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86. Jahrgang.
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Schwab. Landwirt.
205
Montag, dm 2. September
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M Wt ihr mcht dis Lebe« ei« . .!
Iurn Sedcrntag 1912.
Nein, wir lassen nicht davon, den Sedanlag zu feiern! Nicht etwa um alten Haß und alte Feindschaft zu schüren oder um uns selbst zu bespiegeln in eitlem Ruhm, sondern weil mit seinem Namen eine Zeit emporsteigt, in der unser Volk etwas Großes erlebt hat. Oder ist es nichts Gewaltiges, wenn ein Volk aufsteht, seine besten Männer und Jünglinge hingibt zum Schutz für Heim und Herd, für Weib und Kind? Leuchtete nicht aus allen Augen der ausziehenden Krieger, tönte nicht aus all ihren Liedern dis Begeisterung, willig Leib und Leben zu opfern für das Vaterland? Da waren wenig Häuser, die nicht etwas von ihrer Liebe und ihrem Leben hinzugeben hatten für das Wohl des Ganzen. Es war ein großer Einsatz, den unser Volk machte: der Einsatz seines besten Lebens. — Und draußen auf den Schlachtfeldern da standen sie Schulter an Schulter, der Bayer und der Märker, der Schwabe und der Pommer, der Badenser und der Preuße. Und wie sie ihr Leben daran gaben und wie sie ihr Blut gemeinsam auf die Gefilde rinnen ließen, so verwischte sich die alte Grenzlinie zwischen Nord und Süd und über den Main hinüber reichten sich die Stämme die Bruderhand. Leuchtend erstrahlte das neuerrungene .Kleinod deutscher Einigkeit, geziert mit den rubinroten Blutsperlen von Deutschlands Söhnen. — Und noch Größers verkündet uns Sedan! Fast klingt's heut wie ein Märchen! Da standen alle Stände einig beieinander, einer für den anderen und alle für einen. Da erlebte Offizier und Soldat gar oft die Geschichte vom „guten Kameraden", der sein Leben einsetzt für den Bruder. Und aus dieser gemeinsamen Lebenshingabe wuchs ein herrliches Gut, das wir heut so oft vermissen, das gegenseitige Vertrauen! — Ja, „setzet Ihr nicht das Leben ein, nie wird Euch das Leben gewonnen sein!" Neues, reiches Leben ist für unser Vaterland aus dem Lebensopfer der Braven draußen gewachsen, ein Leben, so vielgestaltig, daß wir darüber erstaunen. Ohne Sedan und seine Getreuen wäre das nicht möglich gewesen, denn ohne dieses keine deutsche Einheit. Das soll den Getreuen nimmer im deutschen Vaterlands vergessen werden. Es ist auch ein Sedandreiklang: williger Opfermut, brüderliche Einigkeit, freimütiges Vertrauen. Möchte er recht lebhaft in das verhetzende und verhetzte Gewirr unserer Tage hineinklingcn! Nicht das Zagen nach Genuß, nicht das Pochen aus Recht, nicht der neidische Blick auf die anderen — nein die freudige Willigkeit, das Leben einzusetzen im ernsten Dienste des Vaterlandes wohl im Kampf auch nach innen — aber 'ohne Verbitterung und Haß, das ist unserem Volke am nötigsten. Möchte die Mahnung des Sedantages nicht verhallen in unserem Volk, damit sein Leben nicht ersterbe. Wir wünschen dem Vaterlands mehr Männer, die mit ihrem Leben sein Leben erkaufen Kelsen. Denn „niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für Freunde!"
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Amt.
Nagold, 2. September 1812.
