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Fernsprecher Nr. 29.

87. Jahrgang.

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Schwäb. Landwirt.

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Donnerstag, den 30. Januar

1813

Amtliches.

K. gern. Hbercrrnt in ScHuksacHen.

Bekanntmachung,

betr. die fortlaufende Statistik der Taubstummen.

Rach ß 1 der Verfügung der K. Ministerien des Innern und des Kirchen- und Schulwesens vom 1. Februar 1912 (Reg.-Blatt S. 18) ist im Januar jeden Jahres eine sta­tistische Aufnahme der Taubstummen zu veranstalten, bei welcher jedes taubstumme oder der Taubstummheit verdächtige Kind, gezählt wird, das in dem betreffenden Kalenderjahr in das schulpflichtige Alter der Bollsin- ntgen Antritt, d. h. am 1. Mai des Jahres das 6. Le­bensjahr vollendet und das 7. noch nicht überschritten hat, und noch nicht in einer Taubstummenanstalt untergebracht ist. Der Zählung unterliegen alle in einer Gemeinde vor­handenen taubstummen oder der Taubstummheit verdächtigen Kinder ohne Unterschied ihres Geburtsortes oder ihrer Staats­angehörigkeit. Die statistische Aufnahme erfolgt mittelst Fragebogen, die vom Overamt aus Ansuchen abgegeben werden. Der Kopf des Fragebogens ist in dreifacher Fertigung von den beiden Vorsitzenden des Ortsschul­rats auszufüllen. Die Ortsvorsteher haben die Frage­bögen alsdann dem Herrn Oberamtsarzt zu übersenden. Fehlanzeigen stad nicht erforderlich.

Nagold, den 25. Januar 1913. Kommerell.

K. Hbercrrnt AagotL».

An die Schultheißeuämter.

Diejenigen Gemeinden, welche durch Vermittlung des Oberamts und der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel Rvrmalgrwichte zu Zwecken der Nacheichung be­stellt haben, werden die Gewichte im Lause der nächsten Monate erhalten. Außer den Gebühren sür die Präzisions­eichung hat die K. Zentralstelle noch dis Kosten der Ver­packung und der Versend mg der Gewichte aus die Staats­kasse übernommen. D.e besonders angefertigte solide Kiste verbleibt im Eigentum des Staates und darf von den Ge­meinden zu keinen anderen Zwecken als zur Aufbewahrung der Gewichte verwendet werden. Es empfiehlt rstch, den Decket der Kffte zum leichteren Oeffnen mit einfachem Scharnier uno Schlempe zu versehen.

Die Gewichte sind ausschließlich zur Verwendung durch den Eichbeamten bestimmt, zu anderen Zwecken dürfen sie nicht verwendet werden. Sie sind an einem trockenen Ort aufzubewahren und cm Nacheichtermin im Eichlokal bereit zu stellen, j

Die Rechnungen für die Gewichts werden den Gemein­den vom K. Hüttenwerk Wasseralfingen übersandt werden; sie sind direkt an das Hüttenwerk zu bezahlen.

Nagold, den 29. Januar 1913.

_ Amtmann Mayer.

K. Wersicherungs^rnt

Bekanntmachung, betr. die Einführung eines neuen Musters für die Unfallanzeigen.

Die Ortsdehörden für die Albeiterversicherung werden daraus hingewiesen, daß das Reichsveisicherungsamt ein neues Muster sür die Unfallanzeigen festgestellt hat, das vom 1. Januar 19!3 an gilt.

Nie rruShllvi ttr attr» M>strr ilt bis 31. »ksmber ISIS irftattlt. Die Unfallanzeigemuster können durch die Buch­handlungen des Bezirks sowie von W. Kohlhammer in Siuttgarr bezogen weiden.

Nagold, 29. Jan. 1913. Amtmann Mayer.

Enver Bey als Organisator.

