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* Illustr. Sonstagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

S7l

Zum Erntedankfest.

In seinemElias" hat uns Mendelssohn durch die ergreifende Macht der Töne den Jammer eines verdurstenden Landes geschildert: und was für eine Wohltat nach der langen schrecklichen Zeit der Dürre ein reichlich fließender Regen ist, das kann nicht eindringlicher und herzerquickender dargestellt werden als in den mächtig dahinrauschenden Chören: die Wasserströme erheben sich Dank sei dir Gott, du tränkest das durst'ge Land! So furchtbar ausgeglüht wie damals Palästina nach Zjähriger Trockenheit ist ja unser Land nicht; in vielen Gegenden ist die Ernte recht gut ausgefallen, und was den Landleuten an Futtermitteln abgina, kommt teilweise den Weingärtnern in einem schönen Herbstertrag zu gute. Aber immerhin werden die Folgen der sommerlichen Glut­hitze noch lange zu spüren sein, besonders in den Großstädten durch Verteuerung vieler Lebensmittel. Dem Dank für das, was Gott uns beschert, wird deshalb vielfach ein Gefühl der Wehmut beigemischt sein über enttäuschte Hoffnungen, und die Loblieder wollen nicht so voll klingen wie in den wirklich guten Jahren. Sollte aber die Hand des Herrn nicht auch in dieser Demütigung zu erkennen fein? Ist es unserm Geschlecht nicht gut, wo es merkt, daß es von dem Geber aller guten Gaben abhängig ist? Der gereizte Ton, dem man oft begegnet, wenn man einen solchen Gedanken auch nur anzudeuten wagt, beweist am besten, daß hier ein wunder Punkt getroste i wird. Die Erfolge der Technik sind eben unfern Zeitgenossen namentlich solchen, die gar kein persönliches Verdienst daran haben in den Kopf gestiegen; nichts darf für den heutigen Menschen unerreich­bar sein; der Gedanke, daß es eine Macht außer ihm gebe, die ihm überlegen ist, ihn inmitten all der großartigen Schöp­fungen seines Geistes verhungern oder verdursten lassen kann, ist ihm unmöglich. Allein es hilft nichts, diese Macht ist da, und schon der oielgerühmte Wtrklichkeitssinn unserer Tage sollte dazu führen, mit ihr zu rechnen. Freilich mit ihr zu rechnen wie mit einem feindseligen Gegner das gebe eine Religion knechtischer Furcht, wie sie im Heidentum lebt; aber mit ihr zu rechnen als einem an Weisheit und Güte uns viel überlegenen Vater, das ist seliges Christen­recht. Manches, was er tut, mag uns ietzt schwer begreif­lich erscheinen: haben wir aber erst eine Wegstrecke zurück­gelegt, so wissen wir, warum jene scharfe Wendung und dieser steile Aufstieg nötig war, und zum Schlüsse tönt es aus dankerfüllten Herzen:

Er hat es alles wohl bedacht Und alles, alles recht gemacht,

Gebt unserm Gott die Ehre!

Deutscher Reichstag.

VV Berlin, 16. Noo.

Am Bundesratstisch Minister von Breitenbach. Der Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr. Die zweite Beratung des Schiffahrtsab- gabengesetzes wird bei Art. 2 fortgesetzt. Dieser ent­hält in 15 Paragraphen die Organisation der Strombau- vecbände.

Auf Anregung des Abg. Strom deck (Z.) gibt Mi­nisterialdirektor Peters Auskunft über die Auslegung des in ß 1 Abs. 2 vorkommcnden BegriffesBefahrungsab- gaben".

Dr. Giese (Kons.): Wir sind der Meinung, daß die Vorlage Bezug aus die Regulierung der Elbe schwer­wiegende technische Bedenken hat und daß außerdem ver­fassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen. Die sächsischen Abgeordneten werden daher ebenso wie sie gegen Artikel 1 gestimmt haben, auch die sonstigen Bestimmungen des Ge­setzes ablehnen.

