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86. Jahrgang.
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* Illustr. Sonnlagsblatt und
Schwab. Landwirt.
^ 20t
Samstag, dm 31. August
1913
Der Wetterwart.
Hf-kttischr Umschau.
p Unter den Kandidatenaufstellungen siir die nächste Landtagswahl darf das erste Interesse die des Regierungsdirektors Dr. v. Hieber beanspruchen. Nicht nur, daß damit zu rechnen ist, daß mit dieser Kandidatur der Bezirk Welzheim, der unter ganz eigenartigen Umständen der Sozialdemokratie zugefallen ist, dieser' mit solcher Sicherheit wieder abgenommen werden kann wie kaum wohl anderswo, sondern auch das nationale Bürgertum wird es begrüßen, diesen Mann wieder in seinen Reihen zu sehen, mit dem zugleich wieder unserem Landesparlament eine hervorragende Kraft gewonnen wird, dem auch der schärfste Gegner Anerkennung und Achtung nicht versagen kann.
Neben dem Gespenst der Fleischteuerung stellt sich immer drohender die Witterungskalamität. Millionenwerte sind schon vernichtet, des Landmanns Bedrängnisse werden immer größer und die schönen Erträgnisse, mit denen man im ganzen Lande rechnen konnte, von Tag zu Tag derart beeinträchtigt, daß man die Hoffnungen auf ein „fettes" Jahr mehr und mehr zurückschrauben muß. Gewiß ist schon ein gut Teil der Halmfrüchte unter Dach gebracht, aber gewaltige Mengen lagern noch namentlich auf den höher gekegenen Gegenden auf den durchnäßten Feldern, und auch die Hackfrüchte werden bereits stark in Mitleidenschaft gezogen. Dabei steht der zweite Grasschnitt vor der Türe. Einige schöne Tage können freilich noch Vieles gutmachen, und es ist nur zu wünschen, daß dann die Heeresverwaltung ihr Entgegenkommen bezüglich der Ernteurlauber in recht weitem und weitherzigem Maße betätigt, auch wenn bei den Manöverübungen eine Einschränkung erfo derlich sein sollte, denn ungleich höher stehen in so ernsten Zeiten die Interessen der Allgemeinheit.
Was die immer noch im Vordergrund stehende Frage der Fleischteuerung anbelangt, so ist schon längst als unumstößliche, wenn auch bedauerliche Tatsache festgestellt, daß es sich hier um eine Erscheinung aus Verhältnissen heraus Handel', die eben als bestehend zunächst hingenommm werden müssen. Wir sagen mit gutem Bedacht zunächst, und wir meinen damit insolange, als nicht der untrügliche Nachweis geführt wird, daß eine Aenderung zum Besseren auf sozusagen rein mechanischem Wege herbeigeführt werden kann. Diesen Nachweis vermissen mir ob:r in den neuerlichen Veröffentlichungen der Nordd. Allg. Ztg , denn das Regierungsorgan wartet eben lediglich mit statistischen Feststellungen aus, die gar nichts anderes seststellen, als was schon längst sestgestellt ist. Damit ist aber niemand gedient, und nach unserem Dafürhalten heißt das dem Ernst der Sachlage nicht gerecht werden. Nachdem aus einwandfreien kolonialen Kreisen dargelegt worden ist, daß in unseren südwestosnkon- Gebieten ein solch-r Reichtum und Uebersluß an Vieh vorhanden ist, daß sich Zucht und Absatz gar nicht mehr lohnen, erscheint es nicht nur als selbstverständlich, sondern als ganz Primitive Pflicht der veramwortlichen Regierung, den Dingen aus die Spur zu gehen, und zwar nicht mit weiteren statistischen Erhebungen, sondern gleich mit Praktischen Maßnahmen, derart, daß der Versuch einer ergiebigen Einfuhr gemacht wird, um wenigstens die Hauptmärkte zu entlasten. Die Frage der Transportkosten kann und darf hier keine Rolle spielen, denn der Transport wäre entweder von Reichsweqen zu unternehmen oder privaten Unternehmungen zu solchen Bedingungen zu überlassen, daß die Sache sich lohnen würde. Gewiß sind die Tmnsport- schwierigkeiien ganz außerordentliche, aber mindestens ebenso außerordentlich ist die Notlage weiter Volkskreise, und um drretwillcn müßte wenigstens der Versuch einer wirklichen Abhilfe gemacht werden, nicht zuletzt auch zum Segen unserer Landsleute in den Kolonien, deren Schaffensfreudigkeit gehoben und deren Existenz gesichert würde, wenn man ihnen vom Mutterlande aus an die Hand ginge. Mit der Aufmachung von endlosen Statistiken ist niemand gedient, Taten will man in so drängenden Verhältnissen sehen; solche Taten erwachsen einer verantwortlichen Regierung als Pflicht, wenn sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, daß ihr der gute Wille hiezu abgeht.