^ Jan. Der bekannte österreichische Afrika­reisende Otto Cesar Artbauer, der kürzlich aus Nordasrika zuruckgekehrt ist, erzählt dem Wiener Korrespondenten der Bad. Presse" über Enver Bey, der jetzt abermals im Mittelpunkt der türkischen Erhebung steht:

Oberstleutnant Enver Bey, der nach den neuesten Meldungen zum Kommandanten der Palastwache in Kon- stantincpel ernannt worden sein soll, ist durch die Heirat einer kaiserlichen Prinzessin vor 20 Monaten ein naher Verwandler des Sultans geword n. Ich lernte ihn in der Cyrenaika kennen. Als er dort ankam, um den Wider- stand gegen das italienische Expeditionsheer in Gang zu d ingen und mit unerwartetem Erfolg wirksam zu machen, fand cr nichts vor als die aus einem Offizier und 54 tür­kischen Soldaten bestehende Garnison von Derna, die im ganzen über 14 Kisten Patronen verfügte. Mit Hilfe eines über die ägyptische Grenze und zur See organisierten Schmagg'erdienstes war bald Munition in genügender Zahl

zur Stelle und Enver Bey schuf aus den eingeborenen Stämmen eine Art Miliztruppe, welche in der guerilla­artigen Behinderung des italienischen Vormarsches und durch zähes Festhalten des Gegners den militärisch gewiß hoch anzuschlagenden Erfolg brachte, daß die Italiener, die vor der Ankunft Enver Beys ihre Verschanzungen vor Derna 15 Kilometer in das Innere des Landes hinausge­bracht hatten, durch dje unaufhörlichen nächtlichen Überfälle und Belästigungen gezwungen wurden, sich bis auf die Entfernung von fünf Kilometern vom Meere aus zurück­zuziehen. Enver Bey zeigte sich als tüchtiger Organisator, nicht zuletzt dadurch, daß er es verstand, alle möglichen Hilfsmittel herbeizuschaffen, die Eingeborenen, mit denen er früher nie in Berührung gekommen war, vortrefflich zu behandeln, und die nichts weniger als lürkensreundliche Stimmung der eingeborenen Araber mit einem Schlage umzuwandeln.

Enver Bey sorgte dafür, daß seine Anordnungen in allen Einzelheiten durchgeführt wurden, er kümmerte sich im Lager von Derna derum, daß unaufhörlich Patronen nach- gefüllt, die Reisoorräte ergänzt und eine ganze Schar Schuh­macher ins Lager berufen wurde, er verteilte an die ange- worbenen Stämme Fahnen und verteilte Auszeichnungen, richtete einen regelmäßigen Beobachtungs- und Nachrichten­dienst ein und im Gefecht blieb er nie zurück, sondern war als glänzender Reiter überall zur Stelle.

Als die Nachricht von dem Abschluß des Friedens kam, war er entschlossen, in der Cyrenaika zu bleiben, den Frieden nicht anzuerkennen und den Guerillakrieg gegen die Italiener mit Hilfe der eingeborenen Stämme fortzusetzen. In einer Versammlung der Häuptlinge erklärte er:Ich bin Albanese und Albanien wird durch den unglücklichen Krieg an die Balkanstaaten verloren gehen. Ich verliere meine Heimat und habe hier eine neue Heimat gewonnen. Wir werden den Kampf gegen die Italiener forisetzen und für die Cyrenaika die Autonomie erkämpfen.

