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86. Jahrgang.
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* Fllustr. Sonntaysblatt und
Schwab. Landwirt.
./DZ 216
Samstag, dm 14. Septemöer
1912
Der WeLLerwart.
Hksttttfche Umschau.
p Me Kandidatenaufstellungen für die nächsten Landtagswah l e n haben in den letzten Tagen gute Fortschritte gemacht, und bald werden die Reihen geschlossen sein. Der Auftakt zum eigentlichen Wahlkampf ist dann gegeben, denn die Kandidaten werden nunmehr beginnen, Fühlung mit der Wählerschaft zu nehmen. Fm Vorderst und der Ausgaben des kommenden Landtags steht die Frage der steuerlichen Entlastung der Gemeinden und in d essn hauptsächlich der gewerblichen Kreise, deren Belastung schon längst nicht mehr im Verhältnis zu Betrieb und Verdienst steht. Gerade die kleineren Gemeinden sind aber in großem Umfange, ja vielfach fast -ausschließlich auf diese Einnahmequellen angewiesen, und da ihre Bedürfnisse durch eine etwaige Neuregelung der Einkommensteuer im Sinne einer prozentual höheren Heranziehung der reinen Einkommen zur Gemeindesteuer allein nicht befriedigt werden können, so muß sie für eine Erleichterung im Wege der Entlastung gesucht werden, — Auch ohne eine besondere Wahlparole wird e- Dinge genug geben, dis die Interessen des Landes und speziell des erwerbenden Bürgertums angehen und dessen lebhafte Anteilnahme an der ganzen Wahlbewegung erheischen. Das Gebiet der aktuellen Tagesfragen beherrscht immer noch und in immer steigendem Maße die Fleischteuerung, die über die lokalen und partiellen Kundgebungen hinaus derart zu einer allgemeinen Bolksfrags geworden ist, daß nur das Eine mit Verwunderung fcstzu- stellen ist, warum die Reichsregierung alle diese Proteste und Petitionen an sich herankommen läßt, ohne für praktische Abhilfe auch nur emsn Finger zu rülpen. Mit der Politik des Achselzuckens ist es aber doch wahrscheinlich nicht getan; dem deutschen Volke ist diese Angelegenheit unendlich wich- riger, als wenn der Reichskanzler mit dem österreichischen Mbkffterpräsidenten zusammenkommt und sich mir ihm über die Walkansmge und den türkisch-italienischen Krieg unterhält. Und mag die Forderung der Einberufung des Reichstags viel oder wenig für oder gegen fick haben, der Bundesrat gehört jetzt auf alle Fälle aus seinen Posten, nicht bloß um zu erörtern, ob der Kalamität in etwas adgeholsen w-rden kann, sondern mm gleich mit verschiedenen Maßnahmen, mit praktischer Betätigung seine Pflicht für das Volk zu erfüllen. Eine seit einigen Tagen umgehende Meldung, die Regierung beabsichtige, zur Bekämpfung der Teuerung zunächst den Zoll auf einzelne Futtermittel auszuheben oder zu ermäßigen, um die Viehzucht zu erleichtern, ist bisher weder bestätigt, nach dementtert worden. Das rst schließlich auch nebensächlich, denn Mio einer derartigen Maßregel würde dem gegenwärtigen Notstand nicht gesteuert, und darum handelt es sich doch, nicht um Maßnahmen, deren Wirkung sich erst nach Fakten bemerkbar machen kann.