Böhle (Soz.): Die Mosel- und Saarkanalisierung ist unbedingt notwendig. Wenn die Kanalisierung der Mosel, wie die Konservativen es wollen, auf einer Verständigung zwischen Preußen und Elsaß-Lothringen beruhen soll, so werden wir auch in Jahrzehnten nicht zu besseren Verhält­nissen kommen.

Bassermann (natl.) erklärt, es sei nicht cinzusehen, warum das Moselreoier und die Gebiete an der Saar von Wohltaten des Gesetzes ausgeschlossen werden sollen. Diese Regulierung dürfe aber nicht verbunden werden mit der Erhebung von Abgaben. Redner stellt einen entsprechenden Antrag.

Sommer (f.B.) bittet, die Kanalisierung der Saale bis Weißenfels fortzusühren.

Minister v. Breitenbach betont, die zu dem Artikel eingebrachten Anträge auf Erweiterung des Stromausbaus

Samstag, dm 18. Movemöer

bedeuteten grundsätzliche Aenderungen des Entwurfs, wie er aus der Kommission hervorgegangen sei.

Die preußische Regierung ist der Meinung, daß die Kana­lisation der Mosel im gegenwärtigen Augenblick auf die lebhaftesten Bedenken wirtschaftlicher und finanzieller Art stoßen würde. Auch dem Antrag aus Weiterführung der Kanalisation der Saale bis Weißenfels vermag ich nicht zuzustimmen.

Minister v. Pischek: Wenn die Neuregelung sich eingelebt haben und die Schiffahrtsabgaben die als normal berechnete Höhe erreicht haben werden, werden wir der In­angriffnahme weiterer Aufgaben näher treten.

Bayrischer Ministerialrat Dr. v. Graßmann: Die Gründe, die für die Erweiterung des Bauprogramms vor­gebracht wurden, kann ich nicht anerkennen. Die sianzielle Grundlage des Gesetzes würde insbesondere durch die An­nahme der sozialdemokratischen Anträge erschwert werden.

Behrens (w. B.) zieht seinen Antrag auf Einbezieh- der Lahn bis Siegen zurück.

(Schluß folgt.)

Tcrges-Neuigketten.

N»S Stadt v«d Land.

Nagold, 18. November 1S11.

* Zur gefl. Beachtung. Wegen großen Stoffan­drangs mußte die politische Umschau auf Montag zu­rückgestellt werden. _

Ebhansen, 16. Nov.Auch ein Held". Den achtzigsten Geburtstag feiert heute hier eine Witwe, der man nicht nur um ihres Alters willen gerne Ehre zu teil werden läßt, sondern auch wegen einer heldenhaften Tat, die sie im vergangenen Sommer hier ausführte: Sie hat ihr Häuslein nahe der Nagold und sah so, wie zwei Kinder an einer nicht ungefährlichen Stelle des Ufers spielten. Dabei kam das Wägelchen, in dem das kleinere der beiden Kinder saß, ins Rollen und stürzte in den Fluß, wobei es sich noch überschlug, daß das Kind unter dem Wägelchen im Wasser lag. Bei seinen Hilfeoersuchen geriet auch das ältere Kind in die Nagold, und nur der beherzten Hilfe der Greisin ist es zu verdanken, daß kein schlimmes Unheil sich ereignete.

M. E.

r Fünfbronn, 17. Nov. (Goldene Hochzeit). Michael Müller feierte dieser Tage mit seiner Gattin Eva Maria geb. Wurster im Kreise von Kindern und Kindes­kindern das Fest der goldenen Hochzeit. Beide Eheleute erfreuen sich einer guten Gesundheit. Sie stehen im 80. und 72. Lebensjahr. _

p Stuttgart, 17. Noo. Die Meldung eines Kor­respondenzbüros, wonach die deutschparteiliche Kandidatur des Herrn Regierungsrats Reusch-Ellwangen für die Land­tagsersatzwahl im Bezirk Crailsheim zurückgezogen sei, ist nicht richtig. Wie die Württ. Pressekorrsspondenz mitteilt, wird vielmehr an dieser Kandidatur festgehalten werden.

