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gekehrt. Am Samstag Morgen saß sie noch mit ihren Angehörigen beim Früstück und nach Verfluß einer Viertelstunde war sie nicht mehr unter den Lebenden. Ihr so unerwartet rascher Tod soll durch ein Magengeschwür verursacht worden sein.
— Am Mittwoch fand in Stuttgart eine Hauptversammlung des Stuttgarter Schwarzwald.Bezirksvereins unter Vor« sitz des Vereinsvorstands Frhrn. v. Moltke. Dem Kassier Kunsthändler Autenrieth, welcher den Kassenbericht erstattete und zugleich sein Amt nieder, legte, wurde Entlastung erteilt und an seiner Stelle Kaufmann Nennich ge. wählt. Baurat Rheinhard teilte mit, daß in Tübingen und Reutlingen so viele Mitglieder sind, daß daselbst ein Bez>.Verein gebildet werden kann. Der hiesige Bez.-Verein hat jetzt die letzte Schwarzwaldkarte herauSgezeben: Schramberg, Alpirsbach. Ueber die Verwendung der Mittel im nächsten Jahre kam Folgendes zur Sprache: für die Ruine Waldeck, welche durch Staatsmittel und Vereinsgaben hergestellt wurde, soll noch der Betrag von 70 gespendet werden, damit der Abschluß der Arbeiten herbeigeführt werden kann. Hinter dem Schlöffe sind noch der Fußweg über den Kamm und Bänke herzurichten. Im württ. Schwarzwald fehlen großenteils Weg« weiser, welche anzubringen sind. Getadelt wird, daß die Bewohner einzelner Dörfer geflissentlich die Wegweiser wegreißen, damit man sie als Führer nehmen muß. Als Grundsatz wird festgestellt, daß die Unterhaltung der Werke, welche der Stuttg. Verein errichtete, durch die betr. Bez.«Vereine ge» schehen muß. Der Bez.-Verein Calw wird als nachahmungswertes Muster aufgestellt in Errichtung der Wegweiser u. s. w. Um verschiedene Aufgaben an der Landesgrenze auszuführen, wurde eine Einladung an die daselbst liegenden Bez.-Vereine zu einer Zusammenkunft in Freudenstadt für nächstes Frühjahr erlaffen, wo zur gleichen Zeit alsdann auch die Hauptversammlung de« württ. Schwarzwaldverems stattstndcn wird. 1891 soll dieselbe in Alten- steig gehalten werden, wohin voraussichtlich bis dahin die Eisenbahn führen wird.
Cannstatt, 3. Dezbr. Ein hiesiger Malerlehrling ersuchte unter dem Vorgeben, sein Vater habe einen Wechsel zu bezahlen, seinen Lehrherrn um eine kleinere Summe Geldes, die ihm sein Prinzipal auch gab. Letzterer schöpfte indes doch Verdacht, erkundigte sich beim Vater und erfuhr dort, daß an der ganzen Sache nichts sei. Während dessen saß der Lehrling vergnügt in einer Wirtschaft hinter einem Schoppen Wein und einer Wurst. Als ihn sein Lehrherr herausholen ließ, ergriff er die Flucht und warf auf der- selben sein Portemonnaie mit beinahe dem ganzen Betrage von sich.
Rottweil, 1. Dez. Ein großartigeres Konzert ist hier noch nie gegeben worden, als das gestrige zum Besten der Hagelbeschädigten, bei welchem der K. württ. Kammersänger Herr Hromada au« Stuttgart und dessen Braut Fräulein Antonie Steinhäuser von hier mitwirkten. Neben dem edlen Zwecke zogen noch ganz besonders diese beiden gefeierten Namen eine Zuhörerschaft selbst aus den benachbarten Oberämtern herbei, daß sie der große Held'sche Konzertsaal nicht fassen konnte. Der Ertrag aus den Eintrittskarten im Betrage von 500 Mk. wird nach Abzug der Kosten den Hagelbeschädigten zugewendet.
— In Ellwangen feierte Amtsgerichtsdiener Heckmann sein SOjähr. Dlenstjubiläum. H. war 6 Jahre bei der Fußartillerie und 13 Jahre Landjäger, er erhielt 1860 die goldene Zioilverdienstmedaille, wurde 20 mal mit Geld und 5 mal öffentlich belobt. Aus Anlaß des diesjähr. Regierungsjubiläums erhielt H. außerdem die bronzene Medaille. — Bei der Gemeinderatswahl in Aalen ging es träge her, indem nicht die Hälfte der Wahlberech tigten abstimmte und muß deshalb eine Nachwahl stattfinden.
