Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw
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Erschkint Di-n»tag, D-nn-rilag und Samitag. Di- Einrückun,s,-bühr b-trSgt im Bezirk und nächster Um- ßebung » Psg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, Len 13. Jebruar 1890.
AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt SV Pfg. m»d 20 Pfg. Trägerkohn, durch die Post dqogen Mk. 1. IS, sonst l* ganz Württemberg Mk. 1. SS.
Amtliche Bekanntmachungen.
Die Ortsvorstester
werden mit Bezugnahme auf den oberamtlichen Erlaß vom 15. Januar d. I. in Nro. 9 des Calwer Wochenblatts aufgefordert, etwaige Gesuche um Aufnahme in das K. Armenbad Wildbad unter Beischluß der erforderlichen Belege bis spätestens 25. d. Mts. dem Oberamt vorzulegen.
Calw, den II. Februar 1890.
K. Oberamt.
Supper.
Deutsches Reich.
— In dem neuesten Hefte der Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Zentralverbandes deutscher Industrieller veröffentlicht der Geschäftsführer des letzteren, Herr H. A. Bueck, einen namentlich mit Bezug auf die gegenwärtige Lage der Arbeiterverhältnisse interessanten Artikel über Strikes und Lock-Outs, welcher sich zum größten Teile mit den englischen Verhältnissen beschäftigt, dann aber auch die deutschen einer zutreffenden Kritik unterwirft. Am Schluffe seiner Ausführungen sagt Herr H. A. Bueck über die deutschen Berg- a rbeiter:
„Die Bewegung unter den deutschen Bergarbeitern hat in neuester Zeit auch zu Organisationen unter dieser Arbeiterklasse geführt. In allen bergbautreibenden Bezirken sind die „Führer" in unermüdlicher Agitation an der Arbeit, Verbände der Bergarbeiter zu bilden. Diese Bewegung ist lange verkannt worden. Den Versicherungen der Führer und dem gesunden Sinne der Leute vertrauend, hatte
man diese neuen Organisationen nur als den Ausfluß des auf die Besserung der eigenen Lage gerichteten Strebens betrachtet. Die bevorstehenden Reichstagswahlen haben zu einer besseren Erkenntnis und zur Klärung der Lage Gelegenheit gegeben. Die Führer haben die Maske abgeworfen, sie sind offen in das Lager der Sozial-Demokratie übergegangen und ihr Anhang, meistens fremdes Element, dem der Geist der alten Knappschaft fremd ist, ist ihnen gefolgt. Die Kohlenindustrie ist es, welche dem ganzen modernen Wirtschaftsleben in unseren auf die Intensität dieses Lebens basierten Kulturstaaten die Lebenskraft verleiht. Versagt die Kohlenindustrie, so kommt alles zum Stillstand, die beste Einleitung des von der Sozialdemokratie ersehnten Chaos. Daher mußten die Führer der letzteren ihre Hebel in der Kohlenindustrie einsetzen. Wie die Erfahrung gelehrt, haben die verkappten Anhänger der Sozialdemokratie unter den Bergleuten vortrefflich gearbeitet. Mit Hilfe der Hetzarbeit anderer regierungsfeindlicher Parteien ist es ihnen gelungen, eine hochgradige Unzufriedenheit und Gärung unter den Bergarbeitern zu erregen, eine tiefe Kluft zwischen den Belegschaften und den Arbeitgebern herzustellen und nicht wenige ihrer Genossen in das sozialdemokratische Lager zu führen. Diese Erfolge, im Verein mit den sicher zur Ausführung gelangenden Plänen für einen internationalen Zusammenschluß der Gleichgesinnten, enthalten eine furchtbare Gefahr für den Staat und die bestehende Gesellschaftsordnung. Diese Gefahr zu bannen, ist eine Aufgabe, an deren Lösung mitzuarbeiten jeder berufen ist. Die Erfüllung dieser Aufgabe ist nicht aussichtlos."
Wahknachrichte«.
II. Wahlkreis. Am letzten Sonntag fand im Ggsthof zur Sonne in Großbottwar eine Ver
sammlung statt, in welcher L.G.R. Veiel vor einer zahlreichen Wählerschaft sprach. Im Verlauf seiner Entwickelungen legte Veiel den Wählern das einschneidende, wohlwollende Vorgehen des Kaisers in der Arbeiterschutzfrage dar. Das Ergebnis der Wahlversammlung muß als ein durchaus befriedigendes bezeichnet werden.
III. Wahlkreis. In Brackenheim entwickelte am Sonntag Frhr. v. Ellrichshausen sein Programm vor einer 600 Köpfe zählenden Versammlung. Der Kandidat wurde dabei von den ihn begleitenden Herren kräftig unterstützt, so u. A. von Hrn. Präzeptor Maser, welcher bei seiner Reise nach Frankreich die bekannten Baracken mit eigenen Augen sah. Ein Gegner trat hier nicht auf. Am gleichen Tag sprach der Kandidat der Volkspartei Gemeinderat Härle in Bietigheim. Härle will, daß das deutsche Heer die ihm gebührende Stelle haben soll und daß seine Schlagfertiakeit nicht angegriffen werde, dageben müsse die Präsenszeit herabgesetzt werden. Die Getreidezölle könnten allerdings in Rücksicht auf die Landwirtschaft nicht sofort abgeschafft werden, aber sie lasten schwer auf den Schultern der unbemittelten Familien. Der Zoll aus Wein sei ein gerechterer; das geheime Wahlrecht soll nicht angetastet und die Stichwahlen nicht entfernt werden.
