ballung. Die Rückfahrt nach Berlin erfolgte abends; der Sonderzug kam um 8.25 Uhr hier an und hatte wieder einen kurzen Aufenthalt.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 15. Mürz. Der Großherzog hat die am 16. Januar vom hiesigen Schwurgericht wegen Mords zum Tode verurteilte, 56jährige Landwtrtsehefran Therese Reichert, geb. Jäger, aus Iöhlingen. zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Die Reichert hatte bekanmlich das uneheliche Kind ihrer Tochter gleich nach der Geburt durch Ausstößen des Kopfes des Kindes auf den Küchenboden getötet und darnach die Leiche im Herd verbrannt.
Villiugen, 13. März. Unter der Ueberschrift: „Die Schwarzwälder Uhrenindustrie vor einer Krisis?" wird der „Straßb. Post" geschrieben: Böse und zahlreiche Klagen kommen aus der Uhrenindusirie des badischen und württem- bergischen Schwarzwalds über schlechten Geschäftsgang und Geschäftsstockungen. Aus verschiedenen Ursachen ist eine große Anzahl bedeutender Uhrenfabriken schon seit Monaten gezwungen, aus Lager arbeiten zu lassen. Andere Uhrenfabriken mußten, um Arbeiterentlassungen zu vermeiden, die Arbeitszeit ganz bedeutend einschränken, wieder andere Betriebe sind gezwungen, Kredit in ungewöhnlichem Maße in Anspruch zu nehmen. Bon welchem Umfang dis Schwarz- wätder Uhrenindustrie ist, erhellt daraus, daß eine einzige Fabrik in Schramberg täglich über 10000 Weckeruhren herstellt. Aehnliches, wenn auch mit natürlich geringeren Zahlen, ist der Fall bei Fabriken in Schwenningrn a. N., Billingen, Furtwangen usw. Und nirgends zeigen sich Zeichen von besserem Geschäftsgang.
Zweibrücker», 14. März. Der Kommandant des 22. bayrischen Infanterieregiments, Oberst v. Henigst, hat seinen Abschied eingereicht. (Henigst hat bekanntlich im Januar einen Journalisten auf offener Straße geohrfeigt, weshalb er vom Knegsgericht in Landau verurteilt wurde.)
r Köln, 15. März. Gestern fand nach einer Trauer- seier in der Lhristuskirche, in der er früher gewirkt hatte, die Beerdigung Iathos statt. Am Grabe sprach der frühere Pfarrer Traub. Die Beteiligung war groß.
r Düsseldorf, 15. März. Bei einem Gerüsteinsturz am Neubau einer Kirche ist ein Steinmetzmeister wie durch ein Wunder dem Tode entgangen. Er befand sich beinahe auf der Spitze des Gerüstes und klammerte sich im Fallen an einen Balken. Mit diesem glitt er sanft zur Erde, ohne irgend welchen Schaden zu nehmen.
Gerichtssaal.
r Leipzig, 13. März. Gegen den wegen Spionage angeklagten Kaufmann und früheren Lehrer Hermann Naujoks ist heute nachmittag von dem Reichsgericht das Urteil gefällt worden. Der Angeklagte wurde wegen Verrats militärischer Geheimnisse unter Versagung mildernder Umstände zu 13 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. Es wurde für erwiesen erachtet, daß der Angeklagte wichtige Vorschriften und Zeichnungen über Kreuzer auf der Werft von Blohm gestohlen und in Paris an Agenten verkauft habe.
Das Urteil im Sternickelprozeß.
Frankfurt a. O., 15. März. In dem Prozeß Stermckel wurden verurteilt: Sternicke! wegen dreifachen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub und vorsätzlicher Brandstiftung drei Mal zum Tode, 5 Jahren Zuchthaus und dauerndem Perlust der bürgerlichen Ehrenrechte; Willi Kersten wegen zweier Morde, eines Totschlags unter Beifügung mildemder Umstände in Tateinheit mit schwerem Raub zu 15 Jahren Gefängnis. Georg Kersten und Schliewenz wegen zweier Morde, eines Totschlags unter Versagung mildernder Umstände in Tateinheit mit schwerem Raub zwei.Mal zum Tode, 5 Jahren Zuchthaus und dauerndem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.
AusllMd
Rom, 15. März. Die „Nuooa Antologia" veröffentlicht einen Artikel über drei Werke Rafaels, die Adolofo Benturi in Perugia endeckte. Ihre Authentizität soll unbe- zweiselbar und ihre Schönheit staunenswert sein. Eines davon, ein monumentaler Fresko, ein Meisterwerk aus den jüngeren Jahren des Künstlers, sei eine der bedeutenden Schöpfungen der italienischen Kunst.
