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gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen desSozialis-
Jch habe nun vor zwei Monaten m Ulm der Sozialistenführer sprechen hören, und was i dem Manne weiß, das berechtigt mich zu dem
mus. einen ich von
Schluffe, daß ich den Mann zwar für verrannt in seinen Ideen, aber für einen Ehrenmann halte, dem das, was er sagt, Ernst ist. Seine, aus das Wohl der Arbeiter gerichtete Rede hat denn auch manches Gute und Gemäßigte enthalten; er hat unter anderem die Verdienste des württembergischen Fabrikinspektors lebhaft anerkannt. Hart daneben aber standen Aeußer- ungen, die ich nach verschiedenen Richtungen weder billigen, noch verstehen konnte. Er hat gesagt: Gehen Sie nach Stuttgart auf die Königsstraße: wer hat die Häuser dort gebaut? Die Arbeiter. Wer wohnt darin? Die Reichen. Meine Freunde, das war eine Behauptung, von der ich nicht weiß, ob sie mehr schlimm war, weil sie den Klaffenhaß aufregte und schürte, oder ob sie mehr thöricht war. Ich bin hier ganz unparteiisch; mir gehört kein Haus auf der Königsstraße und ich habe auch keine Aussicht eins zu bekommen; mir könnte die Sache also an sich gleichgültig sein, und ich könnte es den Herren Hausbesitzern überlassen, sich mit dem Herrn Sozialisten hierüber auseinander zu setzen. Ich hätte dem Redner aber zurufen mögen: Was haben Sie denn an? Nicht wahr, einen Rock? Den haben Sie aber auch nicht gemacht; der Schneider hat ihn gemacht, also geben Sie den Rock gefälligst dem Schneider. So hätte ich den Mann auf Grund seiner eigenen Worte splitternackt ausziehen können; denn er hat natürlich Hemd und Hose und Stiefel auch nicht gemacht. Aber, meine Herren, er hat sie bezahlt und deshalb gehören sie ihm und er trägt sie mit Recht, und die Herren auf der Königsstraße — ich nehme das wenigstens so an — haben ihre Häuser auch bezahlt, also gehören ihnen auch diese Häuser mit Recht. Wer das bestreitet, der erklärt damit, daß es keinen Unterschied zwischen arm und reich geben soll, und wenn wir-^o fragen, wie soll das anders werden, so kann er u ^ nur sagen: Mit Gewalt und Umsturz, und wenn man dann in dieser Weise vorgeht, oder so etwas vorbereitet, dann sind allerdings die Mittel nötig, um die Gesellschaft, die auf dem Grundsatz des Eigentums aufgebaut ist, zu verteidigen.
Was nun aber gethan werden kann, um den wirtschaftlich Schwächeren beizu stehen, das ist in Deutschland in einem Maße geschehen, wie es in keinem anderen Lande geschehen ist, wie es dort vielleicht noch nicht einmal versucht worden ist. Wir "oben auch die Arbeiterschutz-Gesetzgebung, welche die rbeiter-Partei verlangt, längst befürwortet und unsere Partei hat wiederholt dafür gestimmt. Ich darf mich einfach auf die Thatsache beziehen, daß dies Gesetz ja von der nationalliberalen Partei wie vom ganzen Reichstag wiederholt verlangt worden ist. Sie werden sehen, welch großes Werk in dieser Hinsicht der nächste Reichstag infolge der kaiserlichen Erlasse in Angriff, wird zu nehmen haben, und gewiß kann hier Großes geschaffen werden, wenn bei den anderen Staaten nur halbsoviel Opferwilligkeit vorhanden ist, wie bei uns."
Tages-Neuigkeiten.
