlen.

So haben wir denn gestern die zweite Schlacht in diesem Wahlkriege geschlagen, schreibt, dieW. Ldztg.", wenn wir auch nicht allerorts den erhofften Sieg davongetragen haben, dort, wo der Entscheidungskampf geführt wurde, dessen Ausgange ganz Deutschland mit Spannung entgegensah, dort haben wir das Feld behauptet. Die schwarz-weiß-rote Standarte, die wir 1887 unter Gustav Siegles Führung über Stuttgart aufgepflanzt haben, sie weht auch heute wieder stolz und siegreich über unserer Königstadt und der Ansturm der Heerschaaren, welche unter der roten Fahne wieder uns zu Felde zogen, ist gescheitert. Was uns bei diesem Siege, dessen moralischer Wert gegenüber den Erfolgen unserer Gegner im Lande sehr hoch ange­schlagen werden muß, am meisten mit Freude erfüllt, ist der Umstand, daß sich bei der Stichwahl ein sehr starker Prozentsatz von Anhängern der Volkspartei auf unsere Seite geschlagen hat. Diese Männer haben durch ihre Stimmabgabe bewiesen, daß auch in ihnen noch echter Bürgersinn lebt und daß sie sich diesen nicht durch Parteibefehle trüben lassen, welche von schnödem Egoismus eingegeben sind. Das Honorar für den politischen Selbstmord, den die Volkspartei durch ihr offizielles Eintreten für Herrn Kloß be­gangen, ist ihr von der Sozialdemokratie prompt ent­richtet: über die übrigen württembergischen Stich­wahlen lauten die Nachrichten für uns nicht günstig: als Lehnsmänner der Sozialdemokratie werden die schwäbischen Volksparteiler in den deutschen Reichstag einziehen. Hoffentlich zum letzten Male! Denn ein Erfolg, wie der bei dieser Wahl erzielte, ein Sieg, der

durch die Hilfe des Zentrums und der Sozialdemo­kraten und nirgendwo durch eigene Kraft erfochten wurde, ist nicht geeignet, von der Lebenskraft des Siegers besonders günstig denken zu machen. Der diesmalige Sieg der Demokratie ist ein nochmaliges Aufflackern der letzten Kräfte vor dem Ende und wird den Zusammenbruch der Partei nicht wesentlich auf­halten. Der Feind, den es jetzt nur in einem Wahl­kreise zu bekämpfen galt, der aber sicher bei der nächsten Wahl auch noch in anderen Wahlkreisen uns zu schaffen machen wird, die Sozialdemokratie ist es, deren Bekämpfung von jetzt an unsere Aufgabe sein muß. Und zu ihrer Bekämpfung giebt es die Stuttgarter Wahl hat es bewiesen ein vortreffliches Mittel: Zusammenschluß aller bürgerlichen Parteien!

Stichwahlen.

I. Wahlkreis. Siegle (nat.) gewählt mit 18,349 St. gegen 13,457 für Kloß (Soz.1

II. Wahlkreis. Schnaidt (Dem.) 11,336 St. gegen 9,921 für Veiel (nat.).

III. Wahlkreis. Härle (Dem.) gewählt mit 12,971 St., Ellrichshausen erhielt 11,485 St.

IV. Wahlkreis: Kercher gewähltmit 9,165 St., Göz 8,977 St.

V. Wahlkreis. Weiß (nat.) gewählt mit 11,188 St. gegen Ehni (Dem.) mit 10,186 St.

IX. Wahlkreis. Haußmann (Dem.) ge­wählt mit 11,205 St., Eble (nat.) 10,315 St.

X. Wahlkreis. Speiser (Dem.) gewählt mit 11,853 St., Bare (nat.) erhielt 8,578 St.

XII. Wahlkreis. Pflüger (Dem.) gewählt mit 11,497 St. gegen Keller (nat.) mit 9,078 St.

XIV. Wahlkreis. Hähnle (Dem.) gewählt mit 11,286 St., Fischer (nat.) erhielt 10,371 St.

Karlsruhe, 28. Febr. In Karlsruhe-Bruch­sal siegte Markus Pflüger (d.sr.) mit Hilfe der Sozialdemokraten über Fieser (n.l.) mit 2000 St. Mehrheit.

Mannheim, 28. Febr. Die heutige Stich­wahl zwischen Dissens (n.l.) und Dreesbach (Soz.) ergab für Diffenö 2500 bis 2800 St. weniger, als Dreesbach erhielt, dem die demokratische und ultra­montane Partei zum Siege verhalf.