:: Missionsfest. Das gestrige Misstonsfest zeigte wieder in sehr erfreulicher Weise, daß im Bezirk Nagold und in den angrenzenden Gemeinden der Sinn und das Interesse für die Mission recht rege sind, waren doch die weiten Hallen unseres Gotteshauses dicht besetzt; auch das dem Festprogramm beigegebene gedruckte Gabenverzeichnis aus Stadt und Bezirk läßt aus die andauernde Opferfreudig- keit der Misstonsfreunde schließen; es gingen im letzten Geschäftsjahr an Gaben, Opfern und Erträgnissen der fogen. Halbbatzenkollekte annähernd ^ 10000 ein. Außer den beiden eoang. Stadtgeistlichen traten als Redner auf die Missionare Müller (Indien) und Zwar (Goldküste. Afrika). Die Themen ihrer Ansprachen waren vorher im Blatt bekannt gegeben. Beide Redner bezeugten übereinstimmend, wie der Siegeslauf des Evangeliums ungehemmt weitergehe, wie sich in Indien sowohl die höchsten Dolkskreise (Brah- manen) als auch die niederste Dolkskafte (Parias) dem Christentum zuwenden, und welch wichtiger Kulturfaktor das Christentum in Afrika geworden sei. Die Ausführungen waren interessant, und es wurde sämtlichen Rednern volle Aufmerksamkeit geschenkt.
Abeudnnterhaltung. Am Samstag abend wurde in der „Waldlust" von einigen vergnügungslustigen Leuten ein Konzert mit Tanzunterhaltung veranstaltet. Den Einladungen, die dazu ergangen waren, wurde von Herren und Damen zahlreich gefolgt. Zuerst wurden von einer Abteil
ung der Spaichinger Musikkapelle einige flotte Weisen vorgetragen. Nachher ließ sich's auf die süße Musik leicht das Tanzbein schwingen. Dazwischenhinein wurden einige allgemeine Lieder gesungen, und nur zu rasch verflossen die schönen Stunden. Herr Schneps dankte den Veranstaltern für den gelungenen Abend und brachte den Wunsch zum Ausdruck, es möge ihnen noch mehr gelingen, derartige schöne Abwechslung in das Alltagsleben zu bringen. Es ist wieder einmal recht schön und gemütlich gewesen auf der „Kappleralm", mit diesem Eindruck ist wohl jedermann heimgegangen.
r Bildung von Weinbaubezirken. Nach einer Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 8. August wird Württemberg in sechs Weinbaubezicke eingeteilt: Oberes Neckartal, Mittleres Neckartal und Unteres Neckartal, Kocher- und Iagsttal, Taubergrund und Bodenseegegend. Zum Weinbaubezirk Oberes Neckartal gehören die Oberamtsbezirke Kirchheim, Nürtingen, Reutlingen, Tübingen, Rottenburg, Urach. Der Weinbaubezirk Mittleres Neckartal umfaßt die 14 Oberämter Backnang, Böblingen, Calw, Cannstatt, Eßlingen, Herrenberg, Leonberg, Ludwigsburg, Neuenbürg, Schorndorf, Stuttgart-Stadt, Stuttgart-Amt, Waiblingen und Welzheim. Zum Weinbaudezirk Unteres Neckartal gehören die Oberamtsbezirke Besigheim, Brackenheim, Heilbronn, Marbach, Maulbronn, Neckarsulm, Baihingen, Weinsberg. Die Oberämter Gaildorf, Hall, Kllnzelsau und Oehringen bilden den Weinbaubezirk Kocherund Iagsttal. Der Weinbaubezirk Taubergrund umfaßt die Oberämter Gerabronn und Mergentheim. Der Weinbaubezirk Bodenseegegend wird gebildet von den Oberamtsbezirken Ravensburg und Tettnang.
Umtausch verdorbener Postwertzeichen. Es kommt sehr häufig vor, daß Briefmarken, Wechselmarken, statistische Marken und Versicherungsmarken durch irgend einen Umstand unbrauchbar werden. Insbesondere ist das bei den Wechselmarken infolge unrichtiger Datumangabe der Fall, Postkarten, Postanweisungen und Kartenbriefe, die unbrauchbar geworden sind, werden gegen eine Umtausch- gedühr von 1 Pfennig für das Stück an den Postschaltern eingetauscht. Verdorbene Briefmarken, Wechselstempelmarken, statistische Marken und Versicherungsmarken werden zum vollen Weite umgelauscht. In allen Fällen erfolgt der Umtausch gegen gleichartige Wertzeichen. Bei statistischen Marken und Scheinen erfolgt der Umtausch nur dann, wenn sie noch nicht von einer Anmeldestelle entwertet sind. Bei Wechselstempelzeichen erfolgt eine Erstattung nur dann, wenn der Schaden mindestens 1 ^ beträgt und wenn von den Stempelzeichen noch kein Gebrauch gemacht worden ist. Ueber den Umtausch verdorbener Versicherungsmarken haben die Versicherungsanstalten zunächst zu enschetden. Bon den Postanstalten können nur die Marken derjenigen Versicherungsanstalt umgetauscht werden, deren Marken sie führen.