Das hessische Ministerium des Innern hat als erste der deutschen Bundesregierungen gegen die Fleischten erun-g Stellung genommen und an die Bürgermeister oller hessischen S'ädte nach dieser Richtung hin entsprechende Mitteilungen ergehen lassen. Dos Ministerium beabsichtigt, zunächst eine Besprechung mit Vertretern der fünf größten Städte über die Ursachen der Fleischteusrunq und die zu unternehmenden gemeinsamen Maßnahmen. Es sollen auch Beratungen mit den Vertretern der Landesgemeinden, der Handels-, Handwerker- und Landwirtschaftskammern und des Diehhändlerstandes gemeinsam stotismden. Die Stadt Offenbach Hot ihrerseits beschlossen, mit den drei benachbarten größeren Landgemeinden in Verbindung zu treten und mit ihnen zusammen beim Ministerium persönlich vorstellig zu werden. Weiter wurde eine fünfgliedrige Kommission gewählt, die den Bezug von gefrorenem Fleisch und von Fischen vermitteln soll. Es wurde auch eine Ermäßigung oder Abschaffung der Schlachtgebühren in Erwägung gezogen, doch ließ man diesen Gedanken wieder fallen, weil man sich zu wenig Wirkung auf die Regulierung der Preise davon versprach. Der Verkauf von gefrorenem Fleisch und von Fischen soll unter Hinzuziehung des Fleischergewerbes in die Hand genommen werden.
Die Lage auf dem Balkan bleibt nach wie vor kritisch, und die Lösung des Balkanproblems hat noch nicht einmal auf dem Papiere einen Umriß erhalten, daß man sagen könnte, es lasse sich daraus etwas Brauchbares sonnen. Ein Kern guter Kombination scheint uns in einer Mitteilung aus Rom zu stecken, die dahin geht, die Balkanfrage werde wohl überhaupt nicht zu lösen sein, bevor nicht der türkisch- italienische Krieg beendet sei. Diese Version hat schon deswegen viel für sich, weil die Türkei gar nicht übersehen kann, wie sie aus der Kriegskalamität herauskommt, ohne daß im: Innern des Landes olles drunter und drüber geht,
und es ist sicher, daß nicht zuletzt darin die großen Schwierigkeiten für einen Friedensschluß auf türkischer Seite liegen. Wie aber soll es ihr vorher möglich sein, die innerpolitischen Verhältnisse ganz neu zu gestalten, den Ansprüchen. Forderungen und Drohungen mit dem nötigen Nachdruck zu begegnen, solange nicht der Zwist mit Italien aus der Welt geschafft ist. Mögen auch die neuerlichen Meldungen, daß die sogenannten Friedenspräliminarien zwischen Italien und der Türkei bereits unterzeichnet seien, zu weit gehen, die tatsächliche Lösuna des Balkanproblems wird erst nach dem Kriege in Angriff genommen werden können, weil dann auch die Entschließungen der Mächte, deren einträchtigliches Zusammenwirken bei dieser Lösung unbedingt notwendig ist, von einem viel freieren Gesichtspunkte aus erfolgen können als jetzt, wo das Für und Wider durch die Bündnisse und Ententen doch mehr oder weniger stark beeinträchtigt ist. Notwendig wird nur sein, daß zunächst noch die kriegerischen Gelüste einzelner Balkanstaaten, neuerdings besonders wieder Bulgariens, durch nachdrückliche Vorstellungen der Nachbarstaaten zurückgedämmt werden. Dann wird auch die Türkei eher in der Lage sein, der Friedensfrage ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
Den Franzosen ist die Besetzung von Marakesch der Hauptstadt von Südmarokko, und die Vertreibung des Thronwerbers El Hiba verhältnismäßig leicht gelungen, und die Befriedigung der französischen Presse ist wohl begreiflich. Aber Frankreich selber sind dadurch, daß es sich nun auch gleich tn Südmarokko militärisch festleaen muß, denn« ohne das wäre der Erfolg nicht von Dauer, wiederum wesentlich größere Lasten erwachsen; die etappenmäßige Sicherung des Landes wird gewaltige Truppenheranziehungen erfordern, soll es nicht an dem einen Ende wieder losgehen, wenn das andere beruhigt ersch int. .
Die Lösung der jetzigen Ministerkrisis in Serbien bringt aller Wahrscheinlichkeit nach wieder ein altradikales Kabinett. Der König hat dem alten Paschitsch, dem Präsidenten des Staatsrats, den Auftrag zur Kabinettsbildung gegeben. Voraussichtlich wird Paschitsch dem Wunsche des Königs Nachkommen. Da die Fungrodikalen in eine Koalition mit den Altradikalen nicht eintreten wollen, auch die altradikalen Dissidenten unausführbare Bedingungen stellen, so wird die neue Regierung ein homogenes, aitradikales Ministerium sein. Dies Hai im ganzen aus eine Majorität van zwei Stimmen im Parlament zu rechnen.