Als er aber erfuh r, wie noch viel schlechter als erwartet, die türkischen Armeen abgeschnitten haben, duldete es ihn nicht länger und er eilte über Aegypten nach Europa. Den Karawanenweg, der gewöhnlich 17 Reisetage erfordert, legte er mit seiner kleinen Begleitung in neun Tagen zurück und schiffte sich in Alexandrien aus dem nächsten Dampfer, der einer russischen Gesellschaft gehörte, unter einem Pseudonym ein. In Alexandrien, wo er sich im Hotel Excelsior, das einem Oesterreicher gehört, Ahmed Effendi nannte, hielt er sich nur einen Tag aus. Wer ihn kannte, wußte daß Enver Bey nicht nach Konstantinopel ging, um an der Führung der Armee im Felde teilzunehmen, sondern daß es sein wichtiges Bestreben sein werde, die unglückliche Politik der Regierung Kiamils zu ändern. Am 4. Dezember hat Enver Bey mit einem russischen Dampfer Alexandrien verlassen und bald darauf trafen aus Konstantinopel die ersten Nach­richten ein, daß sich in der Armee, die bei Tschataldscha versammelt ist, Anzeichen höheren Mutes und eines gewissen Offensivgeistes bemerkbar machten. Enver Bey hat jedenfalls Zeit grhabt, so weit es menschenmöglich war, für Munitions­ersatz und Lebensmittslzufuhr Vorsorgen. Ob er ein guter Soldat, ein ooraussehender Heerführer ist, können nur Militärs beurteilen, sicher aber ist. daß er ein ungewöhn­liches Organisationstalent und vor allem die Gewohnheit besitzt, die ihm vielleicht Dank seiner albanesischen Abstam­mung gewiß nicht als Türke eigen ist: dasMorgen" zu bedenken.

Persönlich ist Enver Bey ein eleganter Mann von soldatischem Charakter, der sofort die Sympathien aller ge­winnt. Ungemein liebenswürdig und sehr gebildet spricht er fließend Deutsch und schreibt Deutsch wie ein gebürtiger Deutscher. Der 35 oder 36 Jahre alte, viel jünger aus­sehende elegante Militär und Diplomat betont, daß er be­sonders als Militärattaches in Berlin viel gelernt hat. Im Felde mochte er stets den Eindruck eines schneidigen Sol­daten, der kaltblütig und selbstbeherrscht zu disponieren wußte. Auch wenn es ihm schlecht erging, verlor er keinen Augenblick die Haltung, was besonders unter den Einge­borenen gewaltigen Eindruck machte. Enver Bey wurde einmal von einem Schrappnelsplitter getroffen und ein Eisenstück durchbohrte den breiten Ledergurt, den die tür­kischen Offiziere um die Hüfte geschlungen tragen und brachte Enver Bey eine klaffende Fleischwunde bei, die Wirkung des Geschoßstückes war durch das Leder erheblich abgeschwächt worden. Mit einer unbeschreiblich ruhigen Handbewegung entfernte Enver Bey selbst das Projektil und warf es achtlos beiseite, wie man eine Zigarette wegw'rft.

Wenn einer der Stämme bei den nächtlichen Angriffen größere Verluste erlitten hatte, suchte ihn Enver Bey sofort auf, sprach mit dem Häuptling, tröstete die Frauen und eiferte immer wieder mit dem Hinweis aus die Verteidigung

des Vaterlandes und des Islam an. Dabei fand er Zeit die Kinder der Hilssiruppen, die mit ihrer ganzen Familie und ihrem ganzen Hausrat gewöhnlich auf zwei, drei Mo­nate sich ihm zur Verfügung stellten und dann wieder durch andere Stämme abgelöst wurden, unterrichten zu lassen und ständige Schulen aufzustellen. Aus den Jünglingen bildete er nach deutschem Muster ein Pfadfinderkorps, veranstaltete Preisschießen und Weltreiten und sorgte überhaupt dafür, daß die Spannung nie erlahmt. Mit ihm waren einige Offiziere nach Benghast gekommen und sein treuer Diener, ein mit ihm im gleichen Alter stehender Albanese, der ihn nie verließ.

Wenn man Enver Bey bei einer Gruppe von Offi­zieren sah, stach seine elegant ruhig bewegte Gestalt sicher hervor und man war nicht im Zweifel, wer hier Führer war. Einen so guten Reiier wie ihn habe ich selten gesehen und seine persönliche Tapferkeit verschafft ihm unter den Arabern die größten Sympathien. Angriffe leitete er sehr ruhig und unterließ es nie, rechtzeitig das Zeichen zum Rückzug zu geben, wenn allzu große Verluste drohten. In einem Gefecht am 3. März vorigen Jahres wurde ihm in der Nacht ein Pferd unter dem Leib weggeschossen und schon am nächsten Morgen leitete er auf einem anderen Flügel einen neuen Uebersall auf die Italiener. Da er selbst die italienischen Gefangenen höflich und achtungsvoll behandelte, gelang es ihm auch stets, Grausamkeiten zu unterdrücken, die. wie man jetzt am Balkan steht, auch bei einem christlichen Feldzug Vorkommen. Solche Eigenschaften sicherten ihm unbedingte Anhänglichkeit und Ergebenheit und dies erklärt das hohe Vertrauen, das die ganze türkische Armee in ihn setzt."

