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FerrHPrecher Nr, 29. 86. Jahrgang. Fernsprecher Nr. 29.

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Beilagen:

83 Plauderstübchen, Illustr. Sonnlagsblatt und

Schwab. Landwirt.

^ 219

Mittwoch, den 18. Septemöer

ISIS

Tages-Neuigkeitem

Aus Stadt Md Amt.

Nagold, 18. September 1912. k p. Unser Theater. Einen guten Abschluß fand die heurige Saison des Gastspiel-Ensembles Beyschlag mit der Aufführung der beiden LustspieleDas Geheimnis einer jungen Frau" von Elz, undEin gemütlicher Schwabe" von Siebert. Beide Stücke sind Einakter mit sinniger und fröhlicher Wirkung. Frl. Beyschlag war eine kleine liebe Frau Doktor, die sich durch drastische Mittel von ihren Schrullen Kurieren lassen mußte und ein drolliges Kätherle von Reutlingen, das durch seinen unbefangenen Liebreiz alles zu erreichen verstand. Sie gab zu ihrem Ehrenabend Probe ihres besten Könnens und erntete rauschenden Beifall mit reichen Blumengaben. Sie wurde wacker unterstützt durch die Mitwirkenden, insbesondere durch Herrn Direktor Beyschlag, der als gemütlicher Schwabe Zwiesele von un­übertrefflicher Lebenswahrheit großen Heiterkeitserfolg erzielte. Wir nennen gerne Herrn Kurt Quaiser, der seine schwierige Rolle als Baron v. Hadern mit Geschick durch­führte, Herrn Mo; Jose als Arzt und wieder als Neffe Karl in treffender Charakteristik. Diese Abschiedsvorstellung fand vor dichtbesetztem Hause statt, das beifallsfreudig war, ein Zeichen für die Beliebtheit des Gastspiel-Ensembles Beyschlag und ein gutes Vorzeichen für dessen Wieder- kommen im nächsten Jahr. Auf Wiedersehen!

* Die Veränderungen im württ. Offizierkorps« Mit dem imStaats-Anz." vom 13. Sept. veröffentlichten Veränderungen im Offizierkorps und mit dem am 1. Oktober eintretenden Zuwachs an Mannschaften und Pferden ist der erste Teil der auf den neuen Wehrgesetzcn beruhenden Ver­stärkungen des württ. Kontingents abgeschlossen. Sie belaufen sich auf 40 Offiziere, 1 Zahlmeister, 95 Unter­offiziere, 740 Gemeine und 143 Pferde und dienen neben de: Aufstellung von Detachements bei den Derkehrstruppen dazu, die Etats der wärt!. Truppenteile auf die gleiche Höhe wie die der anderen Kontingente zu bringen. Im nächsten Jahr werden in der Hauptsache die Neubildungen (1 Bat. Infanterie, 6 Maschinengewehrkompanien, 1 Eisenbahnkom­panie) zur Aufstellung gelangen mit zusammen 52 Offizieren,

1 Zahlmeister, 158 Unteroffizieren, 963 Gemeinen und 477 Pferden. Vorbehalten bleibt für das Jahr 1914 die Bilsung einer weiteren (4.) Trainkomparie in der Stärke von 4 Offizieren, 24 Unteroffizieren. 77 Gemeinen und 75 Pferden, so daß nach völliger Durchführung der Ver­änderungen das württ. Kontingent eine Verstärkung er­fahren haben wird von 96 Offizieren, 2 Zahlmeistern, 277 Unteroffizieren, 1780 Gemeinen und 401 Pferden.

r Die Entlassung der zerr Reserve zu berrrlarl denden Mannschaften findet möglichst am 2. Tag nach Erreichung des Standorts statt. Sie kann jedoch aus­nahmsweise nach Anordnung der Truppenkommandeure am 1. oder am 3. Tag erfolgen. Am.nächsten Sonntag, 22. finden Entlassungen nicht statt. Der Enttassungsternnn am 30. September für die Mannschaften des Train- und der Bezirkskommandos, für die Oekonomiebmidwerker und die Militärkrankenwärter wird hierdurch nicht berührt.

