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^ 13. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 65. Jahrgang.
Erscheint Vien »tag, D°nnerit«g »nd Sam» tag. Die EinrücknngSgebiihr beträgt im Bezirk »nd nächster Umgebung » Pfg- di- Zeile, sonst IS Psg. ^
Samstag, den 1. Jebruar 1890.
Lbrnnementspreis vierteljährlich in der Stadt so Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst i« ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Deutsches Reich.
Berlin. In Feuersgefahr schwebte am Freitag früh ein Wagen des kaiserlichen Sonderzuges. In' dem betreffenden Zuge begaben sich der Kaiser und die Kaiserin mit großem Gefolge nach Potsdam, um dem Akte der Standartenverleihung der Garde du Corps beizuwohnen. Noch bevor das Kaiserpaar den Bahnsteig betreten hatte, drang plötzlich aus dem Schlußcoupee des letzten Wagens (I. Klasse) Rauch und die Nachforschung ergab, daß durch die mit glühender Grube gefüllten Heizschubkästen ein Unterteil eines Sitzes angesengt war. Schnell wurde das Feuer beseitigt und zur festgesetzten Stunde jrollte der Zug aus dem Bahnhof.
Berlin, 29. Jan. Das hiesige socialdemokratische „Volksblatt" bemerkt, daß die Bewegung für den Achtstundentag „nach der Wahl bedeutende Dimensionen annehmen und zunächst für die Manifestation des 1. Mai ein bestimmtes praktisch durchführbares Programm zu Tage fördern wird. Der Vorschlag eines allgemeinen Feiertages ist hier und da sehr auf Widerstand gestoßen und bedarf jedenfalls genauester Prüfung." — Offenbar ist den socialdemokratischen Führern klar geworden, daß nur eine kleine Minderheit der Arbeiter geneigt ist, für eine leere Demonstration einen Tagesverdienst zu opfern.
* Das neulich erschienene Flugblatt der So - ialdemokraten hat durch seinen Inhalt in emVerhältnis derSozialdemokratie zur Volkspartei einen überraschenden Umschwung gebracht.
Der „Beobachter" schrieb darüber: „Ein Flugblatt der Sozialdemokraten, welches gestern in Württemberg zur Verteilung kam und inzwischen auf Grund des Ausnahmegesetzes von der Stadtdirektion beschlagnahmt wurde, erklärte u. A., daß die Sozialdemokraten die „sogenannte Volkspartei" auch nur wie die
übrigen Parteien „bekämpfen" könnten, da sie ebenfalls „auf dem Boden der bestehenden Ordnung" stünde und höchstens „für kleine Milderungen" eintrete rc. rc. Wir werden den uns angekündigten Kampf aufnehmen; wir begreifen, daß die Volkspartei von der Sozialdemokratie bekämpft wird. Denn der Volkspartei mit ihrem unverbrüchlichen Festhalten an den freiheitlichen Gedanken und Forderungen hat es die Sozialdemokratie zuzuschreiben, daß sie in Württemberg nicht die gleichen Fortschritte gemacht hat, wie in den anderen deutschen Staaten, in welchen die bürgerlichen Parteien dauernd oder vorübergehend von den Ideen der Demokratie abgefallen sind. Die Volkspartei ist, wie das Beispiel in Württemberg beweist, nicht die Vorfrucht, sondern ein Wall gegen die Sozialdemokratie und wird dies in um so höherem Grade bleiben, wenn sie nicht nur „auf dem Boden der bestehenden Ordnung" sondern auch „auf dem Boden der Rechtsgleichheit" beharrt. Die Volkspartei verlangt staatliche Gerechtigkeit auch für ihre Gegner von der Sozialdemokratie."
Dieser Ansicht schließt sich durch Abdruck des vorstehenden Artikels der „Neue Albbote" an und veranlaßt dadurch den „Alten Albboten" zu folgender Bemerkung: „Wahrlich, man traut seinen Augen kaum, wenn man jetzt, nachdem sie lange genug auf alle nur denkbare Weise mit den Sozialdemokraten gelieb- äugelt hat, die „Volkspartei" mit scheinbarer Entrüstung sich von ihnen abwenden sieht. Uns fällt dabei die Fabel von dem Fuchs mit den zu hoch hängenden Trauben, welche plötzlich sauer sein sollten, em! — Wenn aber der „Neue Alb-Bote" leugnen will, ebenso wie alle anderen radikal-demokratischen Blätter, stets die Sozialdemokratie nicht bekämpft, sondem unter st ützt zu haben, so stehen allein aus seinen 24 Nummern des Jahrgangs 1890 nur die Kleinigkeit von 12 Beweisen für Begünstigung der Sozialdemokratie zur Verfügung.
DeuiUetorr.
Mccch dem Sturme.
Novelle von C. Loll brecht.
(Fortsetzung.)
Harald wollte es bedünken, als habe er seine Koufine Jahre hindurch nicht -eschen, soviel hatte er ihr zu erzählen. Sie zeigte auch heute wie vordem das wärmste Interesse für alle seine Angelegenheiten, welche sich hauptsächlich auf den Sport bezogen. Niemals auch hatte er die Bande der Familie so wohlthuend empfunden, als heute. Er wiederholte seinen Besuch bald — aber allein — und ward ausgenommen in Großmutters Kaminwinkel. Edith hatte das junge Paar einmal mit dem Onkel ausgesucht, wie es der Anstand erforderte. Isolde kam dann zu späteren Besuchen nur auf ausdrückliche Einladung. Sie fühlte sich fremd auf dem Schlöffe. Die Bewohner desselben waren ihr unverständlich — „zu vornehm" wie sie ihrer Mutter vertraute.