Astrachan, 14. März. Von dem am 3. März aus einer Eisscholle ins Meer getriebenen 55 Fischern sind 45 gerettet worden, 2 von ihnen sind schwer leidend, einer ist erfroren. Das Schicksal der übrigen ist nicht bekannt.
r Paris, 15. März. Der Heeresausschuß hat auf Antrag von Iaurös beschlossen, dem Kriegsminister folgende Fragen vorzulegen: 1. Wie wird der Minister die 160000 Soldaten, die ihm die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit in die Hand gibt, verwenden? 2. Warum die Ziffer von 160000 Mann, während die Zahl der normalen Iahresklassen 230 000 Mann beträgt? 3. Warum sind nicht alle Reservisten in den Grenzgebieten in der Zahl der Decku.-gstruppen mit inbegriffen? — Der Ausschuß wird a« Dienstag seine Beratungen so:tsetzen.
r Paris, 16. März. Heute vormittag wurde der Maschinist eines Zuges der Untergrundbahn von einer Ohnmacht befallen und der führerlos gewordene Zug sauste in rasender Eile an mehreren Stationen vorüber. Biele Reisende wollten schon aus dem Zug springen als es einem im Zug befindlichen Schutzmann gelang, in den Motorwagen einzudringen und den Zug zum Stehen zu bringen.
Rew Pork, 15. März. Der Expräsident von Bene- znela Castro reiste mit dem Dampfer „Amerika" nach Hamburg.
Newyork, 15. März. Während eines furchtbaren Schneesturmes in Ohama sind zwei Expreßzüge der „United Pacific Linie" in der Nähe von Goddesberg zusammengestoßen. Es wurden sieben Reisende sofort getötet, während über 100 verletzt worden sind. Infolge des heftigen Sturmes war es mit großen Schwierigkeiten verknüpft, Hilfszüge nach der Unfallstelle abgehen zu lassen.
r New-Nork, 15. März. Der Wirbelsturm hat in Louisiana, Texas, Alabama, Mississippi und Tcnessee 60 Opfer gefordert. In Nashville wurden etwa 20 Personen getötet und viele Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Ein furchtbarer Sturm herrschte auch in Nord-Illinois, einschließlich Chicago.
Canberra, die neue australische Hauptstadt.
Prächtiges Wetter begünstigte die Grundsteinlegung der neuen aust alischen Hauptstadt. Das Ereignis ist für europäische Begriffe um so merkwürdiger, als hier mitten in unbewohntem Land eine Zukunftsstadl wirklich aus dem Nichts erschaffen werden soll. Schon vom frühen Morgen an war der Distrikt von einer festtäglich gekleideten Menschenmenge belebt, und Speztalzüge brachten von Sydney und Melbourne die eingeladenen Gäste herbei. Asch die Ansiedler halten sich in großer Zahl eingefunden. Lord Den- man ritt an der Spitze einer glänzenden Kavalkade heran unter den Klängen der Nationalhyme nnd einem Ehrensalut aus neunzehn Geschützen. Er legte den ersten Stein. Den- man trat dann vor und zog aus einem Kästchen eine Rolle und sagte: „Ich taufe die Hauptstadt von Australien Canberra". Ein Beifallssturm brach nach diesen Worten aus, da sich in letzter Zeit eine lebhafte Kontroverse über den Namen der neuen Hauptstadt in Presse und Publikum entwickelt hatte. Ein Kabeltelegramm, das dem König die vollzogene Grundsteinlegung verkündete, wurde sofort abgesandt. Der Platz, der für die neue Hauptstadt ausersehen ist, ist ungefähr vier zu dreieinhalb Kilometer groß. Das einzige Gebäude, das bis jetzt dort steht (!), ist die Militärakademie, die wahrscheinlich später durch einen größeren und dem Städtebild mehr anqepaßten Bau ersetzt werden wird. Die Szenerie in der Umgebung der neuen Hauptstadt ist sehr prächtig. Im Nordosten und Westen des Plateaus, aus dem die neue Stadt erstehen wird, ist das Land hügelig, im Süden erhebt sich eine Kette dichtbewaldeter Gebirge, die Ausläufer der australischen Alpen. So wild und zerklüftet sind diese Höhen, daß Teile davon heute noch unerforscht sind. Seit Mitte des vergangenen Jahres sind die Ausgrabungsarbeiten für die neuen Gebäude bereits im Gange, ebenso auch die. Festlegung der Linden für Straßen, Eisenbahnen, Brücken und elektrische und Wasser- onlagen.