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Amt.
Nagold, 14'Eeptember 1912.
k.p. Unser Theater. Ein Militär-Schwank und dazu der Ehren abend des beliebten Direktors des Gastspiel-Ensembles Beyschlag — diese beiden Faktoren gaben den erfreulichen Anlaß zu einem allgemeinen Stelldichein der hiesigen Theaterfreunde. Ein reizender Flor schöner Frauen zierre das Haus, galt es doch „Unsere Soldaten" — unsere Offiziere zu bewundern. Und es war eine Freude Herrn Beyschlag als Leutnant ja als Premier leutnent austreten zu sehen. Die Allüren des Pseudooffiziers waren tadellos, will sagen flott und schneidig. Vom Offizier zum Feldprediger ist es eine gewisse Distanz. Herr Beyschlag brachte es fertig auch den demutsoollen Ton und die würdige Miene des Predigers zu kopieren. Reicher Beifall und eine schöne Blumengabe belohnten ihn an seinem Ehrenabend. Das Stück „Unsere Soldaten" oder: Ein lustiger Tag aus den Kaisermanövern von Dr. Felden ist mit Recht preisgekrönt. Seine fünf Akte bedeuten einen echten Heiterkeitserfolg in aufsteigender Linie. Eine köstliche Figur, so recht der „Rekrut Fürchterlich", war Herr Hans Lang als Offiziersbursche Müller. Wir danken ihm hiermit für das große Vergnügen, das er mit seiner gestrigen Leistung bereitete. Dis Damen Lang und Leslin baren als Nichten Emmy und Rosa allerliebste Bilder mädchenhafter Neugier und Naivität gegenüber den Herren Offizieren. Frl. Tony Beyschlag war eine prächtige Köchin, die ihren „Burschen" von der Magenseite zu fassen wußte, die bei unseren Soldaten die schwächste und stärkste zumal ist. Wir erwähnen gerne noch Herrn Kurt Quaiser als pedantischen Amtmann Schlmser, Herrn Max Jose als eleganten Rescweleutnant Berg, beide Figuren waren sehr gut gezeichnet. Auch die kleineren Rollen waren gut besetzt und das Zusammenspiel ging flott. Alles in allem: es war ein genußreicher Abend.
Schönes Wetter in Sicht! Der Lustwirbel hat sich fast ganz bis auf geringe Reste aufgelöst und ist Hochdruck über fast ganz Europa zur Herrschaft gekommen, so daß Wiederkehr schönen Wetters zu ermatten ist. Zunächst werden nun bei ruhiger Lust starke Nebel zur Entwicklung
kommen, die dann teilweise erst gegen Mittag sich auslösen und dann Helles, trockenes, mildes Wetter auskommen lassen werden.
Antwort. Auf die Anfrage vom gestrigen Blatt, daß das Mehl vom heurigen Getreide ein kaum genießbares Brot ergibt, teilte mir eine Nachbarin folgendes mit: Den Kernen habe Sie im Zimmer und an der Lust getrocknet und mahlen lasten. Es sei zuerst das gleiche gewesen, im Backen wie im Backofen gedörrt oben und unten eine Schale, mitten ungenießbares Brot. Bei dem wiederholten Backen habe sie den Teig fest gemacht und 3 Stunden länger als wie sonst gehen lassen, und ein tadelloses Brot erhalten. Eine Pein mag es sein für die Kundenmüller mit der heurigen Frucht, da gibt es auf den Mahlgängen Knöpsle und Nebele in jeder Form, ohne von den Nahrungsmittel- Fabriken geliefert. — Ein Gegenstück zu dem heurigen nassen Jahrgang sei erwähnt: Der in dem Oberen Ott wohnende sogenannte Geis-Adam hatte Ende des Jahrhunderts im „Hölderle" hier ca. 20 Garben Dinkel am Morgen geschnitten, sofort gebunden und auch gedroschen, bei enormer Hitze. Per Karren in die Rohrdorser Mühle gebracht wurde es sofort gemahlen. Bei dem alten Fritze- Bäck war das Backen bestellt. Bis nachts 12 Uhr hatte man schon Steckling und tadelloses Brot, wenn es auch mühlewarm war. Fr. Hauser, Mühlemacher, Ebhausen.
