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frage geschloffen;Schluß" hat Schw. gerufen, aber das Hörrohr noch ans Ohr gehalten. Dann ließ er in Hasenberg durch Braun anfragen, ob irgend was los sei, ob eine Schiebmaschine dort sei. Braun habe telegrafiert:Schiebmaschine soll, wenn sie noch nicht ab ist, in dorten bleiben." Die Antwort war:Schon so bestellt, daß sie hier bleiben soll, bis Zug 222 in Stuttgart ist" Dann habe er den Bahndienst selbst geschrieben und abgegeben'; derselbe lautet;Stat. Hasenberg dringend: ist Maschine noch dort? Kann Zug abfahren? Darauf ist keine Antwort erfolgt. Da kam Zug 223a, das Einfahren desselben habe er überhört: im Bureau sei er nicht deshalb noch ge­blieben, weil er Zweifel gehabt habe über das Frei­sein der Strecke, da er ja durch das erste Hasenberger Telegramm beruhigt gewesen sei. Auffallenderweise hat Schwenninger den Streifen mit den Telegram­men abgerissen. Es sei nun zur Thüre hereinge­rufen worden:Der Bahnhofvorstand soll sofort kom­men" ; darauf sei er hinausgetreten und Lang sei aus ihn zugestürzt und habe gerufen: Warum lassen Sie den Zug nicht abfahren? Daraufhin machte Schwen­ninger Lang aufmerksam, daß er telefonisch von der Wildparkstation von einer Schiebmaschine benachrich­tigt worden sei, worauf er nach Hasenberg telegrafiert habe. Er habe aber keine Antwort erhalten. Nun habe Lang gesagt:Ach was! die Maschine ist längst m Hasenberg. Der Zug kann abfahren." Erst darauf hin habe er den Eintrag für Zug 222 gemacht und dens Zug abgehen lassen. Er sei mit Lang in den­selben eingestiegen; da habe Lang gesagt:Wir haben ein Stück weit Schub gehabt." Er sei zu Lang ge­sessen und habe ein Gespräch begonnen, dessen er sich nicht mehr erinnere. Wiedmann, Lokomotiv­führer der Schiebmaschine sollte den Zug bis Hasen­berg schieden; in Hasenberg habe er bestimmten Be­fehl erhalten, wegen Ueberlastung des Zugs bis Wild­parkstation zu schieben. In Hasenberg habe er von Kuppeln des Gefangenenwagens nichts gewußt. Von Anhalten auf Wildparkstation habe er auch keine Kenntnis gehabt. Am Bahnwarthaus Wildpark habe er den Dampf abgestellt, weil dies der Lokomotiv­führer des Zugs auch aetkan habe, dann haben ihm einige Halt gewunken; Reithmayer habe gerufen und gewunken, er solle zurückfahren bis Hasenberg. Dies habe er gethan. Dort habe er gefragt, was er mit dem Gefangenenwagen machen soll, habe Weisung erhalten, den Wagen wieder mit nach Stuttgart zu nehmen, aber erst wenn der Zug 222 durch sei. Er habe nun gewartet. Später habe der Stations- vorstand von Hasenberg) gesagt: Der Zug 223s. steckt scheints; da müssen wir nochmals nachfahren, wenigstens bis zum Tunnelwärter. Zu diesem seien sie nun ge­fahren, der habe gesagt, der Zug 223s steckt, Hilfs­maschine sei bestellt. Dann habe Ebersspächer (Sta­tionsvorstand von Hasenberg, gesagt: Fahren Sie vor bis Sie an dem Zug sind, aber langsam und vor­sichtig. Dann sei er bis zum Wildparkwärter ge­fahren, der die rote Flagge gezeigt. Wiedmann habe gefragt; wo steckt der Zug? Der Wärter habe ge­sagt: der Zug werde in einer Kurve stecken, es habe das Alarmsignal geläutet. Beide glaubten, das gelte dem stecken gebliebenen Zug. Er sei nun auf die Bemerkung des Wildparkwärters langsam vorgesahren;

