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Vertretung gefunden zu haben, der dem Wahlkreis nicht blos zur Ehre, sondern dem deutschen Reichstag auch zur Zierde gereicht.
V. Wahlkreis. In U r a ch fand am Sonntag eine von dem nationalen Verein veranstaltete Wahlversammlung statt, in welcher der Kandidat August Weiß sein Programm entwickelte.
* VIII. Wahlkreis. Von den Katholiken ist schon in voriger Woche ein Eintreten für Hrn. v. Ow gemeldet worden und da sonst die Aussichten sehr günstige sind, so dürfte ein glänzender Sieg nicht ausbleiben. Die HH. Demokraten werden selbstredend Mann für Mann ihren Kandidaten Freiherrn v. Münch wählen und sie sind ihm dies auch schuldig, nachdem Vater „Beobachter" den jungen Herrn so zu sagen als ein ihm ins Nest gelegtes Kukuksei behandelt.
XI. Wahlkreis. Backnang, 9. Febr. Am Samstag sprach Leemann im Saale des Cafe Härlin/ vor zahlreicher Versammlung. Eröffnet wurde dieselbe^ von Stadtschultheiß Gock. Leemann kam auf die Kormölle zu sprechen und zeigte, daß durch dieselben der Brotpreis nicht wesentlich gestiegen sei und die Reichskasse eine Einnahme von etwa 80 Mill. gehabt habe, für welche der Steuerzahler trotz des Sinkens der Getreidepreise und der Entwertung des Güter aufzukommen gehabt hätte, wenn die Zölle nicht gewesen wären. Ganz besonders hob er das Werk der Sozialreform hervor, mit welchem der Reichstag und die Regierungen einen Weg beschritten, auf welchem ihm andere Regierungen bald folgen werden. Heute besuchte L. unter zahlreicher Begleitung das Weissacher Thal, in welchem er von der Landbevölkerung überall sympatisch ausgenommen wurde.
Tages Neuigkeiten.
* In Calw scheint es noch wenig bekannt zu sein, wie sehr der Brennholzbezug aus dem Dickemer Wald, Reviers Stammheim, durch neue Wege erleichtert ist, und es dürfte vielleicht bei den steigenden Preisen für Brennmaterial manchem erwünscht sein, auf diese reiche Bezugsquelle aufmerksam zu werden und gleich für den in Nro. 17 angekündigten Verkauf einen Wegweiser zu bekommen. Geht man von der Waldbrücke bei Kentheim aus rechts die „Waldsteige" hinauf, so kommt man zunächst an die Wendplatte für den nach links abzweigenden „Sandweg", an dem nur unten etwas Holz für den nächsten Verkauf sitzt. Der nächste Weg, der rechts, abzweigt, führt zur Rehgrundklinge hinab und zum Brühlberg, wo an allen Wegen viel Holz sitzt und namentlich das obere und oberste über die Waldsteige bequem nach Calw zu führen ist. Geht man diese Steige weiter hinauf, so konimt man, während man den Brühlberg rechts drüben liegen sieht, bald an den steilen, nun korrigierten Stich der Herrschaftsteige, an welchem linkerhand ganz oben der zweite Hauptschlag liegt, Abt. Felsenweg, — mit gleich günstiger Abfuhr. Ein großer Teil des Materials besteht bei dem Alter der Bestände leider aus „Anbruch" — in sehr verschiedener Qualität (oft wie Scheiter bezahlt), und es empfiehlt sich namentlich um desienwillen eine genaue
Besichtigung — womöglich schon vor dem Verkaufstag. Später kommen noch die eben so nahen Schläge Schleifberg und Kentheimerberg zum Verkauf.
