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Amts- md fit de» GnM-KM Nozolii.

Fernsprecher Nr. 29.

87. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29 .

Beilagen: Plauderstübchrn, Illustr. Soontagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

Montag, den 30. Januar

1913

Amtliches.

Bekanntmachung der Königliche» Baugewerkschule, die Anmeldung betreffend.

Die Anmeldungen für das Sommersemester haben vor dem 1. Februar zu erfolgen. Spüler eintreffende Aus- nähmegefuche haben keinerlei Anspruch auf Berücksichtigung. Stuttgart, den 15. Januar 1913.

Die Direktion der Kgl. Baugemerkschule: Schmohl.

Vom K- Coang. Oberschulrat ist am 17. Januar je eine ständige Lehrstelle in Oberschwandors dem Unterlehrer Wilhelm Schnizler in Nagold, in Gerlingen, OA. Leonberg, dem Hanptlehrer Krautz in Walddorf. OA. Nagold, übertragen worden.

Der WetterwarL.

»-Misch- Nmscha».

x Unser Landesparlament ist nach Erledigung der notwendigen formellen Vorarbeiten nunmehr in seine eigenlliche Tätigkeit eingetreten, der man nach den vorauf­gegangenen Auseinandersetzungen über die Präsidentenwahl nur wünschen kann, daß ihr Erfolg unter den etwas uner­quicklichen Zufälligkeitsoerhältnissen. mi- sie sich bei der Präsidiumswahl gezeigt haben, nicht allzusehr leiden möge, sonst kommen wir in bei uns bislang ganz ungewohnte politische Situationen, die nur geeignet sein könnten, die politischen Differenzen, wie sie während und nach den letzten Wahlen zutage getreten sind, noch mehr zu verschärfen. Schon die Tatsache, daß die Sozialdemokratie einer reinen Formalität wegen einen Feldzug unter sich eröffnete, der die Landtagssraktion in einen scharfen Gegensatz zu dem offiziellen Organ der Partei brach:e, sprich nicht gerade für Ausgleich der Berstimmungen, die sich bei dieser Partei schon seit geraumer Zeit bemerkbar machen. Der Umstand ist aber zugleich eine volle Rechtfertigung des Verhaltens der Nationalliberalen bei der Präsidentenwahl. Es darf heute schon als Faktum notiert werden, daß die sozialdemokratische Fraktion bei der Abstimmung über den Etat tzihren negierenden Standpunkt h workehren wird. Wie konnte man also den Naäonailiberalen zumuten, bei der Präsidentenwahl eine Haltung einzunehmen, die auch nur einigermaßen dem Großblockgedanken Rechnung zu rragen schient Andererseits haben ja die Parteien der Rechten unzweideutig bekundet, daß sie ihre Geschlossenheit auch bei der P.ästdentenwahl zum Ausdruck bringen wollten. Das Recht hiezu kann ihnen niemand verkümmern. Es ist also im Grunde doch müssig, aus dieser Konstellation uuf das weitere Arbeiten der Zwesten Kammer zu schließen, ^ Hauprsache ist, baß die bürgerlichen Parteien, mögen sie heißen wie sie wollen, von dem Standpunkt, daß die

Gemeinwohl und nicht Partetinteressea zu dienen haben, kmm dieser Landtag genau so ge­deihliche Arbeit leisten, wie seine Vorgänger.

