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Binnen zwei Wochen haben die Ortsvorsteher, welche im übrigen auf den Erlaß des K. Minist, des Innern vom 18. Jan. d. I. — Minist.-Amtsbl. S. 18 — hingewiesen werden, darüber an das Obcramt zu berichten, daß und in welcher Weise eine Belehrung der beteiligten Kreise stattgesunden hat.
Calw, den 5. Februar 1890.
K. Oberamt.
Supper.
Deutsches Reich.
— Die „Frkf. Ztg." nimmt aus einer Wahlrede Dr. Miquel's in Kaiserslautem Veranlassung die darin ausgesprochene Ansicht, daß wir 1871 vor einer Kriegsgefahr gestanden hätten, zu widerlegen und führt als Beweis dafür ein im vor. Jahr erschienenes Buch von Alexander Bertrand an, das biographische Notizen über die neugewählten Deputierten enthält, dessen Inhalt nun vor den Wahlen paffen soll, der jedoch jedem Einsichtsvollen sagen muß, daß wirklich die Gefahr in keinem geringeren Grade bestanden hat. Das Buch enthält über den Abg. Emil Flourens, Minister des Auswärtigen, folgendes:
»Mehrere wichtige Vorkommnisse bezeichnten den Aufenthalt des Herrn Flourens im Palais am Quai d'Orsay, insbesondere der Schnäbele-Fall. der im April 1887 beinahe zu einem easne belli zwischen Deutschland und Frankreich geworden wäre. Flourens hatte bei dieser Gelegenheit einen ernsten Konflikt mit Boulanger, dem damaligen Kriegsminister; er vertrat diesem gegenüber die friedliche Lösung, die er denn auch. Dank dem sehr entschiedenen Eingreifen des Präsidenten Grevy durchsetzte. In dem Augenblick, als sich der Schnäbele-Fall scharf zugespitzt hatte, verlangte Boulanger Maßregeln, die zum Krieg geführt haben würden. Daß er, wie man erzählt hat, dem Ministerrat einen Mobilmachungsplan vorgelegt habe, entspricht nicht der Wahrheit; wahr ist daß er die Absendung eines Ultimatums an Deutschland beantragte. Herr Grevy erklärte damals dem. Kriegsminister, daß er entschieden diesen Vorschlag zurückweise, da er überzeugt sei, der Zwischenfall könne ohne Schaden für die Ehre Frankreichs friedlich ausgeglichen werden. Herr Boulanger bestand auf seinem Willen mit der Erklärung, 'er werde seine Entlassung nehmen, falls das Ultimatum an Deutschland nicht ergehe. Als er bemerkte, daß kein eiuziger seiner Kollegen ihn unterstütze, schrie er: „Ich gebe meine Entlassung!" Diese Worte machten weder auf den Präsidenten, noch auf einen der Minister Eindruck; die Sache blieb, wie sie war und die friedliche Lösung kam durch die Festigkeit Grevys und die von Flourens und Herbette geschickt geführten Verhandlungen zu stände."
Der „Württ. Staatsanz." sagt unter Zurückweisung der Angriffe durch die „Frkf. Ztg." gegen Dr. Miguel: „Eben das Zitat der Frkf. Ztg. sei der allerbeste Beweis für die Aufstellung des Dr. Miguel. Was sei denn für den Frieden bedrohlicher, die Absendung eines Ultimatums oder der im Ministerrat gestellte Antrag auf Mobilmachung einiger Armeekorps? Niemand werde im Zweifel sein, daß das erstere wohl das gefährlichere gewesen wäre. Was ferner den ersten Punkt betreffe, so dürfte die „Frkf. Ztg." mit ihrer Behauptung, daß Boulanger vor dem April 1887 noch nicht an einen Krieg gedacht habe, allein stehen. Alle seine Maßregeln, auch die bekannten Barackenbauten an der Grenze, welche trotz aller Bemühungen der freisinnigen Presse nicht aus der Welt zu schaffen sind, sprechen für das Gegenteil. Die Popularität des damaligen Kriegsministers, jenes wüste Gebrüll in Paris 6'sst LoulMxsi-, gu'il nou« kaut etc.; habe denn vielleicht die „Frkf. Ztg." geglaubt, daß etwas anderes dahinter stecke, als die chauvinistische Hoffnung, daß dieser General berufen
sei, die Revanche siegreich durchzuführen? Durchaus, wahr und unanfechtbar ist also der Satz, daß der Frieden damals sehr gefährdet war, und ebenso unanfechtbar ist es, wenn man wie Dr. Miguel sagt, daß die französische Regierung um so friedfertiger geworden ist, je mehr sie sich überzeugen konnte, daß in Deutschland eine starke Mehrheit des Parlaments zur Regierung sich stellte. Oder will die „Frkf. Ztg." etwa ihre Leser glauben machen, es sei für das Ansehen Deutschlands nach außen und seine Macht gleich- giltig, ob die oppositionellen oder die zur Regierung stehenden Parteien in der Mehrheit sind? Daß damals die Lage sehr bedenklich war, geht auch daraus hervor, daß sämtliche Parteien — mit Ausnahme der Sozialdemokraten — sich veranlaßt fanden, die von der Regierung beanspruchten Mittel für Armee und Marine zu bewilligen; was ja unmöglich hätte geschehen können, wenn die Freisinnigen u. s. w. alle den Frieden bedrohenden Momente für „Schwindel" gehalten hätten. Und die Lage ist heute so ziemlich dieselbe wie damals; die Friedensbedrohung ist zwar keine akute, aber eine chronische, und wir möchten den sehen, der bei der jetzigen Lage der Dinge auf eine starke Rüstung verzichten oder angesichts des neuen französischen Wehrgesetzes grundstürzende Aender- ungen unseres Wehrgesetzes verlangen wollte."
