Palizeihauptmanns erschienen. Nach kurzer Unterhandlung des Polizeidirektors mit dem Redner erklärte dieser die Demonstrationsversammlung für beendigt. Nun ging es unter dem Gesang der Arbeiter-Marseillaise dem Marktplatz zu. Ein Hauptrupp zog am Ministerium des Innern, vor dem ein starkes Schutzmannsaufgebot stand, vorüber. Minister von Pischeck beobachtete das Treiben vom Fenster aus. Auf dem Marktplatz sprach Westmeyer. Die Massen bewegten sich sodann, sozialdemokratische Lieder singend, durch die Kömgsstraße und Tübingerstraße nach dem Marienplatz. Die Polizei verhielt sich reserviert. Im Hofe des Waisenhauses stand Schutzmannschast in Bereitschaft.
Das Stadtpolizeiamt begleitet die Demonstrationen mit einer Erklärung des Hergangs und bemerkt dazu: „Es ist durchaus nicht rühmlich, sondern zeugt im Gegenteil von Mangel an Mut wie an Verantwortlichkeitsgesühl, große Massen, darunter sehr viele ganz jugendliche Personen, die durch Hungerflugblätter und entsprechende Reden, in begreifliche Erregung versetzt sind, zur Begehung einer fortgesetzten, etwa einstünvigen Ruhe- und Ordnungk- störung, in einem bisher hier unbekannten Umfang auf die Straße zu führen und dort allen möglichen Gefahren für Leib und Leben, sowie jenen Folgen, die Kraft staatlicher Ordnung an derartige Ungesetzlichkeiten geknüpft sind, auszusetzen, einzig und allein in der Hoffnung aus Schonung seitens der Polizeibehörde, die freilich nicht den zahlreichen Anführern, sondern nur den Verleiteten gilt, wohl aber elfteren mit zugute kommt. Solche Vorgänge könnten die bedauerliche Folge zeitigen, daß sich das Stadlpolizeiamt in die Lage gedrängt sieht, künftig bei Erwartung ähnlicher Vorkommnisse zur Ergänzung seiner eigenen, relativ geringen Machtmittel im Interesse der unbedingt notwendigen Erhaltung von Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt ruf andere Sudsidien zurückzugreifen".
Der Bund der Landwirte zur Fleischteuernug.
p Der Landesausschuß des Bundes der Landwirte in Württemberg trat heute unter dem Vorsitz von Oekonomierat Schmid-Platzhof zu einer Sitzung zusammen und nahm folgende Erklärung an: „Der Landesausschuß weist die ungerechte und unvernünsiige Verhetzung anläßlich der gegenwärtigen Fleischteuerung mit aller Entschiedenheit zurück. Die trostlosen Witrerungsverhältnisse dieses Jahres haben das bis jetzt eingebrachte Stroh größtenteils zu Futterzwecken untauglich gemacht. Das noch zahlreich auf dem Ielde stehende Getreide wächst aus, dessen Stroh verfault und wird als Futter unbrauchbar. Der Oehmdertrag muß als verloren angesehen werden, da die Aussicht aus dessen Eindringung von Tag zu Tag schwindet. Die Ausgaben und der Aufwand für die heurige Ernte sind so hoch wie nie zuvor. Dagegen sind die erzeugten Produkte Hafer und Gerste fast unverkäuflich. Unser Bauernstand steht vor einer schweren Notlage, angesichts welcher die Borwürfe des Fleisch- und Brotwuchers als eine beispiellose Frivolität und Ungerechtigkeit bezeichnet werden müssen. Trotz der harten Verluste, welche durch die von auswärts eingeschleppte Maul- und Klauenseuche unsere württembergische Viehzucht im Vorjahr erleiden mutzte, waren unsere Landwirte immer noch in der Lage, Vieh außer Landes zu liefern. Die Forderung nach Beseitigung der bestehenden Schutzmaßregeln bei der Einfuhr von ausländischem Vieh und Fleisch ist durchaus ungerechtfertigt und würde für unfern Bauernstand von verhängnisvoller Wirkung fern. Bereits jetzt schon haben unsere Landwirte mit sinkenden Biehpreisen zu rechnen. Allenthalben ist ein schlechter Verlaus der Märkte sestzu- stellen. Zudem führen unsere Bauern berechtigte Klagen darüber, daß für sie der direkte Verkauf in den Schlachthäusern durch allerlei Manipulationen immer schwieriger werde. Der Landesausschuß des Bundes richtet deshalb im Interesse und gewiß in vollem Einverständnis mit allen wiirttemdergischen Bauern an die K. Staatsregierung die dringende Bitte, alle Bestrebungen, die eine Schwächung oder Beseitigung der Schutzmaßregeln für unsere Landwirtschaft bezwecken, entschieden zurückzuweisen, aber auch durch die Behörden und die amtlichen Zeitungen der unwahren Bolksverhetzung durch Darstellung der wirklichen Verhältnisse entgegenzutreten.
