beiden Seiten des Kanals ausgesprochen, der Sturm im )?bziehcn sei. Grey hat zweifellos die große Mehrheit auf seiner Seite. Nur die Radikalen der Arbeiterpartei und einige Iren verhielten sich kritisch. Das Ergebnis der De­batte wird allgemein für einen Erfolg der Regierung an­gesehen.

Berlin, 28. Nov. Die Rede Gregs wurde in Berlin durch Extrablätter der Zeitungen bekannt gemacht. Die linksstehenden Organe bringen schon ausführliche Kommen­tare, die den Ausführungen Greys im allgemeinen günstig gesinnt sind. Man ist sich aber darin einig, daß sein Ver­such, die deutsche Diplomatie ins Unrecht zu setzen, höchstens teilweise geglückt ist und daß Greys Ausführungen nicht des inneren Widerspruchs entbehren.

Paris, 28. Nov. Die Ausführungen Greys haben hier durchweg einen günstigen Eindruck gemacht, namentlich derjenige Teil seiner Rede, in dem es heißt, daß England entschlossen gewesen sei, für Frankreichs Marokkointeressen einzutreten.

Berlin, 28. Nov. Die Unterhausrede des eng­lischen Staatssekretärs Grey bleibt von Deutschland nicht unwidersprochen. Staatssekretär o. Kiderlen-Wächter wird in der Reichstagskommisston über Englands eigenartige Haltung in der Marokkofrage jetzt noch weitere Aktenmit-

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Deutscher Reichstag.

(Schluß der Sitzung vom 27. November.)

Im wetteren Verlauf der Debatte trat Gouverneur Dr. Solf den Behauptungen des Abg. Noske über skan­dalöse Ausschreitungen sgegen die Eingeborenen bei dem Bahnbau entgegen. Es seien nur zwei Fälle von Verfeh­lungen bekannt geworden. Auch von Ausschreitungen der Schutztruppen könne nicht gesprochen werden.

Nachdem dann noch die Abg. Arning (natl.), v. Lie- bert und Erzberger gesprochen hatten, wurde die Vorlage an die Budgetkommission verwiesen.

Es folgte die zweite Beratung des Hausarbeits­gesetzes.

Zu § 1 hat die Kommission beschlossen, daß solche Werkstätten von dem Gesetz ausgeschlossen bleiben, in denen ausschließlich für den persönlichen Bedarf des Bestellers oder seiner Angehörigen gearbeitet wird.

Kolbe (Rp.) verlangt eine bessere Definition des Be­griffes Hausarbeiter und Angehörige.

Schmidt (Soz.): Im Interesse der Heimarbeiter liegen lediglich die Anträge der Sozialdemokratie.

- Pfeisser (Z.): Die Wünsche des Heimarbeiterkon­gresses sind zum großen Teil durch die Kommissionsbe- schlüssc verwirklicht worden.

Naumann (f. Vp.): Ob man das Gesetz annimmt oder nicht annimmt, ist fast ganz gleichgültig. Es wird keine besonderen Schädigungen, aber auch keinen besonderen Nutzen Hervorrufen. Am bedenklichsten ist, daß die Heim- arbeiterschast nicht organisiert ist. Soll das Gesetz Inhalt haben, so müssen wir die Einführung des Lohnamtes be­schließen.

Nach weiterer Debatte wird § 1 einstimmig angenom­men, ebenso § 2 der Kommissionssassung. Darauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Dienstag 12 Uhr.

Berlin, 28. Nov.

Am Bundesratstisch Minister von Breitenbach. Prä­sident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 12.20 Uhr. Zunächst wird die Beratung der auf Antrag Gothein zurückgestellten Teile des Schifsahrtsabgabengesetzes angenommen.

Ein früherer Antrag der Fortschritt!. Bolkspartei will einen besonderen Art. 2 a einfügen, der die Befugnisse der Strombeiräte erweitert. Auf Anruf der Strombeiräte soll das zuständige höchste Berwaltungsgericht endgültig über den durch Schiffahrtsabgaben aufzubringenden Anteil der Herstellungs- und Unterhaltungskosten für solche Anstalten entscheiden, die nicht nur zur Erleichterung des Verkehrs, sondem auch zur Förderung anderer Zwecke und Interessen bestimmt sind.

Gothein begründet den Antrag, insbesondere für das Odergebiet sei die Hinzuziehung der Strombeiräte erwünscht.

Minister von Breitenbach: Das Gesetz sieht Strom- beiräte vor für Rhein, Weser und Elbe. Voraussetzung soll sein das Vorhandensein eines Zweckverbandes einer Finanzgemeinschaft. Der Antrag Gothein ist außerordentlich weitgreifend.