Lahr (Baden), 1. März. Engler (nat.-lib.) erhielt 8864 Stimmen, Schättgen (Centr.) 10,240 Stimmen; letzterer ist somit gewählt (bisher nat.-lib.).

München. In München I siegte Berk (Soz.) mit 10,348 gegen Sedlmayr (n.l.) 9,179 St.

Darmstadt, 1. März. Das genaue Resultat der Stichwahl ist folgendes: Dr. Osann (nat.- lib.) 12,141, Müller (Soz.) 8897 Stimmen.

Mainz, 1. März. Für Jöst (Soz.) wurden 9566, Nacks (ultr.) 9122 Stimmen abgegeben. Vier Landorte stehen noch aus. Jöst ist mit etwa 300 Stimmen Mehrheit gewählt.

Frankfurt a. M., 28. Febr. Die heutige Stichwahl zum Reichstage endete, wie vorauszusehen war, mit dem Siege des soz.dem. Bewerbers, Litho­graphen Wilh. Schmidt. Derselbe hatte im ersten

Wahlgang 12,653 St. und brachte es mit Hilfe der Demokraten auf 18,090 St., während der nat.lib. vr. Oswald von 7078 auf 10,578 St. stieg.

Kassel. Im Stadtkreis erhielt Weyrauch (kons.) 5,440, Pfannkuch (Soz.) 4,823. Land­orte fehlen.

Köln, 1. März. In Köln-Stadt siegte Greis (Centr.) über Lücke (Soz.) (bisher Centr.).

Berlin, 1. März. In den bisher bekannten Stichwahlen wurden gewählt: 6 Konservative, 1 Reichspartei, 10 Nationalliberale, 5 Centrum, 21 Freisinnige, 13 Sozialisten, 1 Welfe und 6 Demo­kraten.

TageS'NeniiZkeiten.

* Calw, 3. März. Mit einem Präludium in 6-äui von G. Fischer begann die gestrige Auf­führung des Kirchengesangvereins in der Stadt­kirche. Hr. Organist Vintzvn zeigte sich schon bei diesem Stück als ein technisch gebildeter, vorzüglicher Orgelspieler, der seinem Instrument bald die zartesten Töne, bald die brausendsten Akkorde zu entlocken weiß. Auch die übrigen Orgelstücke, sowie auch die Begleit­ungen zu den Chören und Solopartien zeugten von der Meisterschaft des Spielenden. Das fast überreiche Programm bot des Weiteren 3 Choräle und 1 Mo­tette. Bei den Chören berührte es uns angenehm, daß die Aussprache eine viel natürlichere war als früher und daß die Hellen Sopranstimmen sich etwas mäßigten, wodurch die anderen Stimmen, namentlich aber- der ohnedies schwache Baß mehr zur Geltung gelangen konnten. Recht gut wurde der Weihnachts­choralFreut euch ihr lieben Christen" gesungen. Als Tenorsolisten traten auf die Herren L. Schüz und Th. Isenberg. Elfterer sang 2 Arien aus den OratorienMessias" undPaulus", letzterer 2 Arien aus den OratorienSamson" undMes­sias". Die Vorträge beider Herren ließen die aus­gebildeten Stimmen aufs beste erkennen und waren deshalb auch von durchschlagender Wirkung begleitet. Hr. Major v. Klett (Baß) hatte 2 Arien aus den OratorienJudas Maccabäus" undSaul" über­nommen. Hr. Diakonus Eytel (Violoncello) spielte ein Adagio von S. Bach und ein Allegrctto moderato von Händel mit Orgelbegleitung und bereitete den den Zuhörern durch den ruhigen, reinen und wohl­klingenden Vortrag einen hohen Genuß. Ebenso heben wir mit Vergnügen das Violinspiel von Hrn. Stadtmusikus Speidel anerkennend hervor. Schließ­lich ist es unsere Pflicht, dem Dirigenten des Vereins, Hr. Fr. Gundert, unsere Anerkennung für die durchaus gelungene Aufführung auszusprechen. Zuhörer hatten sich sehr viele eingefunden, darunter aber auch solche, die während der Vorträge mit dem Nachbar die lauteste Unterhaltung führten und dadurch die Musikfreunde in ihrer Aufmerksamkeit aufs wider­wärtigste belästigten. Derartige Personen dürsten doch lieber zu Hause bleiben. Namentlich sollten Kinder unter 14 Jahren fernerhin unbedingt von dem Besuch eines Konzerts ausgeschlossen werden, wenn

Deuilleton. N^n.« .«d-.«,.