Und nun ist da alles oben,
Leute alt und jung. Wie schön Kommen sie herausgezogen Um das neue Haus zu sehn!
Da, zuerst den Blick nach außen Auf das Dorf, den Berg, das Tal:
„Teure Heimat, wirst uns lieber,
Lachst ins Herz uns jedesmal!"
Und dann Herz und Auge munter In das offne Haus herein:
Da ist Raum genug gegeben Für das Leben der Gemein.
„Nur zu viel!" wollt' mancher sagen. —
Träger Tadler, füll's mit aus!
Klein ist jeder Anfang wahrlich;
Kommt der Segen,, jülll's ein Haus.
„Raum zu viel!" — zu viel für Einen.
Aber 's ist für alle doch.
Jedes soll sein Hausrecht nehmen,
Dann wird es zu klein gar noch! —
Streitet nicht, wohin 's gehöre!
Da liegt's zwischen Tal und Berg :
Wöll-Ebhaufen möcht's vereinen In der Liebe Fnedenswerk! —
Deutsches Reich.
r Sigmariugeu, 16. Sept. (Todesfall.) Redakteur Hofherr von der Hohenzollerischen Bolkszeitung ist in vergangener Nacht nach langer schwerer Krankheit im Alter von 49 Jahren gestorben.
Der Kaiser bei der Flotte.
Wilhelmshaven, 16. Sept. Der Kaiser machte heute früh um 7 Uhr in Begleitung des Kommandanten der „Hohenzollern", Kapitän z. S. Karpff, und des Flügel- adjutanten Kapitäns v. Bülow einen Spaziergang an den Schleußenanlagcn. Um 8.13 Uhr begab sich der Kaiser mit dem „Sleipner" unter dem Salut der „Deutschland" und der Salutbatterje an Bord der „Deutschland", die auf der Rhede lag. Um 9 Uhr ging die „Deutschland" in See zur Flottenparade. Die „Hohenzollern" mit dem „Sleipner". sowie die Kreuzer „Breslau" und „Hela" folgten. Eine große Anzahl Dampfer mit Tausenden von Zuschauern waren hinausgesahren. Das Wetter ist warm aber veränderlich. Es herrschen böige Winde. Um 9 Uhr zwanzig Minuten traf die „Deutschland" mit den Begleitschiffen aus der Schilltgrhede ein. Der Kaiser nahm hier im Passieren die Parade über die dort vor Anker liegenden Küstenverteidigungssahrzeuge ab und setzte sodann die Fahrt nach der Helgoländer Bucht fort. Mittags begann in der Helgoländer Bucht die große Parade über die am Manöver teilnehmenden Seestreitkräfte. Zu Beginn der Parade wurde zwischen den Inseln Wangeroog und Helgoland das Luftschiff „Hansa" gesichtet. Auf die Parade folgten Hebungen der Hochseeflotte nach einem besonderen Programm. Hieraus frühstückte der Kaiser auf der „ Deutschland" mit den auf dem Flaggschiff eingeschifsten Herren bei dem Kommandanten der Flotte, Admiral von Holtzendorff.
Zum Panamakanalstreit.
Köln, 16. Sept. Der „Köln. Ztg." wird aus Berlin telegraphiert: Anläßlich des Streites zwischen England und Ämerika wegen des Panamakauals fühlt sich die offiziöse „Rosfija" bewogen, der deutschen Presse Vorwürfe wegen ihrer Haltung gegenüber England zu machen, die auf merkwürdiger Unkenntnis und Voreingenommenheit beruhen. Die deutsche liberale Presse soll nämlich verlangen, daß die englische Regierung ihr Schiffsbauprogramm solange verkürzen müsse, bis die deutsche Flotte der englischen sowohl nach der Zahl der Wimpel, als auch nach der Summe der Wasserverdrängung gleich sei. Jetzt schon sei, so meint das russische Blatt, die deutsche Flotte der englischen fast gleich und es gibt daher der englischen Regierung den Rat, in keinem Fall auf die Vorschläge einzugehcn, durch die Deutschland das vollkommene Gleichgewicht erreichen würde. Jetzt habe England noch den Vorteil einer Aktionsfreiheit, die es aber verlieren würde, wenn es dem Verlangen Deutschlands auf eine gleiche Stelle der Kriegsmarine nachgebe. Das halbamtliche russische Blatt scheint dabei vergessen zu baden, daß Deutschland im Verhältnis zu England niemals ein auf Gleichstellung der Seestreitkräste bei den Mächten gegründetes Abkommen erstrebt hat. Es war bekanntlich England, von dem der Gedanke einer vertragsmäßigen Begrenzung der Flottenstärken ausgegangen ist, bis man ihn auch dort als undurchführbar erkannte. Deutschland hat bei diesem Anlaß betont, daß es seine Flotte nicht mit Hintergedanken gegen andere Mächte, sondern nach seinem eigenen Bedürfnis baut. Daran möchten wir die „Rosfija" noch einmal erinnern.