Stuttgart, 17. Nov. Bei der Ziehung der Geld­lotterie zugunsten des Württ. Vereins für Luftschiffahrt fiel der Hauptgewinn von 15000 ^ auf Nr. 80915, der zweite Gewinn von 5000 ^ auf Nr. 32 537, der dritte Gewinn von 2000 ^ auf Nr. 71147, je 1000 ^ fielen auf Nr. 54147, 38667, je 500 ^ aus Nr. 66164, 44 124. (Ohne Gew.)

Das Erdbeben.

Eingesandt. Sämtliche Berichte der Tagesdlätter über das Erdbeben, von dem ein großer Teil SUddeutsch- lands, u. a. auch Nagold, vorgestern nacht heimgesucht worden ist. bekunden, daß allenthalben Angst und Schrecken, ja vielfach noch Sachschaden entstanden ist. Die Bemer­kung in dem betr. Artikel der gestrigen Nummer,daß bei uns ja so etwas ohne Gefahr verlause", ist sonach un­richtig. Wir dürfen wahrlich Gott dafür danken, daß er, namentlich auch hier, schwerere Folgen dieser Erdstöße gnädig verhütet hat. Aber weiter zu sagenman machte einen Witz daraus", scheint mir denn doch recht eigentümlich. Jeder, der das unheimliche Ereignis miterlebt hat, wird, wenn er ehrlich ist, zugestehen, daß in einem solchen Fall aller Menschenwitz versagt, vielmehr der Mensch sich recht nichtig und ohnmächtig oorkommt! Jeden ernster Denken­den wird das Erdbeben zur inneren Einkehr mahnen und ihm so.recht die Vergänglichkeit alles Irdischen vor Augen führen, zumal in einer Zeit, wo es fast in allen Teilen des Erdballs kriegerisch und aufrührerisch zugeht. IV.

Sachlich bemerken wir hiezu, daß es heißen sollte

1911

machte einen Witz dazu (nicht daraus);es hatte sich ein Setzfehler eingeschlichen. D. R.

* Nagold, 17. Noobr. Interessieren dürfte, daß sich hier das letzte Erdbeben im Jahre 1903 den 29. März ca 9 Uhrf35 M. abends zeigte, ebenso in Hechingen, Balingen und Korntal mit Klirren der Fenster, Zittern von Wand­bilder. (Schmidt, Württ. naturw. Iahreshefte 1904.) Zum Erdbeben vom Donnerstag abend ist zu erwähnen, daß dieses nach einer sog. empirischen Rofsi-Forelschen Skala von 10 Graden über rohe Schätzungen der Intensität von Beben, unter dem 6. Grad einzuteilen ist, wo es heißt : Erwachen der Schlafenden, Schwanken der Hängelampen, Stillstehen von Uhren, Schwanken der Bäume.

Berichte aus dem Bezirk.

Bei den gestern früh sich häufenden Meldungen mußten wir uns darauf beschränken, nur die wichtigsten davon auf« zunehmen. Wir holen noch nach, daß folgende Meldungen eingingen. Telephonisch aus sin gen, Esslingen, Oberschwandorf und Sulz; brieflich aus Rohrdorf: Dis Erschütterung war so stark, daß die Leute auf die Straße liefen. Pfrondorf: Der Erdstoß war so heftig, daß Oefen, Möbel rc. ins Wanken gerieten; Fenster klirrten alles sprang an diese und fragte was es gibt. Unter­schwandorf (Schloß): Zuerste wurde ein donnerartiges Getöse vernommen, dann ein förmliches Krachen in den Wänden, sowie ein Zittem. Sulz: Die Leute sprangen auf die Straße, von einer Hochzeit im Löwen sprang alles heraus, weil die Gläser auf den Tischen hüpften. Es fielen Ziegel von den Dächern, ein Kamin stürzte ein. Wenden: Die Häuser zitterten, Fenster klirrten, die Möbel schwankten. Schönbronn: Die Häuser schwankten, bewegliche Gegen­stände fielen ab und um. Der Korrespondent schreibt: Gewiß für uns, die wir so sicher leben eine ernste Mahnung."