Vom Landtag.

r Stuttgart, 29. Jan. Die Zweite Kammer beendete heute die 1. Lesung des Gesetzentwurfs über die Pensions­rechte der Körperschaftsbeamten, sowie die Unfallsü» sorge sür sie, und überwies den Entwurf an den Ausschuß sür innere Verwaltung. In der allgemeinen Aussprache wünschte Andre (Z.) eine finanzielle Beteiligung des Staates an der Durchführung des Gesetzes und seine Ausdehnung auf Unfälle, die auf dem Wege vom und zum Dienst sich ereignen, sowie auf Privatpersonen, die zur amtlichen Hilfe­leistung herangezogen werden. Der Abg. Matlut at (S.) kritisierte den Entwurf als unklar und unzulänglich, nament­lich hinsichtlich der Unfallfürsorge, die in umfassender Weise geregelt werden sollte. Der Abg. v. Tauß (B.) verlangte, daß in den Fällen, wo der Beamte sich den Unfall durch besonderen Mut zugezogen hat, z. B. ein Schutzmann bet der Verfolgung eines Verbrechers, der Beamte vollen Gehalt erhält und seine Hinterbliebenen günstiger gestellt werden als im Gesetz vorgesehen. Minister des Innern v. Fleisch­hauer stimmte Herrn o. Gauß zu und bezeichnte die Kritik des Abg. Mattütat als unberechtigt. Die Frage der Ein­beziehung von Privatpersonen werde reichsgesetzlich geregelt werden. Die Sitzung dauerte nur zwei Stunden.

In der nun folgenden gemeinschaftlichen Sitzung beider Kammer wurde der Ständische Ausschuß gewählt und zwar von der Zweiten Kammer die Abg. Dr. von Kiene (Z), Haußmann (B). und Hildenbrand (S) in den engeren Aus­schuß und von der Ersten Kammer Siaatsrat v. Buhl; in den weiteren wurden don der Zweiten Kammer gewählt die Abg. Rembold-Aalen (Z), Körner (BK), Liesching (B), Tauscher (S) und Wieland (N), von der Ersten Kammer Fürst zu Waldburg-Zeil. Zu Mitgliedern des Staats- gerichtshofs wurden bestimmt Landgerichtsrat a. D. Landauer und Rechtsanwalt Schelling. Nach der gemeinschaftlichen Sitzung, die nur kurze Zeit in Anspruch nahm, vertagte Präsident o. Kraut die Beraiungen ans unbestimmte Zeit und wünschte den Abgeordneten glückliche Heimkehr und wohlgemute Wiederkehr.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 28. Jan. Nach Erledigung einigerkleiner Anfragen wird die Beratung des Etats des Reichs­amts des Innern fortgesetzt. Beim KapitelGesund­heitsamt" bringen verschiedene Redner eine Reihe von Anfragen, Wünsche und Berbesserungsoorschläge zur Sprache, auf die der Präsident des Reichsgesundheitsamtes Dr. Bumm er­widert. Er erklärt, daß eine reichsgesetzliche Regelung des Hebammenwesens von der Regierung nicht beabsichtigt wird, jedoch sollen einheitliche Grundsätze für die Regelung in den Einzelstaaten aufgestellt werden.

In der weiteren Debatte wünscht Leube(F.Bp.) eine Abänderung des Fleischbeschaugesetzes.

Jäckel (Soz.) behandelt die gesundheitlichen Verhält­nisse in der Textilindustrie.