* Calw, 18. Febr. Das Wahlkomite der Volkspartei hatte am Montag abend eine gut besuchte Wählerversammlung im I. Dreiß- 'schen Saal, in welcher Rechtsanwalt Karl Schickler das demokratische Programm entwickelte; unterstützt wurde der Kandidat durch Hrn. E. Georgii. Den Vorsitz führte Fabrikant H. Wagner. Außer den erstgenannten Herrn sprach zum Schluffe noch ein Arbeiter Gumbinger im Namen der Arbeiterpartei, er erklärte, daß sie nur einem freiheitlich gesinnten Kandidaten ihre Stimme zu geben vermöchten. Wie man vernimmt, haben auch die Sozialisten des Neuenbürger Bezirks die Weisung erhalten, statt des Apothekers Lutz den Kandidaten der Volkspartei, Rechtsanwalt Schicki er zu wählen. Wir sehen also morgen am Wahltag die HH. Demokraten mit den Sozialdemokraten gemeinsam zur Wahlurne schreiten.
* Würzbach, 13. Febr. Außerordentliche schmerzhafte Brandwunden hat sich eine erst kürzlich bei einem hiesigen Brenner in Dienst getretene Dienstmagd zugezogen. Dieselbe wollte den durch die überschäumende Maische gelösten Helm wieder auf die Blase bringen und verbrühte sich dabei Gesicht, Arme, Hände, Hals und Brust. Ein Sachverständiger, der zufällig bei einer Hochzeit hier war, leistete die erste Hilfe bis der Arzt anlangte. Die Bedauernswerte trägt freilich selbst Schuld an dem Unglück; sie hätte, weil in solcher Arbeit unerfahren, den Dienstherrn herbeirufen sollen, welcher dem Ueberschäumen mit den gewohnten Mitteln, Absperren des direkten Feuers und Abkühlung durch Wasser, Einhalt geboten hätte.
Stuttgart, 18. Febr. Seine Majestät der König hat auf die Anzeige vom Ableben des Kommerzienrats Karl v. Hallberger dessen Familienangehörigen die aufrichtigste Teilnahme aussprechen zu lassen geruht.
Gündringen, 14. Febr. Die hiesige inwohnerschaft wird gegenwärtig in nicht geringe Aufregung versetzt. Nachdem in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch ein kunstgerecht angelegtes „Feuerle" noch rechtzeitig durch den Nachtwächter entdeckt und unterdrückt worden war, wurde ein zweites Bubenstück in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag ebenfalls noch glücklich vereitelt. Der Thäter hatte es jedesmal auf einen an die Scheuer angebauten Schopf abgesehen. Möge es gelingen, desselben in Bälde habhaft zu werden!
Spiegelberg, 17. Febr. In Roßstaig bei Spiegelberg erbrach kürzlich ein 13jähriger Knabe während der Abwesenheit seiner Mutter die Kommode und stahl aus derselben 120 mit welchen er das Weite suchte. Als die Mutter nach Hause kam, durfte Sie jedoch über den Thäter nicht länger im Zweifel sein, denn auf der Tafel standen die Worte: Liebe Mutter! Die 120 ^ habe ich gestohlen, wenn ich sie verdient habe, schicke ich sie dir wieder. Dein lieber Sohn.
— Vom Schwarzwald schreibt man: Angesichts der vorherrschenden demokratischen Gesinnung im Schiltach-Eschachthal haben die Zentrums-
Ausgehen bereit, in der Apotheke stehen. Dies überraschte sie nicht. Er war ein Frühaufsteher und pflegte die wenigen Kranken, welche das Dorf, Dank seiner geringen Einwohnerzahl und Dank seiner gesunden Lage aufzuweisen hatte, noch vor dem gemeinschaftlichen Frühstück zu besuchen. Sie rief einen Morgengruß durch das offene Fenster, der freundlich erwiedert wurde und während sie näher trat und den in Sonnenlicht getauchten großen Raum überblickte, gewann der Gedanke an die Schrecken des verwichenen Abends in ihr vollkommen die Oberhand.