* Schiffsliste sür billige Briefe nach den Bereinigten Staaten von Amerika (10 ^ für je 20 Gr.) Die Porto- ! r Mäßigung erstreckt sich nur auf Briefe, nicht auch auf! Postkarten, Drucksachen usw. und gilt nur sür Briefe nach den Verein. Staaten von Amerika, nicht auch nach andern Gebieten Amerikas, z. B. Canada.

Berlin" ab Bremen

, Kaiser Wilhelm der Große"

George Washington" Kronprinzessin Cäcilie" Viktoria Luise"

Kronprinz Wilhelm" Amerika"

Prinz Friedrich Wilhelm" Kaiser Wilhelm II." Kaiserin Auguste Viktoria" Alle diese Schiffe, außer

14. Sept.

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21

I 24 ' I

Hamburg 26.

Bremen 1. Okt. Hamburg 3.

Bremen 5.

8 . ,, Hamburg 12.

,.Viktoria Luise" sind

Post­schluß n. An- Kunst der

Früh­

züge.

Schnell­

dampfer oder solche, die für eine bestimmte Zeit vor dem Abgänge die schnellste Beförderungsgelegenheit bieten. Es empfiehlt sich, die Briese mit einem Leitvermerke wiedirekter Weg" oderüber Bremen oder Hamburg" zu versehen.

* Vom Tage. Herrliches Sommersonnenwetter ist mit dem gestrigen Tage angebrochen; möge es von einiger Dauer sein. Ein schönes Zeichen des Wachswetters brachte uns ein srdl. Leser in Gestalt einer seinen Erdbeere; ols Gegensatz hiezu berichtete uns eine srdl. Leserin, sie babe gestern auf der Wetterfahne des Schloßbergturms eine Schneegans (?) sitzen sehen.

4Vu. Aberglaube in der Viehzucht. Mancher Landwirt klagt, daß er stets Unglück im Stalle habe. Hie und da besteht noch krasser Aberglaube, der Diehkrankheiten auf das Wirken von Hexen zurückführt, so daß es tatsäch­lich vorkommt, daß ein weißer Ziegenbock in den Stall gestellt wird, um die Hexen zu vertreiben. Würde ein solcher Abergläubischer genau nach der Ursache der Bieh- krankheiten sehen, so würde er sich sagen müssen, es kommt von dir selbst. Du läßt dein Bieh hungern, du mißhandelst es, du mutest ihm zu große Arbeit zu, es fehlt an der nötigen Ordnung im Stall, daher kommt dein Mißerfolg.

Aus den Nachbarbezirken.

Unterjesingen, 17. Sept. Ueber hier vorgekommene Typhuserkrankungen finden sich falsche Nachrichten ver­breitet. Es kamen wohl sechs Fälle vor, aber bereits Ende Juli. Bon den Erkrankten sind in der Zwischenzeit vier wieder genesen, eine Krankenschwester in Herrenberg, ein Fall wurde in die Klinik nach Tübingen überwiesen. Von einer fetzt ausgebrochenen oder bestehendenEpidemie" kann also keine Rede fein.

Landesnachrichten.

r Stuttgart, 17. Sept. (Vom Hofe.) Heute vor­mittag 6 Uhr ist die Königin nach Schloß Ratiboritz in Böhmen abgereist.

Zur Hoftheatereinweihung.

