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Fernsprecher Nr. L9.
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88. Jahrgang.
Fernsprecher Nr. 29.
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Beilage» i PlauderstLlxhen,
* Illustr. Souutagsblatt u«L
Schwiib. Landwirt.
M 281
Donnerstag, dm 30. Hlovemver
1911
Kgl. Oberamt Nagold. Bekanntmachung,
betreffend den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Walddorf.
In dem Gehöft des Bauers Konrad Adam Walz in Walddorf ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. Auf Grund der 88 18 ff. des Reichsviehseuchengesetzes vom R.G.Bl. v. 1894, S. 410,
88 59 ff. der Bundesratsinstruktion hiezu vom 27. Juni 1895 R.G.Bl. S. 358 und des Ministerialerlasses v. 9. OKI. 1908, A.Bl. S. 273, wird bis auf weiteres folgendes angeordnet.
I. Ueber die Gemeindemarkung Walddorf wird die Sperre verhängt. Dies hat folgende Bedeutung:
1. Sämtliche Wiederkäuer und Schweine des verseuchten Gehöfts werden unter Stallsperre gestellt, sämtliche Wiederkäuer und Schweine der nicht verseuchten Gehöfte sind zunächst in der Form derStallsperre abzusondern, beides mit der Maßgabe, daß eine Entfernung der Tiere aus dem gesperrten Stall nur nach vorgängiger Einholung der Erlaubnis der Ortspolizeibehörde zum Zwecke sofortiger, innerhalb der Gemeinde unter polizeilicher Aufsicht zu vollziehender Schlachtung, erfolgen darf.
2. Der Handel im Umherziehen mit Wiederkäuem und Schweinen ist verboten.
3. Das Geflügel der sämtlichen Gehöfte ist so einzusperren, daß es das Gehöft nicht verlassen kann. Die Hunde sind im ganzen Sperrgebiet, festzulegen.
4. Durch das Sperrgebiet darf Klauenvieh nicht durchgetriebe» werden. Dem Treiben ist das Fahren mit angespannten Wiederkäuern gleichgestellt.
5. Aus Sammelmolkereien darf Milch nur weggegeben werden, wenn die Milch vorher abgekocht wird und die zum Transport der Milch benützten Kannen, Fässer rc. vor Ihrer Entfernung aus der Molkerei innen und außen mit heißer Sodalauge gründlich gereinigt werden.
Unter diese Bestimmung fallen auch Magermilch, Käse- und Buttermilch und die Molke.
6. Das Seucheugehöft ist am Haupteingangstor oder an einer sonstigen geeigneten Stelle in augenfälliger und haltbarer Weise mit der Inschrift „Maul- und Klauenseuche" zu versehen. Tafeln mit gleicher Inschrift sind an allen Eingängen des Seuchenorts auszustellen.
7. Das verseuchte Gehöft ist gegen den Verkehr mit Tiere« und mit solchen Gegenständen, die Träger des Ansteckungsstoffes sein können, abzusperren.
8. Die in dem verseuchten Gehöft befindlichen Pferde und Wagen dürfen außerhalb des Gehöfts nur unter besonderen von der Ortspolizeibehörde zu eröffnenden Bedingungen (A.Bl. 1908 S. 280 au.—ee.) verwendet werden.
9. Die Wart und Pflege der Tiere des verseuchten Stalles ist vom Besitzer bestimmten Personen zu übertragen. Allen übrigen Personen (abgesehen von Tierärzten), also insbesondere Viehhändlern und Metzgern ist das Betrete« des Stalles nicht gestattet. Beim Verlassen des Stalles haben alle Personen ihre Hände mit einer desinfizierenden Flüssigkeit zu reinigen; auch hat das Pflegepersonal die mit den Tieren in Berührung gekommenen Ueberkleider daselbst zurückzulassen und die Schuhe zu wechseln. Nach Abheilen der Seuche sind diese Gegenstände zu desinfizieren.