Winckler (Kons.): Wir werden den Antrag in allen Teilen ablehnen. Es würde unzweckmäßig sein, den Inhalt des Gesetzes auszudehnen auch auf die Ströme, die nicht mehreren Staaten gemein sind. Von reichswegen einen Eingriff in die einzelstaatliche Landesgesetzgebung zu tun, liegt kein Anlaß vor.

Inzwischen ist ein den ursprünglichen Antrag Gothein .bändernder Antrag eingegangen, wonach die Strombeiräte auch auf solche Wasserstraßen angewendet werden sollen, die in dem Besitz nur eines Bundesstaates sich befinden.

David (Soz.): Die Einwendungen des Ministers gegen den Antrag fallen durch den neuen Abänderungsan­trag in sich zusammen.

Minister v. Breitenbach: Auch mit den Abände­rungen ist der Antrag Gothein unannehmbar.

Oeser (F. B.): Wenn eine Sache reichsgesetzlich ge­regelt werden soll, dann ist ein Eingriff in die Landesgesetz­gebung selbstverständlich. Schließlich wird der Antrag Gothein abgelehnt. Es folgt Art. 3 Dauer der Abgabe- pslicht. Die Fortschr. Volkspartei beantragt, den zweiten Absatz dieses Artikels wie folgt zu fasten : Zur Deckung der Kosten für die Herstellung und Unterhaltung bereits vor­handener Regulierungswerke, die vor Inkraftsetzung dieses

Gesetzes auf anderen natürlichen als den im Art. 2 § 1 ge­nannten Wasserstraßen Rhein, Weser, Elbe ausge­führt sind, sowie für Ersatzbauten solcher dürfen Befahrungs­abgaben nicht erhoben werden.

Gothein (F. V.) begründet diesen Antrag.

v. Dziembowski (Pole) tritt für Abgabesreiheit der Warte von Posen abwärts ein.

Minister von Breiten bach: Die Stromverbesserung der Warte bedingt die Erhebung von Abgaben auf diesem Fluß.

Graf Westarp (Kons.): Der Wunsch aus Abgabefrei­heit der Warte ist gerechtfertigt. Der freisinnige und ebenso der polnische Antrag werden abgelehnt und die Kommissions­fassung angenommen. Damit ist der Rest des Gesetzes an­genommen.

Eine Resolution Baren Horst (R. P.) auf be­sonderen Schutz der Fischereiinteressen bei den Stromarbeiten wird abgelehnt. Damit ist die zweite Lesung des Schiff­fahrtsabgabengesetzes erledigt.

Es folgt die Fortsetzung der zweiten Lesung des Hausarbeitsgesetzes.

Sächsischer Geh. Rat Dr. Hallbauer: Die Angaben des Abg. Schmidt-Berlin über die Zustände in der sächsischen Hausindustrie treffen nicht zu. Von besonderem Notstand und Elend kann keine Rede sein. 8 3 will das Auflegen von Lohnverzeichnissen oder das Aushängen von Lohntafeln in den Arbeitsräumen, damit die Arbeiter sich über die je­weils gezahlten Löhne unterrichten können. Für neu ein­zuführende Muster soll diese Bestimmung nicht gelten. Der Bundesrat soll für bestimmte Gewerbezweige und Be­triebsarten den auf Antrag beteiligten Ausnahmen gewähren.

Ein sozialdem. Antrag will die letzten Bestimmungen streichen. Ein Antrag der Freisinnigen will Muster- und Probearbeiten nicht in die Lohntafeln einbezogen wissen. Außerdem liegen zwei Anträge des Zentrums vor, daß die Preisangabe auch ausgedehnt wird aus die von Haus­arbeitern gelieferten Roh- und Hilssstoffe. Soweit nicht bundesrätliche Bestimmungen vorliegen, soll die Landes­zentrale bezw. die Polizeibehörde Verordnungen erlassen dürfen.

* Abg. Albrecht (Soz.) begründete die Anträge seiner Partei.

Ministerialdirektor im Reichsamt des Innem Caspar: Ich bitte die Anträge Albrechts abzulehnen.. Wenn die Kommission das Aushängen der Liste als Regel beschlossen hat, dann müssen die in § 3 vorgesehenen Ausnahmen be­stehen bleiben. Ebenso ist es notwendig, daß bestimmten Gewerbezweigen Ausnahmen von dieser Borschrist gewährt werden.

Münz (F. B.): Für Muster Lohnsätze einzuführen, ist ein Unding.

Giesberts (Z): Der freisinnige Antrag ist nicht prä­zis genug, der sozialdemokratische findet bei uns keine Gegenliebe.

Eoerling (natl.): Die Musterfabrikation in die Lohn­tafel cinzubeziehen, haben wir keinen Anlaß.

