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kräftige Agitatator, der Erwerber Ostafrikas, sich auch als Entdecker und Forschungsreisender auszeichnet.
Brüssel, 2. Jan. Ueber den Schloßbrand von Laeken berichtet man noch der „Köln. Volksztg." Im Schlosse befanden sich, abgesehen von der Schloß- - wache, nur die Prinzessin Klementine mit ihrer Erzieherin und vier Dienern. Das Feuer wurde, als es erst einen geringen Umfang besaß, von mehreren Bewohnern von Laeken bemerkt, die sofort ins Palais eilten, um die Diener zu benachrichtigen. In ihrer Bestürzung vergaßen diese sogar die Prinzessin, an die sie erst erinnert wurden, als dieselbe nach einem Kammerdiener klingelte. Von diesem wurde sie vom Ausbruch des Feuers benachrichtigt, worauf sie ihre Gouvernante mit sich aus dem Schlosse in den Park zog. Unglücklicherweise kehrte diese, als der Brand sich nach dein rechten Flügel fortwalzte, iik ihre Zim^4 mer zurück, um verschiedene Sachen' zu retten, wie- sehr auch die Prinzessin sie bat, bei Hr zu bleiben. Die Dame war am Sylvester-Abend vom König entlassen worden und ihre Abreise von Brüssel in ihre Heimat sollte heute stattfinden. Sie wurde nicht mehr gesehen und die heldenmütigsten Anstrengungen des Offiziers der Schloßwachs, der zu verschiedenen Malen' mit mehreren Soldaten sich in Lebensgefahr begab, um die Unglückliche zu retten, blieben fruchtlos. (Nach einer späteren Notiz der „Köln. Volksztg." wäre die Umgekommene eine alte Dienerin.) Als die Königin in Laeken anlangte, war das ganze Schloß ein Feuermeer. Mit größter Mühe hatten Schloßwache, Diener und Rettungsmannschaften die Papiere des königlichen Arbeitszimmers, sowie das königliche Tafelsilber retten können. Alles andere, darunter unschätzbare Kunstwerke, herrliche von Dycks und andere Gemälde, Gobelins und Möbel im Werte von vielen Millionen alle Juwelen der Königin und deren, gesamte Toilette sind verbrannt. Gestern abend besaßen die Königin und die Prinzessin außer den Kleidern und der Wäsche die sie gerade irrigen, kein einziges Kleidungsstück mehr. Um acht' Uhr war das Palais eine leergebrannte Stätte.
Brüssel, 4. Januar. Der Bergmannsstreik wächst stündlich. Die Lage der belgischen Industrie ist absolut unhaltbar, falls die Regierung nicht eingreift. Das große Eisenwerk Couillet, welches 6000 Arbeiter beschäftigt, muß im Falle der Fortdauer des Streiks am Montag den Betrieb einstellen.
Rom, 4. Jan. Als der König gestern morgen mit einem Adjutanten zur Stadt Hinausritt und kaum die Pferdebahndepots passiert hatte, glitt das Pferd auf dein unebenen schlüpfrigen Boden aus und stürzte, trotzdem es aufs Kräftigste gehalten wurde. Der König hatte sich mit dem Pferd schon wieder erhoben bevor der Adjutant abgestiegen war, um zu helfen. — Nachmittags empfing die königliche Familie den zweistündigen Besuch der Kaiserin Friedrich und ihrer Töchter. Später machte der König eine Spazierfahrt.
Bukarest, 3. Jan. Der Prinz von Neapel tritt am 14. ds. eine Reise nach dem Orient an. Die Reise geht über Sizilien nach Griechenland, Salonichi, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Konstantinopel, dem Kaukasus, der Krim, Warschau und Berlin, von wo der Prinz nach Italien zurückkehrt.
New-Aork, 4. Jan. Die Influenza greift in den Unionstaaten um sich; besonders zahlreiche Er
krankungen kommen in den Schulen und den Gefängnissen vor. Neuerdings wurden auch mehrere Todesfälle durch Influenza festgestellt. Die Krankheit grassiert auch in Mexiko und Canada, hauptsächlich sind Ouebeck und Montreal heimgesucht und Montreal heimgesucht. Die Krankheit ist dort aber ziemlich gutartig.
r Tages-Ueuigkeiten.