Berlin. In der Versammlung eines freien evangelischen Misfionsvereins erschienen dieser Tage, wie das „Volk" berichtet, die Sozialdemokraten in überwiegender Mehrheit. Die religiösen Gesänge, welche die Feier einleiteten, wurden von Witzeleien und rohen Bemerkungen unterbrochen. Den Refrain brüllte die ganze Schar unter wieherndem Gelächter mit und ließ dabei die Branntweinflasche kreifen. Vergebens suchten die Leiter der Versammlung einige Ruhe herzustellen, so daß von den programmäßigen Reden nur der kleinste Teil verständlich wurde. Nannten die Vortragenden den Namen Christus, so erhob sich in den Reihen der Sozialdemokraten ein Höllenlärm. Bei der Wendung eines Redners: „Gott wird auch zu Ihnen kommen" rief ein halbwüchsiger Bursche in den Saal hinein: „Na, der hat uns noch keinen Groschen gegeben", ein anderer: „der kann uns gestohlen werden", ein dritter: „Na glauben sie denn solchen Spuck?" Während des Gebetes sang die ganze Schar das Lied von der schönen Alma und Adelheid und andere Tingeltangellieder unter Takt- trampeln.
Tages-Neuigkeiten.
* Calw, 7. Febr. Gestern abend hatten sich einer erhaltenen Einladung zufolge etwa.60 Männer aus allen Kreisen unserer Stadt im Gasthof zum Badischen Hof eingefunden, um zu der uns bevorstehenden Reichstagswahl Stellung zu nehmen. Hr. Fabrikant Eugen Staelin schilderte nach einigen Begrüßungsworten in längerer Ausführung die sozialen und politischen Zeitumstände Deutschlands im Jahr 1887 und 1890. Er vertrat die Ansicht, daß bei den gegenwärtigen Verhältnissen alle ordnungsliebende Bürger ganz energisch gegen die Sozialdemokratie und gegen die mit ihnen zusammengehenden oder doch liebäugelnden Parteien Front machen müssen, um einer - riesigen Gefahr rechtzeitig vorzubeugen. Nachdem Hr. Professor Haug in zündender Rede die Anforderungen, welche an einen Kandidaten der rückhaltlos zu Kaiser und Reich stehenden Kartellparteien zu stellen seien, ausführlich und trefflich beleuchtet hatte, wurde die Kandidatur des bisherigen Reichstagsabgeordneten Frhrn. v. Gültlingen einstimmig auf den Schild erhoben und beschlossen, mit
aller Kraft für diese Kandidatur einzutreten. Ein- von der Versammlung hiezu gewähltes Konnte wird die nötigen Wahlgeschäfte in die Hand nehmen. Es wurde noch mitgeteilt, daß in Nagold, Herrenberg und Neuenbürg ebenfalls die günstigste Stimmung für den seitherigen Abgeordneten herrsche. Hr. Fabr.
Zoeppritz teilte auf Grund statistischer Erhebungen mit, daß die Wollindustrie und ebenso auch andere Branchen seit den letzten Jahren sich ganz bedeutend gehoben haben und daß die wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands in stetem Aufschwung begriffen seien. Zum Schluß brachte sodann Hr. Betriebsinspektor Huzenlaub ein donnerndes Hoch auf Frhr. v. Gültlingen aus, das bei allen Anwesenden freudigste Zustimmung fand. Lange noch blieben die Parteigenossen in gehobenster Stimmung beieinander. ^
Calw, 7. Febr. Die früher von Hrn. Fabkt. Baumann in der Kunstmühle der HH. Hähn- len u. Künkele innegehabten Lokalitäten werden, nun von einer neuen Firma, Ludmann u. Höflicher, bezogen. Genannte Herren werden die überschüssige Wasserkraft zur Fabrikation von Teigwaren (Nudeln re.) benützen. Die Maschinen, welche gegenwärtig montiert werden, dürften sich in etwa 14 Tagen im Gang befinden.