Albrecht (S.): Will man nicht für die Muster- und Probearbeiten einen Minimalstücklohn einsetzen, dann sollte wenigstens ein Mindestzeitlohn bestimmt werden.

Goller (F. V.): Bei den Musterarbeiten ist die Berechnung eines Mindestzeitlohnes nicht denkbar. Ein in­zwischen weiter eingegangener Antrag des Zentrums geht dahin, zu sagen, daß für neue Muster usw. die Bestim­mung nicht gilt. Der freisinnige Antrag wird darauf zu Gunsten des Zentrumsantrags zurückgezogen und der Zent­rumsantrag angenommen, der sozialdemokratische abgelehnt. Im übrigen bleibt § 3 unverändert. § 3 a bestimmt, daß die Arbeitgeber auch ihre festen Lohnbücher oder Arbeits- zettel auszuhändigen haben, die Art und Umfang der Ar­beit sowie die dafür festgesetzten Löhne enthalten. Ein sozial­demokratischer Abänderungsantrag auf Streichung der Be­stimmung, wonach der Bundesrat Ausnahmen für einzelne Gewerbezweige gewähren kann, wird abgelehnt. 8 3 a bleibt unverändert. Ein sozialdemokratischerseits beantragter § 3 ä wird einstweilen zurückgestellt. Die 88 7 und 8 werden in der Kommissionsfassung angenommen.

Nunmehr wird über den Antrag der Sozialdemokraten über Schaffung von Lohn- und Tärifämtern ß 3d verhandelt.

Göhre (Soz.): Bon dieser Bestimmung hängt das Wohl von Hunderttausenden von Heimarbeitern ab, sonst würde das Gesetz eine leere Dekoration sein.

Staatssekr. Delbrück: Bon der Gestaltung des Ge­setzes in dieser Frage hängt es ab, wie das Gesetz in tter Praxis arbeiten wird. Wir wollen der Heimarbeit helfen, wenn auch die sanitären Maßnahmen zunächst als eine ge­wisse Last angesehen werden. Die Anträge der Sozial­demokraten bringen die Heimarbeit zum Absterben. Die verbündeten Regierungen stehen auch jetzt noch aus dem Standpunkt der Ablehnung der obligatorischen Festsetzung der Löhne unter Mitwirkung von Behörden. Nachdem das Arbeitskammergesetz gefallen ist, sollten wir den Heimarbeitern wenigstens die Wohltaten dieses Gesetzes sichern. Wir müssen eine Stelle schaffen, die sich mit Interesse der Sache der Heimarbeiter annimmt und eine solche Stelle sind die Fach­ausschüsse. Daraus wird die Weiterberatung auf Mttwoch 1 Uhr vertagt.

Tages-Nerügkeiten.

N»s Stadt r»d Laad.

Nagold. SS November IS11.

* Erdbeben. Bon zuverlässiger Seite wird uns mitgeteilt, daß heute nacht 1 Uhr 18 Minuten wieder ein ziemlich starker Erdstoß verspürt worden sei.

Rohrdorf, 28. Nov- Heute abend wollte der 40 Jahre alte, verheiratete Bauer Fr. Renz eine Bau­stange aus dem Wald herausschleisen, dabei schlug ihm die Stange den Fuß ab; er wurde ins Bezirkskrankenhaus nach Nagold übergeführt.

Württemberg und die Gerichtsbarkeit der Geistlichen.

Stuttgart, 28. Nov. Das Motu proprio Pius' X. vom 9. Oktober 1911 ist eine authentische Erklärung der BulleApostolicae sedis", welche die Grundlage des neue­ren kirchlichen Strafrechts bildete. Die Strafe der Exkom­munikation für die, welche Geistliche vor ein weltliches Gericht zwingen, trifft da zu, wo die kirchliche Gerichts­barkeit in Kraft ist. Die Frage ist also: wo gilt noch diese für den Klerus? In Deutschland und Oesterreich ist durch Gewohnheitsrecht oder durch Konkordate oder durch Lan­desgesetz die Ausnahmestellung des Klerus in bezug auf die Gerichtsbarkeit adgeschafft. Nur die Disziplinargerichts- barkeit der Geistlichen ist dem kirchlichen Forum geblieben. Demgemäß trifft auch das Motu proprio Pius' X. auf Deutschland und Oesterreich nicht zu. Daher finden die Zensuren dieses Erlasses auch hier keine Anwendung. (Näheres bei Heiner, Die kirchlichen Zensuren.)

