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kommen. Sehen wir zu, wie die Sache in Wirklich­keit sich verhält! Gerade wir in Süddeutschland und in Württemberg haben, den allerwenigsten Grund die Branntweinsteuerreform von 1887 zu beklagen. Denn während bei uns der Branntweinverbrauch sehr er­heblich zurücksteht, hinter demjenigen des obst- und weinarmen Nordens, haben wir dennoch an dem Ertrag der Steuer auf gleichem Fuß mit dem Norden Anteil erhalten. Der Eintritt in die Branntweinsteuergemeinschaft bedeutet für unfern Staatshaushalt einen erheblichen Gewinn, dessen Be­trag im Voranschlag für 1890/91 zu 4,700,000 ^ angesetzt ist, während derselbe Etat für Württemberg ein Steueraufkommen von nur 1,» Mill. Mark in Aussicht nimmt. Diese Zubuße, zusammen mit der Hebung anderer Staatseinnahmen hat es ermöglicht, unsere direkten Staatssteuern um Q/< Mill. zu ermäßigen, den Gemeinden durch höhere Staatsbe­teiligung an den Schul- und Armenlasten 2^ Mill. ^ und den im öffentlichen Dienst Angestellten die längst als notwendig erkannte Aufbesserung mit 2'/- Mill. ^ zuzuwenden. Wäre die Branntweinsteuer nicht gewesen, so wäre statt einer Ermäßigung der Steuer eine Erhöhung derselben um etwa 4 Millionen d. h. um ein Drittel nötig geworden. Oder hätte man etwa die Malzsteuer oder das Umgeld hinaufsetzen und dadurch den Bier-, Wein- und Mostgenuß ver­teuern sollen, nur damit das Schnapsglas geschont würde? Aber auch noch in anderer Hinsicht hat sich für die süddeutsche Brennerei der Eintritt in die Branntweinsteuergemeinschaft als vorteilhaft erwiesen. Bekanntlich spielt bei uns das Abbrennen von Stein­obst, Trestern, Heidelbeeren u. s. w., kurz die sog. Qualitätsbrennerei eine Hauptrolle. Und gerade diese hat mit dem Wegfall der Uebergangs- steuerschranken gegen Norddeuts chland ein erweitertes Absatzgebiet und bessere Preise gewonnen. So teilt uns ein Sachverständiger mit, daß in Würt­temberg infolge des neuen Gesetzes die durchschnitt­lichen Preise für das Liter Trinkbranntwein, so wie es der Brenner verkauft, bei Kirschengeist von etwa 2,80 ^ auf etwa 3,20 bei Zwetschgenwasser von 1,40 ^ auf 1,70 bei Heidelbeergeist von 2,90 ^ auf 3,30 ^ gestiegen seien. Die Steuererhöh' ung beträgt aber nach dem Alkoholgehalt dieser Trink­branntweine nur 2025 --Z. Die Preissteigerung geht also zum Teil noch ganz erheblich über den Be­trag der Steuererhöhung hinaus. Und je mehr unsere feinen Trinkbranntweine auf dem norddeutschen Markte bekannt werden und durch Zuverlässigkeit und Güte sich empfehlen, desto mehr kann noch auf eine weitere günstige Entwicklung gehofft werden. Der Beobachter hat in seiner Nr. 108 von 1889 behauptet, mehr als ein Drittel unserer schwäbischen Kleinbrenner sei durch das neue Gesetz erdrückt worden. In Wahrheit aber steht die Sache so, daß im Betrieb waren, vor dem neuen Gesetz im Jahre 1885/86 8272 Brennereien, nach Einführung des­selben im Jahre 1888/89 aber 9499 uno daß das Erzeugnis im gleichen Zeitraum von 34000 lll 50- gradigen Branntweins auf über 40,000 lll. ge­stiegen ist! Selbstverständlich werden in obst- und weinarmen Jahren erheblich weniger Brennereien in Gang gesetzt, als in obst- und weinreichen; gewisse Schwankungen in der Brennerzahl und in der Menge