Der Balkankrieg.
r Koustantinopel, 15. März. (Amtlich). Nach der Beschießung des serbischen Lagers von Durazzo begab sich der Kreuzer „Hamidije" nach San Giovanni di Medua, das er gleichfalls bombardierte. Von der Küste her wurde der Kreuzer von großkalibrigen Geschützen beschossen, aber nicht getroffen. Das türkische Kriegsschiff bombardierte 7 griechische Fahrzeuge, die sich im Hasen befanden. Eines davon sank, die ander n wurden schwer getroffen und mußten auslausen. — Die Regierung hat an Schükri Pascha ein Telegramm gerichtet, indem sie ihm für die Organisation der Verteidigung Adrianopels den Dank ausspricht. Aus sicherer Quelle verlautet, daß Adrianopel Lebensmittel und Munition für mehr als einen Monat besitzt.
r Konstantinopel, 16. März. Essad Pascha hat an den Kriegsminister aus Ianina ein Telegramm gerichtet, worin er sagt, die Uebergabe der Truppen sei erfolgt, nachdem sie ihre Pflicht bis zur äußersten Grenze erfüllt hätten.
r Podgoritza, 15. Febr. Am Freitag begann ein furchtbares Bombardement aller Belagerungsgeschütze aus Skutari und die Stadt selbst. Ein Stadtviertel wurde in Brand geschossen.
r Wien, 14. Febr. Gegenüber den Meldungen französischer Blätter aus Belgrad, daß der türkische Kreuzer „Hamidije" sich in einem österreichischen Hafen verproviantiert habe, erklärt das „Neue Wiener Tagbl.": Bei der strengen Neutralität, die Oesterreich-Ungarn in dem ganzen Verlause des Krieges bewiesen hat, ist es kaum nötig, dieser Behauptung ausdrücklich entgegenzutreten.
Alexandria, 16. März. Der türkische Kreuzer Hamidjieh ist hier eingetroffen.
Die Friedensbedingnngen für die Türkei «nannehmbar.
Konstantinopel, 14. März. Die Pforte beschloß, den Mächten ein Memorandum zu übermitteln, in welchem die Unmöglichkeit der Zahlung einer Kriegsentschädigung dargelegt wird. — Der „Tanin" erklärt in kategorischer Form, daß die Friedensbedlngungen der verbündeten Bal- kanstaatcn unannehmbar seien. Dis Annahme derartiger Forderungen heiße den Todes Kampf der Türkei noch um einige Jahre verlängern. Man müsse es daher oorziehen, mit der Waffe in der Hand, als auf der Folterbank zu sterben.
(Dir bulgarischen Forderungen, die die Grenzlinie bis zu Kap Malatra ausdehnen und eine Festsetzung am Marmara bedeuten, würden die Bulgaren zu Herren der Dardanellen machen und eine ständige Bedrohung Konstantinopels zur Folge haben. Man kann begreifen, daß die Türken unter diesen Umständen lieber noch den letzten Ber- zweiflungskampf wagen wollen. D. Red.)
i- Konstantinopel, 16. März. Die gesamte türkische Presse nimmt die Fliedensbedingungen mit Entrüstung auf Sie zeigt sich besonders erbittert über die Forderungen nach Kapitulationen für die Angehörigen der Balkanstaaten und nach Garantien für die Privilegien der orthodoxen Kirchen in der ganzen Türkei. „Tanin" sagt, es rvä-e besser die Annexion der ganzen Türkei zu verlangen. Selbst wenn
die gesamte Armee von Tschalaldscha und Bulair vernichtet» die letzte Patrone verschossen und der letzte Centime ausgegeben wäre, würde die Türkei niemals solche Bedingungen anerkennen. Das Friedenskapitel müsse endlich geschlossen werden, und man müsse den Frühling benützen, um mit allen nationalen Kräften bis zum Tode zu Kämpfen. — „Sabah" erklärt, die Türkei bedürfe in Europa eines hinlänglich großen Gebietes, damit sie gegen jede äußere Gefahr geschützt und damit die Sicherheit von Konstantinopel gewährleistet sei. — Wie die Blätter melden, befaßte sich der gestrige Ministerrat auch mit den Friedrnsbedingungen der Verbündeten und übermittelte den türkischen Vertretern im Auslande Instruktionen.