Unter den vielen glanzvollen Taten und Abschnitten, die die mehr als tausendjährige Geschichte des Deutschen Reiches aufweist kommt uns jetzt wieder die Erinnerung an die größte nationale Großtat, die das geeinigte deutsche Volk vor nunmehr 42 Jahren auf den Gefilden bei Sedan geleistet mit einem Siege, wie die Weltgeschichte wohl kaum cinen verzeichnet. Aber nicht nur als Sieg unserer ruhmreichen Waffen feiern wir den großen Tag, sondern mehr noch als den herrlichen Erfolg der Einigkeit deutscher Fürsten und Bolksstämme, die damit dem nationalen Empfinden den schönsten Aufschwung gegeben. Als Faktor der
geistigen und sittlichen Einmütigkeit in allen Angelegenheiten des gemeinsamen deutschen Vaterlandes soll stets auch dem jungen Geschlechts die Bedeutung des Sedantages vor Augen und zu Herzen geführt werden.
Der Sedantag ist aber zugleich auch der ernsteste Mahner für die Pflichten des Vaterlandes den Alten gegenüber, denen gegenüber, die einst ihr Leben in die Schanzen geschlagen und die des Ehrensoldes harren, den sie gar wohl verdient. Die Pflicht der Fürsorge für die Veteranen gewinnt an Bedeutung immer mehr, je weiter die treuen Kämpfer in ein Alter hineinkommen, wo Not und Gebrechlichkeit bei ihnen zu Gast sind. Da darf es einfach keine finanziellen Bedenken geben, da muß auch bureaukratischer Schematismus zurücktreten hinter dem einzigen Gefühl, daß wir die heilige Pflicht haben, diesen Pionieren des Deutschen Reiches die Sorgen des Lebensabends zu mildern, soweit es in unsren Kräften steht. Der Reichstag muß hier als Vertreter des Volkes endlich seine Pflicht ganz erfüllen.
Die großen politischen Tagesfragen werden immer noch von den Zuständen auf dem Balkan beherrscht, jeder Tag bringt hier Neues und doch immer wieder nur die alte bedauerliche Tatsache, daß von diesem Wetterwinkel eine ständige Gefahr für den europäischen Frieden droht. Der Vorschlag des österreichischen Staatsmannes, durch Uebereinkommen mit der Türkei den Versuch zu machen geordnete Zustände zu schaffen, ist ins Wasser gefallen, weil die Türkei eine „Einmischung" in ihre inneren Verhältnisse glaubte ablehnen zu müssen. Sie ist dabei allerdings von der Selbsttäuschung ausgegangen, daß sie mit den Albanesen wieder in geordnete Verhältnisse komme. Damit hat sie sich allerdings gründlich verrechnet, und am Ende wird sie noch froh sein müssen, wenn es mit der „Einmischung", wie sie in durchaus wohlmeinender Weise gedacht war, sein Bewenden hat, denn wenn es so weiter geht wie jetzt, werden die Mächte die Türkei erst gar nicht lange mehr fragen, sondern ihr einfach die Daumenschrauben anziehen müssen.