des Erzeugnisses müssen daher immer Vorkommen. Aber der Ernteausfall hängt doch nicht von Steuer und Gesetz, sondern von einer höheren Macht ab. Fassen wir unser Urteil zusammen, so ist als 'als Wirkung des Branntweinsteuergesetzes hervor­zuheben: eine gewisse Verteuerung und einige Ein­schränkung des Branntweingenusses, dagegen die Er­weiterung des Marktes für unsere besseren Trink­branntweine und eine erhebliche Stärkung des Staats­haushalts, wodurch die Ermäßigung der direkten Steuern und eine kräftige Unterstützung der Ge­meinden durch den Staat, sowie die Befriedigung sonstiger Staatsbedürfnisse möglich geworden ist, neben weitgehender Schonung und Berücksichtigung der Brenner, zumal der klemen und dafür wird stets ein- treten: Landgerichtsrat v. Gültlingen.

Eingesendet.

DerBeobachter", das Blatt der Volkspartei, deren Vorstand der Candidat im VII. württ. Reichs­tagswahlkreis Rechtsanwalt Schickler von Stuttgart ist, zählt unter denSünden" der treu zu Kaiser und Reich stehenden Reichstagsabgeordneten auch die auf, daß diese für Kriegszwecke große Summen .aus der Tasche des Volks" verwilligt hätten. Für den Krieg aber, den die demokratischen Volksparteiler im Reichstag gegen Kaiser und Reich führen wollen, verlangt der Beobachter von den WählernGeld, Geld und wieder Geld", das doch auch wohlaus der Tasche des Volks" kommen soll. Er schreit immer, die staatlichen und Reichssteuern seien für daS Volk unerschwinglich; aber für so erschöpft hält er die Steuerkraft des Volks nicht, daß man ihr nicht auch noch zumuten könnte, recht kräftig beizu- steuern zu den Kosten der Wahlreisen und Wahlum­triebe der Stuttgarter Advokaten.

Im Wahlaufruf der deutschen Volkspartei lautet der dritte Punkt der Forderungen:Die deutsche Volkspartei tritt ein für Beseitigung der die not­wendigen Lebensmittel verteuernden Zölle". In erster Linie fordert die Volkspartei die Beseitigung des unverschämten" Kornzolls. Diese Forderung wird denn auch von den Demokraten bei den Agitationen in den Städtenunentwegt und voll und ganz" betont. Aber aufdemLande? Ja! da schweigen sie am liebsten über den Kornzoll, oder aber sagen sie, es habe mit der Beseitigung des Kornzolls keine Eile; er müsse vorläufig bestehen bleiben. Frevel­haftes, mit den Wählern getriebenes Spiel!

Wähler auf dem Lande!

Soll die Landwirtschaft des Schutzes beraubt werden, dessen sie so notwendig bedarf; wollt Ihr ohne Zoll­schutz verarmen; sollen die Güterpreise in der Folge unaufhaltsam sinken, so wählet eben den Demokraten Schickler! Wollt Ihr aber, daß Eure Interessen im Reichstag kräftigst vertreten werden, so wählet den Landaerichtsrat von Gültlingen, welcher die Aufrechterhaltung der Schutzzollpolitik für dringend geboten hält, weil durch die Aufheb­ung der landwirtschaftlichen Zölle und der Holzzölle Ihr,Wähler auf demLande, schwer geschädigt würdet.