Der Graf beachtete die Anwesenheit seines Lieblings wenig. Er ging unstät in dem alle Bestandteile seiner Bestimmung enthaltenden Gemach umher, blieb mit scharfem Herumblicken vor den polierten Gestellen stehen, welche weiße glänzende Büchsen trugen, wendete sich dann musternd dem breiten Schranke zu, dessen aufgeschlagene Flügelthüren auf einer Seite zugeschobene Fächer, auf der anderen zahllose Fläschchen und Schachteln zeigte.
„Suchst Du Etwas, Papa?" — fragte Edith, als der Graf mit unaufgeklärter Miene an den großen Dsch trat, neben welchem gestern Isolde mit ihrer Ohnmacht gekämpft hatte und auf welchem noch das Taschentuch neben der Waffer- flasche lag, mit dem sie ihr die Schläfe genetzt. Unweit davon stand die mit Papierschnitzeln gefüllte kleine Kiste, in welcher die Medicamente angelangt waren, die in verschiedenen Behältnissen noch des Aufbewahrens harrten. — Edith war, indem sie frug, eingetreten. Der ältliche Herr schien ihre Anwesenheit vergessen zu haben.
„Ja, Kind" — rief er, ihre Gegenwart nun freundlich bemerkend. — „Der Hein" — (dies war der Name seines Pharmaceuten) — „muß mir ein Narkotikum verlegt haben von dem ich einige Tropfen für die kranke Frau des Lehrers höchst nötig bedarf. Ich habe schon nach ihm gesendet, es wundert mich nur, daß er gestern hier war, da ich ihm Urlaub gegeben hatte."
„Laß mich suchen helfen, Papa. Seit wann vermissest Du das Fläschchen?"
„ES kam mit den anderen Medicamenten" erzählte der Graf, auf "dieselben hindeutend und dann in den Schrank kramend — „gestern nachmittag mit der Post. Ich erinnere mich bestimmt, es in der Hand gehabt zu haben und in der Rechnung ist es auch angeführt. Dann kam Hartwig und störte mich. Ich ließ Alles stehen.
freunde beschlossen, gleich im ersten Wahlgang für den Freiherrn Hans v. Ow zu stimmen.
F r e u d e n st a d t, 13. Febr. Gestern abend traf in einer hiesigen Handwerksburschenherberge beim Kontrollieren der Wirtschaften der Landjäger einen elegant gekleideten Mann an, welcher sich bei einer Flasche Wein gütlich that. Aus den ihm abgenommenen Papieren ging hervor, daß derselbe em aus Heilbronn gebürtiger Küfer ist, welcher vor fünf Tagen in der gleichen Wirtschaft übernachtet hatte und der Wirtin seine Taschenuhr für 5 ^ in Versatz gab; auch war damals seine Kleidung eine ganz herabgekommmene. Nun war derselbe im Besitze von 50 baares Geld. Seine Behauptung, er habe von seiner Mutter 160 ^ erhalten und damit die Kleidungsstücke gekauft, erwies sich nach eingezogener telegraphischer Erkundigung als unwahr. Der Bursche wurde dem K. Amtsgericht übergeben.
— Aus Horb wird der Tüb. Kr. gemeldet: Ein als Beilage der Horb. Kr. ausgegebenes Wahlflug b l a t t des Barons v. M ün ch wurde be- hördlicherseits konfisziert. Dasselbe erging sich in heftigen Ausdrücken über den „Druck" (!) des eisernen Kanzlers u. s. w.
— In Tübingen sprach am Sonntag Fabrikant Krauß zu den Wählern. Er entwickelte sein Programm in schlichter und klarer Weise und fand lebhaften Beifall. Dann sprachen Prof. v. Franklin, Buchdruckereibesitzer Rupp-Reutlingen und Prof. Graner. Stürmischer Zuruf begrüßte den letzten Redner Kanzler v. Weizsäcker. Er sagte: Das deutsche Reich habe ein wunderbares Glück gehabt. Den ersten Kaiser durfte es bis in sein höchstes Greisenalter behalten, in dem jetzigen jungen Kaiser habe es einen prächtigen Mann gewonnen und den gründenden Staatsmann dürfen wir in seiner ganzen Kraft noch unser nennen. Das deutsche Reich ist fest gegründet, in der großen Mehrheit des Volkes hat es feste Wurzeln geschlagen, so daß es von einzelnen Menschen nicht mehr abhängig ist. Seine Ziele seien Freiheit und das Volkswohl und für diese trete auch unser Kandidat ein.