Calw. '.Seit etwa 14 Tagen ist die Influenza auch in hiesiger Stadt verbreitet und dürfte sich heute nach rajcher Zunahme die Zahl der Erkrankten auf etwa 400 belaufen, wovon etwa die Hälfte ärztliche,Hilfe beansprucht haben.
'AN Wildbad, 4. Jan. Ein schreckliches Verbrechen wurde gestern Nachmittag in hiesiger Stadt verübt. Ein 18 Jahre alter Taglöhner, ein Mensch, der seit seinem 14. Lebensjahre in Gemeinschaft mit seinem Vater umherzieht, seit einigen Tagen sich aber hier wieder aufhielt, erstach gestern Nachm. 2 Uhr seine Mutter. Wie der Mörder vor dem Stadtvorstand eingestanden hat, geschah dies nicht etwa in der Leidenschaft, sondern mit kalter Ueberlegung „weil ihn seine Mutter immer so geplagt habe". Vater und Sohn sind verhaftet.
Böblingen, 2>Jan. Am Sylvesterabenckflam der ca. 40 Jahre alte, wegen Widerstands schon einigemal bestrafte Bierbrauer Kraft von Pflaumloch gegen 10 Uhr in die Wirtschaft von Kilpper, um zu fechten. Der dort anwesende Landjäger Beißer wies ihn jedoch auf die Polizeiwache, um seine Marke zum Ueber- nachten zu holen. Kraft verhöhnte den Landjäger, worauf ihn dieser verhaftete. Auf der Wache angekommen, packte Kraft, als er sah, daß sonst niemand im Wachlokal anwesend war, Beißer, worauf ein heftiger Kampf entstand und Kraft dem Landjäger Mantel und Rock zu Fetzen riß, demselben in die Finger biß und kratzte. Als auf wiederholtes Hilferufen niemand kam, machte der Landjäger von feinem Seitengewehr Gebrauch und stach den Kraft in die linke Brustseite. Der Verletzte mußte in das Krankenhaus verbracht werden und ist gestern abend daselbst gestorben.
Stuttgart, 5. Jan. Im Katharinenhof p i t a l befinden sich heute 178 an Influenza Erkrankte gegen gestern 176; abgegangen sind 39, zugegangen 38 Personen.
Eßlingen, 4. Jan. Auch hier fährt die Influenza fort, Opfer zu fordern. Heute wurde das Kgl. Schullehrerseminar geschlossen und etwa 60 Zöglingen auf vorerst 14 Tage Urlaub erteilt. Weitere 20 junge Leute blieben als krank zurück und sind in der Anstalt untergebracht.
Ludwigsburg, 3. Jan. Vier jüngere, hier in Arbeit stehende Schreinergesellen hatten sich beikommen lassen, einer Anzahl Ein- und Zweipfennigstücke durch Amalgamation ein nickelähnliches Aussehen zu geben und die Geldstücke dann als Fünf- bezw. Zehnpfennigstücke auszugeben, was ihnen auch mehrfach gelang. Die Sache kam jedoch sehr rasch an den Tag, die vier Arbeiter sitzen nun hinter Schloß und Riegel, und da derartige Münzverbrechen nach dem Strafgesetzbuch als Falschmünzerei behandelt werden.
sehen sie für ihre unüberlegte That einer schweren Strafe entgegen. — GesteW nachmittag war der Gärtnergehilfe Jakob Ade, wohnhaft m Hoheneck — m Diensten der hiesigen Königl. Hofgärtnerei — an der mittleren Allee auf einer Linde niit dem Absägen eines Astes beschäftigt, wobei er ausrutschte und so unglücklich herabfiel, daß xr in bewußtlosein Zustande in das Bezirkskrankenhaus gebracht werden mußte, woselbst er infolge der erhaltenen innerlichen Verletzungen nach kurzer Zeit verstarb. Der Verunglückte war etwa 36 Jahre alt, verheiratet, und hinterläßt seiner Witwe zwei unmündige Kinder.