Der kanöwirtkfekaftkicke Aezirksverein.
(Fortsetzung.)
Der nächste Gegenstand der Tagesordnung war die Neuwahl des Vor st ander und Ausschusses für die nächsten 3 Jahre 1890/92. Das Resultat war, daß zum Vorstand
Herr Oberamtmann Supper
einstimmig per Acclamation gewählt und in den Ausschuß berufen wurden die Herren:
Ansel, Oberlehrer Hör lach er, Oek.-Rath Ernst, Schulth. in Stammheim L. Din gl er z. Adler Dornfeld, Gutspächter auf Lützenhardt Ziegler, Schulth. in Gechingen Leytze, O.A.'Thierarzt Lutz, Geometer in Deckenpfronn Rau, Hugo
Schneider, Gutspächter auf Georgenau Hanselmann, Schulth. in Liebelsberg Flik, Schulth. in Althengstett.
Als dritter Punkt stand auf der T.-O. der Rechenschaft«- und Kassenbericht. Elfteren erstattete der Vereinssekretär E. Horlacher, indem er die verschiedenen Zweige der Vereinsthätigkeit besprach. Hienach zählte der Verein
1) am 1. Juli 1889. 480 Mitglieder gegen 497 am 1. Juli 1888.
2) Der Ausschuß hielt seit der letzten Generalversammlung in Neubulach 5 Sitzungen. Gegenstand der Verhandlungen war:
3) Das F o r t b i l d u n g « w e s e n, das im Winter 1888/89 eine erfreuliche Zunahme erfahren hatte; im laufenden Winter 1889/90 ist leider das Eingehen von 2 Fortbildungsschulen (Althengstett und Ottenbronn) zu verzeichnen und ist der Stand jetzt 16, nämlich 11 freiwillige, 2 obligatorische Fortbildungsschulen. 3 Abendversammlungen Erwachsener. Ein Vorschlag, diese Fortbildungsschulen durch Exkursionen mit den Schülern nach Hohenheim oder auf ein größere« Gut zu beleben, konnte nicht die Zustimmung de« Ausschusses finden; dagegen wurde beschlossen, 100 Exemplare von Möhrlin'S Kalender „Der Bauernfreund" zur Vertheilung an die bessern Schüler hinauszugeben.
Zum Besuche der landw. Winterschule in Reutlingen und der Haus« haltungsschule in Herrenberg gibt der Verein Beiträge von je 25
4) Die Viehzucht, die der wichtigste Zweig der landw. Thätigkeit geworden ist, seit die Rentabilität der übrigen Zweige seit einer Reihe von Jahren so sehr zurückgegangen, ist auf jedem Etat mit einer größeren Summe bedacht, die früher zu Prämien für die besten Farrenhaltungen im Gäu und auf dem Walde verwendet wurde. Durch das Gesetz über die Farrenhalt- ung ist diese» Mittel, verbessernd auf dieselbe einzuwirken, entbehrlich geworden. Ein Versuch, nach dem Vorschläge de« Hrn. Vorstandes dis Zucht im Bezirke durch den Ankauf von reinen Simmenthaler Farren wieder einmal aufzufrischen, ist leider an der mangelnden Geneigtheit der Gemeinden zum Ankauf solcher Farren gescheitert. So war der Verein vorläufig darauf beschränkt, die Mittel dieses Etats zur Erleichterung der Beschickung der Ausstellungen in Ludwigsburg (im Sept. 1888.) und in Cannstatt (im Sept. 1889.) zu verwenden, die aber beide, nachdem die Kosten für die Vormusterung aufgewendet waren, wegen der Maul- und Klauenseuche abgesagt werden mußten.
Zur Unterstützung der Schweinezucht hat der Verein zur Haltung von 2 Zuchtebern in der Stadt, wo die Eberhaltung seit mehreren Jahren eingegangen war, einen Beitrag von 50 gegeben und um auch auf dem Lande in gleicher Weise Vorgehen zu können, hat die Versammlung den hiefür bestimmten Posten im Etat auf 200 erhöht.
Die Pferdezucht spielt im Bezirke keine Nolle. Um jedoch nach Kräften dazu beizutragen, daß da« drohende Eingehen der Platte in Weilder- stadt wegen ungenügender Beschickung unterbleibe, hat das K. Oberamt die Stutenzahl im Bezirke erhoben und dadurch sestgestellt, daß 104 Stuten vorhanden sind, von denen in diesem Jahre 17 zur Platte angemeldet werden wollten. Bei Besprechung dieses Gegenstandes wurde übrigen« aus der Versammlung der Wunsch laut, es sollte die Platte nach Calw verlegt werden. Bei den günstigen Waidegelegenheiten auf dem Schwarzwalde würde die Pferdezucht im Bezirke dadurch gewiß eine starke Förderung erfahren.