— Seit einigen Tagen hält die Kälte gleichmäßig an; das Thermometer zeigt auch heute wieder 4° L. im Minimum. Eine Aenderung der Witterung scheint vorerst nicht bevorzustehen, vielmehr soll nach der Aussage der alten Wetterkundigen noch ein strenger Nachwinter in sichere Aussicht zu nehmen sein. An Lichtmeß hatten wir schönes, frostiges Wetter. Eine alte Wetterregel sagt nun in Bezug auf diesen Tag, daß, wenn an Mariä Lichtmeß sonnenhelles und klares Wetter herrsche, scharfer Frost und Schnee bis in den März zu erwarten sein dürfte. Für unsere Obstbäume ist es übrigens eine wahre Wohl- that, daß die Kälte dem allzuraschen Knospentrieb im Januar Einhalt gethan hat, „denn ist es warm im Februar, so ist's gefehlt auf's ganze Jahr."
Ober-Kollbach, 7. Februar. Unsere Verstorbenen mußten wir auch bei kalter, stürmischer und schneereicher Witterung in den Mutterort Altburg überführen. Schon lange sehnte man sich deshalb nach' einem eigenen Friedhof. Der Ertrag einer hier veranstalteten Kollekte und der Zuschuß aus einer örtlichen Kasse ermöglichte es uns ein zwischen Ober- Kollbach und Eberspiel gelegenes Feldstück anzukaufen und zu einem Begräbnisplatz zuzurichten. Nun ist den Hinterbliebenen der Toten besser Gelegenheit geboten die Gräber der Ihrigen zu schmücken und von Zeit zu Zeit nach denselben zu sehen. Allen denjenigen, welche ihr Scherftein zur Erbauung des Kirchhofs beigetragen, wird hiemit nachträglich noch öffentlich gedankt. Auf den Gottesacker ruhen bis heute nur 2 Tote: Eine Großmutter und deren Enkel.
(?) Das „Eingesendet" in Nr. 17 des „Calwer Hausfreund", Nagold, 9. Februar, berichtet über den lebhaften, ja stürmischen Beifall, welchen Herr Rechtsanwalt Schicki er von Stuttgart durch Entwicklung seines volksparteilichen Programms gefunden habe (im „Gesellschafter" lasen wir's anders). Von wem der stürmische Beifall ausging, mag hier uner- örtert bleiben; es genügt, darauf hinzuweisen, daß Herr Georgii von Calw den Vorsitz in der Nagolder Versammlung führte und es ist dem Herrn Georgii sein „nicht unangenehmes" Empfinden darüber, daß die Gegenpartei durch ihre Abwesenheit glänzte, zu gönnen. Festgenagelt aber muß werden, daß das „Eingesendet" von der Lüge über die Kriegsgefahr vor drei Jahren spricht, während Herr Schickler zugiebt, daß bei dem Kriegsgeschrei vor drei Jahren allerdings eine Stimme eine Rolle gespielt habe, die des damals von den Franzosen vergötterten Kriegsministers Boulanger, „welcher für den Krieg w ar." Die Unverfrorenheit, die im selben Atem die Kriegsgefahr für Lüge und zugleich als wirklich vorhanden erklärt, wird jedermann die Augen öffnen über das auf Stimmenfang berechnete Spiel, welches die Demokraten mit den Wählern treiben.