Wcrch dem Sturme.

Novelle von C. Voll brecht.

(Fortsetzung.)

Die Sonne war mittlerweile tiefer gesunken, durch die herabgelassenen Vor­hänge drang sanftes Licht, gegen welches die Kerzenflämmchen nur ein fahles Flackern ermöglichten.

Edith war leise in das totenstille Haus eingetreten und hatte sich in ein Nebenzimmer zurückgezogen. Vom Fenster aus sah sie, wie der Kaplan bald darauf den Gutshof betrat und vernahm den Schall des Glöckchens, mit welchem der ihn begleitende Sakristan die ihnen Begegnenden zum Niederknien und Empfangen des priesterlichen Segens mahnte. Auch sie war niedergekniet, als der Geistliche das Gefäß mit dem heiligen Leib emporhielt. Frau Ebert trat bald darauf zu ihr, um die Kranke mit ihrem Beichtiger allein zu lasten. Beide Frauen verharrten im füllen Gebet, bis der Ruf des Sakristans sie in das Krankenzimmer zurückführte.

Der Caplan, ein noch junger Mann, dessen grobgeschnittene Züge seine bäuerliche Abkunft verrieten, stand neben dem Lager Isoldens. Sie lag mit ge­schloffenen Lidern da, ihre hochgeröteten Wangen zeigten das zurückkehrende Fieber an. Plötzlich öffnete sie die Lider und murmelte:

Eugen!"

Minna wurde nach dem jungen Grafen geschickt und da er im Hause an­wesend war, erschien er sofort.

Die Kranke winkte ihm mit den Augen, zu einer anderen Bewegung war sie zu schwach, und er beugte sich über sie, ihren Wunsch zu vernehmen.

Wenn ich sterbe will ich nicht in die Gruft der TannS kommen" lispelte siewollen Sie dafür sorgen?"

Sie fah ihn mit den halbgebrochenen, flackernden Augen ängstlich an.

Ich verspreche es" erwiederte er bestimmt. Er hatte Mühe, seine äußere Ruhe zu behaupten. Vor seinem inneren Auge war noch das Bild der blühenden

Isolde gestanden nun sah er sie wieder mit den eingesunkenen Schläfen, hohlen Wangen und dem hypokratifchen Zug zwischen Nase und Mundwinkeln.

Ein Schimmer innerer Befriedigung lag jetzt auf ihrem Antlitz.

Sie haben es vernommen" wendete sie sich zu dem Caplan, dann schloß sie die Augen.

Der Geistliche verneigte sich tief vor Eugen und den Damen, und verließ mit dem Sakristan das Gemach.«

Eugen hatte Ediths Hand ergriffen. Ihn beherrschte das Gefühl, als habe Isolde mit ihrer Bitte sich loSgcsagt von Allen, welche den NamenVon der Tann" trugen.

Komm" sagte er zu dem weinenden Mädchen und führte es bei der Hand hinwegkomm!"

Sie folgte willig.

In der folgenden Nacht starb Isolde. Sie war ausgelöscht wie ein Licht, dem die Nahrung fehlt.

Ein Gerücht durchschwirrte die Luft, kaum daß am andern Morgen die zu Halbmast aufgehißte Trauerflagge ihren dunklen Schatten über das Dach des Herrenhauses breitete.

Mit dem Caplan, der gegen Mittag den Grafen um eine Unterredung bitten ließ, drang es auch in das Schloß, dort war, kurz zuvor, an Stelle Haralds, den man erwartet hatte, ein reitender Bote eingetroffen, der die Mitteilung überbrachte, der junge Offizier habe einen achttägigen Urlaub angetreten, der ihn zur Zeit schon weit von den Seinen entferne.

Dies heißt, das Zerwürfnis an die große Glocke hängen" rief der Guts­herr mißmutig seinem Neffen zu, und noch lag die innere Verstimmung auf seiner Stirn, als er in Gegenwart Eugens den Geistlichen empfing.

Eine Buße hatte die Verstorbene sich auferlegt, die auszuführen der Caplan gelobt hatte:Sie wollte im Winkel der Selbstmörder begraben sein."

Also das war es" dachte Eugen mit einem undefinierbaren Schauder, während der Graf, sentimentalen Regungen fern und erfüllt von sich häufenden,.