Aus Pfrondorf wird hiezu geschrieben: Auf die Anfrage im Gesellschafter wegen ungenießbarem Brot, teile ich Ihnen mit, daß ich das gleiche Brot, wie es beschrieben, schon zweimal auch erhalten habe. Das drittem«! habe ich das Mehl, welches verbacken wurde, alles angehefelt mit ziemlich Hefe und Sauerteig; der Teig ist ungefähr sechs Stunden gestanden bis zum Backen. Zum Teigmachen ist kein Wasser mehr verwendet worden und ein fester Teig gemacht, den Teig wieder stark treiben lassen, dann die Laibe gemacht und sofort in einen gut geheizten Ofen gebracht und habe diesmal ein ganz schönes, schmackhaftes Brot erhalten, so gut als in anderen Jahrgängen. Bemerkt wird noch, daß auch ziemlich im Backofen gedörrter Weizen zum Mehl verwendet wurde. Es ist fast unglaublich, daß vom gleichen Mehl solch großer Unterschied im Brot sein und werden kann. _ —t.
r Altensteig. 1 3. Sept. (Mau e reinstu r z) Unterhalb des früheren Bäcker Welker'ichen Hauses in der oberen Stadt ist ein umfangreicher Teil der Stadtmauer eingestürzt. Die Stein- und Schuttmaffen fielen in den Garten des Apothekers Schlier und richteten dort an Spalierbäumen und Gemüsen beträchtlichen Schaden an. Der Einsturz scheint eine Folge des vielen Regens bezw. einer verstopften Dohle zu sein.
Aus de« Nachbarbezirkeu.
r Calw, 13. Sept. (Künstliche Trocknung der Ernte.) Hier hat Färbereibesitzer Schoenlen Gras in der Weise getrocknet, bezw. gedörrt, daß er in seinen Trockenapparat für Baumwolle ein Quantum einlegte. Er erzielte sehr zufriedenstellende Erfolge damit — in kurzer Zeit war aus dem regennassen Gras das schönste Oehmd geworden. Man sieht, die künstliche Trocknung macht Schule.
Horb, 12. Sept. Der Bezirksverein für Natur- und Heimotschutz ließ die Ruine Staufenberg im Eutinger Tal an der Bahnstrecke Horb-Eutingen renovieren. Außer dem Besitzer der Ruine, Graf Schenk von Staufenberg, der 200 Mark dazu beigetragen harte, spendete der Schwäbische Albverein wettere 200, der wüttt. Schwarzwaldverein 300 und der Staat 400 -6.
Landesnachrichten.
p Stuttgart, 13. Sept. (K. Hoftheater.) Wie der Intendanz mitgetetlt worden ist, besteht vielfach die irrige Meinung, die Eröfsnungsfestvorstellung von „Figaros Hochzeit" im Kleinen Hause am Montag finde ebenfalls vor geladenen Gästen, also nicht öffentlich statt. Daneben ist die Meinung verbreitet, die Vorstellung sei ausoerkauft oder sie finde zu „Ariaduepreisen" statt. Dem gegenüber ist darauf hinzuweisen, daß die Vorstellung zwar außer Abonnement, aber öffentlich zu den gewöhnlichen (großen) Opernpreisen stattfindet und daß noch eme Reihe von Plätzen zu haben ist.
Abbestellung der wurtt. Korpsmauöver.
Stuttgart, 13. Sept. Wie wir hören, ist die Abbestellung der Korpsmanöver mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse dieses Sommers beschlossene Sache. (S.M.)
Tübingen, 12. Sept. Um 2 Uhr 30 Min. heute nacht erfolgte ein ziemlich starkes Erdbeben mit starkem Ruck und längerem Zittern.
r Friedrichshafen, 13. Sept. (Immer wieder Sarcharinschmuggler.) Trotz der verhältnismäßig