da sei der Zug 222 in rasender Eile bei einer Kurve heruntergekommen; als er dies gesehen, habe er gesagt:Jetzt ist alles hin", habe den Hebel schnell zurückgeriffen und das Notsignal gegeben. Bei dem 4. Pfiff sei der Zusammenstoß erfolgt. Degenfelder, Bahnwärter auf Posten Nr. 15, dem vorletzten vor Station Vaihingen, hat noch nie ein Alarmsignal gehört. Das gegebene Zeichen sei nicht richtig gekommen, zuerst seien 6 mal 6 Schläge un­regelmäßig gekommen, dann habe es fortwährend schnell geschlagen, so daß er mit dem Zählen nicht mitgekommen sei; deshalb habe er kein Alarmzeichen gehabt. Es seien in oen Zeichen schon oft Unregel­mäßigkeiten vorgekommen. Das Abmeldezeichen von Vaihmgen sei gekommen, das Hasenberger von der Schieblokomotive sei nicht gegeben worden und in 2025 Sek. sei der Zug gekominen, er habe sich nicht besinnen können, was das Zeichen bedeuten solle. Degenfelder behauptet, daß öfters die Läutwerke unrichtig funktioniert haben, doch habe er keinen An­laß gehabt, am Apparat etwas reparieren zu lassen. Grieb, Hilfswärter seit einigen Tagen auf Posten 14 bei der Wildparkstation: Zug 223s passierte an­standslos, dann kam das Zeichen von Zug 222, dann habe er den Uebergang zugemacht, dann kamen 18 Schläge mit Absätzen bis zu 12, dann schlug das Läutwerk ohne abzusetzen; nun habe er den an­wesenden Wärter Schnaithmann gefragt, der auch nicht geglaubt habe, daß dies das Alarmzeichen sein soll. Er habe nun Degenfelder gefragt, der dies auch zugegeben habe. Er habe geglaubt, da werde etwas an den Läutwerken repariert werden. Die Verhand­lung wird um °/4l2 Uhr aufgehoben. Fortsetzung um 3 Uhr. Der Zeuge Heizer Zahn aus Eßlingen bestätigt in seinen Angaben die Aussagen von Loko- motivführer Wiedmann aus der Schieb­maschine wörtlich. Er wisse nicht mehr genau, ob der Wärter gesagt habe, das Alarmsignalgilt" oder wird" für den steckengebliebenen Zuggelten". Degenfelder schützt vor, er habe wohl fortgesetzt läuten hören, das Signal aber nicht als Alarm wahrgenom­men. Da in Folge mangelhafter Funktion des Läutewerks die Glocke öfters unausgesetzt ertöne, er dann die Züge angehalten und sich nachher über dieses Anhalten zu verantworten gehabt habe, sei er der Meinung gewesen, es liege wieder ein Fehler im Läutewerk vor und deshalb habe er den Zug 222 nicht angehalten. Grieb endlich, der für den erkrankten Bahnwärter Schnaithmann den Dienst versehen hat, giebt zu, das Alarmzeichen gehört und sich bei Schnaith­mann erkundigt zu haben, was er thun solle; von diesem erhielt er die Auskunft, wenn Degenfelder den Zug vorbeilasse, so dürfte er (Grieb) dies auch thun und so habe er eben, als der Zug den Posten 14 pas­siert habe, denselben auch vorbeifahren lassen. Unter den Sachverständigen spricht sich Baurat Wagner, Telegrafeninspektor, über die Möglichkeit der Läute­störungen aus. Er gibt eine kurze Uebersicht der Einrichtung von den Läutwerken. Das Läutwerk gibt immer die Zahl von 3 Doppelschlägen auf einen Impuls. Dann liege es im Ermessen des Stations­vorstandes, wie lange Pausen er machen wolle. Es komme wohl vor, daß die Läutwerke nicht gleich rasch ablaufen; doch bei den in Frage kommenden Lüut-