Ausland.
Die Beisetzung des Kaisers von Japan.
Tokio, 13. Sept. Die Leiche des Kaisers wurde heute abend kurz nach 8 Uhr aus dem Palast nach dem Aoyamo-Paradefeld gebracht. Den Ministern und anderen hervorragenden Persönlichkeiten waren am Eingang zum Palast Plätze angewiesen worden. Beim Schein eines Wachfeuers und aufgestcckter Fackeln fuhr alter Sitte gemäß der von fünf Ochsen gezogene Leichenwagen in den Hof, wo der Sarg ausgenommen wurde. Der Kaiser, in der Galauniform eines Oberbefehlshabers mit Trauerflor, die Kaiserin und die Kaiserin Witwe, diese nunmehr in alter japanischer Tracht, und die Prinzen geleiteten den Sarg
Eins liegt schwer uns auf dem Herzen:
Droben steht das Schönste leer; Schwesternstübchen still und traulich,
Fragt, „wer kommt zu mir denn? Wer?" —
Schwestern, wer vernimmt die Frage?
Find' sich keine, fragl's nicht Dich?
Kranke liebt der Herr und Kindlein,
Sagt, tu' Du es auch für mich!"
Nun ich trau', es wird sich finden.
Eins um's andre kam noch stets.
Wolle in seine Hand es legen,
An sein Herz und sicher gehi's.
Wollen achten nur auf eines,
Daß wir niemals unwert sei'n.
All des Guten, dessen Saat hier Uns zum Segen möcht' gedeih'n. —
Dankbar denken wir der Frauen,
Die mildtätig viel getan Zu dem Haus. In Mutterliebe Leuchteten sie hell voran.
Sonne war's dem Sorgenkinde!
Bleiben wir ihm so gesinnt.
Trau'n, in treuer Liebe Sonne Wächst's heran zum Segcvskivd!
bis zum Portal und fuhren dann auf einem anderen Weg als ihn das Trauergesolge nahm, nach dem Aoyamo-Feld. Inzwischen bewegte sich der große Zug mit der Leiche nach dem Paradefeld. In dem Zug waren alle Truppenteile, und zwar das Landheer mit 20000 Mann, die Kriegsflotte mit 10000 Mann, vertreten, während die anderen Truppen Spalier bildeten. Zwischen den einzelnen Abteilungen schritten Fackelträger, im ganzen etwa 800, vor dem Sarge die Oberzeremonienmeister und der Minister des kaiserlichen Hauses in alten japanischen schwarzen Leinengewändern. Den Leichenwagen selbst umgab eine glänzende Gruppe von hohen Offizieren und Beamten. Dann folgten Prinz Kanin als Vertreter des Kaisers, sowie die übrigen Prinzen und hohen Würdenträger. Die Straßen trugen Trauerschmuck. Von dem Eingang zum Palast am Niju- bashi-Tor bis zum Babasaki-Tor bewegte sich der Zug durch die Reihen gigantischer Trauerbäume. Zwischen den Bäumen loderten Fackeln auf hohen Dreifüßen. Auf Anordnung der Stadtverwaltung hatte jedes Haus in Tokio Trauerlaternen ousgehängt. Die Prozession bewegte sich zu der großen Doppelbrücke, die nur vom Kaiser und den hohen Würdenträgern am Neujahrstage benutzt wird. Leichenmusik verkündete die Annäherung des Zuges der wartenden Menge. Die brennenden Fackeln, die klagenden Töne der japanischen Instrumente, die rhythmischen Bewegungen der Soldaten, die Kostüme der Hofbeamten, sowie die glänzenden Uniformen ergaben ein wunderbares Bild oon tiefstem Eindruck. Die große Stadt war totenstill, obwohl die Straßen gedrängt voll von Menschen waren. Am oberen Ende des Paradefeldes waren für Leichenfeier Gebäude hergerichtet, an denen tausend Arbeiter seit einem Monat gearbeitet hatten. Zu beiden Seiten der Leichenhalle befanden sich Gebäude für den Kaiser und die kaiserliche Familie, die Priester und Musiker. Etwas weiter davon entfernt waren zwei Gebäude für die Würdenträger und das diplomatische Korps hergestellt worden. Die ganze Szene war von Hunderten von Bogenlampen glänzend beleuchtet.