Die schädlichen Wirkungen allzu scharfer parteipolitischer Befehdung zeigen sich eben gegenwärtig wieder im Reicks­tag gelegentlich der Generaldebatte zum Etat des Innern Alle die allen Geschichten, die in den Wahlkämpfen als Rüstzeug herausgehoit wurden, werden hier in mehr oder weniger frischer Garnierung wieder aufgeiischt und Zeit und Geld daran verwendet. Man jammert immer darüber, daß der Etat nicht rechtzeitig verabschiedet werden könne. Ja wieviel Zeit positiver Arbeit geht verloren durch endlose Debatten über rein parteipolitische Gegenstände, die recht gut der Parteip esse zum Austrag überlassen werden könnten, das Bock aber hat n chts davon, hat auch viel weniger Interesse an derlei Dingen, als diegroßen" Politiker sich gemeinhin vorzustellen scheinen. Dem Volke wäre es viel lieber, wenn die gesetzgeberischen Arbeiten in flottem Tempo erledigt würden, damit nicht nach jedem Sessionsschluß so und sooiele Gesetzentwürfe als unfertig unter den Tisch fallen müßten. So aber kommen wir allmählich in einen ganz ungesunden Parlamentarismus hinein, dessen Last mit der Zeit unerträglich wird. Ein Schulbeispiel dafür wird, das kann man jetzt schon mit fast tödlicher Sicherheit vor- aussagen. die Debatte über die neue Besitzsteuer abgeben, auf die sich die Parteien jetzt schon zu großen Auseinan^ Versetzungen einrichten, bis schließlich aus der ganzen Ge­schichte nichts, oder wenigstens nur eine Halbheit wird, ein Flickwerk, das dem Meister oder in oiesem Falle den Meistern selber vielleicht am wenigsten gefällt.

Man hat sich allmählich daran gewöhnt, das Revanche- gcschret der Franz 0 sen. den Lärm um diegeraubten Provinzen." nicht mehr gar zu tragisch zunehmen, sondem diesen Lärm nach und nach in sich selber verlieren zu lasten. Es ist auch zu einem guten Teil schon soweit gekommen,

und die einzelnen und oereinzelnten Schreier haben denn auch an Beachtung verloren, nicht zuletzt auch bei ihren eigenen Landsleuten selber. Nur ein in Paris erscheinendes Hetzblatt derAlsacien-Lorrain" (Elsaß-Lothringen"), hat das Bedürfnis, alljährlich eine R^ihe vonelsass-lothringi- schen Borträgen" zu veranstalten, zu denen er sich unzu­friedene Schreier aus den Reichslanden verschrieb. Der Gewohnheit ist er auch Heuer '<eu geblieben. Neu und unerhört aber, eine Schmach, wie wir sie noch selten erlebt, ist die Tatsache, daß ein deutscher Reichstagsabge­ordneter sich für diese Hetzkampagne gegen sein eigenes Vaterland zur Verfügung gestellt hat. Der Abgeordnete Kölsch hat Recht gehabt, als er im Reichstag bemerkte, so etwas sei eben nur in Deutschland möglich. 3a ein Franzose, und wenn es der radikalste Anarchist wäre, würde sich schämen, in dieser Weise sein eigenes Nest zu beschmutzen, wie es der deutsche Reichstagrabgeordnete Wetterle tut, der seinen gut deutschen bezw. schwäbischen Namen durch die Schreibweise Wcltcrlö französisiert. Und einem solchen Herrn kann man nicht einmal die Stiefel vor die Türe stellen, weil er deutscher Staatsbürger ist. Wahrlich man kann sich eines solches Mannes nur im Grunde seines Herzens schämen.

Die Balkankrisis ist jetzt auf des Messers Schneide angelangt, durch die Aktion der Mächte und das gleich­zeitige Vorgehen der Balkanverbündeten ist die Pforte nunmehr so in die Enge getrieben, daß es für sie bei allen Versuchen, auszuweichen, die sie auch jetzt wieder unter­nehmen wird, nur noch ein Entweder-Oder, nur Biegen oder Brechen gibt. Was wird sie vorziehen? Die Frage ist fast verwegen. Und doch dürfte sie zu beantworten sein, dahin nämlich, daß die Türkei in letzter Stunde nach­geben wird. Zu all den Faktoren, die dafür sprechen, ist nämlich ein gewichtiger hinzugekommen durch den Umstand, daß Rumänien und Bulgarien, die wegen Gebietsousgleichs in scharfe Divergenzen geraten waren, sich zu friedlicher Vereinbarung oefunöen haben. Damit entfällt für die Türkei jede Möglichkeit, aus der bulgarischen Umklamme­rung Adrianopels und der Tschataidschalinie herauszukommen und sich nochmal Lust zu schaffen. Und wenn die türkische Regierung einigermaßen weitblickend ist, so weiß sie ganz gut, daß sie ihre Armee nicht noch weiteren Opfern aus- setzm darf, denn dieser harren nach Beendigung des Krieges noch schwere Aufgaben. Am Horizont des Osmanenreichs steigen bereits die Wolken einer neuen Revolution aus, und die Pforte wird von Glück sagen können, wenn es ihr nach Abzug des äußeren Feindes gelingt, der Feinde im Innern Herr zu werden. Ernste Konflikte erscheinen geradezu unvermeidlich; sich ihrer so zu erwehren, daß nicht dem Kriege mit den Balkanstaaten ein blutiger Bürgerkrieg folgt, dazu wird die Regierung ihre ganze Kraft und Besonnenheit aufwenden müssen.