IV. Wahlkreis. Auch hier hat die Wahlagitation begonnen. Am 6. d. M. hielt die Volkspartei eine stark besuchte Versammlung in Vaihingen ab, wobei Rechtsanwalt Haußmann das Programm der Partei entwickelte, während der Kandidat Schultheiß Kercher von Iptingen das seinige oorlas. Am 9. Februar fand sich der Kandidat der nationalen Partei Dr. Göz ein und entwickelte in °/»stündiger, glänzender Rede, ruhig und sachlich ohne Angriff sein Programm. Die Wählerschaft gewann die Ueber- zeugung, in Dr. Göz den richtigen Mann für ihre
Keuillelon. ^-u--
Mcrch dem Sturme.
Novelle von C. Voll brecht.
(Fortsetzung.)
„Harald, sagte mir Susanne, sei vor einer halben Stunde im Herrenhause eingetroffen, und da er dort Niemanden angetroffen, habe er sich nach kurzem Aufenthalte entfernt, da man ihm mitteilte, Isolde promeniere im Walde. Wo ihn aber finden? Ich muß ihn so bald als möglich sprechen, eS gilt noch Bestimmtes für das Feuerwerk am Abend anzuordnen, zu welchem er einen Kanonier zu bestellen versprach."
Edith vernahm die letzten Worte nicht mehr. Ihr Körper erbebte unter lähmendem Erschrecken. Isolde zu dieser Zeit im Walde, wo sie, nach ihrer Behauptung, stets noch zu schlafen pflegte, wo sie wußte, daß Edith sie regelmäßig ihren Musikübungen zu widmen gewohnt sei. Das war nicht ein zufälliges Ungefähr ....
Krampfhaft ergriff sie Eugens Arm. — „Laß uns eilen, Eugen, es gilt Haralds Glück, seine Ruhe. ES gilt ein fürchterliches Verhängnis abzulenken."
„Was fürchtest Du?" — rief Eugen, ihre namenlose Unruhe erkennend — „sage mir, was Dich beängstigt!"
„Dazu ist jetzt keine Zeit" — stammelte Edith, beinahe weinend — „wir müssen vor Allem Harald suchen — bei der Eremitage werden wir ihn vielleicht finden."
Sie schritten in beflügelter Eile weiter.
Im Walde herrschte ein traumhaftes Schweigen. Edith war lange keines Wortes mächtig — dann aber — während sie weiter gingen, flog das Bekenntnis, welches mitzuteilen sie sich jetzt für berechtigt hielt, über ihre Lippen.-
Kurze Zeit zuvor hatte Isolde denselben Weg emgeschlagen. Sie war
schnellen Schrittes emporgestiegen, rosig, leuchtend, im duftigen Akorgenkleid trat sie aus dem Walde und sank einem Manne in die Arme, der sie vor der Eremitage erwartete.
„Mein Liebling! So kommst Du doch!"
„Ja, Paul. Dein Brief mahnte mich ja so dringend dazu."
„Es war nicht allein meine Sehnsucht, die Dich hierher rief. Ich wollte Dir sagen, daß ich Aussicht habe, bestimmte Aussicht, den Posten als Forstmeister auf den Gütern des Fürsten Kubinov in Rußland zu erhalten, von welchem ich Dir neulich sprach."
Es glitt wie Mißvergnügen über ihre Züge. — „Dann muß ich mich aber von Dir trennen" — rief sie seufzend.
„Trennen?! O, Geliebte, dann trennen wir uns nur für eine kurze Zeit. Ich bereite Dir dort ein trauliches, schönes Heim, kehre dann heimlich hierher zurück und Du entfliehst mit mir."
Sie schwieg. Sie konnte sich an diesen Vorsatz, den er schon wiederholt angedeutet, nicht gewöhnen. Sie liebte Paul wohl sehr, doch schien ihr dieser Schritt doch zu abenteuerlich.
Er hatte den Arm um sie geschlungen und ging mit ihr vor dem Borkenhäuschen auf und ab. Sie fühlten sich heute so sicher. Sie wußten, daß Alle im Schlöffe ihre Aufmerksamkeit den Festesvorbereitungen zuwandten.
„Ich denke, dies wird nicht ausführbar sein, Paul" — sagte Isolde sehr vernünftig. — „Harald würde meine Spur doch finden — dann, wehe uns. Er ist schrecklich in seinem Zorn. Ich hörte ihn schon einigemale seine Diener schelten und mir graute."
„Und doch mußt Du Dich fügen. Das Verhältnis, wie es jetzt besteht, ertrage ich ferner nicht."
Er sprach es mit Festigkeit. Sein hübsches, leidenschaftliches Gesicht trug einen ausgeprägten Zug eigensinnigen Trotzes, der jetzt besonders hervortrat.