Koustantinopel, 16. März. Die Pforte hat noch keine offizielle Mitteilung der Friedensbedingungen der Verbündeten erhalten. Sowohl die leitenden türkischen, als auch die diplomatischen Kreise halten die Bedingungen für unannehmbar und eine Mediation auf dieser Grundlage für unmöglich. In Kreisen, die der Pforte nahestehen, nimmt man an, daß die Mächte diese Bedingungen der Türkei nicht einmal Mitteilen, sondern trachten werden, sie zu ändern und für die Pforte annehmbar zu machen. Nach sicheren Informationen seien die Mächte entschlossen, eventuell den Balkanstaatrn Bedingungen aufzuerlegen, die sie selbst ausstellen werden. Die Großmächte würden für eine Grenzlinie San Stefano—Maritza—Enos intervenieren.
Bunte Glossen.
(Nachdr. oerb.)
Nun sind es hundert Jahre her,
Daß in der Kriegszeit, ernst und schwer,
Gestiftet ward fürs Preußenheer
Das Eisenkreuz am schwarz-weißen Bend.
Das Kreuz, auf dem die Losung stand:
„Mit Gott für König und Vaterland!"
Als anno 70 der Franzos Aufs neu uns zwang zu Hieb und Stoß,
Brach wieder der furor teutonicus los, Alldeutschland kämpfte wutentbrannt,
Stark durch der Einheit festes Band,
Mit Gott für König und Vaterland.
Und wieder sind die Zeiten schwer,
Gibt Gold der Deutsche für Eisen her Und rüstet zu gewaltiger Wehr.
Bricht wirklich aus der große Brand:
Wir sind bereit zum Widerstand Mit Gott für König und Vaterland.
„Wir Deutschen sülchten Gott allein!"
Und kämen Franzos und Rufs' im Verein, Schlüg' selbst der Brite noch auf ihn ein —
Der deutsche Michel hält trutzig Stand,
Kämpft eisensest und zielgewandt Mit Gott für König und Vaterland!
Unsere unruhigen Nachbarn im Westen, die in letzter Woche etliche kalten Wasserstrahlen durch die deutsche P esse appliziert bekamen, werden sich angesichts der neuen Verstärkung unserer Kriegsmacht doch wohl noch reiflich überlegen, öS sie den von gewissenlosen Hetzern unaufhörlich gepredigten Reoanchekrieg jetzt unternehmen wollen. — Meine Cousine Lili ist überzeugt, daß der Friede erhalten bleibt; größere Sorge als die politische Lage macht ihr j-tzt die Toilettensrage; gestern belauschte ich sie bei einem Selbstgespräch ungefähr folgenden Inhalts:
„Leb.wohl, du falscher, dicker Zops,
Nicht trägt dich fürder mehr mein Kopf!
Ich lege ab das fremde Haar,
Das lang mir unentbehrlich war.
Leb wohl auch du, Einlage-Wulst!
Die Lüge fällt! Es weicht der Schwulst Der Hohen, breiten Prunksrisur —
Die Losung heiß! jetzt: Nur Natur!
Die Mode will's! Den großen Hut,
Den ich einst fand so schön und gut,
Den ich getragen stolz und froh,
Verdrängt ein kecker Piccolo:
Der kleine Hut. ein winzig Ding,
Ein bunter, loser Schmetterling!
Wie einst der kleine David klug Und dreist den Riesen Goliath schlug,
Schlägt, aus der Mode Machtgebot,
Der kleine Hut den großen tot!
Und dieses kleine, hübsche Nichts Bedingt Vsränd'rung des Gesichts,
Erfordert einen andern Kopf Als „Wagenrad" und „Riesentops".
Was tun? Die Mode, wie bekannt.
Bricht schließlich jeden Widerstand;
Im Kampf mit ihr, da werden, ach- Selbst kühne Suffragetten schwach!
Da jetzt der kleine Hut tipp-topp Und siegreich anstürmt im Galopp.
Erkür ich ihn und opsre schnell Das fremde Haar ihm samt Gestell,
Bring ihm des Hauptcs Falschheit dar Und setz ihn auf das eigne Haar Und schwärme — hinsichtlich Frisur? —
Jetzt ebenfalls nur für Natur,
Wobei ich noch bemerken möcht':
Die Neuerung steht mir nicht schlecht;
Aus schlichtem Haar der Deckel klein Nimmt sich ganz reizend aus und sein?"