Wenn es^auch nicht böser Wille der Türkei ist, der die angrenzenden Staaten dazu treibt, bis zu den förmlichen Kriegsdrohungen zu schreiten, so ist es doch ihre erwiesene absolute Unfähigkeit, an den Grenzgebieten auch nur einigermaßen Ordnung zu hasten. Die verschiedenen Bölkerstämme treiben ihre Unbotmäßigkeit und Aufsässigkeit gewiß bis zum Aeußersten, aber sie würden es eben nicht tun, wenn mit der Türkei als einem Machtsaktor wirklich zu rechnen wäre, und deshalb bleibt gar nichts anderes übrig, als daß die Mächte hier ein Machtwort reden. Diesen wird es schon gelingen, die Kriegsgelüste der Bulgaren, Serben. Montenegriner etc. zu schaffen, aber Hand in Hand damit muß eben ein energischer Druck auf die Türkei gehen, ob diese nun die „Einmischung" angenehm oder unliebsam empfindet. Danach kann gar nicht mehr gefragt werden angesichts der ungewöhnlich ernsten Lage, wie sie sich in den letzten Tagen wieder herausgestaltet hat.
Don Frankreichs Marockkosorgen zu reden, ist beinahe überflüssig, denn jeder Tag bringt uns gegenwärtig wieder Kunde von den Bedrängnissen und Beklemmungen, die noch zu überwinden sind, bis das Land nur soweit beruhigt sein wird, daß die primitivsten Kulturaufgaben in Angriff genommen werden können. Um die Last, die sich unsere Nachbarn damit aufgeladen haben, brauchen wir sie wahrlich nicht zu beneiden, sie müssen schwer genug daran tragen. Das Sprichwort sagt: niemand wandelt ungestraft unter Palmin. Die Franzosen müssen die Wahrheit mit den marokkanischen Palmen im besten Sinne des Wortes durchkosten.
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Amt.
Nagold, 31. August 1SI8.
Theater. Sonntag den 1. Sept. wird im Trauben- saal nachm. 3 Vs Uhr die erste große Volks- und Kindervorstellung gegeben. Der Traum auf dem Friedhof (von Dr. Raupach). Für Kinder und Erwachsene zu ganz kleinen Preisen: 50, 40, 25 und 15 /H. Zur Abendvorstellung ist Holt ei's vaterländisches Volksschauspiel mit Gesang „Leonore" angesetzt.
Unser Theater. Bei gut besetztem Hause fand Donnerstag abend die Ausführung „Des bösen Fräuleins" statt. Wie immer spielte die Gesellschaft sehr gut. besonders trat „Das böse Fräulein" (Frl.Tony B'eyschlajg) hervor, das in Wirklichkeit gar nicht so böse war, sondern einen recht angenehmen Eindruck machte wie es die Rolle trotz ihres Titels erforderte. Desgleichen zeichnete sich Doris, gespielt von Frl. Alma Leslin durch ihre große Natürlichkeit aus.
Herr Hans Lang spielte seine Rolle als Dorfschulmeister sehr ansprechend; ebenso gut stellte Herr Max Iosö den Philipp Harder dar. Doch nicht zu vergessen ist Herr Direktor Beyfchlag, der mit seinem vortrefflichen Mienenspiel die Zuschauer wie immer entzückte. So können wir den Besuch des Sommertheaters jedermann empfehlen, der einen genußreichen Abend verleben will. G. Sch.
sp Der Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg und Hohenzollern hält seine diesjährige Herbstversammlung am Donnerstag, den 10. Oktober (Königin-Geburtstag) in Weil der Stadt. Dabei wird Pfarrer Kappus-Gönningen über die Ziele des Vereins sprechen und Amtmann Dr. Klumpp-Leonberg einen Bortrag halten über das Thema: „Schmücket das Dorf!"