Langenau, 14. Febr. In der Manchart- schen Baumschule auf dem „Hobbele" sind von Oberförster Bürger allemannische Reihengräber entdeckt worden. Es kamen außer Knochenresten wohlerhaltene irdene Trinkgeschirre und Vasen, Reste von einem Schwert, ein schönes bronzenes Frauenarmband und Reste eines höchst zierlichen, buntfarbigen Halsbandes zum Vorschein. Es scheint sich um eine ausgedehnte Begräbnisstätte zu handeln. Die Ausgrabungen werden noch fortgesetzt.
Gmünd, 16. Februar. In Göggingen kam dieser Tage ein heiterer Taubenhandel zum Abschluß. Ein Taubenfreund aus Gaildorf bot einem bekannten dortigen Vogelzüchter ein Paar gelerchte Tauben um den Preis von 30 ^ an. Nach längerem Handeln kamen sie dahin überein, daß der Vogelzüchter dem Händler den größten Baum in seinem Walde für genanntes Paar Tauben abzutreten hätte. Als man nun aber in den Wald kam, stellte es sich heraus, daß derselbe derart gelichtet war, daß der größte Baum kaum eine Mark Wert hatte.
in der Ueberzeugung, es werde Niemand die Apotheke betreten. Aber Hein muß doch dagewesen sein. — Nun?!" — rief er dem eintretenden Diener entgegen.
„Der Herr Apotheker Hein ist gestern mittag wirklich abgereist, gräfliche Gnaden, seine Mutter, erwartet ihn mit dem nächsten Zug zurück."
„Dann muß doch Einer von Euch hier geräumt haben, obgleich Ihr dies nur in Heins Gegenwart thun sollt!" — rief der Graf zürnend und schnitt mit einem heftigen: „Frage nochmals unter der Dienerschaft nach" die Beteuerung des Lakais: es habe Niemand das Zimmer betreten, ab.
In Edith war ein plötzlicher Gedanke emporgezüngelt. Sie trat neben den. Grafen und erfaßte seine Hand.
„Was war in dem Fläschchen?" — wiederholte sie abermals.
Nun — Laudanum. — Opium. Und weil ich . . ."
Er vermochte nicht weiter zu sprechen. Ediths Hände umklammerten seinen Arm«
„Und das ist Gift!" — rief sie fast schreiend. — „Gift — Papa — an dem man sterben muß?!!"
„Kann — nicht muß" — erklärte der Graf. Dabei bemächtigte sich seiner eine unwillkürliche Beklemmung. Er hatte das verschwundene Narkotikum vermißt, da er dessen bedurfte und überhaupt jede Unregelmäßigkeit in der Apotheke als Pflichtverletzung betrachtete. Eine Befürchtung, der Gedanke nur an einen Mißbrauch desselben war chm nicht in den Sinn gekommen. Seines Wissens erfreute ja jedes Glied seiner Umgebung sich des Daseins. Das aber, was aus dem Kinde sprach, war nicht leere Neugier — das war peinliche innere Angst.
.Gift?! Ja" — fuhr er, sie fixierend fort. — Einige Tropfen bringen Erleichterung, lindem den Schmerz. In Menge genossen verursacht es den Tod."
„Dann hat es Isolde!" — Sie rief es nicht, sie sprach es nicht. Es wand sich wie der Ausdruck ihres Bangens über ihre Lippen.
„Isolde?! — rief er mit dem Versuch zu lächeln, doch bemächtigte sich seiner plötzlich eine dumpfe Sorge. — „Isolde? — Nun — wenn sie es hat — dann ist . es in guten Händen."
(Fortsetzung folgt.)