10. Der Inhaber des Sencheuaehöftes hat feinen Hausgenossen und Dienstboten das Betreten feuchenfreier Stallungen in anderen Gehöften zu verbieten «nd selbst solche Stallungen zu meiden.
11. Die gemeinsame Benützung von Brunnen «nd Tränken durch Wiederkäuer und Schweine ist verboten.
12. Die Abgabe roher Milch aus dem verseuchten Gehöft wird untersagt.
13. Häute von gefallenen oder getöteten kranken Tieren dürfen nur in vollkommen trockenem Zustand aus dem Seuchengehöft ausgeführt werden, sofern nicht die unmittelbare Ablieferung an die Gerberei erfolgt.
14. Ranhsutter »nd Stroh, das nach dem Ort seiner Lagerung als Träger des Ansteckungsstoffes anzusehen ist, darf aus dem Seuchengehöft nicht entfernt werden.
15. Stallgänge «nd Dunglege» des Seuchengehösts sind täglich mit dicker Kalkmilch (1:2) die Iauchenbe- hälter mit unverdünntem frisch gelöschtem Kalk, die Plätze vor den Staüiüren und den Gehösteingängen, sowie die gepflasterten Wege an den Ställen und auf dem Hofe sind mehrmals täglich durch Uebergießen mit dünner Kalkmilch (1 : 20) zu desinfiziere«.
16. Von dem Umstehen eines Rindviehstückes infolge der Seuche ist dem Ortsvorsteher unverzüglich Anzeige zu erstatten. Vor Feststellung des Krankheitszustandes des gefallenen Tieres darf an dem Kadaver keinerlei Veränderung vorgenommen werden, auch darf er nicht aus dem Gehöfte entfernt werden.
Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen Ziff. 1 bis 14 unterliegen den Strafbestimmungen des § 328 St.-- G.B. und 88 66 Ziff. 4 und 67 des Reichs-Viehseuch.-Ges. und schließen die Gewährung einer Entschädigung für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh aus.
II. Zu dem Sperrgebiet wird ein Beobachtungsgebiet gebildet, in welches die Gemeinde Rohrdorf und die Teilgemeinde Mohnhardt einbezogen werden. Hier gilt:
1. Das Durchtreiben von Wiederkäuern und Schweinen durch das Beobachtungsgebiet ist untersagt. Dem Treiben ist das Fahren mit angespannten Wiederkäuern gleichgestellt.
2. Die Ausfuhr von Wiederkäuern u. Schweinen ist nur mit Genehmigung des Oberamts und zum Zwecke sofortiger Abschlachtung gestattet. Die K. Bahnstation Walddorf ist ersucht worden, nur gegen Borzeigen des Erlaubnisscheins die Verladung zu gestatten, gleichgiltig, woher die Tiere kommen.
3. Aus den im Sperr- und Beobachtungsgebiet liegenden Sammelmolkereien darf Milch nur dann abgegeben werden, wenn sie vorher abgekocht wird und die zum Transport der Milch benützten. Kannen, Fässer usw. vor ihrer Entfernung aus der Molkerei innen und außen mit heißer Sodalauge gründlich gereinigt werden.
Unter diese Bestimmung fallen auch Magermilch, Käse und Buttermilch und Molke.
4. Der Handel im Umherziehe» ist verboten.
5. Die Abhaltung von Pferde-, Rindvieh- «nd Schweinemärkten ist untersagt.
III. Im Umkreis von LS Kilometer «m Walddors, worunter außer den unter II genannten die folgenden Gemeinden satten:
1. Vom Oberamt Nagold: sämtliche Gemeinden mit Ausnahme von Enztal und Gültlingen.
2. Vom Oberamt Calw: Aichhalden, Altbulach, Breitenberg, Hofstett, Holzbronn, Hornberg, Liebelsberg, Maüinsmoos, Neubulach, Neuweller, Oberhaugstett, Ober- kollwangen, Oberweiler, Schmieh, Zwerenberg.
3. Vom Oberamt Freudenstadt: Cresbach, Durr- weiler, Edelweiler, Grömbach, Herzogsweiler, Hochdorf, Pfalzgrafenweiler. Schernbach, Vesperweiler, Wörnersberg.