p Stuttgart, 16. Sept. Bei der gestern abend im Weißen Saale des K. Schlosses gehaltenen Tafel brachte der König, wie schon kurz gemeldet, einen Trinkspruch aus, der, nach dem Staatsanzeiger, folgenden Wortlaut hatte: Es ist mir ein wahres Bedürfnis, an dieser Stelle, wo ihre Majestät die Königin und ich Sie heute als unsere Gäste begrüßen dürfen, den freudigen und dankbaren Ge­fühlen Ausdruck zu verleihen, die mich in diesen festlichen Tagen bewegen, Tagen, die, wie ich hoffe, einen Markstein bilden werden in unserem heimischen Kunstleden und in der Entwicklung meiner emporblühenden Haupt- und Residenz­stadt Stuttgart. Seit der Nacht des 19. Januar 1902 ist es mein stetes und ernstliches Bestreben gewesen, der Stadt und dem Lande einen Ersatz zu schaffen für das, was in jener Unglücksnacht zerstört wurde, eine neue würdige Stätte, in der das deutsche Schausoiel und die Musik aller Länder gepflegt werden sollte. Dabei war es aber auch von An­fang an mein Wunsch, diesen Neubau so einzurichten, daß in ihm. noch weitere Schichten der Bevölkerung, als dies im alten Hause der Fall war. künstlerischen Genuß, Erheb­ung und Erholung finden könnten und ihn auch räumlich so zu gestatten, daß jeder Kunstgattung ein gerade für sie und ihre Darstellung besonders zusagender Raum zu Gebote stände. Sa sehen wir denn nunmehr nach lOjähriger Arbeit und nach UebeiWindung zahlreicher Hemmnisse u. Schwierigkeiten zwei neue Häuser in großartig gelungener Gestalt vor uns, die heute und gestern. Dank dem aufopfernden Wetteifer der aus- führenden Künstler ihre Feuerprobe glänzend bestanden haben. Aufrichtige Gefühle der Dankbarkeit find es, die mich be­wegen für alle diejenigen, die mit Verständnis und Hin­gebung auf diese meine Wünsche und Absichten eingehend, zum Getingen des großen Werkes beigetragen haben. Gerne gedenke ich dabei der staatlichen Behörden und ihrer uner­müdlichen Arbeit, der beiden Kammem, welche durch ihre Bewilligungen die finanziellen Schwierigkeiten überwinden halfen, der Stadt Stuttgart, die in richtiger Würdigung des -idealen und materiellen Wertes der neuen Kunststätten in hochherziger Weise auch ihrerseits reichliche Mittel bereitstellte, meiner Hofkammer und ihrer rastlosen alle Hindernisse über­windenden Tätigkeit, der Intendanz, die in unermüdlicher Hingebung alles vorbereitete und zu glücklichem Ende führte, der Künstler, die die Häuser innen und außen mit reichem Schmuck versehen, und der Stifter, die diesen Schmuck durch freundliche Gaben in uneigennützigster Weise ennög- lichl haben, nicht zuletzt auch des Erbauers der Häuser. Herrn Geh. Hosrat Littmann und seiner treuen Gehilfen und Mitarbeiter, die das prächtige, großzügige, zurzeit wohl einzig in seiner Art dastehende Werk geschaffen und dadurch nicht nur meiner lieben Stadt Stuttgart und dem schwäbischen Lande, sondern auch sich selbst ein bleibendes, ruhmreiches Denkmal gesetzt haben. Sie aber, die von auswärts ge­kommen find, die Herren Intendanten, Direktoren. Schrift­steller und Komponisten, kurz alle unsere lieben Gäste, heiße ich von Herzen in Schwabens Hauptstadt willkommen. Mit dem Danke, daß Sie unserer Einladung zum heutigen Feste gefolgt sind, verbinde ich den aufrichtigen Wunsch, daß Sie mit guten Eindrücken und mit der Ueberzeugung von uns scheiden möchten, daß es uns -hier Allen Emst ist mit der Kunst, M der wahren, hoher und edlen Kunst,

die das Dasein verschönt und veredelt und lebenswert macht; ihr soll daher auch dies Glas geweiht sein.

p Stuttgart, 17. Sept. (Teuerungszulage). In Anbetracht der herrschenden Teuerung hat die Direktton der Dresdener Bank ihren Beamten in Stuttgart, Cannstatt, Heilbronn und Ulm unter besonderer Berücksichtigung der subaltemen Beamten eine einmalige Unterstützung in der ungefähren Höhe eines halben Monatsgehalts gewährt.

Preffestimmen zu den Straffendemonstratione«.

DieDeutsche Reichspost" schreibt u. a.:

In den eigentlichen Arbeiter-Restaurationen sieht es qutbesetzt aus. An einem der vorigen Sonntage war die Feuerbacher Ausstellung ein großer Vergnügungspark mit ca. 30000 Besuchern besetzt und 95 Prozent davon warenkleine Leute". Als wir beim Heimweg denEng­lischen Garten" und andere dem Arbeiter oorbehaltene Lokale inspizierten, war überall Gedränge und fröhliches Zechen; die Elektrische konnte die Passanten nicht soffen.