Prmcmsr politische Laosbahu.

Poincarös Laufbahn als Politiker ist selbst für die Republik ein Unikum. Er ging als Rechlsdokior nach dem Militärdienst in Nancy bei dem bekannten Advokaten du Bult in die Lehre und fand für den Anfang keine eigenen Klienten. Dafür nahm ihn sein Landsmann und Ackerbau- minister Develle 1886 zum Kabinettschef, besorgte ihm im Maas-Departement einen Sitz als Generalrat und im fol­genden Jahre einen wetteren als Deputierter! Viermal wählten die Maasanwohner ihren Abgeordneten wieder, bis er 1903 den Senatorensitz vorzog. Drei Jahre genügten, und er wurde zum Finanzberich:erstatter ernannt, vier Jahre, und er war Generalberichterstatter des Budgets. 33jährig saß er im Unterrichte Ministerium! Damals dauerten die französischen Ministerien nur ein Schmetterlingsleben: das erste Kabinett Dupuy wurde durch Casimir-Pörier ersetzt, das Kabinett Casimir-PSrier durch ein zweites unter Dupuy in dem Poincarö das Finanzportefeulle erlangte. Bald darauf machte Rtbot ihn abermals zum Unterrtchtsminister. Sett dem 14. Januar 1912 ist er Ministerpräsident und Minister des Aeußcrn. Er hat also reichliche Gelegenheit gehabt, sich in den verschiedensten Zweigen der Staatsver­waltung umzusehen und praktisch einzuarbeiten.

Seine Stellung zu Deutschland.

Er gehört nicht der neuen französischen Generation an, die ohne Voreingenommenheit an die Annäherung mit Deutschland herantreten würde, die sich mit dxm Unabänderlichen abgefunden hat und nur noch von der Möglichkeit einermoralischen Ge­nugtuung", von ausgedehnteren Freiheiten für die Elsaß- Lothringer oder ihrerAutonomie" redet. Ja, man darf sich in Deutschland keiner Enttäuschung hingeben, daß der

neue Herr im Elysee eine Freundschaft anbahnen würde. Glücklicherweise aber hat man auch nicht zu besorgen, daß er der Revanche-Idee neue Nahrung geben will er ist zu klug, zu positiv, um sein Land, in dem er Ordnung und Wohlstand wünscht, in Abenteuer zu stürzen.

Deutsche Preststimme«.