Stuttgart, 6. Febr. Der „Staatsan- zeiger" teilt über das gerichtliche Verfahren gegen den Attentäter Martin Müller mit, daß der Oberamtsarzt in Ludwigsburg erklärt habe, Müller leide an primärer Verrücktheit. Dieselbe Ueberzeugung gewann der Untersuchungsrichter. Das Medizmal- Kollegium sprach sich dahin aus, daß die Unzurechnungsfähigkeit Müller's unzweifelhaft sei. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft entschied das Landgericht, Müller sei hinsichtlich der Be- fchuldigung des Mordversuchs (begangen an dem Prinzen Wilhelm) und des Hochverrats außer Verfolgung zu setzen. Da es sonach außer Zweifel ist, daß Müller geistesgestört ist, wird derselbe nunmehr in eine öffentliche Irrenanstalt verbracht.
Stuttgart, 7. Febr. Der Schlittschuhsport ist doch noch zur Geltung gekommen. Die künstliche Eisbahn bei Cannstatt wurde gestern von 1800 Personen benützt. Seit gestern ist auch die Stöckacheisbahn und der Feuersee wieder befahrbar.
— In Sulz a. N. werden die Bohrungen ^ nach Kohlen eingestellt. Aus der Gesteinsart, die der Bohrer in den letzten Tagen zu Tage förderte^ schließen die Geologen, daß jede Hoffnung aufgegeben werden muß.
Oberndorf a. N., 6. Febr. Vor einigen Tagen kam hier der komische Fall vor, daß die hiesigen Veteranen ihrem verstorbenen Kameraden die letzte kriegerische Ehre durch Abschießen dreier Gewehrsalven auf dem Gottesacker erweisen wollten. Zu diesem Zwecke erhielten die Schützen (Arbeiter der Gewehrfabrik) aus der Fabrik die Gewehre und zwar Modell 71 (11 Mm. Kaliber.) In der Eile aber faßte der Beauftragte statt 11 Mm. Patronen, solche mit 10 Mm. Durchmesser. Ahnungslos wurden die Gewehre mit letzteren auf Kommando geladen und zupi Unglücke erst auf dem Kirchhof nach der gottesdienstlichen Feier. Erwartungsvoll harrte das Trauergeleite nach Schluß derselben auf das Krachen der Gewehrsalven und — „Feuer!" wird kommandiert, aber zum Schrecken der Schützen und zum Erstaunen der Menge — es krachte nicht ein einziges Gewehr.
Gottesdienste
am Sonntag, den 9. Februar.
Vom Turme: 644. Vormittagspredigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Tüchern 5 Uhr Abendpredigt in der Kirche: Herr Helfer Eytel'
Amtliche Kkkanntmachnvgen.
Neuenbürg.
Marktkonze^ionsgefuiti.
Die Gemeinde Feldrennach, welche zur Abhaltung von 4 Krämer- und Viehmärkten und zwar am letzten Dienstag des Monats Februar, am zweiten Dienstag des Monats April, am zweiten Dienstag des Monats Juli und am dritten Dienstag des Monats September berechtigt ist, hat um die Erlaubnis zur Abhaltung von 4 weiteren Rindvieh- und Schweinemärkten und zwar am zweiten Dienstag des Monats März, am ersten Dienstag des Monats Juni und ,e am zweiten Dienstag der Monate August und November, sowie zur Abhaltung von Schweinemärkten an den schon bestehenden 4 Krämer- und Viehmärkten nach- gesucht.
Es wird dieses Gesuch mit der Aufforderung veröffentlicht, etwaige Einwendungen gegen die Gewährung desselben binnen
fünfzehn Tagen
bei der Unterzeichneten Stelle anzubringen.
Den 4. Februar 1890.
K. Oberamt.
Hofmann.
Revier Hirsau.
Wiesenpacht.
Am Montag, den 10. d. Mts-, nachmittags 4 Uhr,
wird im Löwen hier die bisherige Försterswiese am Bruderberg mit 0,5 Im im öffentlichen Aufstreich auf 5 Jahre verpachtet.
Haus-Verkauf.
Die Erben des st Wilhelm Springer, gewesenen Tuchmachers hier, bringen ^dessen Lstock. Wohnhaus im Zwinger mit gewölbtem Keller, B.V.A. 2060 am
Montag, den 17. Februar 18»«, vormittags 11 Uhr,
zur wiederholten Versteigerung.
Äatsschreiber
Haffner.
Teinach-
Nächsten
Montag, den 1«. Februar 18»v, mittags 1 Uhr,
kommt aus der Verlaffenschaftssache der verstorbenen Anna Lötterle die vorhandene
Miegen^ctiast,
bestehend in einem Lstockigten Wohnhaus mit Metzgereieinrichtung, einem Baumacker auf Teinacher und einem Acker aus Sommenhardter Markung im öffentlichen Aufstreich auf dem Rathaus in Teinach zum Perkauf, wozu Liebhabern eingeladen werden.
Den O.Zebruar 1890.
Waisengericht. Vorstand:
.<5 o l r ä n s e l.
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