— Bei einer kürzlich in He mm in gen abgehaltenen Treibjagd wurden von 12 Schützen 269 Hasen zur Strecke gebracht.
Bracken heim, 2. Jan. An den Masern, meist mit Lungen-Affektion verbunden, liegen zur Zeit gegen 200 Kinder darnieder, so daß die Volks- und Kleinkinderschule geschlossen werden mußten. Einige ältere Personen sind von der Influenza ergriffen.
Gundelsheim, 1. Jan. In Höchstberg verlor ein junger Mann beim Neujahrsschießen einen Finger.
Freudenstadt, 2. Jan. Der Unfug des Neujahrsschießens hat auch hier ein Unglück verursacht. !Nn auf Besuch hier weilender junger Mann brannte ' verschiedenes Feuerwerk, worunter auch sog. Schwärmer ab, wobei ein solcher ihm in das Gesicht fuhr und außer sonstigen bedeutenden Brandwunden ein Auge so schwer beschädigte, daß zu befürchten ist, die Sehkraft an demselben gehe verloren.
Ulm, 2. Jan. Nicht selten kommt es vor, daß Schulkinder ihren Federhalter mit Feder in die Tasche statt in den dazu gehörigen Behälter stecken. Daß diese Gewohnheit Unfälle Hervorrufen kann, zeigt ein neuerdings hier vorgekommener Fall. Der Knabe einer hiesigen Familie hatte seinen Federhalter in die Seitentasche gesteckt, kurze Zeit darauf, ohne daran zu denken, bückte sich derselbe um etwas aufzuheben, bei dieser Gelegenheit geriet die Feder in die Hüfte und verletzte den Knaben nicht unbedeutend. Die Wunde heilte glücklicherweise rasch wieder zu. Derartige Unfälle können jedoch auch schlimme Folgen haben.
Luupheim, 1. Jan. Am Sonntag fand hier behufs Gründung eines Stammzuchtvieh-Vereins eine Versammlung des landw. Verems statt, welche sehr zahlreich besucht war. Eröffnet wurde dieselbe von Hr. Oberamtmann Höschele dahier. Darauf sprach Hr. Inspektor Kost von Ravensburg eingehend über richtige und zweckmäßige Viehzucht, sowie namentlich über die Vorteile, welche ein Stammzuchtvieh-Verein bietet. Nachdem sodann Hr. Oberamtmann Höschele die Statuten des zu gründenden Vereins verlesen hatte, erließ Hr. Oberamtstierarzt Kehm von hier die Aufforderung an die Anwesenden, sich zum Beitritt zu melden, und alsbald hatte der Verein eine stattliche Zahl von Mitgliedern auszuweisen.
Waldsee, 1. Jan. Eine seit einigen Tagen dahier in Untersuchungshaft befindliche Weibsperson gebärdete sich gestern so krank,, daß sie in das hies. Spital gebracht wurde. In nachtschlafender Zeit jedoch scheint sich dieselbe erholt zu haben, denn sie band drei Leintücher in dem Krankenzimmer zusammen und ließ sich an denselben durch das Fenster auf die Straße hinunter. Von da suchte und fand sie das
nennen, und sie, stolz, seine schlimme Stimmung besiegt zu haben, glücklich, von ihm zur Zuhörerin von allerhand merkwürdigen Pferde- und Hundegeschichten erkoren zu sein, ließ auch nicht nach, Großmama und Onkel zu bitten, bis dem „tollen Harald" verziehen ward. Bei Letzterem besonders hielt dies nicht allzuschwer, denn Harald, mit den geschmeidigen Formen seines Wesens, mit der sprühenden Unterhaltungsgabe seines Geistes war des Grafen Liebling, trotz aller „Suiten".