Bauernregel« im September. Wenn im September Donner und Blitz dir dräuen, magst nächstes Jahr an Obst und Wein dich freuen. — Wie der Hirsch an Egidt (1.) in die Brunst wohl geht, so das Weiter nach vier Wochen noch steht. — So viel Tage vor Michaeli (29.) Reif, so viel Tage nach Gcorgi Eis. — St. Michel-Wein ist Herren-Wein, St. Gallus-Wein ist Bauern-Wein. — Nach Septembergewittern wird man im Hornung vor Schnee und Kälte zittern. — An Septemberregen ist dem Bauern viel gelegen. — Auf warmen Herbst folgt meist langer Winter. — Ist Egidi (1.) ein schöner Tag, ich dir schönen Herbst ansag'.— Wie sich's Wetter an Maria Geburt (8.) tut verhalten, so soll sich's weiter vier Wochen noch gestalten. — Donnerts im September noch, wird der Schnee um Weihnacht hoch. — Auf warmen September folgt gem kalter und regnerischer Oktober. — Schöner Egiditag (1.) zeigt guten Herbst an. — Mariä Geburt (8.), jagt alle Schwalben furt.
Wie die „Unschuld vom Lande" Fenster Putzte,
das erzählte ein Berliner in folgender Weise: Meine Frau hat manchmal ihre Einfälle; als wohlerzogener Ehemann wage ich nicht, die Güte dieser Einfälle zu bezweifeln. Also, wir sind auf der Sommerreise im Schwarzwald gewesen, und da bei uns gerade Dienstbotennot herrschte, hatte sie den Einfall, im Echwarzwald ein Dienstmädchen für uns suchen zu wollen; denn — jetzt kommen ihre Gründe — so eine Unschuld vom Lande ist nicht so gerieben wie die Stadtmädchen, die schon in zwei Hinter- und zehn Vorderhäusern gedient haben und — Hauptsache! Schatz hat sie auch keinen! — Ich war von beidem überzeugt und dachte nicht an Nachteile. So wurde die 16jährige Guschte, sonst Auguste genannt, mit nach Hause gebracht. Guste war eine große, furchtbar kräftige Person, und in den ersten Tagen strahlte meine Frau wie die Sonne, bis Guschte die Fenster putzen sollte. Sie tat es; doch stellte meine Frau mit lebhaftem Bedauern fest, daß die Scheiben — nur innen geputzt waren; außen hastete noch der Staub und der Schmutz, den der letzte Regen angeschwemmt hatte. Indes, Guschte wußte warum. „Wisse Se, gnädige Frau, das mache mir z' Haus immer so; da könne mir gut 'nausgucke, un roi (herein) gucke kann koi' Mensch!" Diese weise Erklärung fand leider nicht den Beifall meiner Frau.
Ebhanse«, 31. August. Am Sonntag den 8. Sept. soll die Einweihung des Gemeindehauses in Ebhausen, das diesen Sommer erbaut wurde, stattfinden. Schon mancher hat im Borbeifahren den über dem Bahnhof auf halber Berghöhe sichtbaren, in einfacher, ländlicher Art ausgeführten, gefälligen Neubau betrachtet und bewundert. Praktisch und schön mag sich die Lage des Hauses erweisen zwischen den sich aneinander entfaltenden Flügeln des Dorfes. Es liegt für sich und doch in der Mitte. Mag sich die Gemeinde darüber schon freuen, so noch mehr über die Errungenschaft, die mit einem Gemeindehaus gemacht wird. So mancherlei innere und äußere Bedürfnisse des praktischen Lebens und Zusammenlebens der Menschen, die in der größeren Stadt durch allerlei Bereinigungen und Einrichtungen erfüllt werden, auf dem Land aber, besonders in der sich neuzeitlich entwickelnden Gemeinde nicht weniger dringend sind, haben im Gemeindehaus ihre segensreiche Organisation gefunden. Die Einweihungsfeier beginnt um 2Vi Uhr. Sie wird gewiß manchen, der sich um Wohl und Wehe seines Volks kümmert, und der ein tätiges Interesse hat für das, was zum Wohl der Gemeinde in unseren Tagen geschieht, anziehen.
Landesnachrichten.
r Stuttgart, 30. Aug. (Familiendrama.) In dem Haufe Tübingerstraße 41 in Degerloch wohnte der 28 Jahre alte Taglöhner Wilhelm Walz mit seiner Familie. Die Ehegatten lebten schon längere Zeit im Unfrieden mit- einander. Den Anlaß zu den Streitigkeiten sollen die fortwährenden Mißhandlungen des IV 2 Jahre alten Kindes der Walzschen Eheleute durch den Vater gegeben haben.