ss Rohrdorf, 1 . Septbr. Gestern abend brachte der Gesangverein Herrn Schultheiß Killinger aus Anlaß seines Amtsaustriites ein gelungenes Ständchen. Auf die herzliche Ansprache des Vereinsvorstandes erwiderte der also Geehrte, daß es ihn herzlich freue, seinen Lebensfeierabeud vom Gesang verschönt zu sehen. Im „Adler", wohin Herr Schultheiß Killinger die Sänger einlud, und sie auss Beste bewirten ließ, entfaltete sich gar bald jene gemütliche, fröhliche Stimmung, die man eben nur unter feucht-fröhlichen Sangesbrüdern findet. Und diese Stimmung war es wohl auch, die noch eine weitere „milde Hand" öffnete. Es war ein in allen Teilen schöner Sängerabend, der noch lange in guter Erinnerung bleiben wird.
8 . Bösingen, 1. September. Der weithin bekannte Schweinehändler Christian Roth fuß von hier fuhr gestern mit Kartoffeln auf den Markt nach Freudenstadt. Arif dem Heimweg zwischen Bösinqen und Pfalzgrafenweiler im Börbächle stürzte er vom Wagen, erlitt eine Gehirnerschütterung und hat das Bewußtsein bis jetzt nicht wieder erlangt; ärztliche Hilfe war bald zur Stelle.
Ans den Nachbarbezirkeu.
Herrenberg, 31. Aug. Mit dem am 21. September stattfindenden Landwirtschaftlichen Bezirkssest wird der 8. Gauverband, bestehend aus den Bezirken Herrenberg, Münsingen, Reutlingen, Rottenburg, Tübingen und Urach eine Pferde-, Rindvieh-, Schweine- und Ziegen- Ausstellung mit Prämierung verbinden; außerdem ist Fohlen- und Jungvieh-Prämierung für die Mitglieder des landwirtschaftl. Bezirksvereins Herrenberg. Mit dem Sausest ist eine Lotterievon Vieh, landwirtschaftl. Maschinen und Geräten, sowie von Hausgeräten verbunden, ferner eine Ausstellung und Prämierung von Geflügel, Bienen, Obst, Hopsen und sonstigen landwirtschaftl. Produkten.
Landesnachrichten.
r Die neuen Königlichen Hoftheater. Am Freitag abend hat der geniale Erbauer der neuen Hoftheater in Stuttgart Professor Ma; Littmann die Vertreter der Presse aus einem dreistündigen Rundgang durch die hervorragendsten Theaterbauten der Jetztzeit geführt. Es ist ein imposantes Monumentalwerk, das der kühne Meister hier erstellt hat und mit Stolz können wir bekennen, daß es keine andere Stadt in deutschen Landen gibt, die in ihrem Herzen, in eine ideale Parklandschast hineingestellt, eine so harmonisch großzügige und praktische Theateranlage besitzt. An der Stelle des leider den Bauten zum Opfer gefallenen herrlichen Botanischen Gartens hat Max Littmann mit weitem und kühnem Blick sein Meisterwerk geschaffen, indem er aus schwerwiegenden künstlerischen Erwägungen heraus den Unterschied zwischen Opern- und Schauspielhaus lediglich in ihre räumliche Ausdehnung „Großes" und „Kleines" Haus gelegt hat und damit die künstlerischen Nachteile der absoluten Trennung zwischen Opern- und Schauspielhaus beseitigte. Das „Große Haus" soll die Pflegestätte des gewaltigen Tondramas von großer und monumentaler Gebärde sein, z. B. für Wagners Meisterwerke bestimmt. Das Kleine Haus mit seiner intimen Gruppierung der Zuschauer um die Bühne mit einer gewissen Dämpfung des Vokal- und Orchefterparts und intimer Raumstimmung stellt einen ganz anders gearteten Typ dar, der bevorzugte Schauplatz der leichteren Spieloper, das Große Haus, ist ebenso dem antiken Drama gewidmet, das Ausdehnung