Und noch eins! Rechtsanwalt Schickler wird, wie sein Gesinnungsgenosse Payer, die Aufhebung unserer württ. Einrichtung in Betreff der freiwilligen

Gerichtsbarkeit herbeiführen wollen, welche in allen Schichten der Bevölkerung als bewährt und billig sich einer besonderen Popularität erfreut. Er wird dahin arbeiten, daß künftig die Kauf- und Pfand­bücher bei den Amts-Gerichten geführt und daß Rechts- elehrte die freiwillige Gerichtsbarkeit besorgen, ms- esondere will er dies von dem Vormundschafts- und Teilungswesen. Die bestehende württ. Einrichtung ist besonders geeignet, Streitigkeiten unter den Be­teiligten zu verhüten. Wenn's nach dem Sinne der Demokraten geht, gibt's mehr Prozesse und die großem Kosten müssen bezahlt werdenaus der Tasche des Volks". Wähler! wollt Ihr, daß es soweit kommt, so wählet eben den demokratischen Rechtsanwalt Schickler! wollt Ihr aber in Eurem Interesse das nicht, so wählt den

Landgerichtsrat von Gültlingen von dem man weiß, daß er für die Erhaltung, unserer bewährten, billigen, Prozesse verhindernden württ. Einrichtung ist.

Vermischtes.

*) Aus Leipzig erfahren wir, daß am 7. ds- M. das Reichsgericht in der vielbesprochenen, von der Leipziger Lebensversicherungs-Gesellschaft veraulaßten Feststellungsklagsache des Dr. Pansa gegen die G o- thaer Lebensversicherungsbank (wegen der von dieser Anstalt eingeführten prämienfreien Mit­übernahme der Kriegsgefahr Wehrpflichtiger) die klägerische Revision kostenpflichtig ver­worfen und also mit dem oberlandesge­richtlichen Urteile anerkannt hat, daß die erwähnte Maßnahme der Bank mit Grund nicht angefochten werden könne. Die auf klägerischer Seite Beteiligten hatten sich aller durch die Prozeßordnung dargebotenen Mittel bedient, um die Entscheidung so lange als möglich hinzuziehen, was deutlich genug für den Anlaß und die Absicht der Klagerhebung spricht. Nun diese Absicht fehl­geschlagen, werden sie nach anderen Mitteln suchen^ das Ansehen und die Wirksamkeit der ältesten und angesehensten deutschen Lebensversicherungs-Anstalt zu schädigen. Wir hoffen aber, daß diese letztere ruhig und unverdrossen auf ihrer ehrenvollen Bahn fortschreiten wird zum Segen aller derer, welche ihr mit Recht wichtige wirtschaftliche Interessen gern an- vertraut haben und ferner anvertrauen werden.

Bei einer Eisenbahnkatastrophe verloren 5 Menschen das Leben, darunter der Diener eines Engländers. Mylord saß in der ersten Wagen­klasse, streckte ruhig den Kopf zum Fenster hinaus und da er fand, daß sein Wagen nicht gelitten, drückte er sich ruhig wieder in seine Ecke. Ein Schaffner stürzte bleich zu ihm hin, steigt auf die Ran pe und redet ihn durchs Wagenfenster, an:Mein Herr, ein. großes Unglück ist geschehen!"Inäesck? Oll!" Drei Wagen sind zertrümmert!"Inässä? Oll!"Fünf Menschen sind getötet!Incloeä? Oll!"Darunter Ihr Diener, er ist in 6 Stücke zerrissen!"In six pseoss? Oll!"Was sollen wir mit ihm thun, Sir?"Bringen Sie mir das Stück von ihm, an was sich befinden die Schlüssel zu meinem Koffer!"

eines ungeheueren Feuerrades, die junge Frau so vereinsamt und teilnahmlos neben sich stehen sah. Gern hätte sie, die an diesem M>end mit Isolde noch kein Wort gewechselt hatte, dem Gebot der Artigkeit genügt. Was aber sollte sie sprechen? Der Scene des Morgens zu gedenken war unzart, Redensarten schienen ihr nicht am Platze so verharrte sie im Stillschweigen.

Heber den freien Platz unterhalb der Terrasse war schon wiederholt Ambros, der Parkhüter hin und hergeschritten. Er schien Jemand zu suchen. Wahrscheinlich den Onkel. Jetzt blieb er vor Harald, der eben die hellbeleuchtete Treppe Herab­stieg, stehen und entledigte sich augenscheinlich seiner Botschaft. Edith sah, wie der Offizier sich, wie einer inneren Genugthuung folgend, emporreckte. Sein Antlitz nahm einen gespannten Ausdruck an und in eigentümlicher Hast spürte sein Auge ins Dunkel unter die sich bewegenden Gestalten.