WasMürttemberg speziell angeht, so steht der An­wendung des Motu proprio hier das Gesetz betreffend die Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katho­lischen Kirche vom 31. Januar 1862 entgegen, und zwar Artikel 1 Abs. 2 und Artikel 6 Abs. 1. Durch Artikel 1 ist fürpäpstliche Erlasse", welche in staatliche oder bürger­liche Verhältnisse eingreifen, die Genehmigung des Staats verlangt. Laut Artikel 6 können nur Disziplinarstrafen ge­gen katholische Kirchendiener . . . von kirchlichen Behör­den verhängt werden. In allen bürgerlichen Rechtsfällen und auch in allen Kriminalfällen unterstehen die Geistlichen den allgemeinen staatlichen Gerichten. Es gibt also hier keine Anwendung des Motu proprio.

p Stuttgart, 28. Nov. Zur Aufhebung der Tier­ärztlichen Hochschule hat eine aus allen Teilen des Landes zahlreich besuchte Versammlung der tierärztlichen Vereine Württembergs Stellung genommen und einmütig beschlossen, nochmals eingehende Verhandlungen über die auch von der Regierung betonte Zweckmäßigkeit der Verlegung der Hoch­schule nach Tübingen anzustreben.

r Dornstetten OA. Freudenstadt, 28. Nov. (Für Touristen). Die Aussichtskanzel am Bäumle, die der hiesige Schwarzwaldverein ausführen will, wurde in Angriff genommen. Es wird daran ein bronzenes Bild des Königs­paares angebracht werden.

* Tettnang, 28. Nov. Am Samstag abend wurde dem nach Obertalheim OA. Nagold beförderten Haupt­lehrer Brielmaier von den Lehrern der Bezirke Tettnang und Friedrichshafen eine Abschiedsfeier imKronensaale" bereitet. Oberlehrer Stengel widmete dem Scheidenden warme Worte der Anerkennung und Anhänglichkeit. Passende Männerchöre umrahmten die Feier.

r Ebingen, 27. Nov. (Folgen des Erdbebens.) Das Erdbeben ist beinahe unseremMärktbrunna-Ma", der schon seit Jahrhunderten Wind und Wetter trotzt, zum Verhängnis geworden. Samstag morgen wurde entdeckt, daß die mannsgroße Figur, die den Herzog Eberhard im Barte'darstellt, unten an den Füßen glatt abgerissen und einige Zentimeter auf dem Brunnensockel verschoben worden ist. Es ist ein merkwürdiger Zufall, daß die Figur bei dem Ruck und der Erschütterung das, Gleichgewicht behielt, aufrecht stehen blieb und nicht heruntergestürzt ist.

Gerichtssaal.'

r Heilbronn, 28. Nov. Der Gefängnisgehilfe Metz­ger, der dem Grasen Passy zweimal zur Fluch: aus dem Untersuchungsgefängnis verholsen und sich an weiblichen Ge­fangenen vergangen hat, ist wegen Gefangenenbesreiung, Bestechung und dreier Verbrechen gegen die Sittlichkeit zu 5 Jahren 3 Monaten Zuchthaus, sowie 10 Jahren Ehr­verlust und der Tragung der Kosten verurteilt worden. Drei Monaten gehen, als durch die Untersuchungshaft ver­büßt, von der Strafe ab.

Ausland.

>V Paris, 27. Nov. Im heutigen Ministerrat wurde General Toutee infplge des Zwischenfalls von Elksar zur Disposition gestellt. Der Kommissar Destailleurs soll seines Amtes enthoben bleiben, bis die gegen ihn eingcleitete Unter­suchung abgeschlossen ist. Das Kommissariat an der algerisch- marokkanischen Grenze soll einem Beamten übertragen wer­den. der weder zu den Konsularagenten noch zu der Armee gehört. General Drudde wurde zum Kommandeur der Division in Oran ernannt und dem General Alix das Kommando über alle Truppen an der West- und Süd­grenze von Marokko übertragen.

Die Abberufung der deutscheu Kriegsschiffe.

Paris, 27. Nov. Die Nachricht von der Abberufung der deutschen Kriegsschiffe aus den Gewässern von Agadir hat in den Wandelgängen der Kammer die lebhafteste Be­friedigung hervorgerufen. Die von den Journalisten be­fragten Abgeordneten aller Parteien, von dem Konservativen Denys Cochin bis zu dem Sozialisten Iaurös, haben ohne Vorbehalt ihrer Genugtuung darüber Ausdruck gegeben. Man erblickt in der Abberufung nicht nur eine liebens­würdige Kundgebung, sondern ein Zugeständnis an die öffentliche Meinung in Frankreich, das nur die Folge haben kann, die gedrückte Stimmung, die seit Mouaten das fran­zösische Volk beherrscht, zu beseitigen und eine Beruhigung yerbeizuführen, die der bevorstehenden Parlamentsdebatte über die deutsch-französischen Konventton ohne Zweifel ztt statten kommen wird. Man begrüßt es, daß die Maßregel