Fast unbemerkt war der Herbst in den Winter übergegangen. Solch ein stiller Winter, wie man ihn auf dem Lande nur kennt, war fast zur Hälfte vorüber, mit ihm Weihnachten und Graf von der Tann rüstete sich zu seiner bevorstehenden Reise nach Wien, wohin Edith ihn diesmal begleiten sollte.
Die Entscheidung war so plötzlich gekommen und doch schienen die alte Gräfin und ihr Sohn sich in diesem Wunsch zu begegnen.
Eines TageS entfiel dem Grafen während des Speisens die Serviette. Ehe der aufwartende Diener dies bemerkte, hatte Edith sich gebückt und sie aufgehoben. Dabei schob sich der einzige Ring, den sie trug, vom Finger und rollte klirrend über das Parquet. Es war dies ein ganz unbedeutender kleiner Reif, aber der Graf erinnerte sich, als er denselben im vergangenen Jahr von einer Reise mitgebracht und Edith an den Finger gesteckt hatte, derselbe sich beinahe zu eng erwies. Und heute?!
— Die von der Sozialdemokratie drohende Gefahr für die bürgerliche Gesellschaft und das Verhalten der letzteren dieser Gefahr gegenüber gibt der „Magd. Ztg." zu folgenden Aeußerungen Anlaß: Wir können uns nicht der Befürchtung ent- schlagen, daß ein großer Sieg der Sozialdemokratie bei den Wahlen der Richtung innerhalb der Arbeiter, welche durch Streiks maßlose Forderungen zu erreichen hofft, noch mehr Vorschub leisten und daß infolge davon der soziale Frieden aufs Neue in schwerem Maße gestört werden wird. Diese und andere Gründe müssen die bürgerlichen Parteien dazu führen, die Sozialdemokratie als die Gefahr zu betrachten, deren Abwehrnur durch Vereinigung aller Kräfte gelingen kann, und wenn nicht kurzsichtige Partei- politck, wenn nicht persönliche Verbitterung und Leidenschaftlichkeit über Vernunft und Klugheit triumphieren, so hoffen wir wenigstens nicht das Schauspiel zu erleben, daß die Anhänger einer der bürgerlichen Parteien einem sozialdemokratischen Kandidaten ihre Stimmen geben. In Frankreich haben sich die Republikaner aller Schattierungen vereinigt um den Ansturm der Feinde der Staatsform abzuschlagen, in Deutschland sollten sich alle Anhänger der Monarchie zusammenthun, um dem Ansturm des republikanischen Sozialismus siegreich die Stirne zu bieten."
Ausland.
Paris, 27. Jan. Die Ergebnisse der Pariser Meltaus st ellung kaffen sich nunmehr ziemlich sicher feststellen. Hiernach hat sich die Bank von Frankreich während der genannten Zeit eine Mehreinnahme von 282 Millionen, für die übrigen Bank- und Kreditanstalten von 91 Millionen Franken ergeben' die Eisenbahnverwaltungen verzeichnten eine Mehreinnahme von 66 Millionen, die Pariser Oktroi-Verwaltung von 11 Millionen. Rechnet man zu diesen 450 Millionen noch den Mehrertrag der budgetarischen
.Er blickte schnell seine Mutter an und deren ernste Miene sagte ihm dasselbe, was Demoiselle Noir mit dem Vorrecht ihrer begünstigten Stellung sofort aussprach: „ilon visu — das Kind ist mager geworden."
Edith errötete, da Aller Blicke auf sie gerichtet waren. Sie fühlte sich nicht krank, den Anderen aber drängte sich die Ueberzeugung auf, wogegen man lange sich gewehrt, was man aus der Macht der Gewohnheit wohl übersehen hatte, daß eine Veränderung in Ediths Aeußerem stattgefunden habe, die Alle beängstigte. Das eine Oval ihres Gesichtes hatte sich verlängert, unter den Augen lagen dunkle Schatten, der träumerische Ausdruck derselben hatte sich in einen müden Blick gewandelt.
„Kind — Du bist krank!" rief der Graf.
„Nein, liebster Papa — mir ist ganz wohl."
War es eine Unwahrheit, die Edith aussprach? Nein. Sie war sich ver- wußt, kein körperliches Leid zu tragen, und was die Seele litt, das war ihr innerstes Eigentum. Seit sie Isolde kennen gelernt, seit Haralds häufig sich wiederholenden Besuchen, hatten ihre Seelenkämpfe ihren Gipfelpunkt erreicht. Anfang» war es wilde Eifersucht, die sie in der Redlichkeit ihre» Herzens zu bezwingen gesucht, und die» war ihr zum Teil auch gelungen. Sie versuchte als Dritte Anteil zu nehmen an dem Sorgen und Walten der jungen Frau — für Harald. Wo aber fand sie diese»? Verschlossen, kalt, von Oberflächlichkeiten erfüllt, duldete diese die Liebe ihres Gatten, ohne dieselbe zu erwiedern. Doch Harald ahnte nichts davon — oder war sein häufiges Kommen, sein weiches Nähettreten an Edith bereits eine Folge der Leere, die ihn angesichts der jungen Frau oft unbewußt zum Aufbruch trieb. Seine Anwesenheit gereichte Edith zur Wonne und Qual. Drohend hielt ihr Gewissen die berauschende Glücksstimmung nieder, die sein Erscheinen in ihr wachrief, vergebens versuchte sie mit Vernunftgründen, mit der ihrer Seele stets wiederholten Erinnerung: Er ist der Gatte einer anderen — ihre Leidenschaft zu ersticken — vergebens. —