4. Vom Oberamt Herrenberg: Mötzingen, Oberjettingen, Unterjetlingen.
5. Vom Oberamt Horb : Altheim, Göttelfingen, Günd- ringen, Hochdorf, Salzsteiten, Bollmaringen.
gelten, die Inkraftsetzung durch die beteiligten Oberämter für ihre Bezirke vorausgesetzt, folgende Anordnungen:
1. Der Handel im Umherziehen mit Wiederkäuer« «nd Schweinen ist bis zu dem Tage, an welchem die Seuche amtlich für erloschen erklärt wird, untersagt. Unter das Verbot fällt auch das Aufsuchen von Bestellungen seitens der Händler, ohne Mitführung von Tieren außerhalb ihres Niederlassungsorts.
Zuwiderhandlungen werden gemäß § 148 Ziff. 7a R.G.B. und 8 328 Rstgb. d. h. mit G^ängnis bis zu 2 Jahren bestraft.
2. Die Abhaltung von Pferde-, Rindvieh- und Schweinemärkte» ist verboten.
Die Ortspolizeibehörden wollen Vorstehendes ortsüblich bekannt machen.
Die Tierbesitzer werden wiederholt auf ihre Anzeigepflicht im Falle des Seuchenverdachts hingewiesen mit dem Bemerken, daß wissentliche Verletzung der Anzeigepflicht mit Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft wird. (8 328 Rstgb.)
Nagold. 29. Nov. 1911.
Amtmann Mayer.
Was ermattet der gewerbliche Mittelstand von Staat, Knnmune nnb Gesellschaft.
Bon F. Simpson, Berlin.
Wenn auch heute eine Reihe angesehener Sozialpolitiker, Männer der Wissenschaft und der Praxis, behaupten, und dieses mit einer gewissen bestechenden Folgerichtigkeit, daß die Tage des Kleinhandels und Kleingewerbes gezählt seien, daß unaufhaltsam ihr Zerfall vor sich gehe, der durch keine Hilfe von außen her ausgehalten werden könne und zu einer Aufsaugung durch das Kapital einerseits und das Proletariat andererseits führen müsse, so kann man weder
bedingt noch unbedingt diesen Lehren zustimmen. Es scheint nur so. Nur dann könnte man bedingt zustimmen, wenn auf allen Gebieten gewerblicher Betätigung der Mittelstand zurückginge. Bis jetzt ist dem nicht so; es hat nur eine durch unsere wirtschaftliche Entwicklung bedingte Verschiebung, im Ganzen, aber eine Vermehrung der mittelständischen Gewerbebetriebe stattgesunden. Diese Vermehrung beweist, daß feine Existenzmöglichkeiten nicht erschöpft, und ferner, daß es für ihn nur eines angemessenen, aber durchaus keines einseitigen Schutzes bedarf, um sich kräftig zu entwickeln und in unser Wirtschaftsleben organisch einfügen zu können.
Ueber diesen Schutz, seinen Wert und seine Schäden ist viel gesprochen worden. Hat man seine Berechtigung anerkannt, ergibt sich die Wertbemessung von selbst. Es ist wohl gar kein Zweifel mehr, daß das spartanische Prinzip, anscheinend lebensschwache Existenzen rücksichtslos dem Gesamtinteresse zu opfern, unserem heutigen Gefühl widerstrebt; ebenso wie unsere Kultur das Faustrecht ausgeschaltet hat. Wäre die Macht des Großkapitals heute so groß, daß es „alles kurz und klein schlägt", so wäre nach dieser Richtung hin seine Macht aber eine zu große geworden. Das allgemeine Menschlichkeitsgefühl und Rechtsempfinden der zivilisierten Nationen lehnen sich erfolgreich gegen die rohe Machtentwicklung der Staaten aus. Die Friedensidee sollte nicht nur international, sondern vor allem national im wirtschaftlichen Kampfe zum Ausdruck kommen. Der Staat hat aus nationalwirtschastlichen Gesichtspunkten das größte Interesse an der harmonischen Entwicklung aller feiner sozialen Schichten. Nur dann wird er auf der Höhe der Machtsülle stehen.