Als der große Katafalk die zwei Tore passierte, gingen der Kaiser und die Kaiserin ihm langsam entgegen, hinter ihnen die kaiserlichen Prinzen und Prinzessinnen. Sie begrüßten den Sarg feierlich, als er zum Soyoden vorüberzog und begaben sich dann wieder zurück, um aus ihre Plätze zurückzukehren. Darauf wurden die Opfergaben an Lebensmitteln, Seidengewändern, Lichtern und Bäumchen vor dem Sarge niedergelegt, während die japanischen Instrumente eine besonders klagende Musik anstimmten, worauf der erste Priester ein Gebet verlas. Die Zeremonie erreichte jetzt ihren feierlichsten Augenblick. Nach einer kurzen Pause schritt der Kaiser langsam vorwärts und verrichtete allein, vor dem Soyoden niederkniend, ein stilles Gebet für leinen verstorbenen Vater und verlas alsdann eine Trauerbotschaft. Es war eine tiefergreifende Szene und sie wurde noch ergreifender, als die Kaiserin sich ebenfalls oon ihrem Platz erhob, um über der Leiche ein Gebet zu sprechen. Auch die kaiserlichen Prinzen und Prinzessinnen erwiesen in gleicher Weise dem verstorbenen Kaiser die letzte Ehre. Darauf verlas Marquis Saienji im Namen der Untertanen des japanischen Kaiserreiches vor dem Sarge lange vaterländische Traueradressen und Graf Watanabe tm Namen der kaiserlichen Hofbeamten eine Traueradresse. Daraus erwiesen alle anderen anwesenden Notabilitäten mit ihren Frauen ebenfalls der Reihe nach dem Verstorbenen ihre Ehrerbietung. Me Mitglieder der kaiserlichen Familie zogen sich nunmehr zurück und kurz daraus wurde der Sarg in den kaiserlichen Zug gebracht, der aus einem bis hinter dem Soyodxn gelegten besonderen Gleis wartete, um den verstorbenen Kaiser nach Momayama zu bringen — Obgleich der Aufbruch des Trauerzuges vom Palais auf 8 Uhr abends angesetzt war, versammelten sich doch Tausende von Neugierigen m den Straßen schon vor 10 Uhr vormittags an. An einigen Stellen war die Polizei gezwungen, die Seitenstraßen zu der Straße auf der der Kaiser zu Grobe getragen wurde, zu sperren, um Unglückssällen vorzubrugen. Vormittags besuchten eine Million Neugieriger das Paradcfeld, um sich die Vorbereitungen für dis Zeremonie am Abend anzusehen. Auf Eisuchen des Bürgermeisters waren 10000 Plätze für die Fremden längs des Trauerweges reserviert worden. Es war ein feierliches eindrucksvolles Bild, als der Leichenzug sich durch die Menge bewegte. Man vernahm nur die Trauermusik unterbrochen von Kanonenschüssen. Unter den Offizieren der Armee und Marine, die das Bahrtuch hielten, befanden sich auch General KvroU und Oku, sowie Admiral Togo. 25 000 Mann japanischer Truppen bildeten Spalier. Prinz Heinrich und die anderen fremden Abgesandten wohnten der Feierlichkeit im Palais nicht bei. sondern begaben sich direkt zu dem Paradcfeld, wo. sie ihre Ehrenplätze bei den Soyoden einnahmen._
Landwirtschaft, Handel vnd Verkehr.
Nagold, 14. Sept. Dinkel 8.—, Weizen!3.—, Kernen 12.—, Haber alter 12.— .
Piktualienpreise.
1 Pfund Butter 1.15—1.30 »«. 2 Eier 16 -H.
Alteusteig, 10. Sept. Dinkel 10.—, Haber 11.25. Gerste 11.— 9.80 9.-, Roggen 12.25.
Viktualienpreise.
I Pfund Butter 1.20 .4. 2 Eier IS
Mutmaßt. Wetter am Mittwoch und Donnerstag.
Der Hochdruck im Westen erhält sich mit großer Hartnäckigkeit. Die Depression tm hohen Norden ist südöstlich zurückgedrängt worden. Es zeigt sich aber bereits wieder eine neue Depression bei Island. Nach dem vorherrschenden Einfluß des Hochdruckgebiets ist für Mittwoch urd Donnerstag in der Hauptsache trockenes, ober zeitweite bedecktes Wetter zu erwarten.
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l Für die Redaktion verantDorrlich: Karl Paur. — Den« u.
> der <8. W. Z a > s r r Ichra Buchdrücke:« (Emil Zaber) Nagold.