an Raum und eine festliche Architekturstimmung verlangt, während die psychologischen und mimischen Feinheiten des modernen Seelendramas, man denke an Ibsen-Aufführungen, in das kleine Haus gehören mit seiner anmutigen, intimen Stimmung und seinen feinen Abmessungen, die auch zarte und verschwiegene Effekte nicht verloren gehen lassen. Die e Verbindung von Oper- und Schauspiel in gleichem Haue hat Littmann bereits in glücklicher Weise auch bei dem Hos- theater in Weimar und dem Stadttheater in Posen durchgeführt und hat die dort angewandte Konstruktion des variablen Proszeniums hier noch eine technisch vollkommenere Durchführung erfahren. In beiden Häusern ist der Typ des Rangtheaters ausgebildet, im Gegensatz zu den von Professor Littmann selbst entwickelten neudeutschen, amphithea- tralischen Theatertyp. Die verhältnismäßig beschränkten Baumittel bildeten das natürliche Hindernis dafür, daß den Schauseiten dieser mächtigen Gebäudegruppe keine besondere künstlerische Ausgestaltung gegeben werden konnte. So beschränkt sich der plastische Schmuck aus die Figuren über dem Portikus des großen Hauses. Ganz den Absichten des Erbauers und der Bestimmung entsprechend gibt sich das Große Haus groß und kühn in den Linien, weit und festlich in seinem Raumeindruck. Die Wände im Parkett sind vertäfelt, die freien Wandflächen darüber mit goldenem Damast bespannt. Der große, pachtvolle Foyersaal hat seine festliche Durchbildung durch hohe Marmorsäulen und Wandverkleidung in Hellen Farben und reichen Schmuck durch Nischen und Hermen von Goethe, Schiller, Shakespeare, Mozart, Beethoven und Wagner von der Hand des Bildhauers Epple erfahren. Während Grau, Silber und Gelb die Farben des einen faszinierenden Eindrucks machenden Großen Hauses sind, herrscht im Kleinen Haus dunkle Holzvertäfelung vor, nur unterbrochen von den goldenen Königskronen über den Hoslogen. Die Umgänge, Foyers und Salons zieren Bronzen von Prof. Habich, Gemälde von Münzer, Goethe, Landenberger, Cissarz, Haug, Lauxmann, Hölzel, die vortrefflichen Porträts des Königspaares von Robert Weise. Plastiken von Friz und Reliefs von Rocker. Was die Einrichtung des Orchesters anbelangt, so besitzt das große Haus ein versenktes Orchester, das kleine Haus ein offenes, sogenanntes italienisches Orchester. Beiden Häusern eigen ist ein technisch großartig durchgebildetes vollständiges System von Schiebebühnen, wie es in diesem Umfang noch in keinem Theater ausgeführt worden ist. Das große Haus enthält 1452, das kleine Haus 837 Sitzplätze. Beide Häuser verbindet das in einfachen Formen erstellte Verwaltungsgebäude mit der Theaterrestauration. Heizung, elektrische Licht- und Kraftanlagen, Wasserversorgung und Wohlfahrtseinrichtungen sind sämtlich mustergültig geregelt und machen besondere Ausführungen notwendig. So ist denn Dank der Munisicenz des königlichen Bauherrn, des besonderen, teilnehmenden Interesses der Königin, des verständigen Beistands des Generalintendanten Baron von Putlitz, und dem glänzenden Geschick des genialen Architekten ein Meisterwerk entstanden, das den Traditionen des württ. Königshauses und der Bedeutung des Landes als eines hervorragenden Stützpunktes deutschen Kunstlebens und nationaler Kultur in würdiger Weise entspricht.