In Eugens vornehm zurückhaltendem Wesen fand der alternde Herr nur sich selbst ergänzt. Er achtete ihn, würdigte ihn und übergab chm endlich, nachdem derselbe nach längerem Aufenthalt im Ausland und ausgedehnten Reisen erklärte, fortan in Tannrode der Bewirtschaftung seines Landgutes sich zu widmen, die Leitung des eigenen großen Grundbesitzes. In Harald aber erblühte ihm die glänzende Repräsentanz seines Standes. Als Jüngling war es sein eigenes glühendes Streben gewesen, sich der militärischen Laufbahn zu widmen, ein unglücklicher Sturz, der ihm für immer ein steifes Bein zuzog, zwang ihn in andere Bahnen — so sah er in dem Neffen einstige erträumte Zukunftsbilder erstehen.
Seit die Brüder, volljährig, das väterliche Erbe mit dem Herrenhause übernommen hatten, hörte der Graf auch nichts Aergerliches mehr über den Dragonerlieutenant. Für den stand nun der Bruder ein. Da Harald in der kaum eine Stunde entfernten, jenseüs des Flusses gelegenen Festung Rudolssburg garnisonierte, war er lange Zeit täglich im heimatlichen Hause anwesend. Dies häufige Kommen aber hatte seit letztem Winter „aus Dienstespflichten", wie er entschuldigend hervorhob, andauernde Beschränkungen erfahren.
Auf der breiten, gegen die Gartensette durch eine steinerne Ballustrade geschützten Terrasse des, an jeder seiner Ecken durch einen zierlichen Turm gekrönten Schlosses saßen zwei alte Frauen.
Die ältere derselben war Gräfin von der Tann, die schönste alte Dame, welche man sich denken konnte. Ihre lebhaften blauen Augen blickten mit der Reinheit eines Kindes und der gereiften Klugheit, welche ein langes Leben verleiht, in die Welt. Die Beweglichkeit ihres Körpers spottete ihrer Jahre. Gräfin von der
Tann kannte kein schlimmeres Uebel als den Müßiggang. Sie hatte trotz ihres bohen Standes zeitlebens sich fleißig geregt.
Nicht immer war das Leben schonend an ihr vorübergegangen, sie aber hatte aus allen Prüfungen, aus allen Wunden, die der Tod ihrer Lieben ihr geschlagen» ihren heiteren, sanften Frohmut davongetragen.
Sie saß nahe einer der breiten Fensterthüren, welche aus der ganzen Front des Unterstockes auf die Terafse mündeten, vor einem runden Tischchen, und ihre feinen Hände bewegten ein Strickzeug. Ihr gegenüber saß Demoiselle Noir, die einstige Gouvernante von der Gräfin einziger Tochter, Ediths Mutter. Das alte Fräulein war nach vollendeter Erziehung als Freundin und Gesellschafterin der Gräfin im Schlosse geblieben und hatte später, so gut sie dies vermochte, gemeinschaftlich mit dem Schullehrer des Ortes, Edith's Unterricht versehen. Sie war eincS jener fügsamen, jeder Energie entbehrenden Wesen, die das Geschick als Dienende auf den rechten Platz gestellt hat. Sie kannte nichts Höheres, als das Wohlergehen ihrer Gebieterin und war erfüllt von einer unbegrenzten Verehrung Aller, welche den Vorzug genoffen, den Namen „von der Tann" zu tragen. Gegen das rosige Gesicht und das gewinnende Lächeln der schönen alten Dame stach das runzelvolle,, blatternarbige Antlitz der Französin gewaltig ab — eine Thatsache, welche Demoiselle Noir ganz selbstverständlich und natürlich fand.
Sie trug eine Brille mit runden Gläsern in schwarzer Horneinfassung auf der ziemlich beträchtlichen Nase, und während sie vors^s, wackelten die gelben Schleifen ihrer Haube. Der braune, ein wenig ins Rötliche schillernde falsche Scheitel hatte sich bei den lebhaften Bewegungen ihres Hauptes etwas verschoben und ließ indiskreck an der rechten Schläfe eine kahle Oede sehen, während er nahe der linken Wange sich zudringlich hervorthat.
Die Gräfin hatte schon einige Male das Strickzeug ruhen lasten, auch hatte sie, was bei ihr stets ein Zeichen von Zerstreuung war, wiederholt mit dem Zeigefinger lockernd zwischen ihr weißes Haar und das zarte Tüllhäubchen gestrichen^ welches sie trug. (Fortsetzung folgt.)