Und angesichts solcher Tatsachen wagt man es, unserem Volke einzureden, es leide Hunger, es müsse in der Ernäh­rung zurückgehen! Nie ist srecher und dreister gehetzt worden denn jetzt. Man spielt mit dem Feuer der Revolution, um die Zehntausende der sozialdemokratischen Führer in ihren Positionen zu befestigen, sie unentbehrlich zu machen; man spielt mit dem Feuer der Revolution, um der demo- kratisch-börsianischen Großbourgeoisie ein Sprungbrett zu ver­mehrtem gesellschaftlichem und politischem Einfluß zu ver­schaffen. Das ist die Lage.

So aber muffen wir fragen: Wollen die Regierungen dieser Entwicklung tatenlos zusehen? Will insbesondere die württembergische Regierung dulden, daß durch freche Schreier, die um ihren Halt und ihre Existenz Kämpfen, Gesetz und Ordnung verletzt und verhöhnt werden.?

DasDeutsche Bolksblatt" schreibt:

Die bisherige Politik der Verhätschelung der Sozial­demokratie gerade in Stuttgart hat gründlich Fiasko ge­macht. Sie hat nur dazu beigetragen, die Genossen so übermütig zu machen, daß sie sich schon alles erlauben zu dürfen glauben und auf die polizeilichen Verordnungen ein­fach pfeifen. Wir hoffen, daß die Polizeibehörde künftig rechtzeitig dafür Sorge tragen wird, daß ihre Anordnungen auch entsprechend seitens der Sozialdemokratie befolgt wer­den. Jedenfalls muß mit der bisherigen Verhätschelung der Sozialdemokratie unter allen Umständen gebrochen wer­den, wenn nicht die schlimmsten Wirkungen einer solchen Politik der Schwäche und der Kurzsichtigkeit sich zeigen sollen.

Auch derSchwäbische Merkur" fordert zu schärf­stem Vorgehen auf:

Es müssen alle Mittel, die das Gesetz bietet, angewandt werden, denn sonst macht die Sozialdemokratie, der zur Auspeitschung der Massen alles recht ist, ein Gewohnheits­recht aus ihrem Straßenunfug. Im übrigen ist, wie wir hören, Strafanzeige bereits erstattet.

In derFranks. Zeitung" wird zu den Vorgängen vom Sonntag u. a. bemerkt:

Die Sozialdemokratie treibt da ein schädliches und für sie selbst sehr gefährliches Spiel, weil eine solche Demon­stration, mit der überdies für die Beseitigung der wirtschaft­lichen Notlage der Masse nichts erreicht wird, nur schlimme Repressalien provozieren kann. Man wird damit rechnen müssen, daß der Polizeidirektor bei Wiederholung Militär requiriert und damit die Gefahr einer weniger ruhigen Auf­lösung der aufgereizten Demonstranten, wie sie gestern nicht zuletzt durch die reservierte Haltung der Polizei möglich war, erheblich vergrößert wird. Es wird auch versucht werden, bei der energischen Unterdrückung jeder Demon­stration nicht stehen zu bleiben. Die Sozialdemokratie soll sich nicht darüber täuschen, daß das Echo von Demonstrati­onen und Reden, wie die des gestrigen Sonntags um so stärker zuruckgeworsen wird und immer willigere Ohren trifft. Es ist zu befürchten, daß dieStuttgarter Politik", die systematisch zur Verschärfung der wirtschaftlichen und politi­schen Gegensätze in Württemberg treibt und sich das Recht auf die Straße zu erzwingen erklärt, der Reaktion Liebes­dienste erweist, die für den besonnenen Geist und die ruhige politische Entwicklung des Landes gefährlich zu werden drohen.

*

Zu dem Stuttgarter Morgeu-Spaziergaug der Sozialdemokratie erfährt man, daß die Gewerkschaften von dem Handstreich der Westmeyer und Genoffen förmlich überrascht waren. Gewerkschaftsführer haben sich sehr ent­schieden gegen die unverantwortliche Torheit solcher Demon­strationen/ die nur die gMze Bewegung schädigen könnte,