r Berlin, 18. Jan. Zum Ausfall der Präsidenten­wahl in Versailles schreibt der Lokalanzeiger: Man darf die französische Nation dazu beglückwünschen, daß sie für die höchste Auszeichnung, die sie zu vergeben hat, sich einen so hervorragenden und um die Nation verdienten Mann er­koren Hai. Bei der immer noch gespannten internationalen Lage kommt dem Wechsel in den leitenden Stellen der französischen Republik eine erhöhte Bedeutung zu. Im besten Mannesalter stehend, Hai Poincarö als Ministerprä­sident eine ungemeine Rührigkeit entfaltet. Gerade der Fragen der internationalen Politik nahm er sich mit Leiden­schaftlichkeit an. Die Boss. Zig. schreibt: Zum erstenmal ist wieder eine Kraft- und bedeutungsvolle Persönlichkeit, Präsident der Republik geworden. Es ist zu ermatten, daß Poincareä seinem Amt einen erhöhten politischen Einfluß verschaffen wird. Da er ohne die Stimmen der Rechten nicht gewählt werden konnte, so kann er nicht mehr als Er­korener der Republikaner gelten. In Deutschland wird man die Wahl dieses maßvollen und besonnenen Politikers, der wohl zur radikalen Partei gehört, aber nie radikal gehandelt hat, ohne Bedenken und Hintergedanken begrüßen. Das Berl. Tageblatt hebt hervor, daß Pomcarö gegenwärtig in Frankreich sehr populär ist. Das Blatt meint, Clemenceau, Comber und ihre radikalen Anhänger hätten verspielt. Die Kraftprobe, die sie versuchten, sei mißlungen. Man müsse

sagen, daß sie ihr Schicksal ein wenig verdient hätten.

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Versailles, 18. Jan. Nach der Nationalversamm­lung beglückwünschte Präsident Dubost den neuen Präsi­denten. Poincarö dankte für den Beweis des Bertrauens der Nationalversammlung. Er werde sich bemühen, sich dessen würdig zu zeigen. Er werde zu jeder Zeit ein un­parteiischer Richter sein. Darauf brachte Minister Eriand im Namen des Ministerrats seine Glückwünsche zum Aus­druck und sagte: Die Entscheidung der Nationalversamm­lung bekräftigt die Politik, mit der wir beide so eng verknüpft waren. Die hohen Interessen des Landes find in loyalen Händen.

Paris, 18. Jan. Das Kabinett ist zurückgetreten. Der Rücktritt wurde dem Präsidenten Fälliges beim Schluß des heutigen Ministerrats überreicht. Der Präsident nahm ihn an und bat die Minister, die lausenden Geschäfte vor- läufig noch zu erledigen.

wetterlä.

Berlin, 18. Jan. DieINorddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Das Auftreten des Reichstagsabgeord­neten Wetters bei seiner französischen Bortragsreise rieft» Deutschland überall eine starke Entrüstung hervor. Mit Recht wird in der Presse die verhetzende Tätigkeit als frivoles Spiel mit dem Frieden zweier Nationen bezeichnet, deren Regierungen um die Erhaltung des europäischen Friedens bemüht sind und deren über­wiegende Mehrheit, wie wir annehmen, auf beiden Seiten von der Aufstachelung chauvinistischer Leidenschaften nichts wissen will. Wetter erging sich in mehr oder weniger faßbaren Aevßerungen, als warte die unterdrückte Bevölke­rung sehnsüchtig aus die Befreier. Daß er so verstanden worden ist und zwar nicht gegen seine Absicht, ergibt sich klar aus den Berichten der französischen Zeitungen. Dem gegenüber würde es unerheblich sein, wenn Wetterlö nach­träglich einen harmloseren Wortlaut seines Bortrages produ­zierte. Völlig zutreffend wies der Staatssekretär Zorn von Bulach im elsaß-lothringischen Landtag darauf hin, daß es nicht auf den ausgeklügelten Wortlaut, sondern auf den Eindruck und das gesamte Milieu ankommt. Im deut­schen Reichstag ist Weiterlö zu verstehen gegeben worden, daß sein Treiben in Frankreich gegen die Ehre, Mitglied des Reichstags zu sein, gröblich verstößt.

Vom Landtag.

r Stuttgart, 18. Jan. Die Zweite Kammer setzte heute vormittag die Generaldebatte zum Etat sott. Die Nationalliberalen schickten als ersten Etatsredner den Abg. Baumann vor, der zunächst mit dem Abg. Keil eine Lanze brach und diesem nahe legte, sich in erster Linie mit seiner eigenen Pattei abzugeben und die Nationalliberalen nicht voreilig tot zu sagen. Der Redner brachte dann eine Reihe von Wünschen zum Ausdruck. Unter anderem verlangte er