Mötzinger» OA. Herrenberg: Die Fenster und Oefen klirrten, die Bewohner waren sehr erschreckt.

r Stuttgart, 17. Noo. (Das Erdbeben). Bis in die frühen Morgenstunden hinein zitterte die Erregung über das hier ungewöhnliche Ereignis nach. In vielen Wohnungen blieben die Zimmer erhellt und die Bewohner legten sich angekleidet zur Ruhe nieder. Aengstliche Ge­müter aber waren lange nicht zu bewegen, ihre Behausungen aufzusuchen und so sah man noch heute früh besorgte Eltern ihre Kleinen durch die Straßen fahren, fröstelnde Kinder zogen schlaftrunken hintendrein. Bon ernsteren Unfällen liegt bis jetzt keine Meldung vor und diesbezügliche Ge­rüchte erwiesen sich bald als völlig grundlos. In verschie­denen Lokalen wurden Gläser und Geschirr zertrümmert, in den Wohnungen gerieten Möbelstücke ins Wanken und Uhren blieben stehen. Die in der Nacht verbreitete Meldung von der ErdbeHenstation in Hohenheim, nach der keine weiteren Erdstöße zu erwarten seien, wirkte wohl beruhigend, entsprach aber nicht den Tatsachen, da ein weiterer schwacher Erdstoß kurz nach 3 Uhr erfolgte.

Stuttgart, 17. Noobr. Heute nacht um V? 11 Uhr stürzte bei dem heftigen Erdstoß die Kreuzblume auf der Nikolauskirche ein. Personen kamen, trotzdem sich vielf Leute auf der Straße befanden, nicht zu Schaden. -

r Bom Lande, 17. Noobr. Aus allen Teilen des Landes laufen Nachrichten über das Erdbeben in der heu­tigen Nacht ein. Soviel bis jetzt sich aus der Menge der Nachrichten übersehen läßt, kamen Personen nicht zu scha­den, dagegen sind in fast allen Orten Kamine, teilweise auch einige Giebel eingestürzt. Das Erdbeben war überall von einem donnerähnlichen Geräusch begleitet und überein­stimmend wird gemeldet, daß dem äußerst heftigen Stoß um Vzll Uhr ein schwächerer um 12 Uhr und dann wieder ein etwas stärkerer kurz nach 3 Uhr heute früh folgte. Die beiden letzten richteten jedoch nirgends mehr Schaden an, wurden zum Teil auch von der Bevölkerung gar nicht mehr bemerkt. In Ulm wurden um V 2 II Uhr zwei Erd­stöße von je 1 Sekunde Dauer, die sich fast unmittelbar folgten, verspürt. Selbst die größten Gebäude gerieten ins Schwanken. Bilder fielen von den Wänden und was nicht niet- und nagelfest war, wurde durcheinandergeworfen. Auf den Straßen sammelten sich die Einwohner, rufend und schreiend und erst nach einiger Zeit beruhigten sich die auf­geregten Gemüter. In Gmünd dauerte das Erdbeben ca 10 Sekunden. Die Leute stürzten sich auf die Straßen. In den Häusern schwankten die Bilder und von den Dä­chern stürzten Ziegelstücke herab. Es folgten noch einige Erschütterungen und die Aufregung unter der Bevölkerung ließ erst nach, als man wahrgenommen hatte, daß niemand zu Schaden gekommen war. In Heilbronn wurde der erste Erdstoß um 10.28 Uhr verspürt. Der Stoß er­folgte anscheinend von Süden nach Norden und war so