Ulm, 6. Februar. Ein biederes Bäuerlein, Namens Haller in der Nähe ^von Ulm, versilberte, nachdem er durch einige Unglücksfälle sein Vermögen auf nahezu 0,0 gebracht sah, den Rest seiner Mobilien, um jenseits des Ozeans seinen Stern an einem glück
licheren Horizont wieder aufleuchten zu sehen. Schwerem Herzens verließ er die liebe Heimat mit ihren Freuden und Freunden und versicherte die letzteren, daß er nur als wohlhabender Mann den vaterländischen Boden Wiedersehen wolle. Und wie erstaunten Groß und Klein, als nach kaum 4 Monaten Michael Haller nicht nur wohlbehalten, sondern auch viel wohlgenährter mit Weib und Kind in das Dorf zurückkehrte. Er hatte, als er die Reise nach drüben angetreten, sich Vera-Cruz zum Ziel gewählt. Nachdem er das Schiff verlassen, fand er an einem am Hafen gelegenen stillen Orte, den er dringend besuchen mußte, eine stark beschwerte, lederne'Brieftasche, die er zu sich nahm.. Er war gerade auf dem Wege, der Hafenpolizei von seinem Funde Anzeige zu machen, als bereits Plakate den Verlust einer braunledernen Brieftasche meldeten^ welche in Banknoten und Cheques ca. 150,000 Dollars enthielt und von dem Angestellten eines der ersten Handlungshäuser der Stadt verloren worden war. 10,000 Doll, waren dem ehrlichen Finder, welcher in diesem Falle Michael Haller hieß, zugesichert. Eine Stunde nach seiner Landung in der neuen Welt war er ein gemachter Mann und nach kurzem Aufenthalt kehrte er mit seiner Familie in die Heimat zurück, um das Erbe der Väter zurückzukaufen. Viel Glück auch dazu!
— Nach der „Frkf. Ztg." ist, eingeschleppt durch ein aus Verviers gekommenes, inzwischen schon gestorbenes Kind, in M. Gladbach eine Pocken-. Epidemie ausgebrochen, der schon 7 Personen zum Opfer fielen. Im Seuchenhause, das bereits 31 Kranke ausgenommen hatte, ist nicht mehr genügend -Maum vorhanden, sodaß für alle Fälle noch eine für- 30 Kranke eingerichtete Baracke errichtet werden mußte. . In Privatbehandlung sollen sich 12 Personen befinden, während die Zahl der in M.Gladbach angemeldeten. Pockenkranken überhaupt bis gestern 65 betrug.
Calw.
FandnmthjWtlicher Kkjirksvmjn.
Aufforderung zum künstlichen Futterbau.
Obwohl der künstliche Futterbau, dessen Förderung der landw. Bezirksverein seit nunmehr 27 Jahrew zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht hat, im hiesigen Bezirke einen festen Stamm von Anhängern hat, so soll doch in keinem Jahre versäumt werden, demselben neue Freunde zu gewinnen zu suchen., In diesem Bestreben findet er die kräftigste Unterstützung natürlich in den alljährlich in den meisten Schwarzwaldorten offen vor Augen liegenden Erfolgen derjenigen, die den hohen Wert des künstlichen Futterbaus seit Jahren kennen und schätzen gelernt haben und ein Beweis, wie groß die Zahl dieser einsichtigen Landwirthe und wie groß der von ihnen erzielte Gewinn ist, mag in der aktenmäßigen Mittheilung liegen, daß der Verein in den letzten 27 Jahren 90,277 Pfd. Samen vertheilt hat, mit dem über 3000 Morgen Futter angebaut wurden. Bei einem Durchschnittsertrag von 35 Ctr. per Morgen ist damit ein Futterertrag von 105,000 Ctr. gewonnen worden, mit dessen Hilfe der Viehstand, in zweiter Linie aber auch der Zustand der Felder in ganz unleugbarer Weise
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„Wie?! — fragte Isolde zärtlich — „ist Dir unsere verstohlene Liebe nicht genug?"
Sie sah kokett zu ihm empor. Ihr rosiges Antlitz war ihm zugewendet. Mit heißer Aufwallung zog er sie an sich und preßte einen Kuß auf ihren Mund.
„Elender, erbärmlicher Knecht!" hörte er da plötzlich hinter sich rufen, von einer Stimme, die ihm wie der Schall des jüngsten Gerichtes dünkte. Isolde fühlte sich ergriffen und zur Seite geschleudert, dann sauste Haralds Reitpeitsche einmal, zweimal über des Forstadjunkten Antlitz und hinterließ purpurrote Striemen. Eden holte der Offizier, in seiner Wut keine Grenzen kennend, zum brüten Male aus, als er sich zurückgehalten fühlte. Seines Bruders Hand entwand ihm die Peitsche, mü eisernem Griff hielt Eugen Haralds Handgelenk umspannt.