werken habe er bei seinen Messungen eine außeror­dentliche Uebereinstimmung in der Zeit gesunden.. Wenn der Hacken, der das Läuten zum Stehen bringen^ soll nicht einschlägt, so könne es durchläuten; dies sei auch untersucht worden; man habe sogar das Durchläuten besonders veranlassen wollen, aber man habe nichts gefunden. Nachdem der Wärter gehört hatte, daß mehr als 3 Schlägegruppen ertönten, lagen nur 2 Möglichkeiten vor, entweder war es Alarm, oder eine Läutwerkstörung; da wäre es Pflicht der Wärter gewesen, den Zug unter allen Umständen anzuhalten.

24. Jan. Abends 6 Uhr erfahren wir telegra­phisch folgende Urteilsverkündrgung: Finanzrat Lang, und Bahnhofinsp. Schwenninger je eine Gefängnis­strafe von 6 Monaten, Degenfelder 3 und Grieb 2 Monaten. Wiedmann wird freigesprochen.

Waldsee, 20. Jan. An der Staatsstraße bei Oberessendorf wurden von böswilliger Hand vor einigen Wochen zwei und in vergangener Nacht weitere 60 Obstbäume abgebrochen. Dem Landjäger von Oberessendorf gelang es heute, gegen den schon viel­fach bestraften Sigg von Oberessendorf gewichtige Ju­dicien herbeizuschaffen und denselben als der Täter­schaft verdächtig zu verhaften.

Berlin, 22. Jan. Dep. d. Frks. I. Wenn, der Reichstag die Ausweisung ablehnt, dann zieht die Regierung das Sozialisten­gesetz zurück. Fürst Bismarck kommt nicht zur Verhandlung.

Berlin, 22. Jan. In einer gestern abend hier abgehaltenen sogenannten Wanderversammlung des sogenannten deutschfreisinnigen Arbei­tervereins, so berichtet das Frks. I. kam es un­geachtet einer feurigen Liebeserklärung, die der Reichs­tagsabgeordnete Dr. Baumbach den zahlreich an­wesenden Sozialdemokraten gemacht hatte, zu einem so wenig antikartellminniglichen Austritte, 'daß. der Polizeibeamte den bedrängten Freisinnigen durch die Auflösung Luft machen mußte. Die gänz­liche Abgeneigtheit der Sozialdemokraten hatte in dem Anträge des Arbeiters Kurzbach, daß die Frei­sinnigen sich etwas anständiger betragen sollten, und in seiner Bitte gegipfelt, über diesen. Antrag sofort abzustimmen.

Standesamt ßatw.

Geborene:

16. Jan. Gottlieb Karl, Sohn des Johann Friedrich Lindner, Steinhauers.

19. Otto Eduard Heinrich, Sohn des Julius

Zapp, Spinnmeisters.

Gestorbene:

20. Jan. Marie, geb. Keller, Witwe des Karl Heinrich

Stack in, gew. Fabrikanten, 79 Jahre alt. 22. Katharine Haußer, ledige Dienstmagd, 19

Jahre alt.

22. Jakob Rüd, Weber, 60 Jahre alt.

Gottesdienste

am Sonntag, den 26. Januar.

Vom Turme: 36. Vormiltagspredigt: Herr Helfer Eytel. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern, ö Uhr Abendpredigt in der Kirche: Herr Missionar Hesse..

Eugen bemerkte es. Er zog ihren Arm in den seinen und führte sie in den Saal.Komm herein, Edith. Du bist leicht gekleidet, die raue Luft könnte Dir schaden. Wo ist die Großmama?"

Auf ihrem Zimmer. Sie erwartet uns dort später zum Thee. Onkel be­sucht einige Kranke im Dorfe. Sie waren beide recht mißgestimmt heute."