Der Staat, auf den sich aller Blicke konzentrieren, an den sich aller Wünsche richten, trägt ein Janusgesicht. Einerseits ist er der größte privatwirtschastliche, andererseits der größte sozialwirtschastliche Betrieb. Sein Selbsterhaltungstrieb gxbietet ihm einen Ausgleich zwischen diesen Interessensphären, aber auch einen Ausgleich der in dieser Sphäre zur Geltung kommenden Sonderinteressen durch gerechte Existenzmöglichkeiten zu schaffen. Er muß unparteiisch sämtlichen Erwerbsständen gegenüberstehen. . . Die Schutzzollpolitik, deren Bedeutung eben durch ihre Folgen ich für unsere gesamte Wirtschaftlichkeit nicht anerkenne, ist vornehmlich der Entwicklung des Großkapitals zugute gekommen. Unsere soziale Gesetzgebung hat den Arbeitnehmer auf eine große Stufe wirtschaftlicher Stärke gebracht. Hier sind die notwendigen Kompensationen ausgeblieben. Der Mittelstand hat die Kosten zahlen müssen. Der Mittelstand verlangt keine Bevorzugung, sondern einen Schutz gegen diese vom Staate so eminent gesteigerten Machtfüllen. Er erwartet vom Staate einen indirekten Schutz durch eine seiner organischen Entwicklung angepaßte Schutzgesetzgebung, die Uebergriffe vorgenannter Faktoren ausschaltet, eine direkte Unterstützung durch Gewährung von Beteiligung und Erwerbsmöglichkeit an seinem wirtschaftlichen Betriebe, Durchbrechung des Systems der Monopollieserungen. Ferner ist es seine Pflicht, Bestrebungen, die Ausbildung und Selbsthilfe zum Zweck haben, zu unterstützen. Ein spezielles Eingehen auf die einzelnen Forderungen würde an dieser Stelle zu weit führen, und ist dieses Sache der einzelnen Interessenvertretungen.
Bon der Kommune gilt dasselbe wie vom Staate. Nur wird sie es, dank der engeren Fühlung, die sie mit der Bürgerschaft pflegt, leichter haben, deren Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen. Ihr wird es leichter fallen, Leistungen der Gewerbetreibenden an den Gemeindebetrieb zu ermöglichen. Durch Gewährung von geeigneten Lokalen, Lehrmitteln und Kräften wird sie leicht die Wünsche nach Weiterbildung verwirklichen können. Vor allen Dingen liegt es ihr ob, die weitestgehende Rücksicht auf die Berkehrsbedürfnisse zu üben, denken wir an die Regelung der Verkaufszeiten, und nicht nur zu üben, sondern auch bei der Aufsichtsbehörde zu unterstützen. Bei allem so überaus notwendigen sozialen Entgegenkommen läßt sich die Mittellinie finden, aus der ein Ausgleich stattfinden kann zwischen diesen Pflichten und den berechtigten Interessen Her Gewerbetreibenden.
Nun wende ich mich an die Gesellschaft, unter der ich ohne Ausnahme sämtliche Erwerbsstände versiehe. Alle haben Rechte und Pflichten, als deren vornehmste ich die ansehe, ihr Recht über ein gewisses Maß nicht auszudehnen. Ich will das Recht, seine wirtschaftliche Lage zu verbessern, vom Arbeiter bis zum Geheimrat, nicht angetastet wissen. Es hat aber seine Grenze, sobald es über die Wirtschaftlichkeit in der Lebenshaltung den Luxus zum Zweck hat; sobald die Hebung der Wirtschaftlichkeit im Gegensatz zu den Berufspflichten steht. Sehr anerkennenswert ist der soziale Zug unserer Großbetriebe, staatlicher, kommunaler und privater, ihren Angestellten über ihre Besoldung hinaus