Die Besucher eines Hufbeschlagcurse« unterstützt der Verein stet« mit einem Beitrag von 25 (Forts, folgt.)
hatte sich um den Professor ein Kreis gebildet, dem er in seiner gewohMen philoso- phierenddocierenden Weise die Sage von „Hero und Leander" explizierte und den Ungläubigen und Einfältigen darunter die Sache plausibel zu machen suchte, indem er die angezweifelte Distance, welche Leander nächtlich durchschwommen, als ein weniger heroisches Wagnis darzustellen suchte, welches auch in unserem Jahrhundert so durch Lord Byron und Andere unternommen worden sei. Daß man über die ganze Fabel — denn positiv erwiesen sei die ganze Geschichte nicht — weniger geschrieben und gestritten haben würde, wenn nicht der tragische Abschluß, wie in „Romeo und Julia", und ähnlichen Liebestragödien, ein so gewaltiger und erschütternder sei.
Da nun seine philisterhaften Zuhörer, die sich für die ihnen noch gänzlich unbekannten Historien lebhaft interessierten, auch den Schluß zu wissen verlangten, so fühlte sich der Professor äußerst geschmeichelt, seine Kenntnisse in der beliebten unverständlichen Manier geltend machen zu können.
Inzwischen hatten sich die älteren Damen der Gesellschaft um Tante Lotte gesammelt und man besprach hier ebenfalls, aber in weniger günstiger Weise, das Tableau, welches Tante Lotte schlankweg als „unanständig" bezeichnte, ein Urteil, das natürlich von Allen zum Beschluß erhoben ward.
„Sie haben Recht, meine Liebe!" rief eine verwittwete Steuerrätin. „Ich begreife den Gerichtsrat nicht, der Gesellschaft so etwas zum Besten zu geben, einen — nackten Mann, der seine Geliebte besucht!"
„Und wie schamlos ist die Geliebte, die am Wasser auf ihn wartet!" fiel Fräulein Linke, eine alte Jungier, empört ein.
Natürlich teilte der ganze weibliche Chor in tugendhafter Entrüstung diese Ansicht und die Steuerrätin fügte noch hinzu:
„Was muß das Brautpaar nur davon denken, daß man ihm solche Sachen
zeigt? Und geben Sie Acht," setzte sie bedeutungsvoll hinzu — „dem Rat ist Alles zuzutrauen! wer weiß ob es nicht noch ärger kommt?"
Trotz dieser letzten Befürchtung nahmen doch Alle auf ein gegebenes Klingelzeichen eilig und begierig Platz, ja, man hatte das Gefühl, als erwarten sie, daß eS noch ärger kommen möchte!
Da» dritte und letzte Bild sollt« den Liebenden eine Scene vor Augen führen welche von ihnen persönlich im wundervollen Monat Mai" dargestellt werden sollte. Der Professor würde hier gesagt haben, daß sie das Künftige „vorahnen" sollten.
Ueber dem Vorhang erschienen plötzlich in einem gemalten Myrtenkranz die transparenten Verse von Schiller:
„Lieblich in der Bräute Locken Spielt der jungfräuliche Kranz,
Wenn die Hellen Kirchenglocken Laden zu deS Festes Glanz."
Unter einer auf dem Piano vorgetragenen choralartigen'Melodie, begleitet von fernem Glockengeläut, entrollte sich ein Bild, wie es einfacher, feierlicher und wahrer kaum gedacht werden konnte.
Die Bühne stellte eine Kirche dar. Vor dem erhöhten Altar stand der Geistliche und segnete ein festlich geschmücktes Brautpaar, das, dem Zuschauer den Rücken gewendet, vor ihm kniete. Zur Sette der Braut — ebenfalls im Festanzug — standen zwei Brautjungfern und neben diesen — Herr und Frau Albrecht, zur Seite des Bräutigams — der Onkel und Lieutenant Marrwitz mit Helm und Schärpe.
Waren die Darsteller des Geistlichen und des Brautpaares dem Publikum unbekannt, so konnte es sich vor Rührung und Entzücken kaum fassen, als es die Ueberzeugung gewonnen, daß man e» bei den anderen Personen mit der unleugbaren Wirklichkett zu thun habe.
(Fortsetzung folgt.)