„Beherrsche Dich" — raunte er ihm zu.
Er war soebm mit Edüh aus dem Walde getreten und Zeuge der Katastrophe geworden.
„Laß mich" — tobte der Offizier. — „Du weißt nicht, was er mir angethan. Wie anders soll ich den elenden Buben züchtigen?!"
„Du mußt Dich dennoch bezwingen. Ueberlaß ihn mir" — versuchte Eugen zu beruhigen. — „Dmke an Deine OffizierSehre, an die Gegenwart der Frauen. — Gehen Sie" — befahl er dem Adjunkten, der wie versteinert an der Stelle stand, wo Haralds Peitsche ihn getroffen. Sein Antlitz war wie das einer Leiche, aus der breüen roten Schwiele, die sich über Stirn und Wange zog, sickerte Blut. — „Sie «erden noch heute von mir hören."
Der Angeredete regte sich nicht, er stand wie gelähmt, nur einen Augenblick hatte unter Haralds Züchtigung seine Hand nach dem Gewehr gezuckt. Isolde lehnte an der Bank, wohin sie unter Haralds Griff getaumelt war, ihre Augen hingen an dem Mißhandellen. Einer plötzlichen Eingebung folgend erhob sie sich und warf sich an seine Brust: „Paul, Paul! — Lebe wohl!"
Er schien wie aus einem Traume zu erwachen, es war Alles Spiel eines Augenblickes; schon riß Harald das Weib, das ihn verraten hatte, hinweg.
„Geh nach Hause" rief er ihr mü grellem, unartikulierten. Lachen zu — „es ist Zeit, Toilette zu machen, und dies nimm mit. Ich fand es auf Deinem Toilettetisch."
Er warf ihr Wessenbergs Brief vor die Füße.
Lautlos, verschüchtert, die Hände ineinandergepreßt, lehnte Edith an einem Baumstamm. Ihre Augen warm weit geöffnet, mit zitterndem Herzen vernahm sie jedes gesprochene Wort. Als sie Isolde jetzt gesenkten Hauptes, wankenden Ganges an sich vorübergehen sah, kam Leben in ihre erstarrten Mienen.
Noch ein Mal warf sie einen furchtsamen Blick auf die Unglücksstätte und sah, wie Eugen den totesbleichen, heftig gestikulierenden Harald den Abstieg hinunterzog, der zu Dairlings Standort führte, sah, wie der Adjunkt langsam die Hand hob und an die blutende Wange legte, dann wendete sie sich und folgte der Voranwandelnden.
Auch ihres Bleibens durfte hier nicht länger sein. Sie legte die Hand fest an Zsecks Halsband, denn eS wurde ihr dunkel vor den Augen. Wie im magnetischen Schlaf, ohne Bewußtsein und Willen sich vorwärts bewegend, erreichte sie unter ihres treuen Führers Leitung die Pforte des ParkeS, vor welcher der Weg nach dem Herrenhaus abmündete.
Hier stand Isolde.
Sie reichte Edüh die Hand.
„Bis zum Abend" — sagte sie. Ihre Stimme klang tonlos, fast unverständlich.
Edüh fühlte sich versucht, ihre Arme um der Sprechenden Hals zu legen und sie zur Umkehr, zur Versöhnung mü Harald zu mahnen. Sie wagte es nicht. Es lag eine so abwehrende Kälte, ein solch versteinerter Ausdruck in den Zügen der jungen Frau.
„Es kann noch Alles gut werdm" — sagte sie leise und dabei traten Thränen in ihre Augen.
„Vielleicht."
ES lag mehr Gleichgiltigkeit, als Hoffnung in dem Ton, mü welchem Isolde - > erwiederte. (Fortsetzung folgt.)