In unerklärlicher Angst zog sich ihr das Herz zusammen, als sie ihn plötzlich die Richtung einschlagen sah, die zu ihr und Isolde führte und mit Erleichterung erfüllte es sie, daß gleichzeitig der Onkel mit seiner Begleitung wieder zu ihnen trat.

Jetzt flammte in Brillantschrift der Namenszug der alten Gräfin auf. Mitten durch die Ausrufe des Entzückens und der Verwunderung vernahm Edith Haralds Stimme, der mit hartem, unnatürlichem Tone zu dem Onkel sprach, während seine Augen haßerfüllt sich förmlich in das Antlitz seiner Gemahlin einbohrten:Soeben berichtete mir AmbroS, daß man im Walde, unweit der Eremitage, die Leiche des Forstadjunkten Wefsenberg gefunden hat. Er hat sich erschaffen. Sein entladenes Gewehr lag neben ihm."

Noch während er sprach, hatte des jungen Mädchens Hand Isoldens Arm umfaßt. Sie fühlte das furchtbare Zusammenzucken derselben, das Beben ihres Körpers. Ihr selbst war, als erwache sie aus einem schweren Traum. Das war Harald?! .... Wecker kam sie nicht.

Knisternd stob ein Flammenregen, das Ende des Feuerwerks, über sie hinweg- Gleichzeitig fuhr ein Blitz durch daS sich öffnende Gewölk, dem ein heftiger Donner­schlag folgte. Es fielen einzelne Tropfen.

Graf von der Tann hatte mit seinen Begleitern, sobald er die erschütternde Nachricht vernommen, sich hinwegbegeben, um Näheres über den jähen Tod des ihm werten jungen Beamten zu vernehmen. Harald war ihm gefolgt. Seine Rache hatte ihr Ziel erreicht.

Neben Edith lehnte eine zum Tode Verwundete. Isoldens Hände waren plötzlich eiskalt geworden, das junge Mädchen vernahm, wie ein ächzender pfeifen­der Atem sich ihrer Brust entrang. Sehen konnte sie das Antlitz der Unglücklichen nicht mit dem Schluß des Feuerwerks hatte der Park sich in gänzliche Nacht ge­hüllt. Die Gesellschaft drängte sich in die Säle zurück, es regnete stark und die Luft hatte sich plötzlich abgekühlt.

Wohin wohin sollte sie die Unglückliche geleiten? ....

Isolde kannst Du mir folgen?" fragte sie mit Bangen.

Sie erhielt keine Antwort. Nur ein Schluchzen, das Edith in die Seele brannte, berührte ihr Ohr.

Sie legte ihren Arm um der Zitternden Leib und zog sie vorwärts. Der Regen stürzte jetzt strömend herab.

Edith hielt sich mit der, scheinbar einer Ohnmacht ringenden, soviel als möglich im Schutz der Bäume, während sie sich dem Gebäude näherte.

Das ganze Untergeschoß war von Gästen erfüllt, auf der Treppe zu den oberen Räumen drängte sich der Dienerschwarm auf und ab dort aber, im nördlichen Eck lagen zwei Fenster im Dunkeln, des Onkels Apotheke. Dort konnte Isolde sich sammeln und warten, bis sie Eugen fand, der sie nach Hause geleiten mußte.

Das Gemach hatte einen Ausgang ins Freie und als Isolde dort in einem Armstuhl gesunken war, sah Edith in ein tötlich verwandeltes Antlitz. Auf dem Tisch brannte eine einzige Lampe und verbreitete nur dämmerndes Licht. Sie er­griff die Wasserflasche und netzte die Schläfen der Ohnmächtigen, sie wusch ihr auch die Schminke ab, die mit den leblosen Zügen einen so entsetzlichen Kontrast bildete.

(Fortsetzung folgt.)