Er neigte nur den Kopf. Es war ihm kein Geheimnis, wie unzufrieden die Anverwandten noch immer sich mit Haralds Wahl zeigten. Er hatte sich vorge- nonnnen, nunmehr energisch eine Versöhnung anzubahnen vorläufig aber erfüllte ihn sein eigenes Empfinden.

Edith war zu dem prachtvollen Flügel getreten, der in der Mitte des Saales stand, dessen Ecken durch üppige Blattpflanzengruppen reizende Ruhepunkte für das Auge boten und dessen sommerliche Einrichtung aus zierlichen Eisenmöbeln bestand. Wollen wir ein wenig musizieren?" fragte sie.

Sie fühlten Beide, daß zwischen ihnen etwas Unausgesprochenes schwebe.

Er öffnete schnell das Instrument und schob ihr den Sessel zurecht.

Singe, Eugen" bat sie und blätterte in Schuberts Liebemmein LieblingSlied ,Am Meere'."

Er neigte nur zustimmend den Kopf und sie begann zu präludieren, dann fiel er mit seinem überaus angenehmen Tenor ein.

DaS Meer erglänzte weit hinaus".

Hatte sie ihn jemals so singen gehört, wie heute? Alle Wunden ihrer ver­schmähten Liebe begannen unter der Einwirkung der berückenden Töne zu bluten. Es fiel ihr ein, daß sie am Tage vor Haralds Verlobung zum letzten Mal mit Eugen musiziert habe seidem nie wieder.

Mechanisch fanden ihre Finger die Begleitung und hielten zur rechten Zeit ein, als er geschloffen:Mich hat das unglückselige Weib vergiftet mit ihren Thränen."

Was war dies?!.Dies war ein Schmerzensschrei in holdselige Musik

gekleidet. So so mußte die bange Klage sich dem gequälten Herzen ent­winden. -Und er sang es. Er Eugen! Der gleichmütige, unberührte

Eugen!

Schüchtern sah sie auf.

Er bemerkte es nicht. Sein Antlitz war dem Fenster zugewendet und der Abglanz des tiefen Abendrotes, das draußen emporstieg, ruhte auf seinen Zügen»

Seine Lippen waren geschloffen, seine Augen blickten ohne Ziel. Und zwischen den Brauen, welche tiefe Falte!

Dies war nicht das Antlitz eines innerlich zufriedenen Menschen und Edith drängte sich plötzlich die Gewißheit auf, daß Eugen ein Leid in sich trage. Dazu ward sie es inne, wie seine Züge, die sie lange vielleicht noch niemals so eingehend- wie heute betrachtet hatte, so große Ähnlichkeit mit denen seines Bruders tmgen.

Eugen" rief sie bewegtEugen!"

Er sah hinab zu ihr. Woran hatte er wohl eben gedacht? Er vermochte- sich davon nicht Rechenschaft zu geben.

Eugen" wiederholte sie sanftDu leidest."

Er strich mit der Hand über seine Stirn.

Ja, Edith."

Und kannst Du mir Dein Leid nicht vertrauen?"

Er hatte den Arm auf den zurückgelegten Deckel des Flügels gelegt, so daß. sein Kopf sich ihrem Ohre näherte.

Ich liebe und werde nicht wiedergeliebt."

Sie schloß die Hände krampfhaft ineinander und schreckte zusammen.

Das war ja ihr eigenes Leid . . . also auch Er . . .

Sie nahm seine Hand in die ihre wie ein guter Kamerad. Sagen konnte- sie nichts.

Er hatte sich aufgerichtet. Ihm dünkte, er habe schon zu viel gesprochen und er wußte es Demoiselle Noir Dank, die eben eintrat und ihn und seine Kousine bat,, zuMadame la Komtesse" zu kommen.

(Fortsetzung folgt.)